Michael Vogel
Ja, also Betriebswirtschaftslehre, so wie es im Wöhe-Lehrbuch steht ist glaube ich leidenschaftsfrei. Also da lässt sich nicht viel machen. Aber die Art, wie man studieren kann, daran lässt sich recht viel tun. Und das treibt mich eigentlich sehr stark um. Ich beschränke mich vielleicht jetzt auch auf wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge, weil es die sind, die ich eigentlich am besten kenne, über Geisteswissenschaften kann ich nichts sagen oder Naturwissenschaften. Leute, die später im Unternehmen vielleicht auch Verantwortung übernehmen möchten, die Entscheidungen treffen müssen, die möglicherweise die Leben von vielen anderen Leuten betreffen und mit einem ökonomischen Blick an Probleme, an Fragestellungen herangehen, die können auch anders als in Entscheidungstheorie auf diese Rolle vorbereitet werden.
Und wir haben ja in Deutschland schon länger die Diskussion, ob es zum Beispiel bestimmte Studiengänge gibt, die besser prinzipiell an Fachhochschulen aufgehoben sind, weil sie einfach nur Berufspraxis vorbereiten und nicht eine wissenschaftliche Laufbahn. Und Betriebswirtschaftslehre wäre sicherlich ein Studiengang, den ich dort ansiedeln würde. Und die Fachhochschulen haben die Möglichkeit, sehr viel praxisnäher und vielleicht auch ein Stück weit praxissimulierender oder tatsächlich praktischer zu funktionieren. Seit meiner Berufung da an die Hochschule Bremerhaven und sagen wir mal nach den ersten zwei Jahren, in denen ich nun gekämpft habe, um meine Vorlesungen vorzubereiten und wenigstens ein paar Stunden Vorsprung vor den Studierenden zu haben, ab da habe ich immer wieder Experimente unternommen in der Lehre mit dem Ziel, den Studierenden Freiräume zu schaffen, in denen sie sich selbst ausprobieren können.
Eine Methode, die sich bei mir als sehr wirksam erwiesen hat ist problembasiertes Lernen. Da ist meine Rolle als Lehrender, nur ein Szenario zu schildern, das möglicherweise mit einem oder vielen Problemen durchsetzt ist und einen Prozess zu definieren, anhand dessen die Studierenden mit dieser Problemsituation sich beschäftigen sollen. Das sieht dann so aus, dass die Studierenden in Teams erst mal überlegen, haben wir eigentlich verstanden was in dem Text vor sich geht? Welche Begriffe haben wir nicht verstanden oder welche Zusammenhänge haben wir nicht verstanden? Und was müssen wir tun, um es zu verstehen? Erstmal zu erkennen, was man nicht weiß. Das ist eine sehr wichtige Sache, die wird im Studium in der Regel unterschätzt. So dann werden Aufgaben verteilt innerhalb der studentischen Teams. Wer informiert sich über was und referiert hinterher, so dass beim nächsten Treffen das Team insgesamt in die Lage versetzt wird, die Ausgangssituation zu verstehen und vielleicht schon Probleme zu erkennen. Probleme zu definieren.
Und naja jedes Team liest in einer gegebenen Situation ein ganz anderes Problem hinein oder heraus. Da sieht man schon diesen typische Fallstudienansatz, der in betriebswirtschaftlichen und Managementstudiengängen verbreitet ist. Wo dann ein 12-seitiger Text vorgegeben wird und irgendwo ist dann total offensichtlich, wo das Problem liegt und dann hat man 45 Minuten, um dieses Problem zu lösen. So funktioniert problembasiertes Lernen nicht, sondern es ist eher unstrukturiert. Die Probleme sind größer als das was die Studierenden auf Anhieb erfassen können. Eigentlich werden sie überfordert und müssen kämpfen, um mit dem Problem, das sie überfordert, zurechtzukommen. Und darin besteht eigentlich ein ganz wichtiger Lerneffekt. Nicht nur das Fachwissen, das sie sich auf die Weise aneignen, sondern auch die Fähigkeit mit unstrukturierten, miteinander verwobenen, konfusen Situationen umzugehen.
Und dann auch noch ein Team, wo unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen, da einem gemeinsamen systematischen Lösungsweg zu folgen. Und zum Schluss für ein selbstdefiniertes Problem Lösungsalternativen gefunden zu haben, sie bewertet zu haben und sich schließlich begründet für einen Lösungsansatz entschieden zu haben.
Pingback: Service Learning und Offene Wissenschaft auf der Straße | olivertacke.de
Pingback: Was man als Lehrender der BWL (und anderswo) machen könnte | Oliver Tacke
Pingback: Hyperlinks der Woche #1 - Studieren.digital
Pingback: Hyperlinks der Woche #1 - *** Studieren.digital ***