Andreas Zick
Wir machen ja jetzt seit 14 Jahren diese Studien zum Thema gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Das heißt da geht es vor allen Dingen darum, dass wir von 2002 bis 2011 jedes Jahr – damals hat die Studie Wilhelm Heitmeyer geleitet am IKG, also am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung – 2002 bis 2011 in jedem Jahr repräsentative Umfragen gemacht, in denen wir die Frage gestellt haben, warum bewerten Menschen andere Gruppen in der Gesellschaft als ungleichwertig? Wohnungslose, Frauen, Menschen mit homosexueller Orientierung und so weiter. Jetzt geht es um Vorurteilsdiskriminierungsmuster und wir haben zeitgleich immer gemessen und erfasst, was sind zentrale gesellschaftliche Fragen, was sind politische Meinungen. Aus diesen Datenerhebungen kriegt man einiges heraus darüber, wie jetzt solche populistischen Bewegungen entstehen. Jetzt machen wir das im Zweijahresabstand mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Wenn man in diese Daten hineinguckt, dann sehen wir auf der einen Seite, ja es gibt gesellschaftliche soziale Prozesse, die das erzeugen. Wie zum Beispiel, das fand ich mal eine sehr faszinierende Analyse von Kollegen, in ostdeutschen ländlichen Regionen die Abwanderung von bildungsstarken Gruppen führt dazu, dass sich politisch polarisierte Meinung, antidemokratische Meinungen und menschenfeindliche Meinungen erhöhen. In Regionen, wo Rechtsextremismus sich verankert, steigt das Ausmaß der Wahrnehmung, das ist normal. Das ist so ein Effekt. Zweiter Effekt ist, diese populistischen Bewegungen, Pegida und so weiter, können sich dann bilden, wenn massiv Demokratievertrauen einbricht. Das ist ein ganz wesentlicher Moment gewesen in Ostdeutschland. Also in den fünf neuen Bundesländern.
Wir haben gesehen, diese Bundesländer, die im Moment wieder dramatisch auftauchen mit höheren menschenfeindlichen und rechtsextremen Einstellungen. Also diese Ost-West-Differenz ist wieder da, die lange weg war. Die war ja gar nicht so, wir hatten eher einen Einigungsprozess. Das heißt man ist so gesamtdeutsch antisemitischer, islamfeindlicher geworden und so weiter. Aber wir haben diese Differenz, weil es unterschiedliche Kulturen immer noch gibt. Wir sehen in den Daten das Ausmaß nicht individueller Deprivation, mir geht es schlechter, ich habe Sorgen, ich steige ab, sondern es ist eine kollektive Deprivation. Wir nennen das Konzept der kollektiven relativen Deprivation, ist uralt. Ted Gore, ein berühmter amerikanischer Wissenschaftler hat gesagt, soziale Protestbewegungen entstehen aus kollektiven Deprivationen. Wenn ich das Gefühl habe, wir hier steigen ab, wir nehmen auch nicht teil am Wohlstand. Wir haben ja eine soziale Spaltung in der Gesellschaft.
Das ist ja definitiv so und man kann das ja nicht mehr wegreden, es ist ja kaum noch möglich, weil die Daten zugänglich sind, dass wir eine Polarisierung, auch eine soziale in der Gesellschaft haben. Wir haben reiche Gegenden, prosperierende Gegenden, Wohlstandsnachbarschaften, Gated Communities wie in Amerika. Douglas Massey, Kollege der mit und zusammenarbeitet, nennt das The New American Apartheid. Die weiße Oberklasse, die sich da abschottet. Das wird auch medial immer deutlicher. Das lässt sich einfach eben nicht mehr weg ignorieren. Das führt dazu. Und dann gibt es auch noch viel stärker, wir hatten das 2005/2006 schon gemessen in den Studien, wir haben in fünf neuen Bundesländern selbst so das Phänomen, wir sind Bürger zweiter Klasse. Also diese Idee, wir gehören eigentlich nicht nur zu den Verlierern, sondern wir sind ungleichwertig, wir sind ungleich wert, wir sind Bürger zweiter Klasse.
Und auf der anderen Seite die Idee, dass eigentlich Gemeinschaft nur durch homogene gleiche Meinungen gebildet werden kann, das ist ein extrem guter Nährboden für Populismus. Der funktioniert aber nur dann, Pegida auch Teile des eher rassistischen Zweiges in der AfD funktioniert nur, wenn ich eine Propagandamaschinerie habe, die jetzt diese Meinungen von Menschen überführen kann in einen Zustand von einem Gefühl der Ohnmacht, der kollektiven Ohnmacht. Wir erleben all das, wir erleben die Spaltung, die Risse, das nicht mehr gehört werden, die politischen Eliten die in Berlin sitzen und lauter Entscheidungen treffen, an denen wir überhaupt nicht teilhaben. Nicht nur nicht teilhaben, unter denen wir vermeintlich leiden, ohne beteiligt zu werden, führt dazu, dass es Demokratiemisstrauen gibt. Das wird überführt in eine Ohnmacht.
Ich würde ja ganz gerne mehr Macht haben, aber ich bin total ohnmächtig. Und in dem Moment kann der Populismus eigentlich zugreifen, indem er ein sehr deutliches leichtes Heilsversprechen macht. Indem er zum Beispiel, und das sehen in den Daten, dieses Leitbild nationaler Chauvinismus, wir zuerst. Wir haben eine sehr schöne Studie durchgeführt mit Förderung der Stiftung Mercator, die heißt Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit. Da geht es eigentlich um Integrationsvorstellungen. Wollen wir eher Integration von Zugewanderten oder sollen die sich erst mal assimilieren. Und in dieser Studie haben wir 14/15, das war genau der Moment, wo Pegida, die ja gegründet wurden ohne die großen Fluchtbewegungen, das vergessen wir immer. Die Facebook-Seite war vor der Fluchtbewegung. Die aber dann da zuschlagen konnte aus diesem Zustand gesellschaftlicher Verunsicherung Kapital ziehen konnte. In diesem Moment haben in der Studie repräsentativ über 60% gesagt, jetzt ist es eigentlich Zeit, dass unsere Tradition, dass wir mal wieder an erster Stelle stehen.
Das sind genau die Momente, wo gesellschaftliches geht wieder etwas, dann wollen alle teilhaben. Sie wollen also bei dem Verteilungswettbewerb jetzt auch mal mit partizipieren und sagen, jetzt sind wir dran. Und in dem Moment kriegt man vermittelt, durch die Zuwanderung kommen aber vielleicht neue Belastungen. Und das ist stark für den Populismus, weil in dem Moment fühlen sich Menschen ohnmächtig, wollen Macht, wollen Einfluss und dann greift das zu. Und in dieser Bewegung, das finde ich jetzt als Phänomen auch hochgradig interessant, wenn man da genau beobachtet, wir sind da ins Feld gegangen, wir haben uns das alles genau angeguckt, wer ist denn da eigentlich, wer steht denn da zusammen, gründet sich eine Bewegung deshalb, weil man sagt, man kommuniziert gar nicht. Man hat eine bestimmte politische Ideologie, die teilt man. Man hat eine bestimmte kollektive gemeinsame Identität. Man weiß, dass man dort aus lauter Personen besteht, die eigentlich im Alltag vielleicht gar nicht so gut miteinander zurechtkommen würden.
Da sind Menschen, die glauben an Konspirationsmythen. Da sind andere, die kommen aus der alten Antifa. Da sind wieder andere, die kommen aus der rechtsextremen Bewegung. Da sind wieder besorgte Bürger drin und so weiter. Das ist eine ganz heterogene Gruppe. Und in der Bewegung sagt man, wir akzeptieren euch alle. Wir sind aber geeint in einem nationalen Chauvinismus. In dem Moment haben wir uns Gedanken gemacht, und zwar im Bereich der Migrations-, Integrationsforschung haben wir eins gesehen, gesellschaftlich nicht angehört in dem Moment, auch von politischen Eliten nicht angehört, werden Menschen, die selber Migration erfahren haben. Die sich auch als Bürger zweiter Klasse empfinden. Und wir haben uns dann die Frage gestellt in der Migrationsforschung, was fehlt eigentlich im Land, um jetzt diese massiven Spannungen, Anspannungen, Konflikte, Ohnmachtsgefühle und so weiter zu regulieren. Warum eskaliert das im Moment?
Denn die Zahl der Straftaten nahm zu. Die Symbole, das habe ich nun als Gewaltforscher relativ schnell gesagt 2014 und dafür viel Ärger gekriegt, die Symbole waren von Anfang an bei den sogenannten Montagsspaziergängen extrem aggressions- und gewaltorientiert. Also wenn man die Ikonographie anguckt dessen was auf den Plakaten und so weiter gezeigt wird, drängte das damals schon zur Aggression.
Sehr interessante Sendung!
Sehr informativ! Danke! Das Thema ja hochaktuell und keinesfalls erledigt.
Was ich hier gehört habe, ist quasi Neuland für mich.
Ein Augenöffner. Dieser Einblick in das Thema kommt mir medial zu wenig vor.
Ein Dankeschön an Herrn Zick und Pritlove
Danke! Sehr informativ, interessant und wichtig zu wissen.
Auch ich kann nur sagen, Super Folge!
Sehr sehr spannend, wenn Herr Zick noch mehr zu dem Thema sagen kann dann würde ich mich freuen noch mehr zu hören.
Danke Herr Zick und Danke Tim.
Ein Podcast zum zweimal anhören. Chapeau
Eine wunderbare Sendung. Überhaupt bin ich immer wieder begeistert von den Podcasts in dieser Reihe. Bitte weiter so.
Pingback: Die 16 besten Podcastfolgen 2016 | Spätfilm
Ich habe den Podcast gerade erst entdeckt und das war die erste Folge in die ich reingehört habe, da das Thema spannend ist, sonst verfolge ich z.B. auch gerne den Soziopod und Psychotalk. Ich kann sagen, es war sehr interessant und informativ! Zwei Personen, denen ich gerne zugehört habe.
Skurril finde ich, dass Ihr Euch siezt ^^, warum wird da diese Distanz aufgebaut? Ist das normal in dem Format, oder ging das vom Gast aus? (<- der für mich übrigens deutlich jünger klingt, als er ist, was ein gutes Zeichen ist)
Wie auch immer, super gemacht, ich freue mich schon darauf in weitere Episoden reinzuhören!
Die studieren die Konfliktfähigkeit von Vierjährigen in Sportvereinen mit wissenschaftlicher Begleitung?
Das hat mich ja auf verschiedensten Ebenen getriggert / bzw. zu Fragen und Kommentaren angeregt:
– Sind die Kinder da schon aus der Trotzphase raus?
– Da wird das Gleiche dabei rauskommen, was Ihnen jede alte Kindergartentante sagen kann, nur auf Latein.
– Welche Modelle bringen denn die „Beobachter“ bereits in ihren Köpfen mit? Was haben die an Vorwissen? Da gibts in der Entwicklungspsychologie doch sicher unterschiedliche Schulen etc.?
– ich fühlte mich erinnert an den mittelalterlichen Versuch (urban myth? Meme?) herauszufinden, was die natürliche Sprache des Menschen sei, wobei den Ammen verboten war mit den Säuglingen zu reden, worauf diese dann starben…
– hatte Harald Schmidt in den 90ern nicht mal einen Part in seiner Show „Die dicken Kinder von Landau“?
– ist das eine Langzeitstudie? Gibt es eine Vergleichgruppe von Kindern, die nicht im Sportverein sind?