Ein internationales Team von Strukturbiologen rückt dem Coronavirus mit modernsten Mitteln auf den Pelz und entschlüsselt seine Funktion.
Noch nie etwas von Strukturbiologie gehört? Dieses Spezialgebiet befasst sich damit,den Aufbau von Molekülen zu entschlüsseln, beispielsweise durch die Messung des von ihnen reflektierten Röntgenlichts. Doch weil die Forschungsobjekte so unfassbar klein sind, bedarf es ausgefeilter Messmethoden und Software, um am Computer dreidimensionale Modelle von Molekülen zu bauen – so auch von jenen 28 Proteinen, die man landläufig als das Coronavirus bezeichnet.
Andrea Thorn, die am Institut für Nanostruktur- und Festkörperphysik an der Universität Hamburg arbeitet, hatte früh erkannt, was ihr Fachgebiet sozusagen hinter den Kulissen zur Bekämpfung der Pandemie beitragen kann. Denn wenn man weiß, wie die Proteine aufgebaut sind, die eine menschliche Zelle in eine Virusfabrik umfunktionieren, gibt es einen Ansatzpunkt für Abwehrmaßnahmen. Hat man etwa ein Bild von der „Kopiermaschine“, mit der das Virus sein eigenes Erbgut tausendfach vervielfältigt, gewinnt man einen Hebel, um diesen Mechanismus zu sabotieren.
Die Coronavirus Structural Task Force, die Thorn leitet, hat seit März 2020 nicht nur Basisarbeit für die Entwicklung von Impfstoffen geleistet. Die Truppe selbst ist ein für den Wissenschaftsbetrieb total untypischer, lockerer Zusammenschluss von jetzt weltweit 27 Forscherinnen und Forschern meist aus dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Sie alle haben sich kurzentschlossen selbst organisiert, weil es ihnen einfach wichtig war, ihr Wissen zu teilen und die Beschaffenheit des SARS-CoV-2-Virus zu verstehen. Die Erkenntnisse der Task Force wurden für alle frei im Internet veröffentlicht – um anderen Wissenschaftlern zu helfen, die Pandemie zu stoppen. Als Methodenentwickler stehen sie kaum im Rampenlicht, doch viele Forschungserfolge, die später mit Medizin-Nobelpreisen belohnt wurden, wären ohne die Strukturbiologie undenkbar gewesen.
Das Gespräch wurde Ende März 2021 aufgezeichnet.
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Transkript
Shownotes
Glossar
- Universität Erlangen
- Molekularbiologie – Wikipedia
- Kristallographie – Wikipedia
- Röntgenstrahlung – Wikipedia
- Ribonukleinsäure – Wikipedia
- Desoxyribonukleinsäure – Wikipedia
- Strukturbiologie – Wikipedia
- Genetik – Wikipedia
- Virologie – Wikipedia
- Kernspinresonanz – Wikipedia
- Elektronenmikroskop – Wikipedia
- Jane Richardson – Wikipedia
- Diederichs Group | Department of Biology
- Protein Data Bank – Wikipedia
- Homologiemodellierung - Lexikon der Physik
- Inhibitor – Wikipedia
- Remdesivir – Wikipedia
- Virion – Wikipedia
- Peplomer – Wikipedia
- Kapsid – Wikipedia
- Endoplasmatisches Retikulum – Wikipedia
- Doppelmembran – Wikipedia
- European Synchrotron Radiation Facility – Wikipedia
- thorn-lab/coronavirus_structural_task_force: Repository for the molecular structures related with Corona virusses and their re-processing
- Folding@home – Wikipedia
- Edukt – Wikipedia
- Louis Pasteur – Wikipedia
- Robert Koch – Wikipedia
- FG016 Open Science | Forschergeist
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Ziemlich anstrengend
Sehr gute Folge. Mich würde ja noch interessieren, was Frau Thorn zum Durchbruch von AlphaFold sagt und in wie weit das ihre Arbeit beeinflusst.
AlphaFolds Fähigkeiten bei der Vorhersage sind bemerkenswert, und werden einen Einfluss auf unsere Arbeit haben, auch wenn sie experimentelle Arbeiten nicht ersetzen können. Wir selber setzen ebenfalls KI-Methoden bei der Strukturlösung ein. Kurzfristig hat AlphaFold eher weniger Einfluss auf die Arbeit, aber langfristig für mein Arbeitsgebiet schon.
Sehr nette Folge. Macht einem Mut, sowas mal aus dieser Perspektive erzählt zu bekommen. Es fällt mir wieder und wieder auf, wie Corona und so Virologie Zeug nur als Dystopie kommuniziert wird und nicht auch als der Sieg über eine Pandemie, der es bald ist.
We will prevail. Das ist bei mir hängen geblieben
Super Folge – vielen Dank!
ich gehoer ja zu den idioten
tolles gespraech
danke
Erstmal auch von mir ein Dank für diese Tolle Folge. Mir war nicht ansatzweise bewusst, dass dieses Forschungsfeld so als eigenständige disziplin überhaupt existiert.
Ich möchte hier gern noch zwei Punkte zum Kapitel 12 „Notwendige Reformen für Universitäten“ hinzufügen.
Andrea Thorn warf ja hier die Frage auf, warum es im Zeitalter von Zoom/Streams/Videokonferenz überhaupt noch hunderte von „identischen“ Vorlesungsveranstaltungen zu einen Thema gibt wenn es aller wahrscheinlichkeit nach auch fünf tun würden.
Für mich als Legastheniker waren Vorlesungen immer schon ein graus, denn in dem Moment wo ich anfange mir etwas zu notieren kann ich schlagartig dem Vortragendem nicht mehr folgen und verlor so oft den Faden. Wie viele meiner Mitstudenten habe ich dann also auch die vorlesung mit diktiergerät mitgeschnitten und sie mir dann später nochmal in Ruhe durchgehört mit der Möglichkeit an wichtigen stellen zu Pausieren. Ich habe mich Seit meinem Studium (vor ca. 10 Jahren) immer gefragt, warum die Vortragenden nicht einfach einmal ne richtig gute Vorlesung aufzeichnen und diese dann auf ewigkeit Online stellen. Vielen Lehrkräften und sehr oft im speziellen Professoren konnte man gut anmerken, dass diese nach, zum teil jahrzehnten, des referierens des immer gleichen Vorlesungsstoffs, jegliche Lust daran verloren haben sich abermals zu wiederholen. Besonders diese Vorlesungen waren immer ein graus, weil im Grunde nur noch stur vom Skript abgelesen wurde mit der einen oder anderen (mehr oder weniger interessanten/lustigen) Anekdote nebenbei. Was für eine Zeitverschwendung. Für wirklich alle beteiligten. Gerade wenn sich am inhalt nichts mehr ändert, was ja gerade bei Basiswissen in so ziemlich jeder disziplin der Fall ist wäre es doch so schön wenn einmal wirklich gute Vorlesung (also motiviert und mit begeisterung für inhalt und vermittlung) aufgezeichnet würde. Das würde soviel Geld sparen, so viel Zeit für sinnvolleres Frei machen, soviel besser bei der Wissensvermittlung helfen und im zeitalter der Pandemie natürlich unnötige zusammenkünfte vermeiden.
Der zweite kritische Punkt ist das Prüfungssystem das flächendeckend nach dem Prinzip des „3 Strikes and you are out“ funktioniert. Es gibt unzählige menschen vor allem in Naturwissenschaftlichen Fächern die Ihr Studium aufgeben mussten weil sie, nach dem sie bereits mehrere Semester oder gar Jahre Studiert haben 3 mal an einer Prüfung gescheitert sind welche sie dank gewisser Voraussetzung ketten dafür disqualifiziert weiter zu studieren. Wenn man in Gewissen Basisfächern 3 mal durchfällt ist man danach Landesweit für weitere Wiederholungen der gleichen Prüfung gesperrt was Praktisch mit dem erzwungenem Ende des Studienfachs einher geht. Wir wissen doch alle jetzt schon seit langem, dass die Menschen hervorragend aus Fehlern lernen. Doch wie schon in der Schule, so wird auch in den Universitäten das Fehlermachen hart bestraft. Was in der Schule bereits ziemlich kontraproduktiv wirkt ist im Universitären zusammenhang regelrecht fatal. Warum verwehrt man der angehenden Physikerin nach zwei Jahren das weiterstudieren nur weil sie 3 mal durch eine Prüfung gefallen ist. Letztlich wollen wir doch als Gesellschaft nur sicher gehen, dass die Menschen denen wir das Wissen in einem bestimmten Gebiet attestieren/zertifizieren auch wirklich bewiesen haben dass dieses sich selbiges erarbeitet haben. Wenn man Führerscheinanwärter ist, kann man die Prüfung so oft man will wiederholen. Bestenfalls wird man mal für ein paar Monate gesperrt bevor man sich dann abermals testen lassen kann. Bei einer so Lebensgefährlichen sache wie dem Autofahren lassen wir die menschen also immer wieder zur prüfung zu doch in der Wissenschaft ist nach dem dritten mal schluss… warum? Das einzige Argument das diese Vormittelalterliche universitäre Prüfungspraxis überhaupt noch rechtfertigen könnte – und was auch gelegentlich genannt wird – sind die Kosten die mit den Prüfungen einher gehen. Ich bin mir jedoch sicher das jeder Student und jede Studentin liebend gern die Kosten der Prüfung übernimmt wenn die alternative der ausschluss vom Studium ist.
Fand ich auch eine sehr gute Folge. Da hat sich das Warten gelohnt.
Nicht nur wegen dem Thema, dass mir gänzlich unbekannt war, sondern auch wegen des Themas „Was muss sich in der Zusammenarbeit im Forschungsbetrieb ändern“. Als Kulturwissenschaftler habe ich während meines Studiums bis Mitte der 0er Jahre schon viel Interdisziplinarität und Kollaboration erfahren. Finde es schon ein bisschen erschreckend, dass dieses Silo- und Wettbewerbsdenken anscheind immer noch absolut vorherrscht und sich in anderen Disziplinen so wenig getan hat.
Gibt es dafür vielleicht mal einen interessanten Interviewpartner?
Was muss sich ändern, damit wir unsere wissenschaftlichen Möglichkeiten ausschöpfen können, um den globalen Herausforderungen der Zukunft als Menschheit zu begegnen?
Das war wieder mal ein Höhepunkt in den Wissenschaftspodcasts der Metaebene. Ich habe in den 70-er Jahren als Chemiker Kristallographie im Nebenfach gehört. Damals erfolgte die Auswertung noch mit Film und Rechenschieber!
Toll Udo! Die Deutsche Kristallographische Gesellschaft und die IUCr haben Webseiten und andere Sachen zum „Wiederauffrischen“. Wo war denn das Studium, wenn ich fragen darf?
Harm, Uni Marburg
Mal noch ein paar Links zum Protein- und Datenteil v.a. für Leute, die es noch nicht kennen. Einfach mal probieren und den 3D View versuchen zu benutzen
http://www.rcsb.org/
https://www.ebi.ac.uk/pdbe/
und eine deutsche Einstiegsseite und Viewer mit leicht anderer (durchaus schöner) Optik und mit ein paar guten Beispielen in der oberen Leiste (2ter Link)
http://jenalib.leibniz-fli.de/IMAGE.html
http://jena3d.leibniz-fli.de/
Als Beispiele sind z.B. 1F88.pdb und insbesondere, passend zum Thema, 7dmu.pdb ganz interessant. Gibt aber auch viele, viele andere.
3D Brillen sind auch spannend (rot-grün, rot-cyan) und WebGL ist teils auch anschaltbar, was man dann auch tun sollte.
Ist CoVax schon gefallen? Ein Internationales Programm für fast die ganze Welt. Russland und China tuen ihrs als „Impfdiplomatie“. Solange mehr Menschen gesund bleiben sind all willkommen.
Wow, ich bin wirklich gefasht! Super spannender Beitrag und auch noch verständlich!
Schade, du hättest ihr eine deutlichere Stellungnahme zur Studie von
Prof. Roland Wiesendanger rauslocken sollen.
Es ist schon traurig, dass sich kein Wissenschaftler mit dem Inhalt auseinandersetzt, sondern alle nur die Form kritisieren. Alle haben Angst als Verschwörungstheoretiker zu gelten wenn man der Studie zustimmt.
Dabei stehen in der Studie viele brisante Sachen drin, die ich so in den Medien noch nicht gehört hab.
Ja, ganz starker Beitrag. Ich konnte gut folgen und fand es nicht anstrengend. GLG und weiter so, Lisa.