Jan-Hinrik Schmidt
Ja, also die Beobachtung teile ich.
Das ist inzwischen auch so durch erste Studien ja auch nachgewiesen, dass sich Aufmerksamkeit wieder hin zu den klassischen publizistischen Nachrichtenangeboten zum Beispiel verlagert hat.
Ich würde das versuchen aus der Sicht der Nutzerinnen und Nutzer zu erklären.
Dass wir es also hier jetzt mit einem einschneidenden Ereignis haben, mit einem Ereignis für das wir als einzelne Person, aber auch als Gesellschaft,
ja bisher keine Erfahrungen hatten, dass in solchen Zeiten es ein immens hohes Orientierungsbedürfnis gibt.
Also Menschen wollen wissen, also vielleicht nicht alle, aber die meisten Menschen wollen wissen, was passiert da gerade,
wie kann ich mich schützen, was muss ich tun, um mich nicht anzustecken, um vielleicht auch andere nicht anzustecken?
Welche Beschlüsse gelten gerade, was darf ich noch, was darf ich nicht?
Also all diese Informationsbedürfnisse sind jetzt sozusagen bei der Gesamtbevölkerung auf einmal auf der Tagesordnung.
Menschen müssen sich darüber informieren.
Und die Leistung der publizistischen oder der Massenmedien besteht ja gerade darin, dass sie Informationen, gleichlaufende Informationen,
schnell und gleichzeitig an ein großes Publikum, nämlich an das Massenpublikum verbreiten können.
Das heißt, da ist erst mal ganz banal die technische Leistung er Massenmedien, anders als, sagen wir mal, WhatsApp, ist eben,
ein und dieselbe Information kann unglaublich viele Bürgerinnen und Bürger gleichzeitig erreichen.
Das ist so der eine Punkt, dass man also darüber, dass man jetzt als einzelne Person ja auch weiß, gelernt hat im Laufe der Zeit,
dass man sich für solche aktuellen Nachrichten eben auch an die Massenmedien wenden kann und da dann Informationen bekommt.
Man kann dann gleichzeitig, das was ich jetzt erzähle reflektieren wir alle natürlich nicht so ständig in der Mediennutzung,
aber eben abstrakt gesprochen, man kann davon ausgehen, dass andere das dann auch wissen.
Also das was ich aus den Massenmedien weiß, davon kann ich ausgehen, das wissen vielleicht auch andere.
Das wird Teil unserer geteilten Realität.
Und gleichzeitig gilt eben auch noch, du hast das Stichwort Vertrauen schon gesagt, dass zumindest in weiten Teilen der Bevölkerung es eben auch dieses Vertrauen ja weiterhin gibt,
dass die journalistischen Medien bei allen Probleme und auch unterschiedlichen Abstufungen im Wesentlichen ja Informationen liefern, die gecheckt sind,
also es wird uns nicht kompletter Nonsens erzählt und so weiter.
Das heißt, das ist sozusagen ein Wissen, das wir gelernt haben darüber wie Medien funktionieren,
was sich dann niederschlägt in einem zumindest grundlegendem Vertrauen darin, dass das, was ich aus der Tagesschau
oder meinetwegen auch aus meiner Tageszeitung vor Ort erfahre, dass ich mich danach richten kann.
Das ist erst mal sozusagen der grundlegende Mechanismus.
Und ich habe so den Eindruck, das kann ich jetzt nicht irgendwie aus Studien groß bestätigen, das ist mehr jetzt so mein Alltagseindruck,
dass so in den ersten Wochen dieser Fokussierungseffekt, also in den ersten Wochen sozusagen von der Corona-Pandemie
und auch dann den ersten Wochen dieser Ausgangsbeschränkungen etc., dass da diese Fokussierung extrem stark war,
weil der Informationsbedarf so hoch war und dass sich das dann aber jetzt im Laufe der letzten Wochen ja wieder ausdifferenziert hat,
teilweise auch danach, weil es natürlich in der Bevölkerung auch kein einheitliches Meinungsbild gibt, ob nun diese Beschränkungen alle gerechtfertigt sind,
ob die der richtige Weg sind.
In den Medien selber wird eben mittlerweile ja auch unterschiedlich stark thematisiert, dass es unterschiedliche Ansichten gibt,
sowohl unter den Politikerinnen und Politikern, die entscheiden müssen, als auch teilweise ja innerhalb der Wissenschaft,
dass es da wissenschaftliche Stimmen gibt, die bestimmte Maßnahmen eher strenger und manche, die die eher lockerer sehen wollen etc.
Und dadurch kommt jetzt sozusagen wieder eine Differenzierung rein, die aber nach wie vor in den Massenmedien noch abgebildet wird.
Und dann sozusagen als weitere Schritt kommt die Vielfalt an Informationen dazu, die man eben in den digitalen Medien findet.
Ich wollte jetzt gerade sagen, die man in den nicht journalistischen Medien findet, wobei das nicht ganz stimmt,
denn auch sozusagen es finden sich ja auch inzwischen, Stichwort Alternativmedien, finden sich auch Angebote,
die zumindest zu weiten Teilen auch ansatzweise journalistisch arbeiten, aber eben trotzdem es sich zur Aufgabe gemacht haben,
Stimmen zu Gehör zu bringen, die es nicht durch den Filter der publizistischen, sozusagen in Anführungsstrichen, ist nicht mein Wort,
der Mainstreampresse finden, so dass Menschen dort dann eben auch, wenn sie das möchten, mal Informationen bekommen,
die im Gegensatz zu dem stehen, was jetzt zum Beispiel Angela Merkel verkündet.
Und wenn man das jetzt noch koppelt, das ist ein sehr langes Argument jetzt, wenn man das jetzt noch koppelt mit den Prozessen der Meinungsbildung,
die so im persönlichen Gespräch stattfinden, dass man sich mit den Nachbarn unterhält, in der Familie, dass man sich austauscht,
dann ist sozusagen wenn man das noch mit reinnimmt, was sich auch ausdifferenziert, dann kann man, glaube ich, inzwischen sagen,
dass also diese ursprüngliche Fokussierung auf Informationen einiger weniger journalistischer Outlets, dass die inzwischen abgeschwächt wurde zumindest.
Und dass es wieder zu einer Situation kommt, die es vorher auch schon gab, dass also Massenmedien nach wie vor fokussieren,
dass es aber bestimmte Gruppen der Bevölkerung und auch bestimmte Anteile der Bevölkerung zu bestimmten Themen gibt,
die sich aus anderen Quellen mit anderen Ansichten informieren wollen und danach dann ihre Meinung bilden.
Der große Unterschied den ich zwischen Coronakrise und Klimakrise sehe, ist die Geschwindigkeit.
Die Coronakrise kam im Dezember auf (für gut informierte) und stand im März vor der Tür. Maßnahmen mussten sofort gemacht werden und Reaktionen/Auswirkungen kann man innerhalb von 2 Wochen sehen. Die getroffenen Maßnahmen haben sich sofort auf die Wirtschaft ausgewirkt.
Die Klimakrise ist seit den 70ern in mancher Leute Horizont. Auswirkungen sind definitiv indentifizierbar aber schleichen sich eher ein. Diese schleichenden Verschlechterungen machen es nicht immer auf Anhieb klar ob ein direkter Zusammenhang mit dem Klima gegeben ist.
Der Frosch im Wasserglas kommt ist wohl eine passende Analogie hier.
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Schließe mich gerne an. Im Grunde genommen stand man mit dem Rücken zur Wand und konnte doch nur einheitlich und entsprechend drastisch durchgreifen mit komplettem Lockdown. Es geht halt immer darum, wie gut man die zukünftigen Ereignisse prognostizieren kann.
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