Lisa Rosa
Der Lehrer muss was von den Sachen verstehen, die er unterrichtet und das ist Basic. Also er kann nicht nichts verstehen davon. Und wenn der nicht in der Lage ist, zu unterscheiden, ob das in seinem Fachgebiet eine valide Information ist oder eine Fehlinformation, dann tut es mir leid. Dann ist er entweder nicht fachlich genügend ausgebildet oder er ist so tief in die Materie reingestürzt, dass es sowieso nicht auf der Ebene ist, wo man mit Schülern arbeiten würde. Was für uns wichtig ist, was du eben gesagt hast, ist, dass wir viel mehr Zeit damit verbringen müssen, mit den Schülern zusammen im Netz zu sein und auf Sachensuche gehen und die Sachen zu verifizieren. Und den Schülern zu helfen. Ja woran erkennt man denn eigentlich jetzt, ob das was solides ist oder was schlechtes? Es geht ja nicht nur um die Fakenews.
Das ist ja nun jetzt so ein Hype, der eigentlich immer verdeckt, dieser Begriff, dass es eigentlich drum geht, dass während man allgemeine wissenschaftliche Kriterien anwendet, um eine Sache zu beurteilen, zum Beispiel ist die in sich stimmig? Also das kann man auch mit Dingen, wo man weniger Ahnung von hat. Aber dabei baut man auch Ahnung über die Sachen auf. Also die sind ja immer an Fachinhalte gebunden. Es gibt ja keine abstrakten Texte in dem Sinne, die über nichts reden. Das ist ein verwickelter Prozess, in dem man sich Fachinhalte dadurch aneignet, dass man anfängt zu lesen und die Sachen kritisch zu befragen. Und das musst du im Grunde genommen mit jeder Netzquelle tun, wenn du dich über was informieren willst. Ob du davon schon Ahnung hast oder nicht, du musst deine eigenen Strategien haben, um das – und die müssen wissenschaftlich haltbar sein – um das beurteilen zu können.
Und das ist doch genau das, was wir den Schülern beibringen. Wenn wir ihnen die Sachen aus dem Netz rausschneiden und sagen, nimm das, das ist gut, alles andere lass weg, geh nicht selber ins Netz, ich gebe dir was du brauchst, das ist die Ressource, mit der du arbeitest, dann können sie es ja nicht lernen. Weil dann bin ich als Autorität davor, der ihnen die Sachen schon vorsortiert hat. Was ich aber gemacht habe in meinen beiden großen Projekterprobungen mit einem Lehrer an der Stadtteilschule hier, ist, dass wir ein Weblog eingerichtet haben jeweils. Einmal für das Thema Migration-Integration und beim zweiten Mal Jahre später für das Thema Postwachstum. Also brauchen wir einen Paradigmenwechsel in unserer Ökonomie der den Wachstumsbegriff auf die Hörner nimmt. Und da haben wir jeweils Weblogs eingerichtet, in denen unglaublich viel Material zu allen möglichen Fragen liegt.
Und dann haben wir mit den Schülern projektartig die Fragen entwickelt. Das heißt wir haben sie begleitet dabei, wenn sie ihre Fragen entwickelt haben, nachdem wir einmal anfänglich einen Start gemacht haben, wo sie mit den Problemen konfrontiert wurden und dann haben die Schüler in diesen Weblog, da kann auch jeder Lehrer jetzt mit arbeiten, weil die Weblogs ja im Netz liegen, die haben wir nicht rausgenommen, unglaublich viel Material gefunden, was sie sich aussuchen konnten, mit dem sie arbeiten wollten. Das mussten sie aussuchen danach, ob es zu ihrer Frage passt. Was wir natürlich gemacht haben ist, dass wir keinen Blödsinnsmaterial da reingestellt haben. Das wäre ja echt absichtliche Irreführung, das gehört sich nicht. Sondern wir haben unterschiedlichste Materialien, auch von unterschiedlichstem Schwierigkeitsgrad und unterschiedlichen Fragestellungen, auch von unterschiedlichen Dokumentensorten, also auch Videos und Bilder und nicht nur Texte da reingestellt, die sowieso frei im Netz waren.
Und ja dann haben die Schüler daran auch gelernt, Material passend zu ihrer Fragestellung rauszusuchen, aber es war eben nicht didaktisch bearbeitet. Es war halt der volle Spiegel-Artikel und nicht einer, in dem die drei entsprechenden Zeilen, auf die es dem Lehrer ankommt, schon rausgeschnitten sind. Und das nennt man ja didaktisch Bearbeitung, indem ich sage mal Material aus der Echtwelt zu Lernzwecken oder Lehrzwecken genommen und bearbeitet wird. Indem Texte gekürzt werden. Jede Kürzung eines Textes ist schon eine Entscheidung, die nicht nur didaktisch ist, sondern auch in politischen Fragen was politisches. Ich verändert den Kontext eines Satzes. So und dann ist der Lehrer eigentlich gewohnt, das alles auf kleine Häppchen zuzuschneiden, das muss auf einen einseitigen Arbeitsbogen passen.
Dann werden die Zeilen durchnummeriert, damit man es dem Schüler leicht macht, dass sie sagen, in Zeile 2 steht das und das, in Zeile 7 steht das und das. Das sind alles solche didaktischen Vorbereitungen. Und unten unter den Text schreibt der Lehrer dann: 1. Gib den Text mit eigenen Worten wieder. Also Arbeitsaufträge. Und das machen wir nicht. Also Max, mit dem ich zusammen arbeite, mit dem ich die beiden Unterrichtsversuche und die beiden Veröffentlichungen gemacht habe, der arbeitet wunderbar ohne dieses, mach das, mach das, mach das. Der arbeitet projektdidaktisch richtig gut, kann ich nur empfehlen, bei dem in die Schule zu gehen und sich das mal anzugucken. Der lässt ganz viel Raum für die Fragen der Schüler und leitet sie aber an, die Fragen richtig so zu formulieren, dass der Schüler damit arbeiten kann, mit dieser Frage.
Und da gehört was dazu. Denn nicht jede Frage mach Sinn. Viele Schüler sind ja gar nicht mehr in der Lage zu fragen, weil ihnen die Fragen abgewöhnt worden sind. Die Fragen stellt der Lehrer. Und ich glaube, viele kommen schon in die Schule als Schüler und haben aufgehört zu fragen, weil sie zu Hause mit ihren Fragen die Eltern so genervt haben, dass sie ständig gesagt kriegen, ach hör auf zu fragen. Und dann kommen sie und werden zum ersten Mal aufgefordert, ihre eigenen Fragen zu stellen. Und die sind dann vielleicht ein bisschen unbeholfen, sage ich mal so. Und dann müssten die Fragen erst mal umformuliert und bearbeitet werden und den Schülern muss dabei auch klar werden, warum die Frage so nicht bearbeitbar ist. Eine Frage, die man mit Ja und Nein beantworten kann, ist keine tragende Frage. Das müssen die Schüler aber erst indem sie es tun erkennen. Die Schüler müssten also viel viel mehr Projektunterricht haben, um das Fragen wieder neu zu lernen und das gescheite Fragen zu lernen.
Das haben sie nämlich verloren, die können ja nur noch antworten geben. Indem sie die Fragen des Lehrers aus den Sätzen des Lehrbuchs beantworten.
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Sehr interessante Folge mit sympathischem Gast!
An einer Stelle spricht Lisa Rosa über das Lernen mit selbstgesuchten Zielen und Präsentationsformen und beschreibt ihr Bemühen das Material und die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Schüler ihre Ziele erreichen können. Dabei geht es manchmal chaotisch zu und im Ausblick meint die Interviewte das ließe sich mit der richtigen Projektmethodologie verbessern. Ich habe die verlinkten Artikel zu Dewey und Robinschon gelesen, aber mir fehlt immer noch die Vorstellung wie das konkret geht.
Ich persönlich fände es gut, wenn die Kultur der Schule insbesondere der Umgang im Kollegium sich auch an den 4K orientieren würde. Den Ansatz die Schule durch ein verändertes Arbeitszeitmodell weiterzuentwickeln finde ich sympathisch. Ich fände es auch gut, wenn die Arbeitszimmer der LehrerInnen in der Schule wären und zu Hause.
Allerdings kenne ich keine Partei in keinem Bundesland, die an der Grundstruktur wirklich etwas ändern möchte.
Danke für die Frage. Auch mich würde interessieren, was gute Quellen wären, die den Projektunterricht, wie in der Folge beschrieben, darstellen.
Hilfreich waren die Literaturangaben im Wikipedia-Artikel. Konkret hier http://www.fachportal-paedagogik.de/fis_bildung/suche/fis_set.html?FId=765203 Sehr gute Zusammenfassung – nicht nur Dewey. Was man aus Deweys Ideen dann für den eigenen Unterricht übernimmt und umsetzt, ist dann kreative Eigenleistung.
Pingback: „Schule und das Lernen in der digitalen Welt“ – Felix Schaumburg
Tolle Folge. Lehrbücher finde ich in vielen Bereichen dennoch ein schönes Mittel. Sie haben gewisse Stärken, die ich bei digitalen Medien vermisse. Ich kann sie unterwegs offline lesen, einfach Notizen machen, Textteile und Seiten auf unterschiedliche Weise markieren (Büroklammern, Blattecken knicken, Textmarker, Notizen dazuschreiben). Ich finde das durchblättern in Büchern/Heften schneller und angenehmer als am Computer, vor allem kann man mehrere gerade wichtige Seiten quasi parallel bereithalten (Mehrere Finger in den Seiten oder Zettel o.ä.). Es dauert viel länger, bis ich in einem PDF mit mglw. mehreren hundert Seiten vor- und zurückgesprungen bin und es ist deutlich unkomfortabler. Gerade für Schule und Uni ist mir Papier folglich deutlich lieber als eine Datei. Das beste wäre natürlich, man hätte beides parallel, d. h. neben dem Lehrbuch auch gleich eine digitale Kopie mit dabei. Ist leider bei vielen Verlagen kein Standard. Gruß, Dirk.
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Sehr interessant wären Pro-Argumente für gestufte Schulsysteme zu erfahren. Davon gibt es mit Sicherheit welche, denn alleine mit Systemträgheit lässt es sich wohl nicht begründen, dass in Bundesländern mit Überzeugung daran festgehalten wird.
Pingback: Newsletter September 2017 | Navelbrush bloggt. Bildungspolitisch.
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Link zum erwähnten NDR-Beitrag von Anja Reschke auf Youtube, da nicht in den Shownotes: https://www.youtube.com/watch?v=Ew8frW54XGU