Forschergeist
Horizonte für Bildung und Forschung
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Ein internationales Team von Strukturbiologen rückt dem Coronavirus mit modernsten Mitteln auf den Pelz und entschlüsselt seine Funktion.
Noch nie etwas von Strukturbiologie gehört? Dieses Spezialgebiet befasst sich damit,den Aufbau von Molekülen zu entschlüsseln, beispielsweise durch die Messung des von ihnen reflektierten Röntgenlichts. Doch weil die Forschungsobjekte so unfassbar klein sind, bedarf es ausgefeilter Messmethoden und Software, um am Computer dreidimensionale Modelle von Molekülen zu bauen – so auch von jenen 28 Proteinen, die man landläufig als das Coronavirus bezeichnet.
Andrea Thorn, die am Institut für Nanostruktur- und Festkörperphysik an der Universität Hamburg arbeitet, hatte früh erkannt, was ihr Fachgebiet sozusagen hinter den Kulissen zur Bekämpfung der Pandemie beitragen kann. Denn wenn man weiß, wie die Proteine aufgebaut sind, die eine menschliche Zelle in eine Virusfabrik umfunktionieren, gibt es einen Ansatzpunkt für Abwehrmaßnahmen. Hat man etwa ein Bild von der „Kopiermaschine“, mit der das Virus sein eigenes Erbgut tausendfach vervielfältigt, gewinnt man einen Hebel, um diesen Mechanismus zu sabotieren.
Die Coronavirus Structural Task Force, die Thorn leitet, hat seit März 2020 nicht nur Basisarbeit für die Entwicklung von Impfstoffen geleistet. Die Truppe selbst ist ein für den Wissenschaftsbetrieb total untypischer, lockerer Zusammenschluss von jetzt weltweit 27 Forscherinnen und Forschern meist aus dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Sie alle haben sich kurzentschlossen selbst organisiert, weil es ihnen einfach wichtig war, ihr Wissen zu teilen und die Beschaffenheit des SARS-CoV-2-Virus zu verstehen. Die Erkenntnisse der Task Force wurden für alle frei im Internet veröffentlicht – um anderen Wissenschaftlern zu helfen, die Pandemie zu stoppen. Als Methodenentwickler stehen sie kaum im Rampenlicht, doch viele Forschungserfolge, die später mit Medizin-Nobelpreisen belohnt wurden, wären ohne die Strukturbiologie undenkbar gewesen.
Das Gespräch wurde Ende März 2021 aufgezeichnet.
https://forschergeist.de/podcast/fg085-coronavirus-structural-task-force/
Veröffentlicht am: 6. April 2021
Dauer: 1:47:36
Hallo und herzlich willkommen zu Forschergeist, dem Podcast des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft. Mein Name ist Tim Pritlove und das hier ist jetzt endlich die 85. Ausgabe des Podcasts. Hat eine Weile gedauert, ihr könnt euch schon denken warum, denn es ist alles gar nicht so einfach, die richtigen Themen und Gesprächspartner zu finden in dieser Zeit. Aber jetzt gehen wir es mal wieder an und heute geht es dann, wie sollte es auch anders sein, im weiteren Sinne um die Pandemie. Wir wagen einen speziellen Blick auf dieses Thema, indem wir mal schauen, was die Wissenschaft denn eigentlich so alles dazu beitragen kann. Und dazu begrüße ich zunächst einmal meine Gesprächspartnerin für heute, nämlich Andrea, Andrea Thorn, hallo.
Ja, hallo Andrea, herzlich willkommen bei Forschergeist. Du bist Wissenschaftlerin und du beschäftigst dich intensiv mit dem Corona-Virus oder genau mit dem SARS-CoV-2-Virus. Wie, das werden wir gleich erfahren, kurz gesagt, du bist Leiterin einer speziellen Projektgruppe, der Corona-Virus Structural Task Force. Da werden wir gleich mal ganz viel drüber reden, aber jetzt würde mich natürlich zunächst einmal interessieren, wie du eigentlich in dieses Feld geraten bist, was war denn der Anlass, dass du überhaupt Wissenschaftlerin geworden bist und womit hat es denn dann angefangen?
Und als ich dann mit der Doktorarbeit fertig war, war ich überzeugt davon, dass ich jetzt ins Management gehe. Und dann hat mein Doktorvater gesagt, aber Andrea du bist quasi für die Uni geschaffen. Und dann habe ich so ein bisschen rumgefragt und dann hat meine Familie gesagt, mein Vater, mein zukünftiger Mann, wir haben eine Woche, zwei Wochen nach der Verteidigung haben wir geheiratet, wie Industrie, aber du machst doch so gerne Lehre und du forschst doch, du bist doch immer so neugierig, also wenn du nicht Professorin wirst, dann wissen wir auch nicht. Und ich konnte mich damit sehr anfreunden, ich hatte bloß, wie das halt so ist, wenn man die Doktorarbeit gerade eingereicht hat, das unbestimmte Gefühl, dass ich nicht gut genug bin. Und als dann alle Leute gesagt haben, doch doch, das ist das was du machen musst, habe ich mir den Traum erfüllt und bin die Wissenschaft gegangen. Ich bin super neugierig, ich finde es fantastisch, Dinge zu erforschen, ohne daran gebunden zu sein, womit man Umsatz machen kann. Industrielle Forschung bedeutet immer, man muss auch das Geld im Hinterkopf haben, aber in der Uni bin ich frei. Und diese Idee, in das Wissen der Menschheit eine kleine Delle nach außen zu machen, die erste zu sein, die eine Molekülstruktur sieht, die niemand zuvor gesehen hat, lebenslanges Lernen und Lehren, der Umgang mit anderen klugen Menschen, die kreativ sind und tolle Ideen haben, das hat mich alles gereizt und reizt mich immer noch.
Bis man das dann irgendwie selber auch so sieht. Ich kann mir natürlich auch vorstellen, dass wenn man jetzt so viel Studium hinter sich gebracht hat und sich irgendwie alles reingeschafft hat, und sich ja im Prinzip so auf die Zukunft vorbereitet und man denkt so, ja okay, zack, wo ist jetzt die Zukunft, und sieht dann gar nicht, dass sie vielleicht unter Umständen, dass man schon längst da ist in gewisser Hinsicht oder dass eigentlich nie, dass dieser Pfad gar nicht unterbrochen werden muss, sondern im Prinzip schon auf dem Weg ist.
Ja, also auf dem Papier sieht es so aus, als ob mein Leben wirklich sehr geradlinig verlaufen ist. Ich bin in die Grundschule gegangen, dann bin ich aufs Gymnasium gegangen, dann habe ich mein Abitur gemacht, dann habe ich dreieinhalb Monate in der Pharmaindustrie gearbeitet, dann habe ich Chemie, also Molecular Science studiert, Master in Molecular Life Science mit Hauptfach Arzneimittelentwicklung. Dreieinhalb Jahre Doktorarbeit, Postdocs im In- und Ausland, Cambridge, Oxford, Gruppenleiter vor zwei Jahren und jetzt bin ich Nachwuchsgruppenleiterin an der Universität Hamburg. Und hoffe, vielleicht mir den Traum noch zu erfüllen, Professorin zu werden.
Es ist Chemie. Naja es ist Chemie und du hast halt noch Biochemie gehört. Also es ist wirklich, wir waren einer der wenigen Masterstudiengänge, das war noch bevor alles Masterstudiengang war und die Uni Erlangen hat diesen neuen Studiengang eingeführt, der, je nachdem in welche Richtung man sich fokussiert hat, entweder Nano Science oder Life Sciences gegangen ist, aber das gesamte Grundstudium war ausgerichtet nach dem Chemikergrundstudium. Und warum ich das weiß, weil mein Ehemann Chemie studiert hat auf Diplom gleichzeitig. Und wir haben viele Vorlesungen gleich gehabt. Und ja da habe ich mich schon ganz früh im dritten Semester habe ich mich verliebt in ein Thema namens Kristallographie, von dem die meisten Menschen halt überhaupt gar nicht wissen, dass es überhaupt existiert. Kristallographie ist die Hauptmöglichkeit für uns, die dreidimensionale Struktur von Molekülen zu begreifen. Also Moleküle, so wie man das halt irgendwie sich aus dem Fernsehen vorstellt, also Bälle mit Stäben dazwischen, keine Ahnung, Zucker, DNA, Diamanten, Kristallgitter. Man beschießt einen Kristall mit Röntgenstrahlen und wie wenn man einen Kristall ins Sonnenlicht hält gibt es Reflexe. Röntgenstrahlung ist ja nichts anderes als sehr kurzwelliges Licht und das mit den Reflexen, das ist Diffraktion, ist ein bisschen anders, aber man kann sich das so vorstellen. Und dann nimmt man diese Reflexe auf, weil angucken ist bei Röntgenstrahlen so ein bisschen blöd. Also klemmt man ein Foto dahinter. Früher, als ich studiert habe, waren das CCDs, heute sind es Pixel Area Detectors, aber man macht eine Aufnahme von den Reflexen. Und aus den Reflexen kann man zurückrechnen auf die Lage von jedem einzelnen Atom in dem Kristallgitter und dadurch natürlich auch auf die Struktur der Moleküle, aus denen der Kristall besteht. Wenn es zum Beispiel ein Zuckerkristall ist, kann man damit die Struktur von Zuckermolekülen bekommen. Und das habe ich schon im dritten Semester das erste Mal gehört und ich habe mich sofort in dieses Feld verliebt und das war eher ungewöhnlich. Also es ist total ungewöhnlich, dass man im dritten Semester schon irgendwie weiß was man machen möchte und hat dazu geführt, dass ich ganz viele Vorlesungen geschwänzt habe. Meine Bachelornoten waren auch nicht so toll, weil ich halt irgendwie von meinen Pflichtklausuren die meisten Vorlesungen irgendwie halt nur so halbherzig gehört habe und stattdessen für mich wäre ein Studium universale auch ganz gut gewesen, glaube ich manchmal. Also ich habe komplexe Systeme in der Physik gehört und der Mythos Salome in der Jugendstilliteratur und Tandemübersetzung in Japanisch gemacht. Und ich muss also dutzende von ECTS Credits gesammelt haben, die überhaupt gar nichts mit Molecular Life Sciences zu tun hatten. Und von da habe ich erst mal ein paar Strukturen von kleinen Molekülen gelöst, von sogenannten metallorganischen Komplexen in der Bachelorarbeit. Und dann, ich war auch furchtbar fasziniert von Arzneimitteln und von Physiologie und davon wie Zellen funktionieren, wie Leben funktioniert. Woher weiß die Pflanze, dass sie braun werden muss, damit der Pilz sie nicht frisst, wie vererben sich Dinge? Wie funktioniert das alles auf einer molekularen Basis? Und dann hat mir jemand gesagt, weißt du Andrea, man kann nicht nur so normale chemische Moleküle mit Kristallographie lösen, es gibt da so einen Lehrstuhl und da lösen die Biomoleküle, Proteine, RNA und DNA mit Kristallographie. Und ich war so, was, wie kristallisiert man Eiweiß? Also ich weiß nicht, wie das für Laien so ist, aber die Vorstellung, dass man so ein großes Molekül kristallisieren kann, war für mich, das ist ja Schleim.
Moleküle sind Chemie und irgendwie ist das auch alles viel Physik, also man kommt sozusagen sehr von diesem grundlegenden Verständnis von, okay, alles klar, da sind irgendwie so Atome, die falten sich irgendwie zusammen, dann hat man irgendwie Moleküle und dann wird es ja irgendwie immer spezieller. Und wenn es in diese Biologie reinkommt, spielen halt vor allem Proteine eine große Rolle, weil die halt so diese Universalwerker in unserem Körper sind oder im Körper eines jeden Lebewesens, deren Verständnis dann sozusagen noch mal so eine Metaabstraktion oben drauf erfordert. Und das alles sichtbar zu machen und zu verstehen, ist dann dementsprechend auch komplex, aber diese ganzen Visualisierungsmethoden , glaube ich, es ja auch noch gar nicht so lange, also wann sind diese ganzen Technologien, die du jetzt angesprochen hast, tatsächlich so wirklich in breite Anwendung gekommen?
Also die erste Kristallstruktur eines Proteins wurde in den 50ern gelöst. Also in den 50ern hatten wir das erste experimentell bestimmte Modell und am Computer visualisieren wir sicherlich lange schon bevor ich Studentin war. Modelle hat man schon vorher gebaut, also die ersten Modelle von großen Makromolekülen waren sicherlich schon 40er, 50er, 60er. Die Kristallographie ist die Großmutter in der Strukturbiologie und tatsächlich ohne die Strukturbiologie hätte es die Molekularbiologie, die Genetik, die Virologie nicht gegeben wie wir sie heute kennen. Also es ist tatsächlich ein sehr altes Feld und es gab in dem Bereich der Strukturbiologie, lass mich nicht lügen, aber sicherlich über 40 Nobelpreise. Nur alle diese Nobelpreise sind natürlich Nobelpreise für Medizin oder für Chemie, das sind Nobelpreise, wo jemand rausgefunden hat, wie etwas funktioniert und dafür werden sie bekannt. Dass die Kristallographie die Methode war, wissen die meisten Leute nicht. Und Chemiestudenten halten Kristallographie für ein sehr mathematisches und wie du gesagt hast abstraktes Feld, das so ein bisschen in der Nähe der Physik ist. Und einmal auf einer Party von der Fachschaft hat mir mal jemand gesagt, und was machst du für deine Masterarbeit? Und ich war so, Kristallographie und er war so, so hässlich bist du doch gar nicht.
Genau, ja und ich meine, es ist schon am Anfang mathematisch, man darf überhaupt keine Angst haben, keine Angst vor Physik, keine Angst vor Mathe, keine Angst vor Grafikprogrammen, keine Angst vor Rendering, keine Angst vor dem Labor. Es ist schon ein ziemlich ambitioniertes Gebiet, um drin zu arbeiten, aber das war genau das, was ich daran geliebt habe, die Tatsache, dass ich halt nicht nur eine Sache mache, sondern dass ich in der Lage sein muss, die Röntgenmaschine zu reparieren und im nächsten Moment in der Lage sein muss zu erklären, wie das mit den Zellmembranen richtig funktioniert.
Ja, ich meine, das ist ja eh klar, weil das ist ja hier sozusagen auch, sagen wir mal, so eine Technologie, wenn ich das richtig sehe, oder Technologie ist nicht die richtige Bezeichnung, eine Wissenschaft, also ein Betrachtungsbereich, der ja trotz seiner Komplexität noch sehr grundlegend ist. Man forscht ja sozusagen an den ureigenen Mechanismen der Biologie.
Ja und ohne die Molekülstrukturen gäbe es halt viele andere Sachen nicht. Also die strukturelle Bioinformatik zum Beispiel, die brauchen einfach, die müssen erst wissen, wie das Molekül aussieht, bevor sie berechnen können, wie es sich bewegt und wie es dann wirklich als Arbeitstiere in unserem Körper Dinge tut zum Beispiel. Die Pharmazeuten benutzen die Molekülstrukturen, um Arzneimittel zu finden, die genau zu diesen Molekülstrukturen passen, wie so ein Schlüssel in ein Schloss. Die Molekülstrukturen bilden oft die Grundlage für die Erkenntnis. Man muss aber auch sagen, dass heutzutage Molekülstrukturen nicht mehr nur mit Kristallographie bestimmt werden, sondern zum Beispiel auch mit Nuklearmagnetresonanz oder mit Elektronenmikroskopie.
Damit kommen wir dann sozusagen jetzt auch so zu der aktuellen Zeit, ich wollte es nur noch mal klar verorten. Also es gibt halt dieses Institut und bis dahin, also bis vor einem Jahr, bevor die Pandemie, die SARS-CoV-2-Pandemie begonnen hat, hast du dich vielleicht nicht primär mit Viren beschäftigt oder?
Nein, also ich selber habe mich vor dem 28. Januar 2020 eigentlich relativ wenig mit Viren beschäftigt. Ich hatte in Oxford in einer Gruppe gearbeitet bei Dave Stewart, wo man sich mit Viren beschäftigt hat, aber ich bin Methodenentwicklerin. Hat man ja vielleicht auch gerade gemerkt, ich rede viel über Methoden. Ich bin eigentlich diejenige, die es anderen Forschern ermöglicht, ihre Strukturen zu lösen. Und klar, dafür muss ich die Biologie, die die benutzen, schon auch verstehen, aber ich bin eigentlich diejenige, die es möglich macht und ganz selten diejenige, die irgendwie im Scheinwerferlicht steht und die tolle neue biologische Erkenntnis gemacht hat. Und es gibt keinen Nobelpreis in Strukturbiologie, bei dem nicht auf ein paar Methodenentwickler beteiligt gewesen sind, die neue Methoden gefunden haben, mit denen es dann möglich war, diese Strukturen zu bestimmen. Aber wir sind wirklich nicht die Leute, die im Rampenlicht stehen.
Ja, man kann es, glaube ich, so ein bisschen mit den Mathematikern vergleichen, die kriegen ja auch keinen Nobelpreis, aber es sind eben oft die mathematischen Methoden, die überhaupt erst mal von irgendjemandem ersonnen, erdacht und bewiesen werden müssen, die dann bestimmte andere wissenschaftliche Durchbrüche überhaupt erst ermöglicht. Also ich glaube, auch Newton hätte ohne die entsprechende mathematische Vorarbeit anderer nicht gleich da ansetzen können, wo er letzten Endes so brilliert ist.
Gut, dann steigen wir doch mal so ein bisschen vor einem Jahr ein. Also es machte ja dann auch schnell die Runde Ende des Jahres 2019, als dann eben so die ersten Meldungen kam, da gibt es irgendwie so eine komische Krankheit in China und nichts genaues weiß man nicht und dann überschlugen sich ja ein wenig die Nachrichten und ich habe so den Eindruck, die Wissenschaft selber wusste dann Anfang des Jahres relativ schnell, dass da was sich zusammenbraut.
Ende Januar gab es ein Seminar bei uns im Institut und ich war noch in Würzburg in der Medizin. Und wir waren im selben Gebäude wie das Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung. Und das Ding hieß, PI, Coffee and Cake, wo alle Gruppenleiter zusammenkommen und man hat 15 Minuten Zeit, den Kollegen zu erzählen was man so macht. Und jetzt stand ich da und ich wusste, der Raum wird halbvoll mit Infektionsbiologen sein, denen ich sehr wenig … also die wollen sicher nichts über Röntgengeräte hören. Was erzähle ich denen? Wie soll ich denen klarmachen, dass unsere Software und unsere Methoden cool sind? Und dann habe ich gedacht, warte mal, in China gibt es doch gerade diese Epidemie. Du schaust dir jetzt die Strukturen an, die als Grundlage für die ganzen Projektionen über die Epidemie dienen, an der jetzt Leute irgendwie versuchen Arzneimittel zu finden. Und du guckst mal, ob du rausfinden kannst, was so die Probleme mit denen sind, ob die Probleme haben überhaupt. Und stellt sich raus, fünf Strukturen habe ich angeguckt und drei hatten also ziemlich massive Probleme und ich konnte mit meiner Software, die halt noch relativ neu ist, zeigen, dass man diese Strukturen leicht verbessern könnte, wenn man sie mit heutigen Methoden noch mal bearbeiten würde.
Also diese Röntgenreflexe, die wir messen, und das ist bei Elektronenmikroskopie oder NMR nicht anders, das sind Daten. Und diese Daten führen aber nicht direkt zu der Molekülstruktur, zu dem tollen 3D-Modell, das man haben will. Sondern man muss das Modell bauen am Computer und schauen, ob man dann mit diesem Modell die Daten reproduzieren könnte. Also das Modell ist quasi eine Interpretation, wenn du so willst.
Nein, ein Virus lag nicht vor, aber in der sogenannten Proteindatenbank, das ist eine weltweite und öffentliche Datenbank, konnte man halt die SARS-Strukturen einsehen und konnte auch zum großen Teil die Daten sehen, auf denen diese Strukturen basiert sind. Und wenn man die überprüft, hat man halt gesehen, dass die Modelle durchaus besser an die Daten angepasst werden können mit heutigen Methoden und dass auch ein paar Fehler passiert waren bei der Interpretation. Macht das Sinn?
Genau und SARS war ja schon zehn Jahre alt. Und das Genom, diese Sequenzen kodieren für Proteine, für große Moleküle, die es dem Virus erlauben, die Wirtszelle zu übernehmen. Zum Beispiel eins ist der Stachel auf der Oberfläche, die es erlaubt, an die Wirtszelle zu binden. Und eins ist die Kopiermaschine für die RNA, um mehr RNA für mehr Viren zu produzieren und so weiter. Und diese Molekülstrukturen waren für SARS schon bekannt und man wusste auch, dass ihre Sequenz sehr ähnlich ist mit der von dem neuen Virus. Und dann kann man so etwas machen, das heißt Homologiemodellierung. Man nimmt das Modell von der ähnlichen Struktur und kombiniert es mit der neuen Sequenz und weiß dann, welche Bereiche gleich bzw. anders sein sollten. Und das heißt, dass diese SARS-Molekülstrukturen gerade am Anfang der Pandemie, Januar/Februar, enorm wichtig waren, weil sie uns verraten konnten, wie die SARS-Strukturen aussehen, solange wir die noch nicht gelöst hatten. Aber da für war es halt wichtig, dass diese Strukturen so richtig, so korrekt wie möglich sind, dass sie die bestmögliche Interpretation der Messdaten darstellen. Und das war nicht unbedingt der Fall, weil diese Strukturen einfach mit veralteten Methoden gelöst worden waren und weil Fehler einfach in der Strukturbiologie sehr leicht passieren. Also es gibt fast keine Struktur ohne Fehler. Und wir sind Spezialisten darin, Fehler zu finden, das ist Teil unseres Jobs als Methodenentwickler, weil wir die Methoden verbessern müssen, da müssen wir wissen, wo die Fehler passieren.
Zu dem jetzigen Zeitpunkt, wir nehmen jetzt hier Ende März 2021 diese Sendung auf, mittlerweile haben wir irgendwie alle so ein eingeprägtes Bild davon was man so weiß. Man weiß in etwa wie das Virus aussieht, es gibt da auch Aufnahmen, es gibt Modellierungen, alles mögliche, da kommen wir auch gleich noch mal zu, denke ich. Aber so zu Beginn hat man das Virus eigentlich nur so auf einer genetischen Ebene erst mal feststellen können. Es wurde irgendwie isoliert, man konnte es wahrscheinlich in irgendeiner Form auch sehen, vermute ich, damit man es erst mal lokalisieren kann.
Aber es war schon eine, wo man sich relativ sicher sein konnte. Also tatsächlich haben wir dann später gezeigt, dass das Ding von der CDC halt doch ein bisschen anders war, aber es war schon eine ganz gute Annahme für die Zeit. Und eben zu diesem frühen Stadium im Januar/Februar hat fast alle Forschung, die mit Molekülstrukturen zu tun hatte, auf den SARS-Strukturen und den neuen Sequenzen basiert. Es gab noch kaum Strukturen vom neuen Virus, die allerersten kamen im Februar und wir als Task Force haben uns am 18. März zusammengeschlossen, das ist unser Gründungsdatum, also ein Jahr und eine Woche sind wir jetzt alt und dann ging es richtig los. Dann kamen plötzlich mehr Strukturen aus, was dann SARS-Corona-Virus-2 hieß.
Okay, nur dass ich jetzt noch mal verstehe, was das eigentlich bedeutet, sozusagen die Strukturen zu verstehen. Also man hat das Ding gefunden, man wusste, okay, alles klar, wir haben es jetzt mit einem Virus zu tun, dann wurde das Ding auch sequenziert, der genetische Code war irgendwie bekannt und die Impfstoffhersteller waren schon irgendwie unterwegs, da sich was feines draus zu basteln, aber es geht ja jetzt sozusagen nicht nur um die Impfstoffe, sondern es ging ja generell darum, erst mal ein Bild davon zu bekommen, womit haben wir es hier eigentlich zu tun. Man weiß, man hat irgendwie so generell erst mal so ein Problem, aber es ging ja nicht nur um Impfstoffe, sondern es ging ja auch um die Fragestellung, was macht es mit dem Körper überhaupt, was gibt es vielleicht schon an existierenden oder noch zu entwickelnden Arzneimitteln, die in irgendeiner Form gegen die eigentliche Krankheit COVID was tun können. Also dieses generelle Verständnis. Was genau muss man denn oder sollte man denn im Idealfall alles verstanden haben und an welcher Stelle greift da jetzt diese Strukturbiologie ein?
Also ich glaube, das frühe Verständnis war ganz viel, das sind die Krankheitssymptome, so schnell scheint es sich zu verbreiten, also epidemiologische Daten. Die Molekülstrukturen zu verstehen ist wichtig aus zwei Gründen. Zum einen, wenn man die Molekülstrukturen, für die das Genom kodiert, also diese RNA von dem Virus die übersetzt sich in insgesamt 28 große Proteinmoleküle. Und wenn man weiß wie die aussehen, dann kann man verstehen mit diesem Aussehen wie sie funktionieren, wie sie zum Beispiel eine Kopie von der RNA machen, wie sie an die Wirtszelle binden, wie sie Proteine zerschneiden, wie sie das Immunsystem manipulieren, aber dafür muss man erst die Struktur kennen. Das heißt, um den Lebenszyklus des Virus zu verstehen, um zu verstehen wie er die Zelle umbaut, sind diese Strukturen zum einen wichtig. Und das andere ist, 28 Proteine sind nicht sehr viel und mit diesen 28 Proteinen gelingt es dem Virus, die menschliche Zelle zu übernehmen und in eine Virusfabrik umzubauen. Es steht anzunehmen, dass wenn man eines der 28 an seiner Funktion hindern kann, dass man einen möglichen Arzneistoff gefunden hat. Also zum Beispiel, wenn der Stachel nicht mehr binden kann oder wenn nicht mehr RNA hergestellt werden kann, weil man die sogenannte RNA-Polymerase, die Kopiermaschine verstopft hat, dann kann man eine Infektion hindern. Also die erste passiert noch, aber es können dann nicht mehr Viren produziert werden zum Beispiel. Und diese Stoffe, die etwas hindern die nennt man Inhibitoren, Hemmstoffe. Und Inhibitoren kann man entwickeln, indem man die Struktur von dem Protein, das man an der Funktion hindern will, genau anguckt und sich überlegt, okay, was bindet da jetzt an einer Stelle, wo die mechanistische des Proteins so stark eingeschränkt wird, dass es kaputt ist, dass es seine Funktion nicht mehr erfüllt? Und zum Beispiel Remdesivir, das war die Überlegung dahinter, das ist genau so was. Das Remdesivir verhält sich, als ob es ein Baustein für neue RNA wäre, wird von der RNA-Polymerase, der Kopiermaschine eingebaut in den neuen RNA-Strang für neue Viren und verstopft aber nach drei mehr Bausteinen die RNA-Polymerase und die ist dann gehemmt. Leider hat sich bei Corona-Virus herausgestellt, dass die Kopiermaschine so toll ist, dass sie zurückspulen, das Remdesivir wieder rauskicken kann und dann weitermachen als ob nichts passiert wäre, aber das hat man damals alles noch nicht gewusst.
Die sind das Virus. Das Virus ist nicht nur dieses runde stachelige Ding, das runde stachelige Ding hat bloß vier von den Proteinen, aber in seinem Inneren hat es dieses Erbgut, das RNA-Erbgut. Und dieses Genom macht noch 24 andere Proteine, sobald es in der Wirtszelle ist. Also das Virion, sagt man, was wir im Allgemeinen umgangssprachlich als Virus bezeichnen, ist nur die Transportform, aber innerhalb der menschlichen Zelle oder der Zelle von was auch immer befallen ist, macht das Virus noch 24 andere Maschinen, deren Job es ist, die Wirtszelle zu übernehmen und neue Viren zu produzieren.
Genau, eins von den vieren, die ursprünglich dabei sind, ist das sogenannte Nukleokapsid, das umhüllt die RNA noch mal als Schutzschicht. Die löst sich auf, dann wird die RNA frei in der Wirtszelle, dann kann die RNA abgelesen werden und die Proteine werden gebaut und dann gibt es so eine Kaskade von Verarbeitungsschritten, um alle Proteine fertig zu machen für den Betrieb und was als nächstes passiert ist, dass das Endoplasmatische Retikulum, das ist ein Teil der Zelle, bildet so eine Art Schaum, man nennt das Doppelmembran-Vesikel oder DMV. Und das ist ist ganz typisch für eine befallene Zelle bei Corona. Und in diesem Schaum bildet das Virus neue Kopien der RNA, relativ ungestört vom Immunsystem. Und wenn die fertig sind, dann macht das neue Stachel neues Nukleokapsid und so weiter und eine neue Membran und kann die dann ausschleusen. Und halt für ein Virus, das am Anfang reingekommen ist, produziert die Wirtszelle dann vielleicht 1000 neue Viren und das ist das Problem.
Ist glaube ich etwas, was man sich wirklich mal klarmachen muss, dass sozusagen das Virus, das ist immer schnell gesagt in allen Berichten so, ja das dringt dann in die Zelle rein und da wird es dann halt irgendwie kopiert. Aber es wird ja sozusagen nicht komplett betrachtet und die Zelle stellt dann eigenständig eine vollständige Kopie her, sondern das Virus importiert quasi so eine eigene Unterfabrik, wo es dann innerhalb der Zelle mithilfe dessen was dort sonst noch alles am Start ist sich selbst produziert, um dann sich erst wieder weiter verbreiten zu können.
Ja und das Immunsystem unterdrückt und wahrscheinlich auch dafür sorgt, dass andere Dinge in der Zelle nicht mehr gebaut werden können, sondern dass die Zelle wirklich alle ihre Energie darauf verwendet, neue Viren zu machen. Und man spricht zwar von Lebenszyklus, aber genau das ist auch der Grund, warum man eigentlich sagt, Viren sind keine Lebewesen, sie können sich nicht selber reproduzieren, sie brauchen eine Wirtszelle, um das zu tun.
Man spricht ja oft im Impfstoffbereich von so Totimpfstoffen und so weiter und dann wird gesagt, ja das Virus ist inaktiviert oder ist halt tot so, das heißt aber nur, dass eine bestimmte Funktion ausgeschaltet wird, das ist ja nicht so, dass es selber in irgendeiner Form ein Leben führt, so wie wir das sozusagen eigentlich definieren.
Ja, also man ist sich nicht im Klaren, aber man weiß von einigen was sie tun und man weiß auch nicht … Also das Ding ist, ein Protein hat normalerweise, kann eine Aufgabe habe, aber viele Proteine haben mehr als eine Aufgabe. Und wenn man diese Aufgabe schon mal irgendwo anders beobachtet hat, findet man sie leichter. Experimentell bestimmt haben wir die Strukturen von 17. Zum Teil.
Und manche Mechanismen, die wir für zentral halten, wie zum Beispiel das Kopieren der RNA oder das Binden des Stachels oder des Spike-Proteins, die sind recht gut verstanden, einfach weil sie sind wichtig für Impfstoffe, sie sind wichtig für die Entwicklung von Arzneimitteln, sie sind wichtig, um den Lebenszyklus des Virus zu verstehen. Und wir haben sie in dieser Form schon untersucht, lange bevor es COVID-19 und das neue Corona-Virus gab. Aber manche Dinge sind sehr unklar. Ganz viele Zusammenhänge mit dem Immunsystem sind zum Beispiel ungeklärt, weil natürlich es hier nicht nur um das eine Protein geht, das wir da angucken, sondern möglicherweise um seine Interaktion mit 30 anderen Proteinen, die wir ja auch alle kennen müssten und wissen müssten, das dieses Protein an die binden kann oder irgendwas mit denen tut. Und insofern kann ich ganz sicherlich viel mehr Fragen, die unbeantwortet sind, zum Virus und seinen Molekülen stellen als ich beantworten kann.
Ich hatte einen neuen Postdoc, der ist nach seiner Quarantäne tatsächlich über Moskau aus China gekommen und den habe ich gefragt, hey wollen wir drei Wochen lang oder so mal die Strukturen von SARS durchgucken, ich glaube, wir könnten da was beitragen gegen diese Epidemie. Und er war sofort Feuer und Flamme, weil er war ziemlich wütend, denn er hatte mehrere Wochen in Quarantäne verbracht. Und dann habe ich meine aktuellen Studenten gefragt und meinen HiWi und wir haben beschlossen, dass wir das tun wollen. Und dann habe ich unseren Kollaborationspartner am ESRF Gianluca Santoni gefragt. Das ESF ist ein Teilchenbeschleuniger, der Röntgenstrahlen produziert in Grenoble in Frankreich. Und er saß zu Hause im Lockdown mit den Kindern und fand, das war eine super Idee, jetzt mal so ein paar SARS-Strukturen anzuschauen und würde ja sicherlich auch nicht lange dauern. Und dann, ich glaube, noch in der gleichen Woche haben wir Tristan Croll rekrutiert, der ganz viel auf Twitter geschrieben hatte schon über diese Strukturen und den ich zufällig kannte aus meiner Zeit in Cambridge. Und naja aus drei Wochen wurde ein Monat und es kamen immer mehr Strukturen raus und aus einem Monat wurden zwei und dann drei. Und irgendwann im Juni habe ich eine Email gekriegt, in der stand in Großbuchstaben, COVID-19 no spam.
Und der Absender war von der EU. Und dann war da eine Telefonnummer drin und wir haben mal so telefoniert und dann hat sich rausgestellt, das war ein Team, das eine Challenge machen wollte für die strukturbasierte Entwicklung eines Arzneistoffes gegen COVID-19 und sie sollten unsere Strukturen, die wir ja sofort… ach das habe ich noch vergessen zu sagen. Wir haben unsere Strukturen, nachdem wir sie analysiert haben, sofort in einer Datenbank online gestellt. Wir hatten schon in Woche drei eine Homepage und wir hatten vom ersten Tag an auf Github eine Datenbank von allen Strukturen und allen unseren Daten. Wir haben wirklich, wenn die Daten da waren, haben wir sie sofort online gestellt.
Ja, in einem Dateiformat für Koordinaten, das das üblichste ist und dann ganz normal, also Github Repositories, wie die halt auch für die Programmierung benutzt werden. Und auf der Homepage haben wir so ein bisschen versucht zu erklären, wie die Datenbank aufgebaut ist, damit Leute einfacher Strukturen finden können. Na jedenfalls die EU wollte einen, wie ich verstanden habe, mehrere Millionen schweren Wettbewerb ausschreiben für die Entwicklung eines Arzneistoffes und sie wollten dafür den Leuten raten, unsere Strukturen zu verwenden.
Nein, es gab die in der Proteindatenbank. Wir haben ja die Strukturen nicht alle gefunden. Wir haben die Strukturen genommen, die andere Leute gelöst hatten, die Modelle, die andere Leute gebaut hatten und wir haben sie durchgeguckt, ob sie richtig sind und wenn wir noch was finden konnten, wo wir noch ein bisschen mehr Informationen rausholen konnten oder einen Fehler korrigieren, haben wir es gemacht und die Daten zurück an die originalen Autoren geschickt und gesagt, wir haben eure Struktur ein bisschen besser gemacht, vielleicht nützt es ja was, viel Glück. Und wir haben diese Sachen halt auch alle online gestellt. Aber anscheinend haben sich Arzneimittelentwickler darauf verlegt, unsere Daten zu benutzen, weil die halt alle gecheckt waren. Aber die Proteindatenbank, in der alle Molekülstrukturen von biologischen Makromolekülen jemals hinterlegt sind, die gibt es und sie hat parallel mit uns auch eine Knowledgebase zu COVID-19 gehabt und wir haben immer viel mit denen geredet und unsere Daten haben auf deren Daten basiert. Aber es war halt auch zum Beispiel so, dass in den frühen Tagen Strukturen aus dem neuen Coronavirus zum Beispiel als Source Organism Homo Sapiens hatten zum Beispiel. Also die Strukturen sind zum Teil auf eine Art und Weise deponiert worden, dass es nicht so ganz einfach war, die zu finden und wir waren am Anfang die einzigen, die eine Sequenzanalyse haben laufen lassen, um zu sehen, ob die neuen Strukturen, die diese Woche rausgekommen sind, irgendwas enthalten, was Coronavirus ist. Und das heißt, wir hatten halt eine komplette Sammlung. Man hat bei uns gucken können und hat auf einen Schlag alle Strukturen vom Stachel auf SARS und SARS-CoV-2 finden können. Und ich glaube, das hat uns populär gemacht. Und in der gleichen Woche haben wir dann über die EU erfahren, dass Folding@Home unsere Daten benutzt. Und das war der Moment, wo zumindest ich angefangen habe zu hyperventilieren und mich erst mal hinsetzen musste. Ich weiß nicht, ob du das weißt, aber Folding@Home hat um April/Mai rum 2,4 Exaflops an Computing Power gehabt, nur mit Heimcomputern von Leuten, die helfen wollten, die Pandemie zu bekämpfen. Und das heißt, die haben ganz viel Simulationen von Molekülstrukturen des Coronavirus gemacht. Wie binden die, welche Arzneimittel würden dagegen wirken, wie kann man das inhibieren, wie faltet sich das, wie verhält sich das in Schleim, Wasser? All diese Fragen haben die versucht zu beantworten und sie haben das anscheinend zum Teil mit unseren Strukturen getan.
An der Stelle müssen wir vielleicht noch mal so ein bisschen darauf eingehen, was auch so gerade noch das Problem ist. Also Proteine sind halt diese komplexen Gebilde, die werden halt in der DNA oder RNA beschrieben und in dem Moment, wo sie dann kopiert werden, bauen sich halt lange Ketten von Aminosäuren aus einer Liste von 20, glaube ich, Aminosäuren sozusagen werden immer unterschiedliche herausselektiert je nachdem was eben in dieser RNA oder DNA drin steht. Daraus ergibt sich dann sozusagen so eine lustige Kette und ich vergleiche das immer gerne mit so einem verdrehten Seil. Also man verdreht halt irgendwie so ein Seil und lässt es dann irgendwie los und man kann nicht vorher genau sagen, wie es sich dann um sich selbst herumschlingt und was es dann am Ende für so eine Struktur herausgibt oder auch ein Gummiband oder so was, irgendwas was sich so ein bisschen dann zusammenzieht und zusammenquetscht. Und auf molekularer Ebene wird das ja eben durch sehr viele Faktoren bedingt, das hat dann einfach was mit dieser chemischen Paarung und viel Elektromagnetismus und was weiß ich noch was für Faktoren zu tun. Sprich, man kann jetzt so einer Gensequenz oder zumindest sind wir so als Wissenschaftswelt, als Menschheit heutzutage, noch nicht vollständig dazu in der Lage, man kann nicht jetzt einfach auf diese Gensequenz schauen und sagen, wenn diese Kombination rauskommt, dann sieht das danach so aus, so wird sich das Seil verdrillen und das ist die Struktur, die wir danach sehen, der man dann eben deren Funktion auch dann ansehen könnte. Das ist sozusagen eine generelle Herausforderung, diese Vorhersage des Faltens. Und da gibt es eben verschiedenste Projekte, die versuchen, dieses Mysterium zu lösen, eins davon ist dieses Folding@Home, was halt sagt, naja okay, wir rechnen das einfach mal durch, brauchen wir aber ganz viele Computer für. Richtig oder falsch?
Aber das ist eines der Dinge das Folding@Home macht, aber Folding@Home macht auch ganz viel strukturelle Bioinformatik. Also wie reagiert ein Protein, wenn es diesem und jenem ausgesetzt wird? Wir wissen zum Beispiel von einem Protein, dass es eine bestimmte Bewegung macht, weil wir haben zwei Kristallstrukturen, die beide unter unterschiedlichen Bedingungen aufgenommen wurde, wo es zum Beispiel was bindet, irgendein Substrat, dass es dann umwandelt oder so. Wir kennen die Struktur mit dem Substrat und die Struktur mit dem Edukt mit dem, was dann da rausgekommen ist am Ende der Reaktion. Aber wir wissen nicht genau, wie es von A nach B gekommen ist. Wie ist es von dem Zustand vor der Reaktion zu dem Zustand nach der Reaktion gekommen? Und diese Dinge kann man halt heutzutage errechnen, aber dafür braucht man richtig große Computer und auch solche Sachen macht Folding@Home. Also das ist wirklich ein großes Konsortium von vielen Gruppen, die sehr unterschiedliche Fragestellungen bearbeiten, aber zu diesem Zeitpunkt letztes Jahr haben viele von denen sich mit Corona-Fragestellungen beschäftigt. Und die wollten uns alle plötzlich kennenlernen und das war so cool.
Also wie ich schon gesagt habe, eine Struktur zu lösen bedeutet eigentlich, ein Modell zu bauen, das zu den Messdaten passt. Damit ist aber halt nicht garantiert, dass das erstens das allerbeste Modell ist, das du mit diesen Messdaten bauen kannst und dann kannst du halt auch eine Menge Fehler machen. Also du kannst schon chemisch zum Beispiel Fehler machen. Zum Beispiel da ist ein Zink und das ist 2plus geladen und dann sollte es vier Bindungspartner haben, aber du hast halt nur drei modelliert. Also manchmal hilft einfach chemisches Grundverständnis, Fehler zu finden. Oder du hast Daten gehabt, aber irgendeine Grundannahme war falsch, zum Beispiel wie die Symmetrie von Kristall war. Oder du hast beim Messen einen Fehler gemacht und hast aber hinterher dafür nicht korrigiert. Oder du hast angenommen, dass die Aminosäurereihenfolge eine bestimmte war, aber in Wirklichkeit war in der Sequenzierung ein Fehler und jetzt hast du, die experimentellen Daten sagen das eine und die Sequenz sagt das andere, was machst du jetzt? Und diese Sorte Fehler passiert ganz viel, weil die Deckungsgleichheit zwischen Modell und Daten bei großen Makromolekülen, Proteinen und so was, ist ungefähr 80 Prozent. Also ein gutes Modell gibt zu 85 Prozent wider, was wir gemessen haben und 15 Prozent sind, wir wissen nicht genau, ob die Daten oder das Modell hier verantwortlich sind. Und das ist das, was uns als Methodenentwickler natürlich im normalen Betrieb umtreibt. Warum passen die Modelle nicht so gut zu den Daten? Müssen die Daten besser werden? Fehlt dem Modell irgendwas ganz grundsätzliches, was wir übersehen haben? Aber in dieser Situation, wo die Strukturen wirklich die allerbesten sein mussten, die wir haben können, damit die Arzneimittel eventuell dann hinterher auch funktionieren, die am Computer entwickelt werden, konnten wir dieses Wissen einsetzen, um quasi diese Fehler, die man mit neuer Software, großer Sorgfältigkeit und sehr sehr viel Fachwissen beseitigen kann, auch zu beseitigen. Und das ist das, was ich mit gecheckt meine.
Ja oder glaube ich jetzt wirklich, dass da hier ein Magnesiumion ist oder ist es vielleicht doch ein Wasser? Und was spricht dafür, dass es ein Wasser ist? Und in der normalen Strukturbiologie bringt einfach kaum jemand das nötige Fachwissen in allen Bereichen ist, weil es so ein komplexes Problem ist. Und das ist ganz normal. Also wie ich schon eingangs gesagt hatte, Fehler passieren in fast jeder Struktur, das liegt einfach an der Methode. Aber in diesem Fall hat es halt plötzlich Sinn gemacht, wirklich wirklich das beste zu haben, weil diese Strukturen so bedeutungsvoll waren. Weil die so wichtig waren für uns und es war auch wichtig, das so schnell wie möglich rauszubekommen. Also nicht erst übermorgen, sondern sofort online verfügbar für alle no strings attached, einfach so wie es ist. Ihr könnt es nehmen, ihr müsst uns nicht referenzieren, nehmt es, benutzt es, beendet diese Pandemie, das war unser Gedanke.
Das hat uns total umgehauen, weil vorher war das, weißt du, die Coronavirus Structural Task Force heißt so, weil das der Name war, den ich im März der Telegram Chatgruppe gegeben habe. Und wir waren so, ja wir machen das jetzt, das ist so ein Lockdown-Projekt, da machen wir wenigstens was sinnvolles und vielleicht nutzt es auch irgendwem.
Naja, wir haben schon gedacht, dass wir vielleicht einen, zwei Arzneimittelentwicklern helfen können und vielleicht irgendjemand von der Industrie das auch mal runterlädt. Aber wir hatten nicht damit gerechnet, dass es dutzende von Forschungsgruppen sein würden oder dass irgendjemand ein paar Millionen ausschreibt oder gar mehrere Millionen Euro auf Basis unserer Strukturen einsetzt. Und dann haben wir später auch noch rausgefunden, dass IBM Open Pandemics unsere Strukturen benutzt für Arzneimitteldesign und natürlich ganz viele individuelle Forschungsgruppen. Was wir nie rausgefunden haben und wahrscheinlich nie werden, ist, ob industrielle Arzneimittelentwicklungsgruppen unsere Daten viel verwendet haben. Also wir hatten so ein paar Anfragen, die haben irgendwie so geklungen, aber das Ding ist, die Daten sind frei verfügbar im Internet, jeder kann die runterladen und wir werden wahrscheinlich nie wissen, ob die Industrie die Daten verwendet hat oder nicht, weil wie sollten wir?
Jetzt ist ja, sagen wir mal, die Führung einer kleinen oder überschaubaren Studentengruppe an der Universität in einem bestimmten Bereich ist ja irgendwie das eine, aber jetzt wirklich zu so einer international beachteten Structural Task Force zu werden, das ist ja sicherlich was anderes. Wenn ich das richtig sehe, hat sich ja eure Gruppe dann auch schnell weit über diesen Unikontext hinaus ausgebreitet. Wie seid ihr da gewachsen, wer ist dann dazu gekommen, wie lief das?
Also heute sind wir 27 Leute in neun Zeitzonen. Zwei Task Force Mitglieder sind Professoren, aber der Großteil von uns ist ziemlich jung, also ziemlich jung für so was. Wir waren von Anfang an irgendwie ungewöhnlich, weil der typische Weg in der Wissenschaft ist, du machst ein paar Vorarbeiten, dann beantragst du Gelder, dann wartest du ein paar Monate, dann kriegst du Gelder. Dann stellst du ein paar Leute ein und dann machst du ein Forschungsprojekt. Und meistens machst du ein Forschungsprojekt, weil irgendein Professor seinen Segen gegeben hat.
Oder auch mehrere. Und weil das Strategie ist und weil das ein aktuelles Forschungsthema ist, da müssen wir was machen. Aber in diesem Fall haben wir einen Haufen von Postdocs und Studenten beschlossen, dass wir das jetzt machen und es ist größer und größer geworden und irgendwann ist man an uns herangetreten und hat uns gesagt, wenn wir jetzt also beim BMBF Mittel beantragen würden, würde es wahrscheinlich eine gute Chance geben, dass wir finanziert werden. Und dann haben wir das halt gemacht, aber die Finanzierung kam, da haben wir schon drei oder vier Monate existiert. Wir haben am Anfang gearbeitet, bis September hatten wir offiziell zwei Laptops für damals schon 20 Leute. Wir haben allerdings wo wir konnten Computing Zeit rekrutiert und Leute und haben einfach alle aufgesaugt, die auch Strukturen, man nennt das validiert, die auch Strukturen gecheckt haben. Wann immer jemand sich gemeldet hat im Internet und gesagt hat, ja, also ich habe da diese Struktur angeguckt und ich habe das und das herausgefunden, konnte der drauf zählen, dass am nächsten Tag eine Email von mir im Postfach ist, hey wir sind die Coronavirus Structural Task Force, wir checken Strukturen, willst du mitmachen? Und das war einfach, so läuft der Wissenschaftsbetrieb halt normalerweise nicht. Aber wir haben es halt getan und stellt sich raus, der Großteil der Leute, die wir angeschrieben haben, haben gesagt, ja coole Sache, ich bin dabei. Mein Postdoc hat gesagt, wir waren eine Zusammenkunft der spontanen Willigkeit. Alle Leute, die aus dem Projekt bezahlt werden, sind Studenten, Hiwis, studentische Hilfskräfte, es gibt keine feste Stelle, die aus diesem Projekt finanziert wird, noch nicht, das könnte sich demnächst ändern. Aber es war wirklich, alle Leute haben ihre Arbeitszeit, ihre Computer, ihre Mittel geopfert für etwas, was einfach Sinn gemacht hat in dieser Situation. Und ich bin unendlich dankbar, weil wir haben ein Netzwerk geschaffen, nicht nur ein Netzwerk von Wissenschaft um den Coronavirus, sondern wir haben Kollaborationspartner und Freunde gefunden in dieser Zeit. Und ich würde mir fast wünschen, wenn ich, weiß nicht, wenn du eine Fee wärst, kann Wissenschaft nicht immer so sein?
/lacht/ Ich muss mal schauen, was sich tun lässt. Aber ich kann schon einiges draus ableiten, weil letzten Endes seid ihr auch mir aufgefallen. Ich grüble schon die ganze Zeit, wann das wohl gewesen sein könnte, aber das war jetzt nicht erst vor ein paar Monaten, das muss irgendwie Mitte letzten Jahres dann gewesen sein. Ab wann gibt es die Webseite, sagtest du?
März okay. Also ich bilde mir ein, das irgendwie relativ früh auf irgendeine Art und Weise in meine Timeline gespült bekommen zu haben. Was sicherlich dann auch mit den Twitteraktivitäten zu tun gehabt hat, die ihr da ja auch gehabt habt. Und da ich das immer so ein bisschen gescannt habe auf was auch immer, man weiß ja immer gar nicht, wo man diese Informationen letzten Endes her hat, also irgendwo taucht es irgendwie auf, irgendjemand retweetet einem das sozusagen in die Timeline und dann habe ich halt so ein bisschen rumgeklickt und habe gedacht, okay, alles klar, da geschieht irgendwas. Ohne jetzt irgendwie eine klare Vorstellung davon zu haben, wie das aufgehängt ist, das ist ja auch bei wissenschaftlichen Webseiten sowieso in der Regel vollkommen unklar.
Also was die Uni Würzburg im Juni gemacht hat, ist, sie hat eine Pressemitteilung gemacht über unsere Arbeit, weil man so stolz war. Und das hat eingeschlagen wie eine Bombe. Und das erste Fernsehteam das kam war von RTL. Ich war so nervös, ich war wirklich nervös. Stellt sich raus, dass man Medienkompetenz in Action gut entwickeln kann mit den richtigen Leuten. Wir waren ja jetzt in WISO und Planet E und Nano mit unserer Arbeit. Aber diese ganze Öffentlichkeitsarbeitsschiene die hat uns, also die macht uns auch immer noch Spaß, aber sie war halt auch plötzlich da und wir waren überhaupt nicht dran gewöhnt. Wir sind Methodenentwickler. Normalerweise rede ich auf einer Party drei Minuten über meine Arbeit und dann fangen die Leute an, sich über Kuchenrezepte Germanys next Topmodel zu unterhalten, weil ich so langweilig bin.
Und plötzlich, keine Ahnung, ruft die Schwiegermutter an und sagt, was kann die Mausi uns denn über das Coronavirus erzählen? Und das war alles total cool, super aufregend und manchmal ein bisschen erschreckend, weil man ja als Wissenschaftler auch seine Reputation doch relativ leicht ruinieren kann mit den Medien.
Da haben sich ja einige bemüht im letzten Jahr in diesem Bereich. Es ist viel über Wissenschaftskommunikation gesprochen worden so im letzten Jahr. Und ich denke, im Großen und Ganzen kann man auch sagen, das war dann schon jetzt auch wieder mal so ein neues Coming out auf mehreren Ebenen. Also im Guten wie im Schlechten hat man halt gesehen, wie es funktionieren kann. Ich meine, alleine die Tatsache, dass jetzt der meist gehörte Podcast in Deutschland nicht Forschergeist ist…
Ja nein, also ich hätte den Podcast ja auch gerne gemacht, aber es hat sich leider nicht ergeben, aber ich finde es super, weil dort intuitiv auf einmal alles richtig gemacht wurde und letzten Endes ja auch der NDR sehr überrascht war. Also die haben ja so, was wieso, aber das ist doch jetzt total lang geworden und so weiter und so ausführlich, will denn das überhaupt einer hören? Und das hat halt dann schon einen Nerv getroffen und viele Leute sind auf der einen Seite mit neuen Medien auf eine interessante Art und Weise zusammengestoßen, weil auf einmal das Netz ja an sich die Informationsquelle war für alles, woran man sich jetzt irgendwie informieren möchte auf der einen Seite. Auf der anderen Seite wurde eben auch diese Wissenschaft auf einmal in die Poleposition gehoben und hat aber auch gelernt, selber zu kommunizieren und nicht eben nur diese durch Intermediäre durchzugehen. Wo ja auch immer sehr viel unglückliche Geschichten erzählt werden konnten, weil dann eben das, was aus der Wissenschaft berichtet wurde, von den Medien naja in einen anderen Kontext gestellt wurde, nur unzureichend zitiert wurde, in irgendeine Geschichte eingepackt wurde oder wenn die Geschichte ihnen nicht gefallen hat, dann vielleicht auch gar nicht berichtet wurde. Alles musste immer irgendwie sensationell aufbereitet werden, um überhaupt jemanden zu interessieren.
Ich wollte gerade sagen, also der Journalist muss ja auch erst mal verstehen was man da erzählt und das ist schon mal als Wissenschaftler eine Herausforderung. Also ich hoffe, dass ich einen einigermaßen guten Job mache. Aber klar verstehe ich die Dinge auf einer viel komplexeren Ebene, als ich es so einfach erklären kann. Ich habe manchmal das Gefühl, die Leute haben zu wenig Vertrauen in die Menschen. Weil wenn man sich die Zeit nimmt, etwas gründlich zu erklären, verstehen es die Leute auch meistens. Und manche Abstraktionen, die man so im Fernsehen hört von Politikern oder Journalisten finde ich ehrlich gesagt auch ein bisschen übertrieben. Also da denke ich mir, naja das hätte man ja jetzt aber eigentlich auch komplizierter erklären können, das hätte der Tankstellenwart dann doch trotzdem noch verstanden. Also ich weiß nicht, ich habe einfach großes Vertrauen darin, dass die Leute heutzutage, insbesondere in unserem Informationszeitalter, auch ziemlich komplexe Zusammenhänge verstehen können. Etwas womit man auch immer mal wieder kämpft, aber ich habe noch nie so richtig schlimm Begegnung gehabt, dass ich als Wissenschaftlerin halt oft keine hundertprozentigen Aussagen treffen kann. Also insbesondere bei so Fragen wie, wann kommt denn jetzt der Arzneistoff? Was soll ich denn da sagen? Also ich kann eine Schätzung abgeben, also ich kann sagen, dass ich hoffe, dass er bald kommt, aber ganz bestimmt werde ich nicht sagen, sieben Monate, zwei Wochen und drei Tage. Und keine Ahnung, auch wenn Leute sagen, schützt der Impfstoff gegen COVID-19? Dann muss man sagen, der Impfstoff schützt gegen COVID-19 mit so und so viel Prozent Effizienz, aber es ist kein hundertprozentiger Schutz. Und ich glaube, dass die Leute auch mehr Akzeptanz für solche Aussagen entwickelt haben. Mein Gefühl ist, die Leute verstehen mehr, dass Wissenschaft einfach eine Suche nach der Wahrheit ist, die gewissermaßen niemals endet. Wir stellen eine Hypothese auf, wir widerlegen sie, wir finden etwas, was eine bessere Antwort ist, aber als das CDC-Modell rauskam, war diese rot-graue Abbildung das beste Modell, was wir auf der ganzen Welt hatten. Aber hinterher haben wir eins gefunden, das noch besser war. Wissenschaft ist ein Prozess. Und wenn man gerade etwas erforscht, dann ist es halt kein Textbuch, dann ist es nicht etwas, was man in der Schule einmal lernt und dann ist es so. Und ich glaube, die Leute haben das verstanden, also zumindest wenn ich Berührungen mit ihnen habe.
Ich würde sagen, es ist eine Mischung und gerade das Beispiel mit dieser Effizienz ist ja auch gerade wieder in aller Munde, weil es oft dann eben dann doch ein bisschen missverstanden wird. Also diese Wahrnehmung, die Impfstoffe hätten jetzt eine unterschiedliche Qualitätsgüte, weil sie mit unterschiedlichen Effizienzwerten ausgestattet sind, bringt viele Leute dazu zu glauben, dass sie dann sozusagen bei dem einen jetzt deutlich besser geschützt sind als bei dem andern, wobei man aber schon eben auf die Ergebnisse zielen kann, naja gut, also das ist jetzt auch eine sehr wissenschaftliche Betrachtung, weil da theoretisch noch eine Infektion stattfinden kann. Aber am Ende das was dich interessiert ist, schützt der Impfstoff vor Tod und schützt der Impfstoff der vor starken Krankheit, wo man eben derzeit sehr wohl sagen kann, dass wir da ja schon bei 100 Prozent sind. Also es ist schon auch immer so eine Frage, wie man seine Aussage so toniert, damit sie eben nicht falsch verstanden werden kann.
Also das ist sowieso etwas, was ich nicht so recht verstehe, weil wenn man die Auswahl hat zwischen einem Impfstoff, der einen zu 60 Prozent schützt und keinem Impfstoff, mit der momentanen Sterberate von COVID-19, mit dem Infektionsgeschehen, das wir haben, ist geimpft sein doch klar vorzuziehen gegenüber nicht geimpft sein. Und das ist doch eigentlich die Frage, die die Leute beantworten müssten, wenn sie im Impfzentrum stehen und man sagt ihnen, AstraZeneca und sie sagen, nein, ist das keine sehr gut begründbare Entscheidung auf Basis der Effizienz, weil jeder Schutz ist besser als kein Schutz.
Also ich glaube, das hat mit was ganz anderem zu tun, das hat damit zu tun, dass die Leute die Kontrolle haben wollen Ob man krank wird oder nicht kann man nicht entscheiden, ob man daran stirbt oder nicht kann man nicht entscheiden, das ist Schicksal, aber ob man sich jetzt impfen lässt oder nicht das kann man entscheiden und man kann im Moment so wenig entscheiden, man hat so wenig Kontrolle und es gibt so viel wovor man Angst haben kann und auch zu entscheiden, ich lasse mich noch nicht impfen, weil das ist nicht das bestmögliche, ist die Kontrolle übernehmen und deswegen entscheiden das Leute. Ich will nicht behaupten, dass das rational besonders viel Sinn macht, aber für mich macht das emotional sehr viel Sinn. Ich glaube auch, dass das der Grund ist, warum es immer noch Leute gibt, die behaupten, dass das Virus nicht existiert, weil man die Kontrolle zurückgewinnt, wenn man sagt, alle anderen fürchten sich, aber es gibt überhaupt keinen Grund sich zu fürchten.
Ich habe gelernt, dass es Leute gibt, die quasi die gesamte Wikipedia auswendig können, ohne den Zusammenhang zu verstehen. Und dass immer, wenn ich ein Argument widerlege, dass sie mit irgendeinem anderen schlecht recherchierten Fakt kommen. Ich habe aber auch gelernt, was für Gehirngespinste es gibt, um wissenschaftlichen Erklärungen zu entkommen. Also eins von denen ist zum Beispiel die sogenannte Exosomen-Theorie, die sagt, ja also man kann die Viren ja unter dem Elektronenmikroskop sehen, aber in Wirklichkeit sind es bloß Abkapselungen von den Zellen, die zufällig Stacheln, die an andere Zellen binden können, auf der Oberfläche haben. Und das Problem bei diesen ganzen Theorien ist, dass sie auf den ersten Blick relativ gut ausschauen und der Großteil von ihnen auch wissenschaftlich bestätigt ist, aber irgendwo gegen Ende der Geschichte, wenn du schon keinen Bock mehr hast, dem YouTube-Video zuzuhören oder den Blogeintrag zu lesen, machen sie irgendeinen Sprung, der dann nicht mehr wissenschaftlich belegt ist, um ihre komische Hypothese zu stützen. Und das ist ein Problem. Aber was ich auch verstanden habe ist, dass diese Leute mir gegenüber ihre Angst geäußert haben. Die haben sich bedroht gefühlt und sie haben halt gesagt, ich fühle mich bedroht durch die Maßnahmen und das haben die mir wörtlich so gesagt, ich fühle mich bedroht durch diese Maßnahmen, der Staat nimmt mir meine Grundrechte. Und ich glaube, sie fürchten sich vor den Maßnahmen, weil das Virus unsichtbar ist. Und in Wirklichkeit fürchten sie sich halt auch vor dem Virus, aber es ist einfacher gegen die Maßnahmen zu sein als gegen COVID-19.
Um Kontrolle zu kriegen, ja natürlich. Wenn man sich fürchtet, also wir sind halt auch, glaube ich, in der deutschen Kultur wir sind nicht besonders gut damit, damit umzugehen, dass zum Beispiel Naturkatastrophen passieren oder dass da ein Haus abbrennen kann oder dass man halt auch mal stirbt. Wir haben irgendwie wenig kulturell, um das zu verarbeiten. Ich habe ein Zeit lang in Japan gelebt, da ist das irgendwie anders. Wieso genau das anders ist, weiß ich auch nicht, aber es ist anders. Sie haben ganz bestimmt mehr Naturkatastrophen gehabt als wir und es ist auch nicht eine Kultur, in der das Individuum quasi von Gott geschaffen wurde und da ist, um seine Bestimmung so zu erfüllen, sondern man ist eher ein Teil eines großen Ganzen. Und ich habe mal überlegt, ob das damit zu tun hat, aber ich bin keine Philosophin, jedenfalls nicht auf dem Papier.
Ist auf jeden Fall aber eine interessante Anregung, weil sich daran schon eine ganze Menge auch festmachen kann, wie man auch vielleicht sozusagen als Kollektiv antwortet und sagt, so wir schützen uns jetzt gemeinsam, und das steckt ja auch in dieser Idee der Impfung drin oder seien es auch so einzelne Maßnahmen wie eine App auf dem Telefon, dass Leute sagen, naja aber mir bringt es jetzt messbar in dem Moment nicht unbedingt etwas und nicht unbedingt bereit sind, diese Gedankenleistung so umzudrehen und zu sagen, was kann es uns allen und damit im Umkehrschluss halt auch wieder mir bringen, wenn wir es auch alle gemeinsam täten.
Ja, ich wage auch zu bezweifeln, dass es so super klug ist, die reichen Industrieländer zu impfen, trotz zum Teil nicht so hohen Zahlen und irgendwie in der dritten Welt zu sagen, naja egal, da kann es ja weiter mutieren. Also ich würde sagen, selbst global wäre ein bisschen eine globale Impfstrategie fände ich besser.
Jetzt sind wir schon sehr ins Plaudern gekommen, das sind auch alles wichtige Aspekte, trotzdem würde mich natürlich schon noch mal so ein bisschen jetzt interessieren, wie es mit eurer Arbeit in dieser Task Force und konkret dem Wissen um das Virus denn jetzt so steht. Also jetzt ist sozusagen ein Jahr dran gearbeitet worden, es sind sehr viele Erkenntnisse gesammelt worden, viele Gruppen haben das jetzt auch aufgenommen, es ist auch wieder sehr viel zurückgekommen und vor allem habt ihr diese wunderbare Gruppe geschaffen, die so ganz untypisch entstanden ist. Die nicht irgendwie beschlossen wurde, sondern die sich ja eigentlich so aus dem Nichts materialisiert hat, weil einfach Leute das wichtig fanden und weil ihr es geschafft habt, eine Struktur zu finden, wie das organisatorisch läuft, ohne dass es ja jetzt irgendwie so eine klare Hierarchie hätte oder so, also das ist ja, alle forschen so ein bisschen.
Ja, also das ist schon so, dass ich die Chefin bin und dass ich sage was läuft. Aber es ist auch so, dass wir keine so starken Hierarchien haben und dass alle eigentlich immer zu jedem Thema gehört werden. Also wir haben ein bisschen Hierarchie, es ist nicht völlig hierarchiefrei, aber es ist halt ganz ungewöhnlich, zum Beispiel die zwei Profs, die bei uns Mitglied sind, Jane Richardson und Kay Diederichs aus Konstanz, sind eher beratend für die Methodik, für die sie Spezialisten sind, also die helfen uns, quasi bestimmte strukturbiologische Probleme zu lösen, aber sie sind nicht tonangebend und das ist schon außergewöhnlich und ich bin sehr geehrt, dass sie quasi bei diesem Projekt mit dabei sind und jemandem folgen, der in der Karriere noch Nachwuchsgruppenleiterin ist.
Und ich meine, das ist ja auch, sagen wir mal, ein … ich will das jetzt nicht sozusagen gleich jetzt prototypisch als die Zukunft der Wissenschaft an die Wand nageln, darum geht es mir gar nicht, es zeigt einfach nur, so kann es halt auch gehen. Also dass man in dem Moment, wo man auch Dinge einfach mal bisschen fließen lässt und laufen lässt und ausprobiert und sozusagen auch selber da so eine eigene Petrischale aufmacht und sagt, so jetzt gucken wir einfach mal wie das so funktioniert, dass man dann eben auch rein experimentell zu neuen Strukturen kommen kann, wie in dem Moment sozusagen die Wissenschaft auch selbst besser funktionieren kann. Ich meine, es wird ja eher auch oft vorgeworfen, dass sie sich zu sehr in etablierten Strukturen und haben wir immer schon so gemacht Momenten wiederfindet und an der Stelle ist es ja auch schön zu sehen, wenn es auch mal anders laufen kann.
Ja, also ich habe auch ein paar Dinge gelernt, die ich jetzt öfter mal sage, nämlich die Tatsache, dass meine Bachelorstudenten Reviews für Proteine schreiben können. Dieses Reviews schreiben ist in der Wissenschaft etwas, das tut man normalerweise im Alter 50+, nachdem man 15 Jahre auf dem Gebiet geforscht hat. Dann wird davon ausgegangen, man kennt sich gut genug aus, um einen Literatur Review zu schreiben. Aber meine Studenten haben halt in der Situation, wo wir das unbedingt mussten, die relevante Literatur zu irgendeinem Protein gelesen und haben eine Review geschrieben. Und so wie es aussieht werden diese Reviews jetzt tatsächlich auch in einer Fachpublikation erscheinen und die sind halt zum Teil erst 21 oder so. Also die können alle super viel, die sind auch super klug, ich bin mit so klugen Studenten gesegnet, aber ich selber bin halt auch noch keine 40 und kein Professor und ich verstehe überhaupt nicht mehr, warum man so alt sein muss in Deutschland, um Professor zu werden. Kann mir das bitte mal jemand erklären? Ich weiß es nicht. Ich sehe einfach irgendwie halt nicht wie sich das rechtfertigt. Ich bin jetzt neun oder zehn Jahre aus meiner Doktorarbeit raus und es scheint alles möglich zu sein. Ich glaube, dass wir echt ein Problem haben, das Profs älter und älter werden und wir machen lauter Zwischenstufen im System, Nachwuchsgruppenleiter und Juniorprofessuren und Postdocs, die irgendwie sieben Jahre lang sind, Postdoc ist die Phase nach der Doktorarbeit und lange Doktorarbeiten zum Teil. Ich weiß nicht warum, ich verstehe nicht mehr, warum wir das brauchen. Also klar, ein Postdoc ist cool, aber wirklich? Wieso brauchen wir diese ganzen Zwischenstufen, macht das überhaupt Sinn? Macht es Sinn, dass wir die Studenten so ewig lang von der echten Wissenschaft fernhalten und sagen, na also in der Bachelorarbeit darfst du mal schnuppern und in der Masterarbeit darfst du dann das erste Mal wirklich was beitragen, aber erst in der Doktorarbeit machst du dann richtig so ein bisschen eigenständig. Wenn ich halt sehe, dass meine jungen Leute irgendwie Dinge eigenständig tun können, die können das einfach, die sind nicht zu jung. Wir hatten nie darüber nachgedacht, dass wir anders sind als anderen, bis eine Editorin von Nature uns vor einer Weile mal gefragt hat, ob wir glauben, dass wir als Modell dienen könnten dafür, wie Wissenschaftsprojekte aussehen könnten. Eine Antwort ist, ja wahrscheinlich schon, aber nur wenn es mehr administrativen Support dafür gebe. Denn was man halt irgendwie auch sagen muss ist, wir hatten keine Führungserfahrungen oder sehr wenig und wir hatten auch relativ wenig administrative Unterstützung. Und 27 Leute managen ohne Sekretärin ist schon so ein bisschen hart. Also ich habe halt schon mal einen Tag damit verbracht, von allen 27 die Adressen einzusammeln. Etwas, wofür ich mich latent überqualifiziert fühle, aber es hat halt außer mir keiner gemacht. Oder neue Webcams zu bestellen vier Stück und herauszufinden wie das SAP funktioniert. Also die Infrastruktur müsste sich ein bisschen ändern für solche Dinge. Aber das wird ja auch von andere Stelle schon lange gefordert, dass es irgendwie zu viel Administration gibt, ansonsten war es cool. Also ich würde es wieder so machen. Ich bin ein bisschen überrascht gewesen, dass es anders war als was davor war, war mir nicht bewusst bis so mindestens November letzten Jahres war mir nicht so ganz klar, dass wir anders sind. Aber es stimmt schon natürlich.
Im Moment noch nicht. Also ich kann nicht behaupten, dass das Institut, wo ich jetzt bin, das HARBOR in Hamburg ist ein fantastisches Institut und Nachwuchsgruppenleiter werden definitiv unterstützt und ich habe schon Zugriff auf, ich sage jetzt mal, die Sekretärin meiner Chefin, aber die ist halt für sechs andere auch noch verantwortlich, also für sechs andere Gruppen und es sieht so aus, als ob ich demnächst möglicherweise Unterstützung bekomme. Ich habe außerdem auch durch die Unis eine Anzahl von Coaching bekommen in Medienkompetenz und Führung. Also ich habe da um Hilfe gebeten und habe auch Hilfe bekommen. Aber man ist generell überrascht und irritiert darüber, was ich da eigentlich tue. Es macht für viele Leute im akademischen Betrieb einfach keinen Sinn. Die verstehen das mit den 27 Leuten nicht und noch weniger verstehen sie das mit den zwölf Studenten und den neun Zeitzonen und alles über Zoom und wann kommst du eigentlich wieder zurück ans Institut? Und das ist ja auch so was, also wir leben mit unseren Katzen, Hunden, Kindern zu Hause, wir waren viele Monate in den letzen zwölf Monaten im Lockdown und wir haben dieses Projekt von zu Hause gemacht. Und ich kann zum Beispiel eine Unterstützung, die ich erfahren habe, ist, man hat mir keine Probleme gemacht, dass meine Mitarbeiter Computer und Infrastruktur mit heim nehmen durften. Auch nicht die Stunden, und das war super.
Ja. Also es gibt schon Unterstützung, aber ich glaube, ich meine, was bedeutet denn das? Wenn ich so ein Projekt von zu Hause aus leiten kann, dann bedeutet es doch auch, dass, wenn du behindert bist oder wenn du dich um deine alten Eltern kümmern musst und du bist hochqualifizierter Akademiker, musst du dann eigentlich noch in der Stadt sein wo dein Institut ist? Oder reicht es, wenn du da sechsmal im Jahr vorbeischaust für eine Woche? Ich will nicht sagen, dass das ideal wäre, ich finde Präsenz am Institut ist schon echt schön, weil man mit den Kollegen Kaffee trinken kann und halt einfach Berührung hat und ein soziales Umfeld, aber wir schließen halt viele viele Wissenschaftler aus, weil sie zum Beispiel für Kinder sorgen müssen oder weil sie behindert sind oder weil sie in …
… in Taiwan sind. Ja, weil sie auf einem anderen Kontinent sind. Ich kann bis heute im deutschen akademischen System, soweit ich verstehe, niemanden einstellen, der nicht eine deutsche Adresse hat. Aber jetzt in dieser Pandemie konnte ich halt Leute in dieses Projekt rekrutieren, die in Oregon auf dem Land sitzen und die haben halt mit uns gearbeitet.
Also die Studis sind ja, also die Studis, die ich einstellen darf, die kriegen ja Geld, die müssen alle von deutschen Universitäten kommen, die müssen aber nicht deutsch sein. Ich habe zwei Studenten zum Beispiel aus Nigeria, die an deutschen Universitäten studieren. Die Unis und die anderen Institutionen haben das mal so wohlwollend zur Kenntnis genommen, einige haben es auch gar nicht zur Kenntnis genommen. Die betreffenden Chefs haben zum Großteil irgendwann mal zustimmen müssen informell, weil sie natürlich gemerkt haben, okay der Postdoc macht jetzt was anderes als das Projekt, was er eigentlich machen soll, der arbeitet jetzt einen Tag pro Woche irgendwie was anderes. Aber da haben wir eigentlich auch Unterstützung bekommen. Es ist auch ein sehr sichtbares Projekt gewesen, also wer will denn nicht damit assoziiert sein, denke ich. Und ich glaube, vor Juni waren alle irritiert und die ganzen älteren Herrschaften wussten noch nicht wie Zoom funktioniert, niemand hat, glaube ich, gemerkt was los ist, aber ich weiß es nicht genau, ich kann da nur spekulieren.
Das ist sicherlich in vielen Branchen so ähnlich gelaufen. Ich versuche gerade auch so ein bisschen zusammenzureimen und zusammen zu addieren, was eigentlich jetzt hier alles zusammenkommt. Weil es sind dann sicherlich schon mehrere Faktoren, die hier eine Rolle spielen. Natürlich erst mal sozusagen diese Pandemie und dieses besondere.
Ja, aber nicht nur weil es an sich etwas ist, sondern weil es halt alle mehr oder weniger auf dieselbe Art und Weise betrifft, in unterschiedlichen Ausführungen, aber alle haben erst mal so dasselbe Problem und deswegen fokussiert sich das und das sieht man ja auch in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft, der Wissenschaft auch, dass da eben so ähnliche Kräfte wirken und auf einmal Dinge ändern. Dann ist es eben dann, glaube ich, auch noch mal spezifisch in Deutschland auch so dieses finale Urteil mit, ja das Internet ist in der Tat hilfreich, wäre schon gut, wenn man das auch mal benutzt. Das ist ja, man hat wirklich das Gefühl, man hat es immer wiederholt, aber es wurde halt nicht so richtig geglaubt. Und man kniet dann doch immer noch wieder nieder am Altar des Faxgerätes und man fragt sich manchmal wirklich, in welcher Welt man eigentlich lebt. Das ist jetzt irgendwie auch noch mit dazu gekommen, dass man einfach sieht, ja man kann sich darüber organisieren. Man kann sich nicht nur gerade so eben so ein bisschen organisieren, sondern man kann auch tatsächlich einen Großteil der Lehre auf einmal darüber abwickeln. Ich meine, die Universitäten sind ja im Prinzip seit einem Jahr komplett zu. Und darüber hinaus ermöglicht es eben auch noch ein interdisziplinäres, gezieltes Arbeiten, was mit sehr hohem Turnaround rauskommt, was auch sich an den etablierten Hierarchien ein wenig vorbeischummelt und dann eben auch noch was sinnvolles dabei herauskommt. Und das, finde ich, ist an sich schon mal eine ganz interessante Botschaft, da muss man dann mal schauen, was es dann am Ende bringt. Ihr habt ja auch nun Öffentlichkeitsarbeit, hast du schon angesprochen, ihr beobachtet aber auch, sagen wir mal, die Öffentlichkeit ja auch noch auf eine andere Art und Weise mit. Dazu gehört einerseits so die Arbeit auch in sozialen Medien mit dazu. Nicht, dass man das Geschehen ja versucht, dort auch ein wenig zu unterfüttern. Jetzt hattet ihr vor ein paar Wochen aber auch noch mal relativ viel Arbeit reingeschickt, so ein Replik zu erarbeiten aufgrund dieses Papers, was auch an der Universität Hamburg veröffentlicht wurde, was sich mit dieser Theorie befasst hat, was denn sozusagen der Ursprung dieses Virus ist. Bevor wir da vielleicht konkret drauf eingehen, möchte ich ganz gerne noch mal so ein bisschen auch erfragen, was eigentlich jetzt konkret eure Arbeit oder sagen wir mal die Forschung am Virus an sich es uns erlaubt, Aussagen darüber zu treffen, woher etwas kommt. Ich meine, dieses Virus wird getrackt über Mutationen, die dann in Varianten münden, die mittlerweile auch viel diskutiert sind. Man kann anhand dieser Mutationen schnell sehen, wo ein Virus hingeraten ist, wo es den Teich übersprungen hat, wo es andere Länder infiziert hat, wo es sich vielleicht mit anderen Varianten und Mutationen vermischt hat.
Also tatsächlich, wie du schon gesagt hast, kann man einiges mit der Sequenz anfangen. Die Sequenz ist beim Coronavirus größer, länger und komplizierter als bei den meisten Viren, die wir so kennen. Und sie ändert sich über die Zeit und sie kann auch künstlich manipuliert werden. Und das heißt, die Sequenz eines Virus erlaubt schon Schlüsse auf seinen Ursprung. Der Rest ist Detektivarbeit. Ich schätze, man kann schauen, wo ein Virus das erste Mal aufgetreten ist und wo es dann wieder nachgewiesen wurde. Aber das sind so die Mittel.
Aber wenn ihr jetzt auf die Strukturen schaut und auf so dieses Wesen, ich meine, es gibt ja mittlerweile sehr viel Fortschritte im genetischen Bereich. Insbesondere die sogenannte Genschere, die erlaubt es mittlerweile, sehr gezielt gegen genetische Strukturen zu arbeiten, um bestimmte Modifikationen hervorzurufen. Inwiefern sieht man denn so etwas, wenn man sich strukturell eine Struktur anschaut? Inwiefern wird so was offensichtlich?
Aber die Struktur selber, klar, ich kann sehen, wenn zum Beispiel eine Mutation vorliegt oder wenn irgendwas anders ist, dass die Struktur, die ich hiervon bestimmt habe und die Struktur, die ich von, ich sage mal, mutierten Stachel gemacht habe, dass die unterschiedlich aussehen. Das ist jetzt zum Beispiel bei der Mutation aus England ist das in den letzten Wochen auch publiziert worden. Also wir haben neue Strukturen gesehen mit der Mutation und sehen jetzt, wo die anders sind. Das ist klar. Aber über den Ursprung dieser Mutation verrät uns das halt nichts. Dafür muss man die Sequenz angucken und was sich in der Sequenz in welchem Zeitraum geändert hat.
Ha, ja, aber wir haben Stellung genommen zur wissenschaftlichen Qualität dieser Publikation. Wir haben keine Stellung bezogen zu der Frage, ob das Virus aus einem Labor kam oder von dem Markt oder sonst wo her. Wir haben lediglich geschrieben was bekannt ist, aber vor allem haben wir diese Stellungnahme veröffentlicht, weil wir der Meinung sind, dass diese Publikation hätte viel besser sein können und dass sie nicht den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis entspricht. Also das ist das wozu wir Stellung bezogen haben. Und wir haben anhand verschiedener Dinge, die genannt worden sind, gezeigt, warum es keine gute wissenschaftliche Praxis ist. Aber selbst ich heute hier wäre nicht in der Lage zu sagen, ich weiß hundert Prozent, dass das Virus nicht aus einem Labor in Wuhan kam, mit all meinem Wissen, das ich habe. Aber mein Problem ist wirklich damit, dass diese Publikation in ihrer Form höchst unüblich war, dass sie nicht, man nennt das, peerreviewed von anderen Fachleuten angeguckt wurde, dass die Veröffentlichung nicht auf einen konventionellen Weg in einer Fachzeitschrift passiert ist. Und ja, ich weiß, auch wir haben ganz viel von unseren Daten nicht in Fachzeitschriften publiziert, aber wir haben unsere Hypothesen gegengecheckt und wir haben keine Hypothesen aufgestellt, die so umstritten sind. Bei den meisten Fehlern, die wir gefunden haben, haben wir die Originalautoren angeschrieben und die Originalautoren haben gesagt, oh da habt ihr recht, da ist uns ein Fehler unterlaufen, wir korrigieren den. Ja, da ist die Beweislage sehr klar gewesen und wir hatten keine formale Peer-Review, aber es hat uns auch keiner widersprochen. Und wenn uns mal jemand widersprochen hätte, hätten wir uns damit sehr kritisch auseinandergesetzt. Mein Problem war wirklich, dass die gute wissenschaftliche Praxis nicht eingehalten wurde, dass einige der genannten Quellen fraglicher Natur sind, dass die Hypothesen aus meiner Sicht nicht aus den gelisteten und aufgeführten Beweisen hervorgehen. Und wenn übermorgen ein Artikel, ein Kommentar in Nature erscheinen würde, aus diesem und jenem Grund ist es wahrscheinlich, dass das Virus aus einem Labor in Wuhan kam, das an Coronaviren aus Fledermäusen geforscht hat und das ein Unfall war, das und das spricht dafür und dieser Kommentar den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis genügen würde, hätte ich kein Problem damit, ich fände das sehr interessant zu lesen.
Nur gab es das halt auch bisher noch nicht. Ich meine, was da so ein bisschen auch ja noch mit drin hängt ist eben die generelle Frage der, ich sage mal so, wie geht man eigentlich mit Fehlerkultur um. Ich meine, in dieser ganzen Debatte, die sich jetzt um Wissenschaft entwickelt hat im letzten Jahr, ist ja immer wieder viel darauf verwiesen worden, die wissenschaftliche Methode funktioniert, die wissenschaftliche Methode funktioniert, indem man sich irgendwie gegenseitig die Thesen um die Ohren haut und so lange irgendwie hin und her kämpft und da sozusagen so ein Fight for Truth macht.
Ja, so ist es, die Frage ist, ob es auch so wahrgenommen wird. Und die Frage ist natürlich auch, ob sich bei diesem Battle for the Truth hier nicht auch eine neue Fehlerkultur breit macht oder breit machen sollte. Also wie diese Fehler gefunden und diskutiert werden, jetzt wo man auch so teilweise mit in diese Öffentlichkeit reingezogen wird. Also es ist ja immer so ein bisschen diese Wahrnehmung so, oh ja da ist ja ein Paper, ja das ist ja noch nicht peer-reviewed. Aber hier ist ja ein peer-reviewtes Paper, ja, aber das ist ja von dem anderen schon wieder widerlegt worden. Und diese wissenschaftliche Diskussion darum, die normalerweise eben in wissenschaftlichen Kreisen mehr oder weniger unbeachtet von der Öffentlichkeit stattgefunden hat und sich dort ausboxen konnte, wird jetzt die ganze Zeit von der Öffentlichkeit, was an diesem Thema so unglaublich interessiert ist, mit beobachtet.
Der absolute Idealfall und der, den ich auch propagiere und der vielleicht eine neue Kultur darstellt, aber vielleicht war es halt auch schon immer so ist, dass diese Kämpfe und die Wahrheit, die dürfen einfach nicht persönlich sein. Ich sage auch nie, hier hat der Originalautor der Struktur einen Fehler gemacht, sondern ich sage, diese Struktur hat einen Fehler und da ist Raum, sie zu verbessern. Es geht nicht darum, jemanden persönlich zu beschuldigen. Es geht darum, die beste Antwort zu finden, die Wahrheit. Ich glaube, dass wir in einer Zeit leben, in der Wahrheit und Lüge ein zentrales Thema sind. Wir leben in Zeiten von Fake News, wir leben in Zeiten von HBOs Chernobyl. Wir leben in Zeiten, in denen die Leute versuchen zu verstehen, was Wahrheit ist. Und in denen sie manchmal auch echt Probleme damit haben, dass, wenn es um Meinungen geht, deine Wahrheit nicht nötigenfalls meine Wahrheit ist. Während wenn wir von Wissenschaft reden, was keine Meinung und keine Religion ist, gibt es nur eine Wahrheit und das ist die nichtwiderlegbare Hypothese.
Also am liebsten haben die Journalisten die Frage, Frau Dr. Thorn, was finden Sie eigentlich am faszinierendsten an dieser Pandemie? Die tun immer so, als ob ich heilfroh sein müsste, dass es diese Pandemie gibt und sind total erstaunt, wenn ich ihnen sage, an dieser Pandemie ist genau gar nichts faszinierend und ich würde glauben, dass, wenn jemand sie als faszinierend bezeichnet, dass er möglicherweise ein Soziopath ist.
Klar, das Virus ist super interessant. Und klar, wir machen zum Beispiel auch halt mal Witze. Ja, wir sind ein großes Team und natürlich machen wir ziemlich viele ein bisschen geekige Witze von Zeit zu Zeit, aber das heißt ja nicht, dass wir unsere Arbeit nicht ernst nehmen und dass wir nicht alle in dieser Pandemie leiden, weil wir isoliert zu Hause sind. Aber die Journalisten versuchen bisweilen auch mir Worte in den Mund zu legen, die ein bisschen so eine Meinung widerspiegeln, die kontrovers sein könnte oder irgendwie halt aus einem wissenschaftlichen Konflikt einen persönlichen Konflikt zu machen und ich habe halt keinen, das ist so ein bisschen frustrierend manchmal, aber ich bin auch, wenn jemand meine Arbeit oder meine Arbeitsweise wissenschaftlich oder unsere kritisiert, immer gerne bereit, über mögliche Verbesserungen zu reden. Schreckt mich einfach irgendwie nicht, ist ja nicht ich, die kritisiert wird, das ist das was wir machen, was kritisiert wird.
Das muss man trennen und der Wissenschaft wäre ein großer Dienst getan, wenn alle das trennen würden. Also wenn man sich zum Beispiel die persönliche Feindschaft zwischen Koch und Pasteur anguckt, wo hätten wir hinkommen können in deren Lebzeit, wenn die nicht spinnefeind gewesen wären aus persönlichen Gründen, weil sie das Gefühl hatten, der eine hat die Arbeit des anderen nicht genug gewürdigt. Und das ist auch, ich weiß nicht, ob das jetzt sexistisch klingt, aber ich habe manchmal das Gefühl, das hat auch damit zu tun, dass Männer so prägend waren und Männer halt einfach meinem Gefühl nach statistisch gesehen mehr kompetitiv sind als Frauen. Das ist einfach eine Kultur, eine Wissenschaftskultur, in der wir leben, in der die Leute, die kontroverse, radikale Hypothesen aufstellen und dann einen Nobelpreis dafür gewinnen, gewürdigt werden.
Ja, kannst dich da gerne noch mit dazuzählen, aber das ist einfach so meine Wahrnehmung. Ich will jetzt gar nicht hier großes Namedropping betreiben, aber wir sind da schon ein Stück weit weg davon gekommen, dass jetzt irgendwie alles nur noch irgendwie, nur wenn Männer das sagen, hat das irgendwie Gültigkeit, das Ding ist halt irgendwie durch, finde ich.
Voll gut, das nächste was passiert ist… Ich habe, keine Ahnung, ich habe letzte Woche eine Zeichnung von einer erkrankten Blume mit einem Virus von einer achtjährigen bekommen. Das nächste was wir wissen ist, die soll einen Forscher zeichnen und zeichnet eine Frau, das finde ich cool. Aber das ist auch so was, an der Stimme hört man es nicht, aber ich sehe halt auch relativ jung aus, ich werde oft für eine Studentin gehalten, das ist nicht immer vorteilhaft.
Ja. Ja, da müssen wir auch noch drüber hinweg, aber ich meine, das zeigt ja eigentlich dein Team sehr schön, dass das irgendwie am Ende alles mehr mit Motivation und Kompetenz zu tun hat als irgendwie wie alt man ist oder wo man jetzt sich gerade schon mal irgendeinen Titel abgeholt hat, das ist dann ja… Was würdest du denn jetzt, sagen wir mal, dem wissenschaftlichen Betrieb an sich raten so mit den Lehren, die du jetzt aus dieser Zeit gezogen hast? Wie kann man sich dafür aufstellen, da ein bisschen mehr Dynamik zu entwickeln und zuzulassen vor allem?
Ich glaube, dass man jungen Menschen mit guten Ideen mehr Freiraum geben muss und mehr Unterstützung. Und dass die Leute gut daran täten, an ihre Kollegen, auch an ihre jüngeren Kollegen und ihre Studenten, zu glauben. Es ist absolut unglaublich was Menschen bewegen können, wenn man an sie glaubt. Und wir haben das Potenzial. Etwas was ich nach diesem Jahr weiß ist, es ist kein Mangel an Potenzial, wir können, aber man muss uns lassen.
Wer müsste sich da als erstes bewegen… Ich denke, Berufungskommissionen müssten sehen, dass Professoren jünger sein können. Doktorväter und -mütter müssten sehen, dass eine Doktorarbeit über drei Jahren einfach nicht notwendig ist. Ich denke, dass das universitäre System sich ändern muss langfristig. Wir leben in einer Zeit, in der viele der bedeutendsten Errungenschaften der Menschheit nicht länger in öffentlicher akademischer Forschung gemacht werden, sondern von Konzernen. Wir leben in einer Zeit, in der die Universität als Institution langsam, viel langsamer als eine Legislaturperiode, aber sie verliert an Bedeutung. Und in der Professoren immer älter werden. Und vielleicht muss man all diese Mechanismen, das gesamtem System überdenken und wirklich systematisch etwas anders machen. Etwas, was mir auch nicht ganz klar ist, was allerdings mit der Forschung nicht so viel zu tun hat, ist, wenn jetzt schon alles online ist, brauchen wir überhaupt 300 anorganische Chemie I Vorlesungen oder könnten wir vielleicht in Deutschland fünf haben, wenn es nicht die Freiheit der Unis beschneiden würde?
Das ist wirklich, diese Pandemie hat Probleme und Chancen aufgezeigt und es ist an der Zeit, die irgendwie zu nutzen, aber das ganze System muss sich dafür verändern. Und wie ich vorhin schon gesagt habe, es gibt auch unglaublich viel Potenzial, was wir nicht nutzen. Es gibt wenig soziale Mobilität in der deutschen Bildung, wir verlieren kluge Köpfe, weil die Eltern zu arm sind, um Klavierunterricht und Nachhilfe zu bezahlen oder mit dem Kind Hausaufgaben zu machen, jetzt mehr als jemals zuvor. Wir verlieren kluge Köpfe, weil wir nicht in Südafrika Doktoranden rekrutieren. Wir verlieren kluge Köpfe, weil wir ein System haben, in dem man während der Habilitations- oder der Juniorprofessurphase einfach nur sehr schwer Kinder kriegen kann, was viele Frauen dazu bewegt, spätestens zu diesem Zeitpunkt auszusteigen aus diesem System und in die Industrie zu gehen. Es muss sich was ändern. Und es ist meine persönliche Meinung, dass das vielleicht auch zu mehr Glück in diesem System führen würde. Weil etwas, was ich auch weiß, ist, wieviele Menschen an deutschen Universitäten unglücklich sind, obwohl sie eigentlich den coolsten Job der Welt haben. Muss das wirklich so sein?
Ich denke, die Zeit hat durchaus gezeigt, dass andere Wege möglich sind so. Und auch gerade dieser Bereich dieser Digitalisierung und dieses, wenn man sozusagen all das doppelte, was immer wieder unnötigerweise getan wird und die Kosten an Stellen aufbläht, wo es wirklich nicht notwendig wäre. Vielleicht müssen wir auch mehr darüber nachdenken, dass diese Universitäten sich weniger, wie du vorhin schon so gesagt hast, nicht dieser Kampf zwischen Koch und Pasteur, wer denn jetzt hier irgendwie der coolste ist, sondern sich sozusagen selbst mehr so als Netzwerk von Universitäten versehen, die sich gegenseitig dabei unterstützen können, die Redundanz rauszubekommen, um dann eben die eigentliche Konzentration auf das zu legen, was die Universität wirklich ausmacht.
Aber es gibt den Nobelpreis und den können höchstens drei Menschen für ein Themengebiet gewinnen und wir haben eine Zeit, in der fast alle wichtigen Entdeckungen von großen Teams gemacht werden, aber gleichzeitig es darum geht, ob ich Erstautor oder korrespondierender Autor meiner Publikation bin, weil das ist der wichtige oder die wichtige.
Und das ist so ein System, das immer noch glaubt, dass halt Wissenschaft ist ein Geniewissenschaftler, der völlig asozial ist, sitzt im stillen Kämmerlein für 20 Jahre, um die große Entdeckung zu machen, und selbst die Öffentlichkeit glaubt fest an diese Idee des Einzelkämpfers in der Wissenschaft und ganz viele Wissenschaftler glauben dadran. Aber vielleicht ist das der Grund, warum die Industrie uns in einer gewissen Hinsicht den Rang abläuft.
Ich meine, gerade diese Verengung auf Nobelpreise, ich denke nicht, dass alle das so haben, das ist ja eher so das Bild dafür, nur sehr wenige können irgendwie glänzen und viele andere tun das nicht. Ich meine, wenn man sich alleine schon mal anschaut, was am CERN da mit dem Beschleunigerprojekt gemacht wird, da fällt dann vielleicht auch der ein oder andere Nobelpreis dann mal bei raus, der dann irgendwie an zwei oder drei Leute vergeben wird und jeder weiß, dass dieser ganze Apparat eine kollektive Arbeit ist von tausenden von hochausgebildeten Wissenschaftlern, wo kein einziger fehlen darf, damit am Ende wirklich es zu diesem Ergebnis kommt. Und von daher sind das halt einfach alles Modelle der Belohnung für wissenschaftliche Leistungen, die einfach nicht mehr zeitgemäß ist. An der Stelle kann dann wahrscheinlich auch die Gesellschaft ein bisschen mitarbeiten, indem sie sich von dieser Fixierung des alten Bildes halt auch trennt. Das ist am Ende des Tages wahrscheinlich dann auch einfach ein gesellschaftlicher Anpassungsprozess, dem wir uns auch alle unterziehen müssen.
Ja, ich denke auch. Aber es wäre ein Schritt in die richtige Richtung, weil es ist halt irgendwie schon lange nicht mehr so. Ich habe als Doktorandin mal ehrenamtlich für die Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertreffen gearbeitet und es gibt nur ganz wenige Nobelpreise, wo nur die Leute, die den Preis gewonnen haben, verantwortlich waren.
Und ich weiß nicht, es ist auch irgendwie ganz schön, so in Harmonie zu arbeiten, nicht miteinander zu konkurrieren. Ich glaube übrigens, das hat auch viele Leute an uns irritiert. Also dieser Mechanismus, dass wir halt einfach Leute hinzurekrutiert haben, die ähnliche Dinge gemacht haben, dass die ja gesagt haben und dass wir halt nicht miteinander Kompetition aufgemacht haben, wir haben keinen Wettstreit gemacht.
Ein anderes Belohnungsmodell haben, ich meine, das ist ja im Prinzip so dieses, was du meintest mit, die Leute wollen ja irgendwie auch glücklich sein, das hat ja dann auch einfach was mit Anerkennung und Belohnungsmodellen zu tun. Das hat auch ein bisschen was mit einer Grundbezahlung oder auch einfach nur mit der Sicherheit, dass irgendwie der Job da einfach mal ein paar sicher ist und nicht alle paar Jahre über irgendwelche Projekte wieder erneuert werden muss und unter Umständen auch komplett wegfällt, was einem ja auch die Lebensplanung erschwert oder teilweise vielleicht auch komplett unmöglich macht. Solche Rahmenparameter machen am Ende schon eine ganze Menge aus.
Ja, also was bei uns im Speziellen vielleicht auch ein Faktor war, wir waren ja alle im Lockdown und relativ einsam, als wir angefangen haben. Ich weiß es nicht genau, also vielleicht hat auch der eine oder andere oder die eine oder andere ja gesagt, weil es ganz gut war, mit anderen Leuten zu tun zu haben, obwohl man allein zu Hause sitzt.
Ja, und weil auch einfach, sagen wir mal, die etablierten Strukturen, mit wem man jetzt zusammenzuarbeiten hat, einfach erst mal weggefallen sind und es sich dann einfach natürlich organisch wieder neu gefunden hat. Wie so ein Protein, was sich in eine neue Richtung entfalten kann, weil es mal eine kleine Änderung in den Grundgegebenheiten gegeben hat. Ja, insofern könntet ihr vielleicht ja auch sozusagen eure eigene Arbeit strukturbiologisch mal untersuchen, was sich denn da jetzt eigentlich für neue Strukturen herausgebildet haben. Okay, Andrea, da sind wir ja schon einen sehr weiten Weg gegangen, vielleicht zum Schluss, was siehst du denn jetzt als eine Zukunft für dieses Projekt? Was steht unmittelbar für euch an, was wollt ihr noch erreichen und wohin könnte das alles noch führen?
Also in der unmittelbaren Zukunft ist, dass wir jetzt dann doch vielleicht mal eine Fachpublikation machen müssen, damit wir zitiert werden können, denn Karrieren werden immer noch gemessen in High Impact Papers, das ist halt leider so. Dann werden wir weiterhin bis zum Ende der Pandemie bestimmt jede Struktur, die rauskommt, anschauen, zum Teil Atom für Atom. Und wir haben einiges darüber gelernt, was die Probleme in unseren Methoden sind, was die generellen Probleme der Strukturbiologie sind. Das heißt, irgendwann eines Tages wird es vielleicht ein bisschen Business as usual geben und wir werden zurück dahingehen, Methoden im stillen Kämmerlein zu verbessern, statt Podcasts-Interviews zu geben. Wir werden im Sommer ein neues Modell rausbringen, das ist schon klar, weil es neue Einsichten gibt. Und wenn dieses Projekt mal am Ende seines Lebenszyklus angekommen ist, dann wäre es mein Wunsch und meine Hoffnung, das ganze noch mal für Influenza zu wiederholen. Weil nur weil diese Pandemie vorbei ist, heißt es nicht, dass wir aus der Gefahrenzone raus sind. Und es wäre schon gut, das nächste Mal nicht so böse überrascht zu werden.
Ja und wir haben die Infrastruktur, das ist das Ding, wir haben jetzt von Corona die ganze Infrastruktur auf der Softwareseite, das heißt, das für Influenza zu wiederholen wäre weniger Aufwand. Und ansonsten habe ich jetzt ein Netzwerk von wissenschaftlichen Freunden und Kollaborationspartnern, das hoffentlich für den Rest meines Lebens gute Gesellschaft darstellen wird.
Ja und ich denke, es kann auch durchaus auch ein Modell sein für andere Disziplinen, die sich jetzt vielleicht auch schon irgendwie auf eine ähnliche Art und Weise neu gefunden haben und daraus so ein bisschen auch die Hoffnung zehren können, dass das eben auch unterstützenswerte Projektformen sind, die schnell auch neue Erkenntnisse geben können, die so sonst vielleicht gar nicht entstanden sind.
Ja, vielleicht muss es auch als kleine Möglichkeit so was zu implementieren, vielleicht muss es spezielle Förderungen für so was geben in irgendeiner Form. Ich weiß es nicht. Aber wir werden sehen, die Zukunft wird interessant, was werden die Leute von Wissenschaftlern denken nach dieser Pandemie? Wie wird sich unser akademisches Arbeitsumfeld ändern? Was bedeutet das eigentlich alles? Werden wir weiterhin wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse zuerst auf Twitter lesen? Ich meine, das ist, wenn du drüber nachdenkst, total wahnsinnig, aber so läuft das im Moment.
Ja, also ist schon ein paar Jahre her, da habe ich hier bei Forschergeist auch schon mal so darüber geklagt, wie eingefahren doch dieses ganze Publikationssystem ist und wie schwierig es ist und im Prinzip hat die ganze Pandemie das jetzt so auf der rechten Spur überholt so. Also es ist einfach, die klassischen Publikationssysteme existieren noch, haben auch weiterhin ihre Bedeutung, aber man hat einfach gesehen, dass die Wissenschaft auch geradezu einen Bedarf hat nach dieser offenen und freien Vernetzung und dem beschleunigten Wissensgewinn an der Stelle.
Andrea, vielen vielen Dank für die Ausführungen und natürlich auch vielen Dank generell schon mal auch für die Arbeit in dieser Coronavirus Structural Task Force. Das war auf jeden Fall schon bisher sehr interessant, das auch von der Seite mit zu beobachten und zu sehen, welchen Impact das so gehabt hat. Ja, und ich hoffe, ihr könnt da noch eine ganze Menge wichtiger Sachen herausfinden, so dass wir dann auch irgendwann wieder solche Interviews in einem Raum führen können.
Alles klar, ich auch. Gut, vielen Dank und vielen Dank an alle hier auch fürs Zuhören bei Forschergeist. Ich würde jetzt fast gerne sagen, geht bald wieder weiter, aber es ist halt gerade alles etwas schwierig. Aber diese Sendung hat es jetzt erst mal zu euch wieder geschafft und irgendwann gibt es dann auch wieder eine neue Folge. Bis dahin sage ich, tschüss und bis bald.