Jan Kalbitzer
Also auch da bin ich wieder kritisch, ich bin ja zu AfD-Veranstaltungen hingegangen, um mir das anzugucken
und mein Eindruck war, dass die Leute total offen mit mir alle geredet haben.
Die hatten zwar eine ganz andere Meinung und haben das für totalen Bullshit gehalten, was ich gesagt habe,
und zum Teil fand ich auch ganz furchtbar was die gesagt haben, aber es gab niemanden, der nicht mit mir reden wollte,
weil bei vielen auch der Wunsch da war, mich zu überzeugen.
Und deswegen sind die mit mir in die Auseinandersetzung gegangen.
Und wenn man dann merkt, das bringt gar nichts, dann kann man auch sagen, das ist mir zu viel, aber das muss man austesten.
Und ich hatte da so ein Schlüsselerlebnis.
Es gibt einen Journalisten von der Süddeutschen Zeitung, ich habe jetzt den Namen vergessen,
der aber in seinem Profil öffentlich schrieb, dass er Journalist für die Süddeutsche Zeitung ist, das war also, da stand quasi was öffentlich von der SZ drin,
da ging es darum, dass Christian Lindner von der FDP damals so ein bisschen versucht hat, mit Äußerungen im AfD-Milieu zu fischen.
Und dann ging es darum, irgendwie wie soll man damit umgehen?
Er diskutiert mit Renate Künast auf Twitter und schrieb dann so, lieber die FDP im Bundestag, glaube ich,
als die Spackos von der AfD.
Und da habe ich drauf reagiert und dann geschrieben, unabhängig von der politischen Meinung finde ich das völlig inakzeptabel,
dass jemand, der als Journalist objektive Berichte liefern soll und als Journalist auf Twitter auftritt, so einen Kommentar da raushaut.
Zum einen den Begriff Spackos, aber zum anderen über eine Partei so zu schreiben als persönliche Meinung, finde ich komplett falsch.
Und das war der Punkt, wo mir die AfD folgte und ich mit denen, weil ich habe gar nicht gesagt, dass ich AfD-Positionen teile,
sondern ich habe nur gesagt, ich finde so eine Art des Umgangs nicht in Ordnung, wo ich mit denen im Privatchat sehr offen in die Diskussion gekommen bin.
Also ich teile nicht deren Ansichten, ich glaube, ich habe niemanden konvertiert, aber ich habe verstanden,
wie man mit einer bestimmten Art von Argumenten besser umgehen kann.
Und das habe ich auch, als ich für die Welt was geschrieben habe und danach in den Kommentarspalten mitdiskutiert habe,
auch da habe ich gelernt, es gibt Positionen, die ich wirklich wirklich schlimm finde, und dann zu trennen,
es gibt Aspekte bei den Personen, das eine ist eine tiefe Verbitterung und Wut und das andere ist eine Selbstvergewisserung,
ich schreibe etwas aggressives und kriege dann ganz viel positive Bestätigung von anderen, also da ist so ein Strom drin,
wo man da verstärkt wird.
Schlecky Silberstein hat das anhand seiner Mutter beschrieben, die in so eine …
Also er beschreibt, dass seine Mutter in diesem Buch über das Internet, wie hieß das Buch von Schlecky Silberstein, „Das Internet muss weg“,
da beschreibt er in so einem Kapitel über seine Mutter, wo er schreibt, dass sie in so eine rechte Blase gerät,
weil sie dann anfängt, so rechte Dinge zu posten und ganz viele positive Nachrichten und Feedback dafür kriegt.
Das Phänomen, wie so was entsteht, wollte ich übrigens mal untersuchen mit Luka Hammer, der auf Twitter relativ viele coole Analysen macht.
Haben wir immer noch nicht umgesetzt.
Auf jeden Fall diesen Effekt, dass es eine Verbitterung gibt, dass es eine positive Verstärkung gibt und dann,
und da komme ich auch wieder zu den Dingen mit den moralischen Prämissen der Forschung zurück, die Vorstellung,
dass viele journalistische Artikel und auch wissenschaftliche Stellungnahmen auf der Grundlage einer moralischen Haltung
und auch einer moralischen Rechthaberei entstehen, gegen die man sich zur Wehr setzen will.
Und wie man mit diesen verschiedenen Aspekten umgeht, fand ich ganz interessant.
Mich interessiert vor allem die Verbitterung.
Wie wird jemand so verbittert, dass er alle Hemmungen fahren lässt und hetzt und Tabus bricht?
Da möchte ich den Menschen gerne begegnen.
Muss mich aber auseinandersetzen damit, dass die die ganze Zeit total positives Feedback für ihre harten Kommentare gegen mich kriegen,
was sie total verstärkt darin, harte Kommentare zu schreiben.
Und gleichzeitig habe ich den Aspekt drin, dass, wenn ich den Eindruck erwecke, dass ich meine wissenschaftliche Position nutze,
um meine persönliche Meinung zu verbreiten, mich total angreifbar mache, diese Aspekte waren da so alle mit drin.
Und da hatte ich so ein Schlüsselerlebnis.
Ich habe einen Artikel für die Welt geschrieben, der hieß „Rettet Frauke Petry“, wo ich geschrieben habe, dass wir Brücken bauen müssen.
Frauke Petry ist ja damals aus der AfD ausgetreten, der AfD-Fraktion und da habe ich gesagt, Leute passt auf,
wenn wir jetzt ein positives Beispiel setzen und sagen, wir nehmen dich zurück in die Mehrheitsgesellschaft,
wenn du sagst, das mit der Hetze war völliger Mist, das geht gar nicht und das mit den Tabubrüchen ist nicht in Ordnung,
dann nehmen wir dich zurück auf in die Mehrheitsgesellschaft.
Wir müssen diesen Schritt machen, um die Spannung zu überwinden und mehr Menschen zurück zu gewinnen,
vielleicht folgen dann ja noch mehr nach.
Das habe ich geschrieben für die Welt und total aggressive Kommentare gekriegt, wo dann auch so drin stand von wegen,
nicht die AfD sind diejenigen, die sich irren, sondern die, die sich als Mehrheitsgesellschaft bezeichnen
und hier argumentiert jemand aus der rechthaberischen Position heraus.
Und das ging auf einen Blog von einem Politiker namens Holger Arpel, heißt der glaube ich, der ist irgendwo in,
lass mich nicht lügen, Mecklenburg-Vorpommern, da stand der vorm AfD-Ausschluss und der schrieb was sehr negatives über meinen Kommentar.
Von wegen dass es wie so eine Sekte wäre für die ich schreibe oder so was.
Kehret um hieß dieser Kommentar von ihm, glaube ich, auf seinem Blog.
Und unter diesem Kommentar, ich lese ja wirklich alles, unter diesem Kommentar war eine Antwort von einer Person,
einem AfD-Anhänger, der schrieb, wenn die AfD erst an der Macht ist, dann müssen wir aufpassen, dass wir nicht die gleichen Fehler machen wie die Leute jetzt,
nämlich dass wie die Minderheitenmeinungen unterdrücken.
Das heißt, der hat geglaubt, wenn ich die AfD unterstütze, werden Minderheitenmeinungen wieder stärker möglich
und wenn wir dann an der Macht sind, müssen wir aufpassen, dass wir nicht die gleichen Fehler begehen, wie die, die jetzt da gerade an der Macht sind,
und Minderheitenmeinungen unterdrücken.
Das ist ja eine Haltung, die ich total teile, von der Person, die den Eindruck hat, die AfD würde das wiederherstellen.
Wie trete ich zu so jemandem in Kontakt, der das da so sagt?
Der mich als einen totalen Spinner empfindet, der seine Position als Wissenschaftler und seine Möglichkeit zu publizieren ausnutzt,
um seine persönliche Meinung zu verbreiten, dessen Grundhaltung ich aber total teile, wenn es darum geht,
dass alle Minderheiten geschützt werden müssen in ihrer Meinungsfreiheit und ihrer Möglichkeit auf Gesundheit und Entwicklung.
Das sind total interessante Fragen, die sich aufgetan haben.
Das kann man aber nur, wenn man nicht davon überwältigt ist oder sich zu großen Gefahren aussetzt oder das Gefühl hat, das geht gerade gar nicht.
Das heißt, man muss für sich den Kontext suchen, in dem man üben kann und in dem das für einen möglich ist.
Man muss also Herausforderungen langsam steigern und auch ein bisschen rumprobieren, bevor man so weiß, was ist so mein Umfeld.
Und dazu möchte ich eigentlich animieren.
Das ist alles, was ich immer wollte, im Bezug auf das Internet und jetzt auch auf gesellschaftspolitische Veränderungen,
wir müssen spielerischer sein, wir müssen weniger Angst haben vor Fehlern.
Wir müssen sagen, mein Gott, es wird vieles schieflaufen, so ist menschliche Entwicklung.
Es findet viel Entwicklung im Spiel statt, wir brauchen neue Kulturen, wie wir mit Internet umgehen, wie wir online kommunizieren.
Wir müssen ausprobieren, um das zu finden, wir können nicht jeden Fehler gleich verteufeln.
Wir dürfen uns nicht verdammen, wenn wir Fehler machen, nicht alles ist gleich ein Scheitern, sondern der Mut zu spielen
und auszuprobieren ist das, was es braucht, und die Stärke zu haben, sich zu trauen auszuprobieren, in der Familie auch zu sagen,
okay, dann akzeptieren wir doch als Familie mal, dass alle die ganze Zeit Smartphones nutzen und gucken, wie es uns nach einer Woche geht.
Am Esstisch, auf dem Sofa, alle benutzen nur noch ihr Smartphone, dann setzen wir uns nach einer Woche gemeinsam hin und sagen,
wie geht es uns jetzt?
Wir haben vielleicht alle viel weniger miteinander gestritten, weil wir die ganze Zeit hinter den Geräten waren.
Andererseits vermissen wir uns vielleicht auch ein bisschen und sind auch so ein bisschen belämmert, weil wir die ganze Zeit auf diese Bildschirm gestarrt haben.
Ich finde ja, das größte Problem des Internets ist der Weg, auf dem es zu uns gebracht wird, dieser dumme zweidimensionale Bildschirm,
das finde ich total anstrengend.
Pingback: Angst und Zukunft – Jan Kalbitzer
Hier noch der angesprochene Artikel von Randolph Nesse (Is Depression an Adaption?)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10632228
Leider hinter Paywall, aber folgt einfach dem schwarzen Raben mit dem Schlüssel im Schnabel ;)
Bin grade erst bei Minute 18, ist jetzt aber schon sehr interessant!
Aber ich finde zum Thema Internetsucht ja, dass das irgendwie so ist, also ob man sagen würde wir sind alle Verkehrsüchtig (Auto, Öffis). „Internet“ ist nicht ein Ding. Internet sind so viele unterschiedliche Sachen. Internet ist mein Beruf, meine Kommunikation, meine Spiele, mein Fernsehen, mein Radio, meine Nachrichten, meine Lehrmaterialien etc. Nicht das Internet verwenden würde mich stärker von der Welt abschneiden als nicht Straßen und Bahn zu verwenden. Nicht das Internet verwenden wäre sozialer Rückzug. Es ist einfach keine Option. Kann man in so einer Situation von Sucht reden? Wie erkennt man in so einem Kontext eine Sucht?
Der Link zum Transkript wirft einen 404.
Ja ist noch nicht fertig. Kommt.
Sehr schönes Gespräch, danke.
Beim Umgang mit den „Spackos“ bin ich jedoch eher bei jenen, die eben nicht mit den Rechten reden wollen. Entweder sind sie von ihrem Handeln überzeugt, dann bringt eine Diskussion nichts. Oder sie sind in diese Ecke abgerutscht, weil sie vernünftigen Argumenten nicht zuhören wollen. Auch dann ist das Gespräch nur enttäuschend.
Und zu den Journalisten und ihren Meinungen: Ich finde Journalisten dürfen und müssen auch ihre eigene Meinung kommunizieren. Das ist nichts schlimmes. Sie sollten es nur klar von der Berichterstattung trennen. Aber dass ein Redakteur der taz nun eine andere Meinung vertritt als jemand von der Welt ist wohl allen klar.
Als Österreicher möchte (zu Minute 65) ich noch hinzufügen, dass Stuhl nichts ist worauf man sich setzen sollte. ;-)