Stefan Kröpelin
Es sind sehr sehr aufwendige Unternehmungen. Früher gingen ja die Expeditionen 2-6 Monate lang und man muss praktisch für diese Monate, die man in der völlig menschenleeren Wüste dann verbringt, alles mitnehmen, was man braucht. Und wenn man jetzt so eine Gruppe hat von 10 Menschen. Man muss also jeden Tag 5 Liter Wasser mitnehmen, die wir immer so im Schnitt gerechnet haben. Oft haben wir sie nicht gebraucht. Und für alles, für Trinken, Kochen, Waschen, Zähneputzen und so weiter, also 5 Liter im Mittel. Dann braucht man natürlich Notreserven. Man muss sämtlichen Treibstoff mitbringen. Wir hatten zum Teil 26 Tonnen, mehrere Unimogs und dann noch 5-6 von Geländewagen, die den gesamten Treibstoff für viele Monate für tausende Kilometer lange Anfahrten und Rückfahrten natürlich. Wir hatten zum Beispiel bei einem Berliner Projekt einen eigenen Tankwagen, in den fast 10.000 Liter Diesel und und nochmal 6.000 Liter Wasser reingepasst haben.
Die man braucht. Man muss sämtliche Lebensmittel mitnehmen. Man muss natürlich medizinische Versorgung mitnehmen. Man muss Werkzeug mitnehmen und so weiter. Und dann kommt ja erst drauf die wissenschaftliche Ausrüstung, die man braucht zur Probennahme, für Bohrungen, für alle möglichen sonstigen Untersuchungen und Vermessungen. Es ist eine wirklich immer so eine gerade monatelangen Unternehmungen, das sind wirklich so kleine militärische Aktionen. Wo man alles mitnehmen kann. Und alles was man nicht dabei hat, ist nicht ersetzbar. Und jedes Satellitentelefon, was man jetzt hat, was ausfällt, ist unersetzbar. Jedes Messgerät, das unter den extrem harten Bedingungen eine kleinere Reparatur erfordert, wo man hier mal in den Baumarkt fährt, und man geht in die Werkstatt und lässt es reparieren, ist dann nutzlos für den Rest des Aufenthalts.
Und man muss eben sagen, also ich sage immer wirklich, die Wüste frisst alles. Es gibt kaum etwas, was in der Wüste diese harten Bedingungen von den Temperaturschwankungen eben am Tag bis 50 Grad im Schatten, bloß Schatten gibt es ja nicht, es sind ja viel höhere Temperaturen, nachts kann es bis weit unter 0 Grad runtergehen. Die Sandstürme, die Staubstürme, der Staub, der überall reingeht wie Wasser. Und gerade sind da elektronische Geräte extrem anfällig und Kameras und so weiter. Also es ist nur eine Frage der Zeit, bis fast alles kaputt geht. Das ist jetzt ein Aspekt, eben dieser riesige logistische Aufwand, der für jeden Geländeeinsatz wirklich nicht nur Wochen, sondern meistens monatelange Vorbereitung erfordert. Dann sind es die allgemeinen Lebensbedingungen. Wo ich sagen würde, das würden viele Soldaten auf die Dauer nicht mitmachen. Denn man muss überlegen, man ist mehrere Monate unterwegs. Man schläft immer draußen am Boden.
Vielleicht auf einer Isomatte in seinem Schlafsack. Wir haben fast nie Zelte dabei aus verschiedenen Gründen, weil sie entweder wegfliegen oder die ganze Nacht flattern im Wind oder weil man sie überhaupt nicht richtig fixieren kann im Boden. Oder weil die Luftfeuchtigkeit, die sich im Zelt entwickelt in kalten Nächten die Kälte noch verstärkt und so weiter. Also man schläft draußen, man lebt von 5 Litern bestenfalls am Tag. Man isst sehr eintönig. Normalerweise einen Abend Reis, nächsten Abend Nudeln, am nächsten Tag Reis, Nudeln und so weiter mit einer einfachen Soße aus Konserven und vielleicht noch ein paar Zwiebeln natürlich, die man mitnehmen kann. Beim Frühstück entweder Müsli oder Dosenbrot. Man isst mittags paar Fischdosen. Es gibt keinerlei Ablenkung. Man hat also da manchmal monatelang kein Bier natürlich, keinen Schluck Alkohol. Man kann nicht mal ins Kino gehen, man kann sich nicht duschen. De facto sind es wirklich Lebensbedingungen, wo man wirklich schon hochmotiviert sein muss, um die zu akzeptieren.
Und das ist auch ein Problem, dass es immer schwieriger wird, eben auch Studenten zu finden oder überhaupt Kollegen, die bereit sind, unter diesen Bedingungen regelmäßig in die Wüste zu fahren. Und da sind wir wirklich so eine aussterbende Generation glaube ich. Und dann kommt natürlich in der jüngeren Vergangenheit, also in den letzten 10 Jahren diese wachsende Unsicherheit hinzu, die ja praktisch jetzt fast die gesamte Sahara erfasst, eben durch Terrorismus, durch die Verfügbarkeit von kleinen Waffen, natürlich auch durch moderne Navigationsmittel wie GPS oder andere, die es viel einfacher machen, in entlegene Regionen zu fahren. Was früher ja gar nicht möglich war. Da ist man aus dem letzten Oase rausgefahren und man wusste, niemand würde einen jemals finden. Auch keine größere Armee. Außer die würden jetzt Satellitenüberwachung machen und so weiter.
Dagegen heutzutage, jeder der einen guten Geländewagen hat und ein GPS, der könnte sich auf unsere Spuren machen. Und diese Unsicherheit ist vielleicht wirklich auch das schlimmste neben den Landminen, die halt wirklich noch in manchen Gebieten, natürlich immer nur auf den Hauptachsen als Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkriegs in manchen Regionen, in Ägypten zum Beispiel und Libyen oder jetzt auch im Tschad, die dann auf die kriegerische Auseinandersetzungen damals zwischen Tschad und Libyen zurückgehen. Dass man dann auf der Anfahrt vor allem aufpassen muss, dass man nicht irgendwie auf eine alte Mine fährt, die sich ja in diesem sehr trockenen Milieu sehr lange halten. Wenn man dann mal richtig weit weg ist und in richtigen Arbeitsgebieten, da war nie jemand und da ist auch nichts zu befürchten. Aber man muss ja immer erst mal hin und zurückkommen und das ist eben dieser neue Aspekt, der es sicher so schwierig gemacht hat, in der Sahara zu arbeiten, wie nie zuvor.
Und dass selbst die Altvorderen, die jetzt so vor 80 Jahren dort geforscht haben oder die allerersten von 150 Jahren, wie Gerhard Rohlfs in Ägypten zum Beispiel, diese Probleme hatten die nicht. Und die hatten die völlige Unterstützung jetzt eben halt von damaligen Königen oder von der Regierung. Die hatten ihre bewaffneten Bewacher dabei. Und hatten also eher günstigere Bedingungen als wir die heute haben. Und sie hatten eben bis in die 30er Jahre hinein und zum Teil bis in die 50er Jahre hinein halt Expeditionen, die halt dann mit Kamelen durchgeführt wurden. Die also weniger reparaturanfällig sind als Fahrzeuge. Wo halt heute gerade bei den modernen Fahrzeugen, wenn da irgendeine Elektronik ausfällt, dann muss man das Fahrzeug stehen lassen und wenn ein Kamel stirbt, ist traurig und schlimm, aber man kann weiterziehen, wenn man genug dabei hat. Also es ist heute in vieler Hinsicht eher schwieriger geworden. Und das schreckt eben halt immer mehr ab.
Und das muss man eben auch sehen, dass die Rahmenbedingungen, unter denen wir diese Proben nehmen, die ja zum Teil ganz tolle Ergebnisse gebracht haben, die unvergleichbar schwieriger sind, als wenn man jetzt auf einem Forschungsschiff unterwegs ist, wo Bohrarbeiter die Kerne ziehen. Man hat schon Laboratorien auf den Forschungsschiffen, man lebt in einem klimatisierten Raum. Und selbst auf Grönland, wo man dann meistens den ganzen Tag, wenn man drin ist, in Shorts verbringt und nicht unter diesen prekären Bedingungen, die wir haben. Und jede Probe, die wir dort nehmen, die müssen wir dann erst mal tausende Kilometer ohne irgendwelche Straßen oder Pistenverbindungen zum Teil zurück bringen in die Hauptstädte. Da müssen wir die exportieren und zurückbringen. Also der Aufwand ist erheblich. Und deswegen hat es auch in der Ostsahara kaum jemand gemacht sage ich jetzt mal, außer unseren deutschen Forschungsprojekten im Rahmen dieser Sonderforschungsbereiche in Berlin und Köln. Also vergleichbares gibt es nicht.
Jetzt schon überhaupt nicht mehr, weil in dieser riesigen Wüste ja praktisch überhaupt niemand mehr arbeitet, sagen wir mal außer uns. Und eben auch früher gab es nie vergleichbare Projekte, die eben halt diesen riesigen logistischen Aufwand erfordern, diese Einsatzfreude, diese monatelangen Geländeaufenthalte. Wenn man es mag, ist es ein Traum. Aber für die meisten Wissenschaftler, die jetzt mehr ergebnisorientiert arbeiten wollen und die wollen nur Proben holen, da macht man es einmal mit zweimal, wenn es hochkommt und dann möglichst nie wieder. Und das erfordert eben schon mehrere günstige Faktoren, sonst würde man nie eben dieses Probenmaterial und diese Daten bekommen.
Mal wieder super Folge, sollte es einen Teil 2 geben werde ich mir den auch auf jeden Fall anhören
Grüße aus Leipzig
Herzlichen Dank an beide Gesprächspartner für das informative Interview. Eine zweite Folge mit mehr Forschungsdetails wäre sicher interessant!
Meiner Meinung nach die beste Folge bisher. Herr Kröpelin hat einen sehr interessanten Einblick in das Thema gegeben. Ich hätte ihm noch locker 2 weitere Stunden zuhören können. Ich hoffe es gibt eine Fortsetzung!
Grüße aus Hannover
Herr Kröpelin ist einer der besten Podcast-Gäste, die ich bisher hören durfte :-) Danke für diese Episode! Mehr von ihm gibt es z.B. auf Englisch bei http://forecastpod.org/index.php/2016/01/06/stefan-kropelin-and-45-years-of-exploration-and-science-in-the-eastern-sahara/
Sehr interessante Folge! Es gibt sogar noch den in der Folge erwähnten Artikel über den englischen Patienten noch online bei der Zeit: http://www.zeit.de/1997/17/Die_Wueste_des_Englischen_Patienten/komplettansicht
Woah, wieder jemand, der für ein Thema brennt, und das super interessant rüber bringen kann.
Bitte gern noch mehr!
Schönes Thema mit so viel Potential, mehr über die abegelendensten Regionen der Welt zu erfahren. Schade um die viele Sendezeit, in der Herr Kröpelin so viel über seinen Bekanntenkreis mitteilen wollte.
Ich habe auf Tims Fragen geantwortet und in Nullkommanichts waren die zwei Stunden vorüber, aber stehe gerne für weitere zwei Stunden reine Wissenschaft zur Verfügung.
SK
Scheint eine durchwachsene Folge zu sein. Es war zwar viel Interessantes zu hören, aber zum eigentlichen Gegenstand der Forschung, Wüsten, war fast nichts dabei.
Pingback: Das Klima als "Motor der Entwicklung" - Interview mit Stefan Kröpelin – geschichte 21
Eine ganz wunderbare Folge, vielen Dank :-) Hat mich dazu animiert, mir auf einer Mathematiker-Konferenz einen Vortrag über die Modellierung der Dünenbildung anzuhören. Sehr empfehlenswert! „Why is the desert not flat? The interesting physics of windblown sand.“ https://doi.org/10.5446/35359 bzw. https://av.tib.eu/media/35359