Peter Finke
Ja das glaube ich schon. Und deshalb sozusagen muss man sie auch ernster nehmen, als sie bisher genommen werden. Denn es gibt sehr sehr viele Anzeichen dafür, dass die Profiwissenschaftler, die ich ja nicht abschaffen will, dass die sozusagen irgendwie nicht so richtig den Begriff der Wissenschaft mit den Laien teilen wollen. Sondern es gibt sehr sehr viele Situationen, wo der Profiwissenschaftler sagt, ich bin hier der Profi, ich mache hier die Wissenschaft sozusagen, du bist nur der Laie. Und das ist keine wirkliche Kommunikation von Profis und Laien. Das ist sozusagen eine einseitige Kommunikation. Es wird sehr viel von Dialog geredet, sozusagen der Dialog nötig ist, der Wissenschaft mit der Gesellschaft. Dies halte ich schon für falsche Beschreibungen. Die Wissenschaft führt einen Dialog mit der Gesellschaft. Mein Gott nochmal. Gehören die Wissenschaftler sozusagen nicht zur Gesellschaft? Der Wissenschaftler führt einen Dialog mit dem Bürger, ist der Wissenschaftler kein Bürger? Also mit einer solchen Primitivsoziologie, die ich allenthalben finde, auch in Beschreibung von Citizen Science, kommen wir wirklich nicht weiter. Wissenschaft ist ein Teil einer Gesellschaft, und Wissenschaftler sind Bürger und manche Bürger sind sogar Wissenschaftler, obwohl sie nicht den Beruf des Wissenschaftlers ergriffen haben. Wie gut oder wie schlecht sie sind, das ist eine ganz andere Frage. Insofern verändert sich sozusagen in unserer Bildungslandschaft wirklich sehr viel. Zum Beispiel allein dadurch, dass wir hierauf jetzt wieder aufmerksam werden. Und warum werden wir jetzt darauf aufmerksam? Wegen diesen blöden neuen Begriffs, Citizen Science. Die Sache gibt es schon länger. Nur wir haben keinen richtigen Begriff dafür gehabt. Ich weiß noch, als ich sozusagen in dem ersten dieser Vereine, von denen ich von gesprochen habe, war, und diese eindrucksvollen Leute, Verwaltungsangestellte, Verkäuferinnen, ein Richter, der ein besonders guter Botaniker war, man freute sich immer, wenn der mitgehen, weil der konnte sozusagen viel mehr Arten auch schwieriger Sippen unterscheiden, als viele andere. Als ich diese Leute getroffen habe, da habe ich keinen Begriff dafür gehabt, was die eigentlich machen. Ich habe nur den Begriff Wissenschaft gehabt. Das war zu wenig trennscharf. Das war zu pauschal. Denn ich sah natürlich die Wissenschaft in meiner Universität. Und ich wollte gerne sozusagen das genauer benennen können, was hier der Unterschied ist. Und das ist denke ich schon die Leistung, dieses Begriffs Citizen Science. Wir kommen darauf, dass es neben der Berufswissenschaft an den Universitäten und in den Forschungslabors der großen Industrien so etwas wie Bürgerwissenschaft gibt, also Wissenschaft von Bürgern, die ihre Forschung nicht beruflich machen, sondern die sie nebenbei erledigen, die sie ehrenamtlich erledigen, die sie erledigen, weil sie sich persönlich für eine Sache wahnsinnig interessieren, dass sie alles dazu gelesen haben, was sie in die Finger bekamen. Dass sie sich fortgebildet haben, wie auch immer, vielleicht auch in der Auseinandersetzung mit einigen Profis. Da sitzen, das ist ja etwas, was mich auch besonders interessiert, dass in diesen Bürgergruppen immer auch Profis dazwischen sitzen. Da findet man immer mal auch Profis dazwischen. Und ich habe mich lange gefragt, warum eigentlich? Wie kommt das? Die haben doch ihre Spielwiese in der Universität. Nein, die sitzen natürlich deshalb dazwischen, weil sie da ihre Wissenschaft in der Anwendungsebene sehen, weil sie da sehen, dass sie gebraucht werden. Dass sie wirklich etwas bewirken, dass sie nicht nur vom Hörsaal stehen, und den Studierenden irgendwas einzubläuen versuchen, sondern dass hier Menschen sind, die sich genau für die Sachen interessieren, diese können. Aber die auch ein paar andere Sachen können, die sie vielleicht selber nicht können. Nämlich einfach das in Ihre Erfahrungskontexte einbetten, dieses abstrakte Wissen. Und deshalb haben auch die Profis was davon. Also insofern verändert sich in unserer Bildungslandschaft sehr viel, aber ich möchte ein Begriff vor allem erwähnen, der noch nicht gefallen ist, dass ist der Begriff der Ausbildung. Also das was wir hauptsächlich haben, wenn wir von professioneller Wissenschaft oder akademischer Wissenschaft sprechen, das ist Ausbildung. Derjenige, der eine Stelle haben möchte, im akademischen Wissenschaftsbereich, der muss eine Ausbildung Bildung durchlaufen, ein Studium. Und in der Regel muss er das mit einem Examen abschließen, weil man darauf guckt, wenn er sich bewirbt. Hat er ein Examen oder hatte kein Examen, dann kann er es gleich lassen. Aber darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, was er kann. Es geht um die Fähigkeiten die er hat, wie er das erworben hat, das ist doch im Grunde völlig nebensächlich. Ich gebe zu, dass man in einigen Bereichen wahrscheinlich das nicht ohne Studium schaffen kann. Gerade in den Bereichen über die wir gesprochen haben, in den sehr speziellen, in den sehr abstrakten Bereichen und dergleichen mehr. Auch wo es hochtheoretisch zugeht, das sind große Teile der heutigen akademischen Wissenschaft. Da geht es nicht anders. Da hat Citizen Science auch nichts dagegen zu setzen. Aber es gibt diesen ganzen Unterbau, es gibt dieses ganze Fundament darunter, über das die Profis so schnell hinweggehen, so als ob es irgendwie eine Selbstverständlichkeit wäre. Und es ist keine Selbstverständlichkeit. Insofern, ich finde es richtig, wenn Sie über Bildung sprechen, und wenn Sie darüber sprechen, dass sich in der Bildung viel verändert heute. Aber man muss eben sagen, die professionelle Wissenschaft ist eben hauptsächlich durch Ausbildung gekennzeichnet. Durch eine ganz speziell formalisierte Form der Ausbildung sozusagen. Ist auch ein Teil der Bildung, aber ich beklage manchmal, dass sozusagen unsere Bildungspolitik zu viel Wert auf diese Ausbildung legt, gerade im Bereich der Wissenschaft, und zu wenig auf die Bildung, die es eben auch noch gibt. Und da muss man natürlich die Wissenschaftspolitiker auch an die Kandare kriegen, und sagen, wenn wir mal das werden sollen, wovon ihr manchmal daher schwadroniert, dass wir es schon sind, nämlich eine Wissensgesellschaft, dann müssen wir mehr, noch viel mehr, in Bildung investieren, als wir schon tun. Ich habe dieses Bild von der Pyramide da gefunden, eine Menschenpyramide sozusagen, wo oben einige ganz wenige stehen, auf die natürlich die ganze Aufmerksamkeit gerichtet ist, aber die stehen nur deshalb da oben auf dieser Menschenpyramide, oder dieser Wissenspyramide, weil sie viele tragen unten. Sonst könnten sie da nicht stehen. Ich glaube alleine mit der professionellen Wissenschaft, wären wir nie eine Wissensgesellschaft, weil die einfach an den ganzen Bedürfnissen und aktuellen konkreten Fragen der Menschen sehr viel vorbei theoretisiert, ohne dass ich das nun abwertend sage, aber es fehlt etwas. Und dieses was fehlt sozusagen, das bekommen wir nur durch ein verbessertes Bildungssystem. Und durch mehr Citizen Science.
Wenn ich meine Emacs-Erweiterungen selber schreibe und mir eine neue Herangehensweise einfällt und ich das auf GitHub stelle, bin ich dann citizen scientist? War Linus Torvalds als er mit Linux angefangen hat ein citizen scientist?
Das website Design ist echt gut gelungen. Respekt an die/den schöpfer!
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Ein toller neuer Kanal! Und eine tolle neue Sendung. Normalerweise bin ich eigentlich nicht wirklich an Forschung und Wissenschaft interessiert, wahrscheinlich auch, weil es zu schwierig ist, wissenschaftliche Themen wirklich zu verfolgen (Knoff Hoff machte es einem damals etwas leichter ;-)), und weil es so viele Themen gibt, mit denen man sich beschäftigen kann. Fairerweise muss man allerdings sagen, dass ja eigentlich jedes Thema gaaanz entfernt von Wissenschaft berührt wird / auf Wissenschaft aufsetzt.
Wie auch immer: Peter Finke ist ein angenehmer Gesprächspartner, der viele wichtige und richtige Punkte anspricht. Wenn ich mich mit meinen wissenschaftliche ausgebildeten Freunden sprechen (die fast alle nicht in D tätig sind, aus Gründen) und dies mit Finkes Punkten abgleichen kommen eigentlich alle auf einen Punkt: Titel-und Machtgeilheit regieren und versperren den Blick auf das Wesentliche: überall hoch dotierte Spezialisten und nichts geht mehr.
Die Meinung des Laien oder gar des Betroffenen interessiert nicht, weil sie „ungebildet“ ist. Ein Problem welches wir bereits in der Schule „kultivieren“!!
Vielen Dank für diese (leider) ungewöhnliche Perspektive! Ich freue mich auf mehr.
Eine sehr schöne Episode mit einer schönen Vogelperspektive auf das Thema Citizen Science und die dahinter stehenden Probleme und Strömungen. Einziger Wehmutstropfen: Das durchaus spannende Aus-dem-wissenschaftspolitischen-Nähkästchen-Plaudern von Peter Finke bleibt an vielen stellen sehr abstrakt und unkonkret, was einzelne Bürgerwissenschaftsprojekte angeht. Hier hätten einige konkrete Beispiele das Hörverständnis unterstützen können. Auf die mehrfach wiederholte Frage, welchen Einstiegspunkt interessierte Wissenschaftler wählen können, hätte man zum Beispiel die Citizen Science-Plattform http://buergerschaffenwissen.de/ nennen können, die bezahlte und ehrenamtliche Forscher zusammenbringt. Bei den nächsten Folgen würde ich mich auch über einige weiterführende Links in den Shownotes freuen. Gleichwohl ein super Folge – vielen Dank dafür!
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Grundsätzlich ein toller Kanal und eine tolle Sendung! Leider war ich doch etwas enttäuscht, denn zum Ende hin als es wirklich anfing konkret und interessant zu werden, war die Sendung dann plötzlich einfach so zu Ende.
Ein bisschen ist mir die Definition des Bürgerwissenschaftlers unklar: Geht es nun um Lieschen Müller, die für sich im Stillen irgendwas erwissenschaftlert, oder ausschliesslich um solche Laien, die auch in Vereinen oder Netzwerken tätig sind (es wird von Ehrenamt gesprochen)? Insbesondere bei der Frage, wie man die Ansprechpartner für die Politik finden soll, ist das ja entscheidend. Hier hätte man mal konkreter diskutieren können, welche Möglichkeiten der Laie hat sich zu vernetzen, um für die Politik auch auffindbar zu sein.
Leider fehlte in diesem Zusammenhang das wichtigste Beispiel einer solchen Gruppierung: Der CCC. Ein hervoragendes Beispiel von (größtenteils) Bürgerwissenschaften, die aufgrund der größe Gruppe und der Relevanz ihrer Forschung (bundestrojaner, etc.) auch erfolgreich von Politik und Medien herangezogen wird.
Ich weiss nicht, wie viele groß der Anteil an Profi-Wissenschaftlern im CCC ist, aber die Entwicklung zweier paralleler Wissenschaftswelten ist mir persönlich schon auf dem letzten Kongress aufgefallen:
Dort gab es einerseits diese „hackertypen“, die immer den „heissen scheiss“ gemacht, irgendwas zerlegt und zerklötert haben und großen Applaus in ihren vorträgen geerntet haben und andererseits die akademischen vortragenden, die mindestens genauso interessante themen hatten, die nur leider niemand verstanden hat. z.b. der „gehirnmann“, ich weiss nicht mehr wer das war, aber er hat über die äquivalenz von neuronalen netzen und lambdakalkül oder so geredet und damit mal im vorbeigehen der welt klargemacht, dass intelligente computer eben doch möglich sind (zumindest im unendlichen..oder so*g* ), nur leider hat ihn niemand verstanden, da die meisten anwesenden laien, zwar kompetent sind, aber seine sprache nicht sprechen.
Auch dieses Problem wurde leider nicht aufgegriffen: Wie bringt man profiwissenschafter und laien zusammen? Denn das Problem ist nicht nur eine andere inhaltliche ausrichtung, sondern vor allem eine andere sprache und arbeitsweise.
Insbesondere in der Informatik z.b. zeichnet sich der Profiwissenschaftler hauptsächlich dadurch aus, dass er sein Wissen in Formaler (oder griechischer) sprache ausdrückt und dadurch irgendwie klüger wirkt als der gemeine wald und wiesen hacker. Da heissen dann „reihenfolgen“ eben „permutationen“ und „zahlen mit denen man rechnen kann“ irgendwie „räume“ und „abelsche gruppen“ und ein wissenschaftliches paper, wirkt wie ein einziges fremdwortlexikon, selbst wenn es eigentlich triviale inhalte vermitteln soll.
Andererseits sehe ich aber auch die notwendigkeit eindeutiger begriffe und insbesondere die unterscheidbarkeit solcher vom normalen sprachgebrauch, um eben definitionen eindeutig und erkennbar zu halten und auch die notwendigkeit von formalisierungen sehe ich, um die beweisbarkeit von aussagen zu ermöglichen, dies entspricht aber eben einfach nicht der arbeitsweise des laien.
Auch hier kenne ich beispiele von hochbegabten leuten, die in der uni immer wieder daran scheitern, dass sie sich nicht drauf einlassen (wollen) die formale sprache zu erlernen, im privaten aber dennoch in der lage sind erstaunliche wissenschaftlicher leistungen zu vollbringen.
Der kongress hat diese zweiklassengesellschaft meiner meinung nach sehr deutllch aufgezeigt. Allerdings war es auch die einzige veranstaltung die ich kenne, in der zumindest vertreter beider welten mal aufeinandertrafen. Hier hätte Tim doch seine erfahrung aus der richtung einbringen können, die meinung des gastes dazu hätte mich auch sehr interessiert.
Ich persönlich kenne beide welten ein bisschen, da ich sowohl praktischer hobby „maker“ bin, als auch ein studium absolviert habe.
Ich finde es schade dass ihr anhand dieses prominenten beispiels CCC (oder auch eineres vergleichbaren, dass ich nicht kenne) und auch der ganzen „DIY“ bewegung nicht noch konkreter geworden seid.
Ein weiteres Problem: Die arroganz der profiwissenschaft, insbesondere der universitäten. So wird meiner erfahrung nach alles, was nicht an einer (oder sogar derselben) universität vermittelt wurde pauschal als nichtig abgetan, z.b. eine berufsausbildung und alle fähigkeiten, die sie mit sich bringt in keiner weise als studienleistung anerkannt. Wie soll es dann erst mit autodidaktisch angeeignetem wissen möglich sein?
Andererseits sehe ich auch das hier wieder das problem in der arbeitsweise, schliesslich geht es der profiwissenschaft im wesentlichen ja nicht darum wissen zu schaffen (auch wenns so heisst), sondern ein nach wissenschaftlichen kriterien schlüssiges und von anfang bis ende beweisbares gesamtkonstrukt zu erschaffen. Das funktioniert halt nur, wenn jedes dabei herangezogene werk eben diese kriterien (korrektes bennen von quellen, etc.) einhält, insbesondere im mathematischen kann halt nicht einfach irgendwo in der mitte eine aussage ohne formalen beweis stehen, sonst ist in der tat die unzweifelhafte richtigkeit einer wissenschaftlichen arbeit aufgrund der berufung auf eine andere usw.. nicht mehr gültig und das gesamtkonstrukt kaputt.
Wie also soll man die welten auch zusammenführen?
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Es ist schon putzig, dass ein Sprachwissenschaftler sagt, dass Citizen Science jetzt auf die Agenda gerückt ist, weil wir dafür jetzt ein Wort haben. Viel wichtiger ist wohl, dass das Internet die Möglichkeit gibt über den lokalen Ortsverein hinaus zu arbeiten. Auf einmal gib es gemeinsame Plattformen, die ganze neue Arten der Zusammenarbeit erlauben. Möglicherweise aber auch reiner Zufall, dass dies genau dann passiert ist als auch das Wort gefunden wurde …
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