Hans Joosten
Wie heißt das Wort, dass man Erkenntnis davon hat, dass sie relevant sind. Das haben die sehr stark gewonnen. Ich weiß noch 2006 hat keiner in der Klimakommission jemals richtig über Moore nachgedacht. Man muss sich auch vorstellen, die Moore sind nur 3% der Landfläche der Erde. Die Wälder sind 30%. Dass die Moore einen sehr großen Teil der ganzen Emissionen durch Landnutzung und Landnutzungsänderungen verursachen, das lässt sich kaum verstehen. Weil man nicht versteht, dass es so ein kondensiertes und konzentriertes Problem ist. Wie gesagt, 4% der Landfläche der Erde sind entwässerte Moore.
85% der Moore der Welt sind noch heile. Und doch verursacht dieses kleine Zeug, wenn wir es richtig betrachten, diese Probleme. Wenn wir sehen, was in den Tropen tätig ist mit dieser Abforstung. Das ist natürlich viel schrecklicher. Da sieht man etwas schönes, was kaputt gemacht wird. Beim Moor hat man immer die Idee gehabt, das ist ein Sumpf. Das hat natürlich eine sehr negative Grundhaltung. Wenn man Bücher liest, du sagst sofort Moorleiche, warum Moorleiche? Es gibt kaum Moorleichen von Menschen, die selbstständig ins Moor gekommen sind. Alle Moorleichen, fast alle, sind dort reingebracht worden. Da hat man Leute exekutiert, das sind vorher ermordete Menschen, die man dort beerdigt hat, dass sie nicht mehr rauskommen würden. Die sind nicht im Moor versunken selbst, die sind versenkt worden. Mit einem Schlitz im Nacken oder weiß ich nicht, das sind die Moorleichen, die wir haben.
Das ist schon von den Römern beschrieben. Dasidus (???) hat das glaube ich schon beschrieben, dass hier die Homosexuellen getötet wurden und in den Sumpf geschmissen. Und die finden wir jetzt als Moorleiche. Aber wir haben grundsätzlich und das hat bestimmt auch zu tun mit unserer Halbwüsten-Herkunft und unserer Landwirtschaft und unseren Genen auch. Weil es ist nachgewiesen, dass mit der Verbreitung der Landwirtschaft nicht nur die Kultur und die Technik sich verbreitet haben. Aber auch die Gene, es sind die Menschen. Wir haben hier in Westeuropa sehr viel Gene mit dem Osten. Die sind mit der Landwirtschaft reingekommen. Wir haben diese Geringschätzung von Sümpfen einfach in uns. Und wir sehen in fast allen Kulturen, dass Sümpfe sehr negativ belegt werden. Wenn irgendwo ein Sumpf umgebaut wird in schöne grüne Wiese mit üppigem Gras und voller Kühe und so weiter, dann sieht man das als positiv.
Wenn man das gleiche in den Tropen tut, weil man ein natürliches System, einen tropischen Regenwald, umhackt und dort Ölpalmen, hochproduktives Gewächs aufsetzt, dann sieht man das als einen riesigen Verlust, obwohl das eigentlich ähnliche Prozesse sind. Die negative Einschätzung, Grundeinschätzung von Mooren hat natürlich auch verhindert, zusammen mit der Kleinheit von Mooren, dass es richtig nach vorne gekommen ist. Da kommt noch dazu, dass diese Moore immer auch als Komplex gesehen werden. Bei Wäldern redet man nur über CO2-Festlegung. Bei Mooren redet man immer auch von Methan. Wenn man über Moore redet, kommt sofort Methan. Methan ist das stärkste Treibhausgas. Da ist auch etwas böses aus Klimasicht dran an Mooren.
Und deshalb haben die gesagt, ja wenn man schon mehr als ein Gas hat, dann ist es schon komplex, weil das gegeneinander läuft. Wenn ein lebendes Moor hat, das speichert, das legt zwar CO2 fest, aber weil es nur CO2 festlegen kann unter wassergesättigten Bedingungen, anaerobe Bedingungen, tritt unausweichbar auch Methanerzeugung auf. So lebende Moore emittieren auch Methan. Mengenmäßig viel geringer als was sie an CO2 festlegen, aber weil Methan ein Treibhauspotenzial hat, was 25-30mal größer ist als CO2, sind die kleinen Mengen so bedeutsam, dass sie eigentlich den Klimaeffekt von der CO2-Festlegun neutralisieren. Die lebenden Moore auf der Erde, wenn man das auf diese betrachtet, das hat auch mit der Zeit zu tun, haben eigentlich keinen Effekt auf das Klima.
Weil die Festlegung von CO2 ist genauso groß, seine Klimawirkung, wie die Ausstöße von Methan. Nur ganz langfristig, weil Methan eine viel kürzere Verweilzeit hat in der Atmosphäre und nach 12-14 Jahren schon umgesetzt ist in CO2, kriegt man eigentlich die Situation, dass langfristig Moore tatsächlich das Klima kühlen. Und das auch schon 11.000 Jahre tun. Aber wenn man es berechnet nach den Maßstäben, wie man alle Emissionen berechnet, sind lebende Moore eigentlich klimaneutral. Sie werden nur sehr klimabelastend, wenn man sie entwässert und dieses CO2 anjagt. Und dies sind dann solch komplexe Geschichten, dass für die Zielsetzung und Evaluierung und Berichterstattung, Monitoring in der Klimakonvention, das schon schnell zu kompliziert wird.
Man hat in der Klimakonvention angefangen mit einfachen Regeln und einfachen Lösungen, erst mal das einfachste. Und jetzt sieht man, dass man, nachdem man mehr nachgedacht hat und mehr inventarisiert hat, sagt, ja wir können auch komplexere Sachen tun und jetzt kann man tatsächlich auch die Moore reinbringen und das ist dann auch geschehen.
Meine Güte, ich war fast ein bisschen enttäuscht als ich die Überschrift dieser Folge gelesen habe, aber nach ein paar Minuten konnte ich nicht mehr ausschalten, so sehr hat mich das Thema gepackt. Mal wieder eine tolle, horizonterweiternde Forschergeist Folge.
Super Episode! Danke.
Das war ein neuer Höhepunkt in dieser Reihe. Herzlichen Dank auch an Prof. Joosten. Da habe ich mal wieder viel gelernt.
Sehr erhellendes Interview. Danke!
Das tolle an den Forschergeist-Podcasts ist für mich, dass man wirklich alle anhören kann.
Ob ich mich jemals für Moore interessiert habe? Nein, nicht die Bohne.
Weil ich weiß, dass die Sendungen hier qualitativ hochwertig sind, habe ich ihn dennoch runtergeladen und wurde wieder einmal nicht enttäuscht.
Wie Tim weiter oben schon schrieb: mal wieder horizonterweiternd.
Ich hätte nie gedacht, dass soviel im Thema Moor (und im Moor selbst) steckt. Fantastische Episode, viel gelernt!
Das ist eine der Folgen, die ich jedes Jahr noch einmal höre. So viel Wissenswertes, so viel Erhellendes und so viel Leidenschaft!
Danke!