Christopher Zimmermann
Ja, wie hat sich das entwickelt?
Also Hering, gerade Hering ist im Grunde eine Ressource, die schon sehr sehr lange genutzt wird.
Im Grunde baut die ganze Hanse darauf auf.
Das war im Grunde Skagen- und Skanör-Hering, der dicht an der Küste gefangen werden konnte.
Da brauchte man zum Haltbarmachen Salz, das kam aus Lüneburg zum Beispiel
oder wo immer man Salz finden konnte.
Und diese Handelswege, Fisch in die eine Richtung, Konservierungsmittel Salz in die andere Richtung
und alles gemeinsam, also den konservierten Hering irgendwo anders hin,
das war im Grunde die Grundsteine der Entwicklung der Hanse.
Das musste dann geschützt werden gegen Piraten und so weiter.
Also wir wissen, seit dem frühen Mittelalter im Grunde wird das Ganze auch in großem Stil gefischt und seitdem genutzt
und seitdem weiß man auch, dass die Heringe mal da sind und mal nicht da sind.
Wie die genau funktionieren diese Zyklen, ist nicht ganz klar.
An der Überfischung kann es damals kaum gelegen haben, dass die ausgeblieben sind.
Denn es blieb eine sehr kleine Küstenfischerei, sie war nicht mechanisiert,
die Ordnungsmethoden waren nicht besonders gut, sondern die Fischer haben halt genutzt,
was ihnen sozusagen vor die Nase schwamm.
Aber seitdem ist gerade Hering eine sehr sehr wertvolle Ressource, auch in der Ostsee.
Geändert hat sich die Fischereipraxis im Grunde erst mit der Erfindung der Dampfmaschine, wie überall.
Da wurde es mechanisiert, die Kutter konnten länger draußen bleiben, konnten größere Netze ziehen.
Aus der Stellnetzfischerei, die wir zu den stillen Fischereien zählen,
also eine Fischerei, die Netze aufstellt und wartet darauf, dass die Fische ins Netz gehen,
wurde eine aktive Fischerei, durch die Möglichkeit, Netze zu ziehen.
Und da wurde man wenigstens in anderen Gebieten der Welt, nicht so sehr in Ostsee,
sehr schnell darauf aufmerksam, dass Fischbestände keineswegs unendlich sind,
sondern eben endlich und wenn man nicht anfängt, sie vernünftig zu bewirtschaften,
dann haben die irgendwann ein Ende.
Das heißt nicht, dass sie aussterben, denn in aller Regel sind sie so weit verbreitet,
dass der letzte Fisch tatsächlich nicht gefischt werden kann.
Es bleiben immer Schwärme übrig, die so produktiv sind, dass sich auch katastrophal überfischte,
kollabierte Fischbestände innerhalb weniger Jahre erholen können.
Beispiel ist der Nordseehering mit der Erfindung der Ringwade.
In den 60er Jahre wurde der so überfischt, dass am Ende noch 50.000 Tonnen erwachsene Tiere übrig waren.
Normalerweise sollte der Bestand so bei 1,3 Millionen Tonnen groß sein.
Daraufhin wurde 1977 die Fischerei geschlossen und schon vier Jahre später konnte sie wieder eröffnet werden,
weil der Bestand in diesen vier Jahren so viel Nachwuchs produziert hat, dass der Bestand auf gutem Wege war.
Und ein paar Jahre später hatte er sich erholt.
Also marine Fischbestände sind unfassbar produktiv.
Im Grunde reicht theoretisch ein einziges Pärchen, um eine Bestand wieder aufzubauen.
Das will man natürlich nicht.
Und man muss eben nur dafür sorgen, dass die auch die Gelegenheit bekommen, das zu tun.
Mit der Industrialisierung sozusagen oder mit der technischeren Nutzung war dann klar,
wir brauchen ein gemeinsames Management, Fischbestände wandern,
halten sich nicht an nationalstaatliche Grenzen und wenn die deutsche Regierung beschließt,
wir setzen die Fangmengen so und so fest, wir setzen irgendeine Grenze fest und die anderen halten sich nicht,
macht das wenig Sinn.
Das führte schon 1902 dazu, dass eine internationale, die älteste internationale zwischenstaatliche Organisation überhaupt,
der internationale Rat für Meeresforschung in Kopenhagen gegründet wurde.
Und diese Organisation kümmert sich seit 1902 darum, die wissenschaftlichen Daten aus allen interessierten Ländern,
also allen Ländern, die auf einen bestimmten Fischbestand fischen, zusammenzutragen,
den Bestand zu begutachten und am Ende aus der Begutachtung Empfehlungen für die Politik abzuleiten,
wie man einen solchen Bestand nachhaltig bewirtschaften könnte.
Nun gibt es viele Leute, die sagen, das ist alles sehr aufwendig, das brauchen wir alles gar nicht.
Die kleine Küstenfischerei, wenn man die nur fördern würde, und die großen Trawler verbieten würde, dann wäre alles gut.
Das sehen wir völlig anders.
Erstens reicht auch die Kapazität der kleinen Küstenfahrzeuge dicke aus, um Bestände zu überfischen.
Es kommt nicht darauf an, ob es tausend kleine oder fünf große machen,
sondern es kommt am Ende nur darauf an, wie die entnehmen.
Und ein großes Fahrzeug kann exakt genauso nachhaltig fischen wie viele kleine.
All diese Fischereimethoden haben ihr Vorteile und ihre Nachteile.
Und deswegen können wir das gar nicht abwägen gegeneinander und sagen,
große Fahrzeuge sind schlecht, kleine Fahrzeuge sind gut oder genau andersrum.
Wir wissen, dass kleine Fahrzeuge größere Probleme bei der Einhaltung der Regeln und bei den Beifängen von meinetwegen Seevögeln haben.
Große Fahrzeuge fischen dafür in der Regel unselektiver,
haben also größere Probleme bei den unerwünschten Fischbeifängen.
Können natürlich viel mehr anrichten in der gleichen Zeiteinheit,
sind dafür aber viel leichter überwachbar, weil die vollgestopft sind mit technischen Möglichkeiten,
um zu sehen, was sie genau wo machen und so weiter.
Wichtig ist, dass man am Ende die Fanglimitationen einhält.
Die Forschung dafür ist relativ günstig.
So im langfristigen Schnitt geben wir ungefähr 2% für Forschung, für die Analyse der Fischbestände aus.
2% vom Anlandeerlös und da beginnt die Wertschöpfungskette ja erst.
Da kommt die ganze Verarbeitung und der Handel dazu, also das ist vergleichsweise günstig.
Und wenn man das lassen würde und einfach sagen würde, wir geben die Nutzung der Fischbestände frei,
dann würden die allermeisten Fischbestände sehr sehr schnell zusammenbrechen.
Da kann man sie immer noch nutzen, aber nur ungefähr 10% der jetzigen Menge.
Insofern ist es keine gute Idee zu sagen, man kann das Management einfach lassen,
man braucht kein Fangmengenbegrenzung oder so was, die für Ausgleich sorgen.
Die Fangmengenbegrenzungen sollen dafür sorgen, dass Fischbestände optimal genutzt werden.
Nicht einfach nur genutzt werden, sondern optimal genutzt werden,
weil ein optimal genutzter Bestand liefert viel viel mehr Ertrag für die menschliche Ernährung als ein nicht optimal genutzter Bestand.
Hallo,
fischerei hört sich super interessant an, ich kann’s leider aber nicht anhören weil der Podloveplayer n fehler schmeißt ->
https://imgur.com/a/YDyyWul
Viel gelernt und trotzdem gut unterhalten gefühlt, danke dafür!
Eine sehr spannende Folge, mit erfreulich positiven Nachrichten! Eine kurze Anmerkung und eine lange Frage:
1) Die erwähnte App für Fischer scheint https://play.google.com/store/apps/details?id=anchorlab.mofi zu sein.
2) Zum 13./“Politik“-Kapitel: Dass Wissenschaftler*innen Entscheidungen lieber nicht selbst treffen wollen, weil dafür ja nur die Politiker*innen legitimiert seien, ist nachvollziehbar. Allerdings sehen wir doch in bestimmten Politikbereichen immer mal wieder, dass Entscheidungen aus nicht wissenschaftlich begründbaren Motiven getroffen werden (oder eben nicht, oder der Wille zur Umsetzung fehlt, etc.). Daher stellt sich IMHO die Frage, welche demokratische Legitimation wir vielleicht den existierenden, Politik-beratenden Expert*innen geben sollten, _damit_ sie guten Gewissens die wissenschaftlichen Schlussfolgerungen auch in Handlungsentscheidungen umsetzen (können / sich trauen)? Hierzu würde mich Dr. Zimmermanns Meinung sehr interessieren.
Vielleicht Institutsdirektor*innen, -Professor*innen, etc. wählen lassen, wie z.B. Bundesrichter*innen (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesrichter_(Deutschland)#Wahl)? Oder regelmäßige Aussprache im Parlament ansetzen? Oder in Kombination mit Volksentscheidungen die Expert*innen die Wahloptionen schreiben lassen?
Mein erster Kontakt mit Podcasts war eine Sendung über einen Hufschmied. Ich war gebannt, wie spannend man über ein Thema sprechen kann, welches mich zunächst rein gar nicht interessiert. Dieser Podcast hat mich sehr daran erinnert. Fische interessieren mich ausschließlich in Knoblauch gebraten am Teller – trotzdem hab ich gebannt zugehört und bin ein paar mal extra noch im Auto sitzen geblieben um das Kapitel fertig zu hören.
Ein toller Gast! Danke!