Annette Vogt
Ja und nein. Also auf der einen Seite haben wir schon beachtliche Erfolge, also das Wissenschaftssystem in dem Sinne gibt es ja nicht. In den europäischen Ländern sind die Systeme immer noch sehr unterschiedlich, aber etwas verallgemeinert kann man sagen, die Wissenschaftssysteme basieren auf drei Säulen und das ist einmal die ganze schulische Ausbildung, die zum Teil unterschiedlich, also in Deutschland dann mit dem Abitur und in anderen Ländern ist es ein bisschen flexibler und dann gibt es die technischen Hochschulen oder Universitäten und die Universitäten, die die akademische Ausbildung tragen und die sozusagen die sind, die dafür sorgen, dass es in vielen Bereichen genormte Abschlüsse gibt, wo man mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, ein Ingenieur, der ein Diplom hat ist eben von Kiel bis München hat der die ähnliche Ausbildung und dann im Zuge der europäischen Einigungsprozesse hofft man ja, dass das auch irgendwann von Aarhus bis Marseille glt. Und dann ist die dritte Gruppe die Grundlagenforschung, reine Forschung, also diese wissenschaftlichen Institute, wo wir ja in Deutschland mehrere Organisationen haben, die Helmholtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft, die Leibniz-Gemeinschaft, wo es in Frankreich das Senaes??? gibt. Wo es in Spanien so eine ähnliche Institution wie Senaes??? gibt. Daneben ist noch die Forschung, die in der Industrie gemacht wird. Die da auch noch dazu gehört und es gibt ja auch die Bestrebung, europäische Programme aufzulegen, wo dann wirklich Forscher kooperieren können - sagen wir - aus Frankreich, aus Deutschland und aus der tschechischen Republik meinetwegen. Das gibt es alles und das ist unterschiedlich umgesetzt und ich würde sagen, man kann da noch viel mehr machen. Man kann auch diesen Fond in der europäischne Union vergrößern oder man muss ihn vergrößern. Man muss es entbürokratisieren. Es ist zum Teil mit sehr aufwendigen Verfahren verbunden. Es gibt glaube ich schon so einen Konsens, dass Wissenschaft dazugehört. Und der Streit geht dann eher darüber, weil viele Leute nicht wissen, was da in den Forschungsinstituten passiert. Also unsere Max-Planck-Gesellschaft wir machen so was öfter mal Tag der offenen Tür und dann können Besucher die Institute angucken und können mal sehen, was da passiert und was da gemacht wird. Das halte ich für eine ganz gute Idee, um Akzeptanz zu erzielen. Es muss mehr passieren, dass junge Leute Spaß haben, Wissenschaftler zu werden. Da muss aber umgekehrt im deutschen System auch eine andere Nachhaltigkeit und Stetigkeit an Stellen geschaffen werden, was wieder Geld kostet. Also wir haben einfach zu viele befristete Stellen und zu wenig unbefristete Stellen, im Vergleich zu Großbrittannien und Frankreich sind wir da viel schlechter aufgestellt. Und das wir ein zunehmendes Problem bei den jungen Leuten, weil die wollen dann einfach nicht unter diesen Bedingungen, wie ein moderner Nomade von Wissenschaftslabor zu Wissenschafstlabor wandern, weil irgendwann möchte man Familie und möchte das vereinbaren und es ist ja nicht wahr, dass Wissenschaft 24 Stunden am Tag gemacht werden muss. Oder dieses alte Mönchsmodell, eine Frau stört die Wissenschaft. Ein Wissenschaftler muss alleine bleiben. Das ist ja alles nicht wahr. Und für die modernen Verhältnisse muss ich dann auch adäquate Möglichkeiten finden. Und es wird mit Recht seit Jahren gedrängt, dass mehr Wissenschaftlerinnen in diese Berufe kommen. Wissenschaftlerinnen haben dann ein noch größeres Problem, diese Familienplanung zu vereinbaren mit dem Nomadenstatus zwei Jahre hier, zwei Jahre dort, zwei Jahre da. Also da muss sich einfach etwas ändern. Da muss einfach mehr Flexibilität auch rein. Wissenschaft ist eben kein Beamtenjob, auch wenn wir in der Geschichte der Akademien so eine schöne Kreation hatten, so um 1900 hießen die Wissenschaftler, die wenige unbefristete Stellen in den Akademieprojekten hatte, die hießen wirklich wissenschaftlicher Beamter. Und das Modell ist eben nicht geeignet, also ich denke, man muss da wirklich flexibler sein und muss schauen, was in anderen europäischen Ländern gemacht wird und was da wirklich läuft. Es gibt die Klagen in der Universität, dass wir zu wenig, also die Juniorprofessur ist ja nur befristet und nur wenige haben dann die Chance, dass das tenure track wird, also eine unbefristete und da muss einfach mehr passieren. Damit die jungen Leute nicht sozusagen denken, sie haben keine Chancen. Weil wir brauchen die begabtesten in den Universitäten und in den Forschungsinstituten.
Oh, neues aus der Metaebene :-)
Und dann noch so ein vielversprechendes Thema – wird gleich abonniert, ich freu mich drauf!
Interessanter Einstieg, wobei mich gerade einige der angedeuteten aber nicht weiter vertieften Themen neugierig gemacht haben.
Wie Wissenschaft oder vielleicht auch Wissen an sich in nicht-europäischen Kulturen in der Vergangenheit (gegebenenfalls mit Auswirkungen bis heute) verstanden wurde, würde ich mich als Folgethema sehr interessieren.
Und wenn sich bei der Frage der Wissenschaftssprache ein Gesprächspartner finden würde, fände ich es interessant der Rolle verschiedener Wissenschaftssprachen in der Vergangenheit nachzugehen und wie sie wissenschaftliches Verständnis geprägt haben. Latein wurde ja genannt. Aber auch vor hundert Jahren waren Deutsch und Französisch mit Englisch als Wissenschaftssprache ja durchaus noch auf einer Höhe. Beim Hochchinesischen heute habe ich den Eindruck, dass durch die Größe der Sprechergemeinschaft und ihre teilweise Abschottung, sowie die starke Entwicklung der wissenschaftlichen Institutionen in der Volksrepublik ein bisschen eine lokale Konkurrenzsprache zum Wissenschaftsenglisch entsteht. Und natürlich spielen für viele kulturwissenschaftliche Disziplinen die lokalen Sprachen eine große Rolle.
Ich weiß natürlich nicht, inwiefern diese Themen in den Podcast passen…
Danke für die Anregungen. In der Tat wäre es interessant, unseren europäischen Blick hie und da mal etwas zu weiten.
Zum Thema Wissenschaftssprache haben wir schon etwas in Planung…
Guten Tag!
Vielen Dank für diese sehr gedanklich sehr anregende Podcastepisode :-)
Zum Thema Eurozentristik würde mich interessieren, ob Sie von einer Dunkelziffer von Kontakten zwischen europäischen und fernöstlichen Kulturen ausgehen? Beim Thema Wissenschaftler der Antike hatten Sie ja diese Vermutung angeführt. Kann man im Umkehrschluss sagen, dass Euro-(sowie Sino-, Indo-, etc.)-Zentristik jeweils angemessen ist, wenn es nur sehr wenig Austausch gegeben haben mag?
Viele Grüße vom Bodensee!
PS an alle: Zur Frage wer zuerst Wissenschaft betrieb, erschien kürzlich ein Buch, dass Aristoteles an den Beginn (nicht nur) der Biologie setzt: The Lagoon von Armand Marie Leroi. Interviews & Besprechungen dazu:
http://onpoint.wbur.org/2014/09/29/aristotle-science-philosophy-greece
http://www.nature.com/nature/podcast/index-2014-09-04.html
http://www.theguardian.com/science/audio/2014/aug/11/science-weekly-podcast-aristotle-armand-leroi-lagoon
Der Podcast beginnt schonmal vielversprechend.
An Frau Vogt:
Ein kleiner Einspruch: Ich hielte reine „Lehrprofessuren“ – es müssten nicht einmal Professoren sein – gerade für die breiten Grundvorlesungen für absolut sinnvoll. Besonders für die Mathematikvorlesungen, die zum Standardprogramm für viele Studiengänge gehören (der klassische Analysis 1/2 + Lineare Algebra 1 oder Höhere Mathematik 1-3 Zyklus). Gerade diese Vorlesungen belasten die mathematischen Fakultäten in der Lehre enorm und führen zu viel zu grossen Veranstaltungen (ich sass damals mit 800 anderen Studenten in Lineare Algebra 1). Gleiches gilt für Statistik oder Programmierausbildung (Python, C++). Gerade das funktioniert in den USA sehr gut.