Silja Graupe
Also ich finde es spannend, wenn Sie sagen – also es ist ja auch richtig, dass jetzt viel wieder über Relevanz von Wissenschaft für die Gesellschaft gesprochen wird. Und für die Notwendigkeit, transformativ tätig zu werden. Aus meiner Forschung kann ich sagen, diese Idee einer Wissenschaft, die gesellschaftsrelevant ist, haben wir im letzten Jahrhundert ziemlich stark gehabt. Und zwar die Aufgabe der Wissenschaft, insbesondere auch der ökonomischen Wissenschaft, Weltbilder zu prägen auf einer eher unbewussten Art und Weise und deswegen eine tragende Rolle in dem zu kriegen, was man Beeinflussung öffentlicher Meinung nennt. Das ist nur möglich, wenn Wissenschaft nicht plural ist. Und wenn Wissenschaft keinen Diskurs erlaubt oder keine Diskursvielfalt erlaubt und wenn sie den Menschen sehr beständig von Realität trennt.
Und das ist eine der wichtigen Aufgaben, die ich mir vorgenommen habe, auch gemeinsam mit Kollegen, sich dieses letzte Jahrhundert anzuschauen, auch gerade im Neoliberalismus und zu sagen, welche Aufgabe hat hier eigentlich die Wissenschaft gehabt und was kann wieder Aufgabe der Wissenschaft sein. Vielleicht gar nicht so sehr Lösungsvorschläge zu machen, was auch schon, wenn Sie sagen Grundeinkommen und so weiter, sondern einen Ort zu bilden, an dem Menschen wieder fähig werden, Entscheidungen zu treffen. Und das wäre für mich der Vorwurf, dass nicht alles, aber ein Großteil der Wirtschaftswissenschaft entweder sehr stark eben Politikempfehlung gewesen ist oder sozusagen was man Meinungsklima nennt. Also ein Meinungsklima zu prägen, wo eigentlich immer nur bestimmte Lösungen, ob das jetzt Deregulierung ist oder wie auch immer, immer nur wieder aufscheinen kann.
Und für uns ist wichtig jetzt, als das Projekt sei es im Unternehmenssektor oder im Bürgerschaftlichen oder im Staatlichen wieder ein Ort zu werden, der Diskurse strukturieren kann, Perspektiven aufzeigen kann, damit überhaupt wieder ein Fundament entsteht, aus dem eine aufgeklärte Entscheidungsvielfalt möglich ist. So das ist also der eine Bereich. Der andere Bereich ist, dass wir uns Dingen zuwenden, die buchstäblich im Schatten der Aufmerksamkeit stehen, sowohl der Wissenschaft als auch der Gesellschaft. Mein Kollege Walter Ötsch forscht seit Jahren zum Thema Schattenbanken zum Beispiel. Das sind Banken, wie die Fed sie dann auch genannt hat, also die Zentralbank von Amerika, die eben im Schatten stehen. Also das heißt im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit, die agieren können, ohne dass man bis 2008/09 wusste, wie groß ist eigentlich irgendwie dieser Sektor.
Jetzt hat man das ja mit diesen ganzen Offshore-Geschichten dann nochmal in einem anderen Bereich abgedeckt und zu sagen, wie können wir überhaupt wieder empirisch und methodisch daran überhaupt forschen, dass wir wissen, wer eigentlich hier Hauptentscheidungen in der Wirtschaft überhaupt trägt. Und was sind Möglichkeiten in einer globalisierten Wirtschaft überhaupt von staatlichen Regulierungen und was ist da möglich? Also konsequent Felder zu beleuchten, die nicht oder wo sonst nicht allzu viel drüber geforscht wird. Das betrifft auch Netzwerkbereiche, betrifft aber auch Bereiche, die jetzt natürlich brennend aktuell sind. Wenn Sie sich die gegenwärtige politische Landschaft anschauen, ohne jetzt groß Namen nennen zu wollen, aber wie kann aus einem Projekt von ökonomischen Professoren, wie kann daraus eine rechtspopulistische Partei entstehen?
Also was sind eigentlich Meinungsklimata, die wir geschaffen haben als Ökonomen, auch von der Art zu argumentieren, Vielfalt zu sehen und so weiter, dass so was sehr sehr schnell auf eine andere Weise politisch instrumentalisiert werden kann, die eben auch für eine absolut erschreckende Einseitigkeit steht. Und ja das wären jetzt Beispiele von Sachen, die uns interessieren und für mich ist der große Bereich, den ich selber beforsche, weil dann auch Inhalt und Form wieder zusammengehen, eben diese Entstehungsgeschichte der ökonomischen Bildung. Wie sind wir da hingekommen, was hat das für Konsequenzen und wie können sich Individuen und wie können sich Gemeinschaften irgendwie daraus befreien? Und das ist für mich eigentlich die Geschichte, die erzählt gehört, das ist die Frage der Beeinflussung des menschlichen Geistes in einer ganz bestimmten Weise, die sich erst mal wissenschaftstheoretisch durchgesetzt hat. Also in dieser Begeisterung, weltferne Mathematik sozusagen zu betreiben.
Und dann die Frage, wie kann man eine solche Wissenschaft, die dann auch für politische Prozesse und für Bildungsprozesse instrumentalisieren?
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