Pavel Richter
Ja beide gleich alt. Und wurde gegründet von Rufus Pollock, der bis ich jetzt die Geschäftsführung übernommen habe, eben auch der Leiter der Organisation war. Und hat zunächst mal die Grundlagen mutgeschaffen. Insbesondere geschaffen mit einer damals noch relativ kleinen und diffusen Community, die sich mit dem Thema Open Data überhaupt beschäftigen wollte. Über die OpenDefinition.org überhaupt erst mal zu erklären, was Open Data und was Openess bedeutet. Softwaregrundlagen zu schaffen, die erlauben, Daten frei zu publizieren. CKAN ist hier das Stichwort, auf dem mittlerweile die meisten der großen Datenportale, wie Data.gov oder Data.gov.uk laufen. Ganz viel Grundlagenarbeit wurde da gemacht. Und dann ging es auch wieder parallel zur Entwicklung dieser – kann man Bewegung sagen? - dieser Community rund um das Thema Openess und Open Data ging es darum, Daten zu befreien, liberate Data.
Also insbesondere von staatlichen Akteuren zu fordern, gebt die Daten frei. Sorgt dafür, dass Daten, die ihr sowieso schon habt, frei und maschinenlesbar zur Verfügung gestellt werden. Dieses Öffnen von Daten, dieses Befreien von Daten spielte eine enorme Rolle. Zum einen weil es natürlich kampagnenfähig ist, du kannst das gut erklären, und du kannst auch öffentlichen und politischen Druck ausüben, dass diese Daten frei sein sollen. Weil es aber eben auch grundsätzlich richtig ist, vom Staat zu fordern, dass wenn es keine Notwendigkeit gibt, Daten nicht offen zu halten, nicht zu öffnen, dass sie dann gefälligst offen sein sollten. Denn es ist ja nicht so, dass diese Daten nicht früher schon verfügbar waren, nur meistens eben gegen Geld, was zum Beispiel Konzernen wie Google völlig egal ist. Die zahlen dann halt ein paar hunderttausend Euro im Jahr, um Zugriff auf Katasterdaten zu bekommen oder um Zugriff auf andere Informationen.
Aber es sind gerade die kleinen, die zivilgesellschaftlichen Akteure. Es sind gemeinnützige Organisationen, das sind Aktivisten und Journalisten, die eben diese finanziellen Mittel nicht haben, auf diese Daten zuzugreifen. Also Datenbefreiung war und ist auch immer noch eine ganz zentrale Forderung. Ich sehe allerdings, insbesondere seitdem ich jetzt, ich bin jetzt seit 1,5 Jahren bei Open Knowledge International, in dieser Zeit sehe ich mehr und mehr einen Paradigmenwandeln, Paradigmenwechsel wäre jetzt zu groß gesprochen, aber hier verschiebt sich gerade etwas auf eine ganz interessante Art und Weise. Nämlich dass Offenheit an sich nicht als Wert gesehen wird. Also offene Daten ändern nichts. Wenn ich einen Datensatz öffne, passiert erst mal nichts. Der ist dann erst mal da, der ist offen. Und dann hat sich aber noch nichts verbessert irgendwo, sondern ich habe einen offenen Datensatz.
Und den Wandel, den ich sehe und den wir auch als Organisation aktiv vorantreiben wollen, ist, dass es vielmehr um die Nutzung und die richtige und die gute Nutzung von offenen Daten geht. Also wir können nicht jahrelang Kampagnen fahren und die Freiheit von Daten fordern und dann, wenn sie da sind, passiert nichts damit. Wir müssen also dafür sorgen, dass diese Daten genutzt werden. Und zwar genutzt werden in einer Art und Weise, die tatsächlich dazu führt, dass es Menschen besser geht. Also die eine direkte Auswirkung auf unsere Gesellschaft haben, auf Gesellschaft in der ganzen Welt haben. Weswegen wir also unsere zentrale Aufgabe als Organisation darin sehen, andere zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich um die Umwelt kümmern, die sich um die Rechte von Minderheiten kümmern, die sich um Menschenrechte kümmern, die sich um Medizinthemen kümmern, dass wir solchen zivilgesellschaftlichen Organisationen dabei helfen, offene Daten gewinnbringend für sie sinnvoll einzusetzen.
Ihnen dabei zu helfen, überhaupt zu verstehen, was Open Data ist, und dann zu schauen, wie Open Data ihnen helfen kann, tatsächlich einen positiven Impact, einen positiven Einfluss auf das Leben von Menschen zu haben. Ein konkretes Beispiel, Projekt, das wir jetzt gerade hier während des World Health Summit letzte Woche in Berlin öffentlich gemacht haben, Open Trials, Open Trials ist ein Projekt, in dem wir alle Informationen zusammentragen und verlinken und strukturieren, die weltweit zu pharmazeutischen Tests vorliegen. Also zu den Tests, die man machen muss, wenn man ein neues Medikament entwickelt.
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Vielen Dank für diesen sehr spannenden Podcast!
Zwei Gedanken möchte ich aus Sicht eines kleinen Zahnrades im Forschungsförderbetrieb gerne hinzufügen, da uns dies aus einer öffentlichen Fördersicht immer wieder umtreibt, wenn es insb. um OpenData (OpenAccess lasse ich hier aussen vor!) geht:
1.) Geistiges Eigentum
Wenn bei Veröffentlichungen pflicht wäre, die zugrundeliegenden Daten vollständig offen zu legen, welchen Anreiz hätte z.B. der Biologe noch, Monate lang im Feld Proben zu nehmen und anschließend Monate lang im Labor zu stehen um mühsam Daten zu erheben? Bei der ersten Veröffentlichung müsste er diesen wertvollen Schatz vollständig offenlegen. Das führt entweder dazu, dass Veröffentlichungen verzögert würden (bis die Monographie fertig ist) oder aber dass Trittbrettfahrer einfach darauf warten, dass irgendwo Daten veröffentlicht werden um damit selber Veröffentlichungen zu generieren. Für den einzelnen Forscher, der auch seine akademische Karriere im Blick halten muss, ein sicher nicht unumstrittener Weg.
2.) Wirtschaftliche Verwertungsinteressen
Als größter deutscher Forschungsförderer sind insb. bei der Förderung von Industrieunternehmen (insb. auch KMU!) auch legitime wirtschaftliche Interessen zu berücksichtigen. Dort geht es gerade um den wirssenschaftlichen Vorsprung gegenüber den internationalen Marktteilnehmern, um die Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden. Die bedingungslose Offenlegung von Daten bei öffentlich geförderten Projekten stünde hier dem eigentlichen Ziel, Stärkung der deutschen Wirtschaft im internationalen Wettbewerb, m.E. stark entgegen.
Wir sind hierzu derzeit intensiv mit der dt. Wirtschaft aber auch mit der Europäischen Kommission (die das Thema auch stark vorantreibt) in der Diskussion. Vor allem vor dem Hintergrund der gerade beginnenden Diskussionen zum 9. Forschungsrahmenprogramm.
Beste Grüße und weiter so!
Ich finde, Sie schneiden hier einen sehr interessanten Aspekt an: die (fehlenden) Anreize für Wissenschaftler, ihre Daten zu publizieren. Problem 1) ließe sich meiner Meinung nach nur lösen, wenn die Bewertung wissenschaftlicher Produktivität grundlegend geändert würde. Würde die Publikation von Primärdaten beispielsweise der Publikation von Forschungsergebnissen gleichgesetzt, wäre dies ein starker Anreiz. Eine solche Gleichsetzung würde den Wissenschaftsbetrieb grundlegend verändern; qualitätssichernde Maßnahmen (wie Peer Review) und Metriken für Primärdaten müssten geschaffen werden, die Datenpublikation müsste bei Bewerbungen berücksichtigt werden, der gesamte Publikationsprozess müsste standardisiert und nachhaltig gestaltet werden…
‚Geistiges Eigentum‘ passt meiner Ansicht nach eher weniger in das Problemfeld. Viele Primärdaten sind nicht durch das Urheberrecht geschützt, da sie die erforderliche Schöpfungshöhe nicht erreichen.
Zu 2): Ich persönlich würde Wirtschaftsförderung nicht als das ‚eigentliche Ziel‘ von öffentlich geförderter Wissenschaft bezeichnen. :)
Vielleicht hilft die Publikation von Forschungsdaten ja sogar bei Innovation, aber zu Nutzungsszenarien gibt es leider bisher wenige Untersuchungen (eher anekdotische Berichte). Hier muss sicherlich noch mehr geforscht werden.