Wie wir Entscheidungen fällen und der Wert einer Fehlerkultur
Kopf oder Bauch? Wir treffen jeden Tag Entscheidungen und glauben, sie beruhen auf der rationalen Abwägung sachlicher Argumente. Doch das ist ein Irrtum! Viel öfter hören wir auf unser Gefühl. Und damit fahren wir meistens auch ganz gut, denn viele Risiken können wir gar nicht exakt abschätzen.
Der Umgang mit Ungewissheiten bei der Entscheidungsfindung hat den Psychologen Gerd Gigerenzer immer schon fasziniert. Er gilt als der Nestor der deutschen Risikoforschung. Der 71-Jährige ist Direktor emeritus des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin und hat dort das Harding-Zentrum für Risikokompetenz aufgebaut.
Gerd Gigerenzer möchte den Menschen verständlich machen, was unsere Entscheidungen beeinflusst. Die Intuition, auf die wir uns im Alltag so oft verlassen, ist gerade in Führungspositionen geradezu verpönt – zumindest nach außen hin. Bauchentscheidungen lässt ein Vorstand deshalb häufig im Nachhinein durch Zahlenwerk absichern. Gigerenzer warnt vor einer solchen Rechtfertigungskultur, für die viel Zeit und Geld zum Fenster hinausgeworfen wird.
Risikokompetenz ist aktueller denn je in Zeiten von Algorithmen und Scoring-Systemen, die unser Leben immer stärker prägen werden. Gigerenzer fordert mehr Risikokompetenz, um Statistiken und Zukunftsprognosen kritisch zu hinterfragen. Das fängt bei der Wettervorhersage an: Was bedeutet eigentlich 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit? Und Data Literacy betrifft auch weniger banale Fragen – wie die Schufa unsere Bonität einschätzt oder welche Therapie uns der Arzt verordnet.
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Transkript
Shownotes
Glossar
- Max-Planck-Institut für Bildungsforschung – Wikipedia
- Ludwig-Maximilians-Universität München – Wikipedia
- 68er-Bewegung – Wikipedia
- Statistik – Wikipedia
- David Harding (financier) - Wikipedia
- Unstatistik
- Das Einmaleins der Skepsis: Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken
- Google Flu Trends - Wikipedia
- Benjamin Franklin – Wikipedia
- Nachahmung (Soziologie) – Wikipedia
- Go (Spiel) – Wikipedia
- Schach – Wikipedia
- Heuristik – Wikipedia
- Intuition – Wikipedia
- Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition
- Sozialkredit-System – Wikipedia
- Defensive medicine - Wikipedia
- Simply Rational - Das Entscheidungsinstitut
- Monopoly – Wikipedia
- Kernkraftwerk Zwentendorf – Wikipedia
- Basel I – Wikipedia
- Value at Risk – Wikipedia
- Watson (Künstliche Intelligenz) – Wikipedia
- COMPAS (software) - Wikipedia
- Schufa – Wikipedia
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Supi, vielen Dank für den neuen Podcast. Ich bin gespannt auf das Gespräch,
Ey man wenn man den Einfluss von Fleischkonsum auf Dramkrebs angeben möchte dann ist die relative Wahrscheinlich genau richtig. Man soll ja sehen dass Fleischkonsum einen großen Einfluss auf die Darmkrebswahrscheinlichkeit hat. Klar das ist als absoluter Anteil gering, aber auch da finde ich grob ℅ ziemlich hoch. Das bedeutet, dass von 100 Leuten einer mehr Darmkrebs bekommt und zwar nur wegen Fleisch. Das Unseriöse ist aber viel mehr, dass nicht genannt wird welches Fleisch und ob da Natriumnitrit Pökelsalz drin ist oder nicht.
Sonst ging es leider einigermaßen am Thema vorbei. Das Standardwerk dazu „Judgment Under Uncertainty: Heuristics and Biases“ von Kahneman und Tversky ist eine sehr lehrreiche Papersammlung. Enthalten sind sehr viele Beispiele, die Mathe dahinter wird einfach erklärt und man kann auch an sich selbst sehen wie man an Probleme herangehen würde. Das Buch ist auch für Nichtmathematiker geeignet, also eine klare Empfehlung für den Sommer, das wird euch weiterbringen.
Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Produktionen der Metaebene so wenig verbreitet sind. Erstklassige Arbeit.
Hallo Tim,
Danke für die Sendung!
Kurz eine technische Frage, bzw. ein technischer Hinweis:
Hast Du diese Sendung mit dem Rödelcaster aufgenommen? Jedenfalls ist ein starkes Brummen / Rauschen auf der gesamten Aufnahme zu hören (ex-intro-outro). Oder war dieses Brummen tatsächlich „im Raum“?
Viele Grüße
Wiedermal ein hervorragendes Gespräch. Weis jetzt schon, dass ich mir die Folge mehrmals anhören werde.
Ich fände eine Gegenüberstellung von den Anreizen beider Systeme interessant. Über das Social-Credit-Score-System werden ja „soziale und gesellschaftliche Leistung belohnt“ – durch willkürliches Punktesystem, welches nur in zweiter Instanz wirtschaftliche Relevanz hat.
Ist eigentlich ein interessanter Gegenentwurf zu einem rein wirtschaftlich incentiviertem System, wie es in der westlichen Welt stattfindet (und gefühlt auch über die Jahre immer schneller abgleitet).
Als Beispiel ist mir im Gespräch die Diskussion über die eigenen Nachfahren im Kopf geblieben. Wenn die Kinder unter dem Wirken der Eltern leiden. Ist es nicht auch bei uns so (DE), dass es kaum Menschen gibt, die in ihrer Lebenszeit ihre Schicht verlassen oder gar aufsteigen? Laut OECD (2018) dauert es in Deutschland 6 Generationen, bis man aus der ‚Unterschicht‘ in die Mitte aufsteigt. Und das ganz ohne Berücksichtigung der sozial-gesellschaftlichen Leistungen :)
Okay vielleicht ist dieses Kommentar am Thema vorbei. Musste wohl kurz meine Gedanken ordnen.
ich fand die Idee im Ersten Moment gruselig. Je mehr ich darüber nachdenke desto attraktiver finde ich die Idee. Im westlichen Wertesystem hängt alles ausschließlich am Geld mit allen vor- und Nachteilen und Fehlentwicklungen.
Man könnte über einen Score eine Menge ausgleichen, Krankenschwestern, Pfleger … alle die heute nicht genug verdienen aber wichtige Arbeit machen könnten über einen Score einen Ausgleich erhalten. Die Frage ist einfach wo liegt der Fokus des Scores. Wichtig ist auch das die Regeln wie der Score entsteht transparent sind und auch gesellschaftlich diskutiert werden. Daran hapert es in China und das ist auch der entscheidende Unterschied zu einer Demokratie. Wenn mein Score durch fahren unter Alkohol oder Rasen in Flensburg schlecht ist, wird meine Mobilität auch eingeschränkt. Nach mehrfachen Schwarzfahren mit der Bahn auch. Und wenn man mit einer Vorstrafe im Führungszeugnis einen Job sucht findet man auch nicht unbedingt die attraktivsten Jobs.
Ich habe gerade den Podcast mit Teubi vom nachgefragt-podcast.de zum Thema Deep Learning gehört. Gerade der letzte Teil dieses Podcast stellt – soweit ich es verstehe – nochmal neue Fragen zum Thema KI. Was passiert, wenn aufgrund zeitlicher Dynamiken sich „die Welt“ unterhalb der Trainingsdaten bewegt? Gibt es da eine fundamentale Grenzen des Deep Learnings? Zumindest relativiert es die Mächtigkeit von KI-Systemen.
Großartige Folge! Sehr gut fand ich auch, dass Herr Gigerenzer klargestellt hat, dass ein neuronales Netz nur eine Algorithmus-Klasse von vielen im Bereich Machine Learning ist. Und zwar die, die zur Zeit am meisten gehyped, aber nicht unbedingt in der Praxis am meisten verwendet wird.
Hallo Tim,
Nicht, beileibe nicht die Erste aber wieder einmal eine Podcast-Mssterclass, die eine angenehm ungezwungene Dynamik des Dialogs, das wechselseitig spürbar große Interesse am Thema und am Gespräspartner unter einem höchst interessanten Thema, sowie dessen breite Relevanz, kommen zu einem geistig anregenden und fesselndem Hörerlebnis zusammen.
Vielen Dank für Deine schon so lange andauernde und wunderbare Arbeit.
Liebe Grüße
Tee
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