Forschergeist
Horizonte für Bildung und Forschung
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Das Tierstimmenarchiv des Museums für Naturkunde in Berlin
Das Heulen eines Wolfrudels, ein frühmorgendliches Vogelkonzert, der Gesang der Wale oder das Trommeln einer Wolfsspinne: Mit der Art und Weise, wie die Tierwelt von sich hören lässt, befasst sich die Bioakustik – eine Spezialdisziplin der Zoologie. Am Berliner Museum für Naturkunde existiert eine der drei weltweit größten Sammlungen mit ca. 120.000 Aufnahmen von Tierstimmen. Karl-Heinz Frommolt ist wissenschaftlicher Leiter dieses Archivs.
So vielfältig die Fauna kommuniziert, so unterschiedlich erzeugen die Tiere diese Laute. Viele Wirbeltiere modulieren mit dem Luftstrom in einem Kehlkopf ihre Stimme, wie eben auch der Mensch. Es gibt aber auch andere Mechanismen: Insekten etwa produzieren Schall, indem sie Körperteile aneinanderreiben: So entsteht beispielsweise das für Grillen typische Zirpen. Eine erstaunliche Variabilität legen Vögel an den Tag, die auch den Gesang fremder Arten in ihr eigenes Repertoire einbauen. Der in Australien beheimatete Leierschwanz besitzt ein so ausgeprägtes Stimmorgan, dass er auch Geräusche aus der menschlichen Zivilisation täuschend echt nachahmen kann, wie etwa das Surren einer Kamera oder eine Alarmanlage.
Nützlich erweist sich das Tierstimmenarchiv beispielsweise für die Verhaltensforschung, wenn Biologen in Playback-Experimenten untersuchen, wie Tiere auf bestimmte Laute reagieren. Es wird für künstlerische Zwecke sowie natürlich für Bildung genutzt und zuletzt auch, um durch das automatische Erkennen von Arten zum Monitoring der Biodiversität beizutragen.
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Veröffentlicht am: 26. Juli 2022
Dauer: 1:39:38
Hallo und herzlich willkommen zu Forschergeist, dem Podcast des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft. Mein Name ist Tim Pritlove und ich begrüße alle hier zur Ausgabe 96 des Podcasts, der mit allen Leuten redet, die uns hier was interessantes mitzuteilen haben, wenn es denn in irgendeiner Form um Wissenschaft geht oder um Bildung. Oder um andere Dinge. Und heute schauen wir mal wieder in so einen Bereich, der die Wissenschaft aktiv sowohl begleitet als auch zu ihr beiträgt, nämlich auf das Tierstimmenarchiv des Museums für Naturkunde in Berlin. Und dazu begrüße ich meinen Gesprächspartner, nämlich Karl-Heinz Frommolt. Schönen guten Tag Herr Frommolt.
Genau, dazu muss man allerdings sagen, dass das Tierstimmenarchiv nicht am Museum für Naturkunde begründet wurde, sondern erst seit 1995 offiziell zum Naturkundemuseum gehört. Also räumlich war es schon dort angesiedelt, begründet wurde das Tierstimmenarchiv von Prof. Günter Tembrock 1951 am Zoologischen Institut der Humboldt-Universität.
Ich hatte Zoologie studiert. Und bin dann 1987 nach Berlin, als gerade die Stelle des Leiters des Tierstimmenarchivs frei wurde und hatte eben dadurch meine bioakustische Ausbildung damit die besten Voraussetzungen, um dort anzufangen. Die Voraussetzungen wurden eigentlich schon vorher gelegt eigentlich schon in der Jugend, als ich als Hobbyornithologe angefangen hatte und mich zumindest erst mal für Vögel interessiert hatte und damit zwangsläufig auch für Vogelstimmen und Vögel anhand der Vogelstimmen erkannt habe. Während des Studiums war eigentlich mein Interesse mehr in ökologischer Richtung, aber Dann wurde ich von meinem Betreuer auf eine Verhaltensrichtung gelenkt und da kam dann von ihm so die Idee, wie wäre es, wenn ich mich auch ein bisschen mit Akustik befasse. Habe dann ein schönes Thema für eine Belegarbeit bekommen, das nannte das akustisches und demonstratives Verhalten von Raubtieren und Huftieren im Zoo. Ein sehr breites Thema, worüber man Jahrzehnte forschen könnte. Er drückte mir ein großes Tonbandgerät in die Hände, also noch ein großes Magnetbandgerät, und ich soll doch einfach mal im Zoo schauen, was da zu machen wäre.
Das war im Jahr 1980 gewesen. Und da war natürlich an Digitaltechnik noch nicht zu denken. Ich kam dann im Zoo an und da hatten gerade die Wölfe Junge gehabt und ich bin dann sozusagen erst mal an den Wölfen kleben geblieben. Die hatten dann so die nächsten Jahre meiner wissenschaftlichen Laufbahn geprägt. Also ich hatte da meine Diplomarbeit in Kischinjow gemacht.
Also wenn man wirklich nur die kurze Zeit hat für eine Promotion, da braucht man schon Tiere, an die man richtig rankommt. Das heißt also, ein Großteil der Untersuchung wurde an gekäfigten Tieren gemacht. Wir haben aber auch Freilandstudien gemacht, einmal in Zentralrussland und einmal in Usbekistan. Ja, normale Aufnahmedistanz war vielleicht so 200-300 Meter gewesen. Geringste Distanz zu einem Tier so ungefähr 20 Meter. Das war eine Wölfin, die sich uns genähert hatte und uns mal kurz angefaucht hatte. Muss man dazu sagen, wir hatten die Tiere allerdings auch zur Lautgebung provoziert, indem wir selber geheult hatten und dann antwortete das ganze Rudel. Das ist schon beeindruckend, also man fühlt sich dann vielleicht so ungefähr wie ein Dirigent vorm Orchester und man stimmt an und von drei Seiten antworten dann das Rudel.
Das funktioniert ganz gut. Also in der Situation war ich dann natürlich bei der Analyse später etwas verblüfft gewesen, als ich dann die Aufnahmen anhörte und ich plötzlich dachte, Moment mal, ich habe doch an dieser Stelle gar nicht geheult. Und da stellte sich raus, also in dem Rudel gab es zumindest einen Wolf, der auf der gleichen Frequenz heulte wie ich geheult hatte.
Ja und in der Situation ergab sich dann, dass wir das Ganze vielleicht ein bisschen übertrieben hatten und dreimal hatten die Wölfe geantwortet und beim vierten Mal kam schon keine Reaktion mehr, aber es knackte dann plötzlich im Gebüsch und dann kamen halt die Fähe, also ein weiblicher Wolf mit einem Jungen auf uns zu so ungefähr bis auf 20 Meter an uns ran, als sie uns dann erblickte, kamen dann ein paar kurze Fachlaute und daraufhin verschwand dann der Welpe.
Ja, das war wirklich schon in mehrfacher Hinsicht prägend. Also zum einen muss man das schon sagen, also gerade Lautgebung von Säugetieren zu untersuchen ist nicht ganz so einfach. Im Vergleich zu Vögeln, da muss man schon viel viel mehr Geduld aufbringen. Und diese Aufnahme war vielleicht schon so eine Art Sternstunde gewesen, weil wir auch klar das Verhalten gesehen hatten. Das Verhalten in freier Wildbahn und konnten wirklich sagen, also das, was wir da aufgenommen hatten, war ein Warnlaut gewesen, weil noch … Also die Fähe stand noch da und während sie rief und fauchte verschwand der Welpe. Das heißt, das war die Aufforderung an den Welpen, hier ist Gefahr, geh.
Man hatte nicht nur die Akustik, sondern auch die Beschreibung. Ja und dann hatten wir auch noch Riesenglück mit der Aufnahme. Also in der Situation war mein Doktorvater, Herr Nikolsky, am Tonbandgerät gewesen und hatte die Aufnahme gemacht. Und er hatte geahnt, dass etwas kommt, hat dann richtig auf den Aufnahmeknopf rechtzeitig gedrückt. Das war ja noch so das Problem der analogen Technik. Bei digitaler Technik kann man ja im Vorhinein etwas aufnehmen. Bei analoger Technik startet die Aufnahme erst, wenn man auf einen Knopf drückt. Er hatte rechtzeitig auf den Knopf gedrückt und dann, wie es der Zufall wollte, das Band war genau zu Ende, also die Rufreihe komplett durch war. Also es war noch zu hören, wie der Welpe da verschwand, die Schritte waren zu hören, alle Fauchlaute waren komplett drauf und dann war das Band zu Ende. Das war ja so ein anderes Problem mit der analogen Bandtechnik, man hatte auch nur eine beschränkte Zeit zur Aufnahme und wenn das Band zu Ende war, war es zu Ende. Das sind alles Probleme, die wir mit der Digitaltechnik praktisch nicht mehr haben.
Das war auf jeden Fall eine wegweisende Erfahrung und was eigentlich auch eine sehr große Erfahrung war, dass eine Kombination von Untersuchungen an gekäfigten Tieren und Freilandstudien doch sehr produktiv sein kann. Und ich würde auch jedem, der jetzt akustische Kommunikation untersucht, den guten Rat geben, auf jeden Fall Freilanduntersuchungen auch zu machen. Also erst wenn man Freilanduntersuchungen macht, versteht man sehr viele Sachen sehr viel besser. Man sieht erst mal das Tier auch in der natürlichen Umwelt und kann dann den Kommunikationsprozess auch viel besser verstehen. Also gerade bei den Wölfen ist es ja eine ganz andere Sache, ob man jetzt eine gekäfigte Gruppe hat, also egal wie gut die Tiere gehalten werden. Also wenn sie im Wildpark gehalten werden, ein großes Gehege haben, dann werden sie natürlich auch heulen, aber diese Tiere können niemals oder in der Regel nicht die Interaktion mit anderen Wolfsrudeln oder diese ganzen räumlichen Prozesse der Kommunikation realisieren. Und das ist ja auch das, was wir in der Freilandstudie da untersucht hatten. Es ging um die räumlichen Prozesse der Kommunikation, um überhaupt zu verstehen, warum heulen die Wölfe überhaupt? Also die eine Sache ist, dass die Wölfe verstärkt während der Paarungszeit heulen. Wir waren aber jetzt nicht während der Paarungszeit draußen gewesen, sondern während der Zeit der Jungenaufzucht. Und da ist die Situation, dass die Wölfe mit ihren Welpen kommunizieren. Die Welpen werden tagsüber zurückgelassen, die Altwölfe gehen auf Jagd und wenn sie dann zurückkehren, dann heulen erst mal die Altwölfe und dann kommt die Antwort vom Lagerplatz der Welpen, oft sind da auch noch andere Alttiere da und es hat auch ein bisschen was damit zu tun, was man so als ein Zusammenheulen bezeichnen könnte, also sie heulen nicht einfach nur zusammen, und das hatten wir dann auch live erlebt, da an dieser, auf englisch würde man sagen, /unverständlich???/ sind die Welpen nicht etwa an einem Ort, sondern die sind verstreut, die sind da so über 100 Meter verstreut. In der konkreten Situation war das im Heidelbeergebüsch gewesen und bei unserer Heulimitation hatten wir dann auch richtig gesehen, wie die Welpen zusammengelaufen sind. Und das ist natürlich auch eine praktische Sache, jetzt ins Wolfsleben übertragen, ein Altwolf kommt mit Beute zurück, bereit zur Futterübergabe, es wird geheult und dann sind natürlich alle Kinderchen an einem Ort. Und die Beute kann übergeben werden.
Ich hatte dann einen kurzen Aufenthalt an der Universität Halle gehabt und da stand eigentlich schon ziemlich schnell fest, dass ich dann nach Berlin wechseln werde. Also hatte dann auch Aufgaben in der Lehre wahrgenommen und während dieses zehnmonatigen Aufenthaltes war wenig mit Forschung und ich hatte im September 1987 an der Humboldt-Universität angefangen als wissenschaftlicher Mitarbeiter und mit Verantwortung für das Tierstimmenarchiv.
Die Aufnahmen, die Sie gerade schon beschrieben haben, wenn ich so überlege, was jetzt heute mit aktueller Technik möglich ist, ich meine, man muss nicht mehr daneben sitzen, man hat natürlich sowieso gar kein Tonband mehr, es gibt eben ja auch die Möglichkeit auch automatisch. Also man kann ja im Prinzip jetzt den ganzen Wald voll mit Mikrofonen hängen und Kameras noch mit dazu, die irgendwie lange automatisch laufen, das sind ja ganz neue Dimensionen eigentlich der Aufnahmetechnik, was, glaube ich, dann so ein Archiv auch relativ umfangreich beeinflussen könnte. Aber vielleicht noch mal so ein bisschen davor gedacht, wann ist denn überhaupt die akustische Welt der Tiere so richtig in den Fokus der Wissenschaft geraten? Also ich meine, ich meine mich noch so erinnern zu können so aus meiner Jugend, man hat ja immer so ein bisschen das Gefühl dafür, wie so die Menschheit auf die Tiere blickt und Tieren wurde selten Intelligenz zugeschrieben, man hat nicht davon gesprochen, dass die miteinander kommunizieren. All diese ganzen Erkenntnisse, wie Delfine, Wale etc. miteinander und dass sie miteinander kommunizieren, wie komplex sie miteinander kommunizieren, erscheint mir persönlich jetzt so ein bisschen eher so eine Erkenntnis der letzten, weiß nicht, drei, vier Jahrzehnte vielleicht, das ist jetzt nur meine subjektive Wahrnehmung davon. Vielleicht können Sie ja mal sagen, wie Sie das sehen, seit wann ist quasi die Sprache der Tiere überhaupt ein Thema für die Wissenschaft und wie spielt das dann auch in so ein Archiv mit rein?
Ja, also die Sprache der Tiere ist eigentlich schon lange Thema der Wissenschaft. Bereits bei Aristoteles werden Sie Angaben zur akustischen Kommunikation finden. Also dass Tiere Laute erzeugen. Es ist natürlich immer die Frage, wie kann man etwas objektiv untersuchen? Und das ist das große Problem bei Lautäußerung. Also man kann sie zwar jetzt wahrnehmen, aber jeder wird eine Lautäußerung sehr subjektiv beschreiben. Und das merkt man ja auch ganz einfach, wenn man jetzt mal ein und dieselbe Lautäußerung nimmt und das vielleicht in unterschiedlichen Sprachen betrachtet, dann wird es sich unterschiedlich anhören. Der Hahn ruft in Deutschland Kikeriki, in anderen Ländern ist das Kukeruku. Und auch der Kuckuck hört sich dann für verschiedene unterschiedlich an. Also wir brauchen etwas, um jetzt die Lautäußerung erst mal objektiv zu beschreiben. Und da brauchten wir natürlich erst mal Edison, der die ersten Aufzeichnungsgeräte, Aufzeichnungsverfahren entwickelt hat mit seinem Phonographen und die erste Aufzeichnung von Vogelstimmen wurde auch mit diesem Phonographen gemacht. Von Ludwig Koch, einem Berliner Aufzeichner von Tierstimmen. Also er war auch einer der Pioniere der Bioakustik gewesen. Er hatte eine umfangreiche Sammlung von Vogelstimmenaufnahmen erstellt. Wobei das seiner erste Aufnahme, das war, glaube ich, so 1910 gewesen oder sogar noch früher, als er als Kind da Vogelgesang mit dem Phonographen, den er von seinen Eltern geschenkt bekommen hatte, aufgezeichnet hatte, damit konnte man natürlich noch nicht sehr viel anfangen. Dann gab es die Möglichkeit, auf Schellackplatten aufzuzeichnen. Das Aufzeichnungsverfahren war noch sehr sehr aufwändig gewesen und in den führen Phasen der Schellackplatte wurde ja in ein Trichter reingesprochen und dieser Trichter hatte natürlich bestimmte Eigenschaften. Also wenn man sich so ganz alte Schellackplatten anhört, die klingen doch ziemlich dumpf und das hat ganz einfach den Grund, dass dieser Schalltrichter nur tiefe Frequenzen gut aufgezeichnet hatte. Also oberhalb von 4 Kilohertz sah es schon ganz schlecht aus, das heißt also, diese alten Aufnahmen sind für die Analyse von Vogelgesängen weniger geeignet, obwohl es auch einige Aufnahmen gibt von Vogelgesängen. Also wir haben eine alte Schellackaufnahme aus dem Jahr 1910 „Gesang einer Nachtigall“. Und da muss man sagen, ja die Aufnahme ist nur bedingt geeignet.
Es fehlen die Obertöne. Es lag jetzt nicht tan der Schellackplatte, die Schellackplatte selbst hätte es gebracht, aber es lag an dem Tonaufnehmer. Und erst die Entwickler von elektrischen Mikrofonen so in den 30er Jahren, Anfang der 30er Jahre machte es möglich, den Frequenzbereich zu erweitern. Und deshalb können wir eigentlich sagen, also die ersten brauchbaren Aufnahmen für wissenschaftliche Untersuchungen, die liegen in den 30er Jahren vor. Und gerade da war Ludwig Koch einer der Pioniere, als er auch so seine Schellackserie rausbrachte gemeinsam mit Oskar Heinroth, „Gefiederte Meistersänger“, was damals wirklich eine Pionierarbeit war und wo eine Vielzahl einheimischer Vogelstimmen vorgestellt wurden. Und das war natürlich auch ein Aspekt dieser Platten, dass man dann auch lehren konnte, wie Vögel singen. Und das hat auch eine Vielzahl von Ornithologen, Hobbyornithologen geholfen, sich besser zurechtzufinden. Also das waren damals die Schellackplatten, später waren es dann die Schallplatten gewesen, die mit besserer Technik aufgezeichnet wurden. Ja, also Nachteil dieser Aufzeichnungsverfahren in den 30er Jahren war immer noch, dass das alles sehr sehr aufwändig war, und dass man das Ganze nicht in Masse aufnehmen konnte. Es musste ja erst mal ein Wachszylinder, besser gesagt, es waren keine Zylinder, sondern Wachsplatten gewesen, die als Rohling hergestellt wurden und da ging nicht viel drauf. Und da hatte man selbst, um jetzt den Gesang einer Amsel aufzunehmen, mehrere Stunden benötigt. Das, wofür man heute einfach mal kurz auf das Handy draufdrückt und den Vogel aufgenommen hat. Das war wirklich eine Heidenarbeit und wenn man sich dann noch vorstellt, mit was für Technik dann angefahren wurde, die brauchten in der Regel erst mal einen LKW, dann brauchte man auch entsprechend die Stromversorgung, sehr viele Bleibatterien, um das Ganze überhaupt zum Laufen zu bringen. Das waren so die Limitierungen. So ganz nebenbei bemerkt, das war in den 30er Jahren nicht die einzige Richtung, um jetzt Stimmen aufzuzeichnen. Eine andere Richtung war der Tonfilm gewesen, die Tonspur wurde ja dann optisch aufgezeichnet und sah im Prinzip aus wie so ein Oszillogramm und dann wurde dann abgegriffen. Also nur dass eben bei der Tonspur das optisch abgegriffen wurde und bei der Platte wurde mechanisch mit einer Nadel die Höhen und Tiefen abgegriffen und damit dann auch ein Ton generiert. Ja und die große Revolution war dann die Entwicklung der Magnetbandtechnik gewesen. Und erst die Magnetbandtechnik hat es ermöglicht, in größerem Umfang Tonaufnahmen zu erstellen. Und das war in den 40er Jahren und Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre ist es dann auch richtig mit der Bioakustik als Wissenschaft losgegangen, als man wirklich jetzt Tonaufnahmen machen konnte und das hat sich ja auch hier in Berlin ganz gut gezeigt. Günter Tembrock hatte damals eine Lehrstelle für Verhaltensphysiologie innegehabt, hatte da 1948 mit Verhaltensstudien angefangen und nicht für umsonst hat er sich dann die Lautäußerungen auch vorgenommen. Mit den Lautäußerungen hatte er nämlich eine Verhaltensform, die konnte er erst mal aufzeichnen und er konnte es analysieren und vermessen und man konnte dann objektive Vergleiche machen. Das war in den 50er Jahren noch sehr primitiv gewesen und zunächst erst mal einfach mit Oszillogrammen, wo man dann die Dauer bestimmen konnte, aber man hatte auch schon erste Möglichkeiten der Frequenzanalyse. Ja und es gab dann auch schon, wenn zwar auch sehr aufwändig, aber Verfahren, die dem heutigen Spektrogramm sehr nahe kamen, das war, also da gab es ein amerikanisches Gerät, das nannte sich Sonargraph und dieser Sonargraph hat schon den zeitlichen Verlauf von Frequenzänderungen illustrieren können. Er war sehr sehr aufwändig, muss man sagen. Dazu wurde erst mal ein Laut aufgezeichnet und man konnte dann eine ganz kurze Sequenz, in der Regel drei Sekunden, auf den Speicher des Analysegerätes überspielen und dann durchlief diese kurze Sequenz verschiedene elektroakustische Filter und sobald eine bestimmte Frequenz zu einem bestimmten Zeitpunkt da war, dann wurde ein Funken erzeugt und auf einem Funkenpapier wurde dann ein Bild erzeugt. Und man hatte dann schon so als schwarzweiß Darstellung oder besser gesagt als Grautondarstellung ein Spektrogramm gehabt, mit dem zeitlichen Verlauf und wenn jetzt eine bestimmte Frequenz ganz intensiv war, dann war sie richtig schwarz und die weniger intensiven waren dann grauer. Und das waren dann auch die Abbildungen, die man in wissenschaftlichen Publikationen immer gesehen hatte und wo man dann wirklich Lautäußerungen objektiv miteinander vergleichen konnte.
Genau, man konnte eine qualitative Analyse machen. Es gab ja auch ganz früher schon mal so Ansätze, dass man die Tierstimme in Notenschrift transkribiert hatte. Und was da natürlich total verloren ging sind diese kontinuierlichen Übergänge, die wir bei Lautäußerungen von Tieren, insbesondere bei Vogelgesängen haben, Frequenzmodulation die konnte man jetzt in der Notenschrift nicht so exakt abbilden. Abgesehen davon, dass es sowieso sehr sehr subjektiv war.
Wie komplex ist denn dieses Klangbild, was Tiere erzeugen können und inwiefern unterscheidet sich das bei den einzelnen Tierarten? Was sind so die primitivsten einfachsten Lautbilder, die man beobachten kann und wer sind sozusagen die Meister der Frequenzmodulation? Wie komplex ist sozusagen eine Tierstimme im maximalen Fall oder im minimalen Fall?
Wir haben Zeit. Naja, aber nur um mal so ein Gefühl zu bekommen, in welchem Bereich sich das so abspielt. Weil gerade was Sie sagen, diese Vorstellung, dass ein Vogel seine Melodie singt, wie man es in jedem Volkslied immer wieder vorgetragen bekommt, das ist ja quasi so eine vereinfachte Wahrnehmung dessen, was man eben von diesen Tieren hört. Man hört halt irgendwie, aha okay, da ist schon so eine gewisse Melodie drin, das ist ja auch so. Nur die Betrachtung Melodie oktroyiert quasi diesem Signal ja etwas auf, dass es quasi um nichts anderes geht als um eine Tonhöhenveränderung über die Zeit und das ist es ja sicherlich nicht alleine.
Ja, jetzt sind wir schon mal bei einer Form der Lautgenerierung. Also das was Vögel machen und das was auch wir machen, dass nämlich die Stimme mit dem Luftstrom generiert wird. Und damit kann man natürlich Frequenzen verändern. Es gibt aber auch andere Formen der Lauterzeugung. Also ganz einfache Form der Lauterzeugung sind, dass jetzt bestimmte Körperteile aneinander gerieben werden, das findet man sehr verbreitet bei den Insekten, insbesondere jetzt Heuschrecken, die sogenannte Stridulationsorgane haben, wo dann eine gezähnte Leiste über eine Kante gestrichen wird, und dann hat man eigentlich nur so eine Abfolge von einzelnen Impulsen. Und wenn die natürlich schnell kommt und man dann vielleicht sogar noch einen bestimmten Resonator hat, dann kann sich das Ganze auch auf eine bestimmte Frequenz fokussieren. Beispiel wären dafür die Feldgrillen, die so ziemlich genau bei 4 Kilohertz ihre Geräusche erzeugen und die meisten Heuschreckenarten sind aber breitbandig, das heißt, es folgen immer kurze Impulse. Die gleiche Kategorie könnte man dann…
Genau. Gerade mal nachgeschlagen, hier gibt es sogar ein paar Beispiele. Das habe ich aber jetzt nicht aus Ihrem Archiv geschnappt, muss ich zugeben, sondern das fand sich hier tatsächlich in der Wikipedia wieder. Hier haben wir auch noch einen, das sind Grashüpfer. Und das ist alles durch dieses Reiben, ja? Sie sind nicht so begeistert von dem Beispiel?
Anderer Mechanismus wäre natürlich, dass irgendwas durch Klopfen erzeugt wird, wie das beim Spechtklopfen haben. Gibt es nicht nur bei Spechten, also gibt es sogar bei Spinnen. Wolfsspinnen trommeln auf, zumindest einige Arten, auf ein Substrat und erzeugen dann so eine Trommelreihe, die sehr ähnlich dem Rhythmus der Spechte ist. Also wenn wir mal zum Beispiel so eine Wolfsspinne, der nennt sich sogar, glaube ich, Trommelwolf auf Deutsch, und wenn man diese Rufreihe mit dem Trommeln eines Kleinspechtes vergleicht, dann sieht man, dass der Rhythmus fast identisch ist. Ja, also auf jeden Fall braucht man erst mal Strukturen, mit denen man Laute erzeugen kann. Und solche Reibungsmechanismen findet man auch bei Fischen, dass da doch bestimmte harte Strukturen aneinandergerieben werden. Da teilweise auch die Kiemenklappen zum Einsatz kommen. Aber auch bei Fischen haben wir schon einen Mechanismus, der auf Luft beruht. Das heißt, wo die Schwimmblase eine ganz ganz große Rolle spielt, wo dann so trommelartige Geräusche erzeugt werden, aber was durchaus sehr melodisch sein kann.
Ja und sonst, wenn wir bei den Wirbeltieren sind, bei den Landwirbeltieren, ist da doch die vorherrschende Form der Lauterzeugung über den Luftstrom. Also dass dann speziell Organe der Lauterzeugung der Kehlkopf gebildet wurden. Und dann quasi durch Unterbrechung des Luftstromes dann Töne erzeugt werden. Etwas anders ist das bei Vögeln. Bei Vögeln sitzt der Lauterzeugungsapparat etwas tiefer, nämlich da, wo sich dann die beiden Bronchienäste spalten. Und die Syrinx, das Lauterzeugungsorgan von Vögeln, wird unter anderem auch als unterer Kehlkopf bezeichnet. So und mit diesen Membranen können die Vögel natürlich auch sehr viele Frequenzen erzeugen. Und bei Vögeln kommt die Variabilität noch dadurch zustande, dass da eine Vielzahl von Muskeln an der Syrinx ansetzt. Und damit können stärkere Frequenzmodulationen erzeugt werden und hinzukommt, dass Vögel sogar zweistimmig singen können, dass die linke und rechte Syrinxhälfte unabhängig voneinander Töne generieren können.
Die Vögel sind, denke ich, definitiv die Meister, was die Variabilität der Lautäußerungen betrifft. Wobei eben auch Säugetiere eine erstaunliche Variabilität hervorbringen können. Also wenn wir gerade mal an Gesänge von Buckelwalen denken, die Gesänge werden ja eigentlich genauso erzeugt wie wir unsere Stimme erzeugen, also durch den Kehlkopf. Und da haben wir eine erstaunliche Variabilität. Ja, auch menschliche Sprache ist sehr variabel.
Es gibt, das kennen Sie wahrscheinlich, es gibt so ein großartige Video von Sir David Attenborough, der ganz viele Tierdokumentationen gemacht hat, über den Leierschwanz, the Great Lyrebird. Ein Vogel, der nicht nur in der Lage ist, komplex selber Töne zu erzeugen, sondern auch noch in der Lage ist, so ziemlich alles zu imitieren, was um ihn herum passiert. Von Kettensägen und Autos, die vorbeifahren, also Alarmanlagen, was auch immer diesem Vogel unterkommt akustisch, ist das Tier in der Lage mit seiner Lautbildung, einen Ton komplett nachzubilden. Und da fragt man sich natürlich schon, was hier überhaupt vorliegt, was ist das für eine Technik, die es quasi einem Tier erlaubt, beliebige Töne komplett zu imitieren?
Was dem auf jeden Fall zugrunde liegt, ist, dass bei vielen Vögeln, also insbesondere bei Singvögeln, der Gesang erlernt werden muss, also er ist nicht angeboren, sondern sie brauchen erst mal ein Gesangsvorbild. Und das setzt natürlich voraus, dass man gehörtes umsetzen kann. In der Regel ist es natürlich so, dass es einen arteigenen Gesang gibt und die Vögel schon erkennen, ob es die eigene Art ist oder nicht. Denn sonst wäre das ja doch ein ziemliches Wirrwarr.
Und dieser Leierschwanz, da gibt es auch viele andere Arten, die artfremde Elemente in den Gesang mit einbauen. Also Imitationen sind sehr sehr weit verbreitet. Und die machen natürlich auch einigen Ornithologen dann das Leben schwer, die Art sicher zu erkennen. Und machen es dann auch neuronalen Algorithmen der Mustererkennung schwierig, eine Art sicher zu erkennen, also da kann es auch sehr schnell zu Fehlbestimmungen kommen, aber dazu kommen wir vielleicht später noch einmal.
Also selbst wenn man jetzt die einheimischen Vogelarten nimmt, der Star ist ein Weltmeister in Imitationsleistung. Dann gibt es auch Rohrsänger, die sehr sehr viel andere Elemente von anderen Arten einbauen. Und wie perfekt so eine Imitation sein kann, das sieht man vor allen Dingen, die im Zoo gehalten werden. Also wir haben da auch Aufnahmen von Beos, wo die menschliche Sprache wirklich frappierend perfekt imitiert wurde. Also wenn man sich das anhört, könnte man nicht sagen, dass es ein Vogel ist.
Das heißt, ist es dann eher eine Hirnleistung sozusagen, diese Imitierung durchzuführen und weniger eine Frage der physikalischen Vorbedingungen? Also könnten theoretisch alle Vögel einen beliebigen Ton erzeugen und es gibt nur manche, die das halt tun und manche tun es halt nicht oder ist es auch, dass die einfach vom Kehlkopf her, von der Art und Weise wie der Ton erzeugt werden kann in dem Vogel, die Voraussetzung dafür ist, dass es so universell genutzt werden kann?
Es sind beide Komponenten. Also es gibt keinen Vogel, der absolut alles imitieren kann, also der Frequenzbereich ist da physiologisch durch den Lautgebungsapparat vorgegeben. Und natürlich spielt eine wichtige Rolle eine neuronale Komponente, also wie plastisch jetzt die Tiere sind, um Gesangselemente oder Geräusche in ihren Gesang einzubauen.
Naja, also da muss man natürlich auch den Frequenzbereich sehen, den es in der akustischen Kommunikation gibt. Der reicht ja von sehr sehr tiefen Frequenzen, die wir schon gar nicht mehr wahrnehmen können, also Infraschall wie bei Elefanten und auch bei einigen Walen bis hin zu Frequenzen, die so hoch sind, dass wir sie nicht wahrnehmen können, also der Ultraschall, wenn wir da insbesondere an Fledermäuse aber auch viele andere Kleinsäuger denken.
Sowohl als auch, also zum einen ist das Navigation und es gibt auch die sogenannten Soziallaute, mit denen die Fledermäuse untereinander kommunizieren. In der Regel sind aber die Soziallaute bei Fledermäusen etwas tiefer in der Frequenz als die Ortungslaute. Hat natürlich jetzt auch Gründe in der Schallausbreitung. Sehr hohe Frequenzen werden sehr schnell gedämpft. Das heißt also, ein Echoortungslaut kann nicht über 100 Meter übertragen werden. Das heißt, es sind immer relativ geringe Distanzen, über die diese Laute übertragen werden können und entsprechend dann muss ja ein Echo zurückkommen. Das heißt, die Reichweite dieses Sonars ist jetzt nicht sehr sehr groß. Und damit jetzt auch Laute an andere Tiere übertragen werden können, ist es natürlich sinnvoll, in den etwas tieferen Frequenzbereich zu wechseln. Und das ist dann bei Fledermäusen entweder der untere Ultraschallbereich, also wenn wir jetzt mal das Beispiel der Zwerg- oder auch der Mückenfledermäuse, zwei einheimische Fledermäuse, nehmen, die Zwergfledermaus hat ihre Ortungsrufe oberhalb von 40 Kilohertz, die Mückenfledermaus oberhalb von 50 Kilohertz. Frequenzschwerpunkt liegt bei der Zwergfledermaus also bei 45, bei der Mücken- bei 55 Kilohertz. Und die Soziallaute, die sie dann während der Paarung auch von sich geben, die liegen so im Bereich von 20-25 Kilohertz.
Da frage ich mich ja jetzt in Bezug auf das Tierstimmenarchiv, wie werden die denn aufgenommen diese Töne? Also ich meine, wiedergeben am Computer kann ich sie jetzt natürlich nicht so ohne weiteres, weil ist ja Ultraschall. Also kann ich wiedergeben, aber würde ich nicht hören bzw. weiß ich gar nicht, ob die Geräte in der Lage sind, dann diese Ultraschallfrequenzen überhaupt abzugeben. Dasselbe gilt ja dann auch für Infraschall.
Ja, da bedient man sich in der Regel eines Tricks, um sich das Ganze anzuhören. Also entweder man beschleunigt die Aufnahme im Fall von Infraschall. Das heißt, man transponiert dann die tiefen Frequenzen in einen höheren Bereich und im Bereich von Fledermäusen verlangsamt man in der Regel die Aufnahmen und das sind auch Beispiele, die im Tierstimmenarchiv anzuhören sind, dass dann die Aufnahme in der Regel um Faktor 10 verlangsamt wurde und dann hat man zumindest einen Eindruck, wie sich das Ganze anhören könnte.
Dann kommen wir doch noch mal kurz auf das Tierstimmenarchiv selbst. Jetzt hatten wir das ja am Anfang schon vorgestellt und dass es 1951 einberufen wurde, im Prinzip als Folge der technischen Entwicklungen, dass es also einfach erst mal möglich war. Das Magnetband war da, es entsprach vielleicht nicht in jeder Hinsicht den Vorstellungen, wie man es gerne gehabt hätte, das dauerte dann halt noch mal ein halbes Jahrhundert, bis es dann wirklich perfekt ist, nur das hat ja dann quasi komplett neue Tür geöffnet in der wissenschaftlichen Forschung. Das hatten Sie ja auch schon angesprochen. Wie hat sich denn dieses Archiv entwickelt? Vielleicht können wir ja mal kurz zu dieser geschichtlichen Entwicklung bis heute was sagen, bevor wir uns noch mal die Forschung anschauen.
Angefangen hat alles 1951, also wir datieren die älteste Aufnahme auf den 30. Oktober 1951. Als ein Tonbandgerät, das speziell für das zoologische Institut gebaut wurde, dann einfach mal ausprobiert wurde. Zu der Zeit wurden Waldkäuze im Institutshof gehalten und so entstand die erste Aufnahme aus dem Fenster des Instituts oder aus einem Fenster des Instituts, wurde dann das Mikrofon rausgehalten, das Tonband lief direkt daneben, da machte man auch gleich den ersten Anfängerfehler, das Tonbandgerät hatte sehr starke Laufgeräusche und die hat man natürlich auch auf der Aufnahme mit drauf. Aber auf jeden Fall fingen dann die Käuze in der Voliere an zu rufen. Interessanterweise kam dann noch ein freifliegender Waldkauz vom Gelände des Tiergartens rüber geflogen und hat dann auf die Rufe der Waldkäuze in der Voliere geantwortet. Und das ist das Interessante, dass diese Aufnahme vom 30. Oktober ’51 streng genommen auch schon die erste Freilandaufnahme im Tierstimmenarchiv ist.
Es wird nicht nachgearbeitet, das ist bei uns in der Sammlung eigentlich oberstes Prinzip. Wenn die Aufnahme unsauber ist, dann bleibt die unsauber. So dass Wissenschaftler die Möglichkeit haben, auch nach feinsten Details noch zu suchen. Und vor allen Dingen dann auch gut abschätzen können, was ist jetzt eine Störung und was ist das eigentliche Geräusch. Also wenn ich das bereinige, dann …
Es geht auf jeden Fall ein Teil der Information verloren. Und ein anderer Aspekt bei uns ist, dass ein absolutes Tabu die Komprimierung von Tonaufzeichnungen ist. Also wir speichern alle Tonaufzeichnungen unkomprimiert. Also mp3-Aufnahmen kann man sich bei uns anhören, die sind aber nur fürs Anhören gedacht, nicht für die Analyse.
Gut, aber der Waldkauz war noch keine wav-Datei damals, das war noch eine Magnetbandaufnahme, die erst mal digitalisiert werden musste. Ja, wie ging es dann weiter? Der Waldkauz war eigentlich mehr so eine Zufallsaufnahme gewesen. Dann lag der Schwerpunkt erst mal bei den Rotfüchsen, die das Forschungsprojekt von Günter Tembrock waren. Seit 1948 wurden im Institut Rotfüchse gehalten und natürlich waren die dann auch Gegenstand der akustischen Untersuchungen. Da werden wir wahrscheinlich die weltweit umfangreichste Sammlung von Rotfuchsaufnahmen haben. Und da ging es natürlich wirklich jetzt um Fragen der Kommunikation. In welcher Situation wurde welche Lautäußerung gebracht. Und anhand der spektrographischen Analyse wurden dann verschiedene Lautäußerungen beschrieben. Und da hat man auch schon gemerkt, dass das Ganze nicht so einfach ist. Also die Anzahl der verschiedenen Rufformen beim Rotfuchs die variierte dann mit der Zeit. Also es gibt Publikationen von Günter Tembrock, wo er von über 30 Lautäußerungen von Rotfüchsen spricht. Und später bei einer zusammenfassenden Arbeit zur Lautgebung von Hundeartigen, zu denen auch Füchse gehören, zu denen auch die Wölfe gehören, hat er alles in zehn große Gruppen eingeteilt. Also die Übergänge sind fließend und man kann schwer sagen, wo fängt jetzt eine Lautform an und wo hört eine andere auf. Auch beim Rotfuchs gibt es eigentlich einen ganz interessanten Nebeneffekt. Die Variabilität der Lautäußerung ist sehr groß. Eine typische Lautäußerung, die währen der Paarungszeit geäußert wird, ist die Bellstrophe. Aber es gibt auch noch ein einzelnes langanhaltendes Bellen, also wie so ein Schrei. Interessanterweise hatten sie den Schrei im Intro gehabt. Da hört man im Hintergrund einen Fuchsschrei, dieses wuah.
Aber hier haben wir bei dem Beispiel schon ein Effekt der Magnetbänder, der bei digitaler Technik nicht mehr auftritt, wenn man genau hinhört ist so ein vielfacher Hall da und das ist mit Sicherheit kein Hall, sondern ist auch schon ein Effekt entweder der Lagerung der Magnetbänder oder kann auch direkt bei der Aufnahme passiert sein. Also wenn jetzt das Signal zu stark ist, dann drückt eine Tonspur auf die benachbarte Tonspur rüber, das wird als Kopiereffekt bezeichnet. Also ich hatte jetzt in meiner Laufbahn erst mal so gelernt, diese Kopiereffekte treten auf, wenn Tonbänder unsachgemäß gelagert werden. Bei Magnetbändern hatte man empfohlen, die mindestens nach einem Jahr umzuspulen, dass nicht mehr exakt die gleiche Tonschicht auf die andere Magnetschicht draufdrückt. Bis ich dann eines Tages bei einer Feldarbeit eines Besseren belehrt wurde, als ich nämlich unmittelbar nach der Aufnahme diesen Kopiereffekt drauf hatte. Also Kopiereffekte erkennt man sehr deutlich daran, dass Echo vor dem eigentlichen Ruf schon da ist. Das ist dann ein untrügerisches Kennzeichen. Und es tritt auf, gerade wenn man kaum Hintergrund hat und das Signal sehr stark ist und tritt insbesondere bei Magnetkassetten auf oder trat bei Magnetkassetten auf. Das Problem ist, dass da ein sehr dünnes Bandmaterial ist und der Abstand zwischen Magnetschichten sehr gering ist.
Da müsste ich ja fast mit Faust antworten, Name ist Schall und Rauch. Ja 120.000 Aufnahmen sind es auf jeden Fall und es ist immer eine Frage, wie man zählt. Und 120.000 Einzelaufnahmen von gerichteten Aufnahmen. Und wenn wir nämlich jetzt die Aufnahmen dazu rechnen, die im Prozess vom akustischen Monitoring erstellt werden, also wo jetzt regelmäßig automatisch Aufnahmen erzeugt werden, dann sind es schon viel viel mehr.
Genau, es ist ein digitales Backup und wir können jetzt eigentlich komplett digital arbeiten. Also die Digitalisierung ist noch nicht komplett abgeschlossen. Also unsere Bestände haben wir digitalisiert, aber es gibt immer noch Bestände, die irgendwo in der Welt rumlungern und die noch nicht digitalisiert sind. Also gerade jetzt sind wir dabei, die Sammlung eines französischen Vogelkundlers zu digitalisieren. Von Jean Claude Roché. Jean Claude Roché hat eine Menge von Schallplatten und später dann auch Audio-CDs mit Vogelstimmen herausgebracht. Nachteil dabei ist natürlich, dass diese Aufnahmen alle schon bearbeitet sind. Das heißt, diese wurden gefiltert und wir können nicht sagen, was wurde da alles rausgefiltert. Und wir hatten jetzt die Möglichkeit, diese Sammlung, also die Originalsammlung, auch zu digitalisieren.
Also es gibt weltweit einige. Also wir gehören da zu den drei größten, also als die drei größten kann man die Sammlung an der Cornell University, die /unverständlich/- Library of Wildlife Sounds(?) bezeichnen. Mit Sicherheit die größte Sammlung an Tierstimmen. Dann ist noch eine große Sammlung an der British Library. Mittlerweile haben sich auch in Südamerika große Sammlungen gebildet. Und es gibt auch eine sehr große Online-Sammlung von Tierstimmen, die nennt sich Xeno-Canto, wo weltweit Liebhaber Vogelstimmen hochladen können. Leider fast ausschließlich im mp3-Format, worüber wir nicht sehr glücklich sind und was natürlich dann auf der anderen Seite auch wieder die Bedeutung unserer Sammlung anhebt.
Das auf jeden Fall und es basiert darauf, dass gerade im höheren Frequenzbereich dann die Frequenzauflösung nicht so gut ist. Also wenn man sich das Ganze mal in einer graphischen Darstellung in Form eines Spektrogramms anschaut, dann merkt man, dass die mp3-Aufnahmen ganz klar Löcher haben, dass da einfach was fehlt.
Kommen wir mal so ein bisschen zu der eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit, die sich daraus ergibt. Also so ein Archiv ist natürlich schön und gut, aber ist ja kein Selbstzweck, sondern es soll ja auch etwas leisten und es soll natürlich eine Bibliothek sein, in der sich halt Forscher eintauchen können, wenn sie jetzt spezifisch vielleicht eine bestimmte Tierart untersuchen, dann mag das ja eine interessante Quelle sein, die die eigene Arbeit noch unterstützt, aber man kann natürlich auch Forschung machen, die jetzt explizit mit dem gesamten Archiv arbeitet oder mit großen Teilen dieses Archivs arbeitet und versucht, hier in irgendeiner Form, ja, alles mögliche herauszulesen. Weil wenn man erst mal so einen breiten Zugriff hat und vor allem die Aufnahmen ja nicht nur die Aufnahmen selbst sind, sondern mit den Aufnahmen ja auch noch bestimmte Metadaten erfasst werden, sprich, der Ort, der Zeitpunkt, etc.. Ich weiß nicht, welche sonstigen wichtigen Metadaten hier vielleicht noch zu nennen wären, die noch einen Mehrwert dann darstellen über die eigentliche Aufnahme hinaus. Aber vielleicht können wir ja mal so ein bisschen darüber reden, welche Forschung Sie konkret machen bzw. die generell mit dem Tierstimmenarchiv durchgeführt wird.
Also fangen wir erst mal damit an, was generell möglich ist. Und das hat sich ja auch entwickelt. Also richtig hatten Sie schon bemerkt, dass es gerade für Forscher, die sich mit einer Art gezielt befassen, ein sehr guter Einstieg ist. Und erst mal so einen Eindruck zu bekommen, welche Lautäußerungen sind da. Also um jetzt eine einzelne Art zu bearbeiten, dürfte das Material im Tierstimmenarchiv kaum ausreichen. Es sei denn, man kann auf eine Sammlung von Aufzeichnungen zurückgreifen, wo gezielt die Art untersucht wurde, also wie zum Beispiel der Rotfuchs. Also wir haben auch eine umfangreiche Sammlung an Aufnahmen vom Polarfuchs, die noch nicht in dem Maße bearbeitet ist, wie sie hätte bearbeitet sein können. Auf einer ähnlichen Ebene liegt dann der Einsatz der Lautäußerung für Playback-Experimente. Also es gibt ja zwei Herangehensweisen, die akustische Kommunikation von Tieren zu untersuchen. Die eine Herangehensweise ist, dass man das Tier beobachtet und Korrelationen zwischen Lautäußerung und Verhalten aufstellt.
Zum Beispiel, ja genau, das ist so ein Beispiel. Und die andere Herangehensweise ist, dass man sozusagen das Tier fragt, wie verstehst du denn diesen Laut? Das heißt, man macht sogenannte Playback-Versuche. Und gerade für diese Playback-Versuche ist das Tierstimmenarchiv eine sehr gute Quelle, weil man, wenn man Freilandarbeiten macht, nicht erst mal die Zeit darauf vergeuden muss, im Freiland eine saubere Aufnahme zu machen, sondern dass man gleich mit einem richtigen Playback rausgehen kann. Und da kann man dann unter anderem solche Fragen stellen. Ja, welche Funktion hat der Laut? Ist das jetzt wirklich ein Warnlaut, wie reagieren die Tiere drauf? Oder auch unser Archiv wurde dafür genutzt, um zu untersuchen, wie vielleicht bestimmte Tiere auf Lautäußerungen von den Beutegreifern reagieren.
Es gibt ja auch Tiere, die auch genau diese Technik benutzen. Ich kenne so ein Beispiel, ich weiß jetzt gerade nicht genau, welcher Vogel das war, der aber dann irgendwie die Warnlaute der Erdmännchen benutzt, um die Erdmännchen quasi nachdem sie gerade sich irgendwas zu Essen organisiert haben, mit diesem Warnruf in die Katakomben schickt und sich sozusagen dann diese Nahrung als Beute holt so. Und ich habe mal so einen Film gesehen und schon der zweite Versuch hat dann nicht mehr funktioniert, weil das dann die Erdmännchen gecheckt haben.
Und die andere Richtung ist natürlich, dass man die Sammlung nutzen kann, um jetzt übergreifende Fragestellungen zu bearbeiten. Also zum Beispiel Zusammenhang zwischen Körpergröße und Lautäußerung. Da gab es auch Publikationen, die allein auf Archivmaterial basieren. Und dafür braucht man ja wirklich die Lautäußerung möglichst aller Tierarten oder möglichst vieler Tierarten einer bestimmten Tiergruppe. Oder über einen größeren Bereich gesehen, dass man wirklich kleine Säugetiere hat und große Säugetiere.
Also das gibt es auch. Ja und ein anderer Aspekt, der mit dem Archivmaterial sehr gut untersucht werden kann, sind Fragen der geografischen Variabilität. Also dafür ist natürlich sehr hilfreich, wenn dann die Aufgaben auch georeferenziert sind. Aber leider müssen wir das bei den älteren Aufnahmen so im Nachhinein machen. Damals gab es noch keine GPS-Geräte und da kann man nur hoffen, dass die Beschreibung des Ortes so gut wie möglich war. In der Regel reicht es natürlich aus, wenn es um geografische Variabilität geht, da braucht man den Punkt nicht auf den Meter genau. Aber bei einigen Aufnahmen ist das schon eine Herausforderung, gerade bei Aufnahmen aus dem Lausitzer Raum, wo einige Orte schon nicht mehr existieren, ganz einfach weil sie weggebaggert wurden.
Und dann werden dann natürlich die Tierstimmen nicht nur von Biologen genutzt. Also sehr oft werden die Aufnahmen auch für künstlerische Zwecke genutzt, für Bildungszwecke werden sie natürlich genutzt. Sehr viele Ausstellungen greifen auf das Tierstimmenarchiv zurück. Also da bekommen wir auch regelmäßig Anfragen und wird auch sehr aktiv genutzt. Ja und eine neue Form der Nutzung hat sich eigentlich erst so in den letzten Jahren herauskristallisiert. Also wir selbst arbeiten auch daran, dass wir die Tierstimmen für Aufgaben der akustischen Mustererkennung nutzen. Das heißt, dass eine Art anhand der Stimme dann automatisch erkannt wird. Die ersten Ansätze sind eigentlich die, dass man wirklich eine relativ saubere Aufnahme einer Tierstimme dann einer Art zuordnen kann. Also da wurden auch auf der Grundlage von Aufnahmen des Tierstimmenarchivs, also nicht nur von unserem Tierstimmenarchiv, sondern auch von anderen Sammlungen, dann Algorithmen entwickelt, um die Arten automatisch zu erkennen. Also dazu werden jetzt in jüngster Zeit neuronale Netze genutzt, neuronale Netze müssen trainiert werden und wir liefern dann quasi das Trainingsmaterial. Eingebettet ist das bei uns in ein Projekt, wo es darum geht, eine automatische Station zur Erfassung von Biodiversität zu errichten. Bei diesen sogenannten /unverständlich/-Stationen geht es darum, verschiedene Verfahren einer automatischen Erkennung an einem Ort zusammenzubringen. Welche Verfahren gibt es? Also neben akustischen Verfahren sind das natürlich dann auch bildgebende Verfahren, also dass man jetzt Kameraaufnahmen auswertet, ob da ein bestimmtes Tier auf der Kamera zu sehen ist. Dies bietet sich unter anderem für Nachtfalter an. Eine traditionelle Art und Weise der Nachtfalter diese zu fangen war der Lichtfang. Da wird eine weiße Leinwand aufgebaut, diese angestrahlt und da sammeln sich dann Nachtfalter. Und traditionell mussten diese dann mit einem Kescher abgefangen werden und wurden dann von Spezialisten bestimmt. Und die Idee ist, dass man jetzt ganz einfach ein Foto von dieser Leinwand macht und dann mittels optischer Mustererkennung bestimmen kann, welche Arten sich dort auf dieser Leinwand versammelt haben. Ja und andere Verfahren sind jetzt Verfahren des DNA-Barcodings. Dazu muss man die Tiere erst mal wirklich auch fangen und dass man dann mithilfe einer DNA-Analyse bestimmt, welche Arten sind da.
Genau, das geht weit über die Auswertung von Akustik hinaus. Aber wir bearbeiten speziell in diesem Projekt den akustischen Teil. Und die Fragestellung ist, wie gut kann man jetzt wirklich mit einem einzelnen Sensor die Artenvielfalt erfassen. Also wir gehen da noch einen Schritt weiter, dass wir dort nicht nur sagen wollen, welche Arten sind da, sondern auch schon erste Ansätze liefern wollen, wieviele Tiere einer Art sind da. Und im Unterschied zu den meisten Projekten, die jetzt die Geräuschkulisse aufzeichnen, arbeiten wir hier mit mehreren Mikrofonen. Also wir arbeiten mit 4-Kanal-Technik, also dass wir dann auch die Richtung bestimmen können, aus der ein Tier ruft und über unterschiedliche Richtungen versuchen wollen zu sagen, wieviele Tiere sind da. Also die normale Situation ist ja die, dass wir jetzt an einem Standort nicht 20-30 Tiere einer Art hören, sondern in der Regel sind es 2-3. Und wenn man sagen könnte, wir haben jetzt aus drei unterschiedlichen Richtungen innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums eine Vogelart singend, dann können wir sagen, ja wir haben hier mindestens drei Vögel singend.
Das heißt, da kommt dann auch wirklich nur ein einziges Mikrofon in einem beliebigen Ort zum Einsatz? Weil wenn ich das jetzt mal ein bisschen weiter spinnen würde, um jetzt wirklich so eine genaue Zählung vornehmen zu können, ist ja ideal, man würde gleich mit einem ganzen Feld von Mikrofonen arbeiten, sodass man ja quasi einen einzelnen Vogel geradezu triangulieren könnte darüber, dass man eben die Quelle über mehrere Mikrofone einfängt und sagt, okay bei dem Mikrofon kam das irgendwie so ein bisschen von Südwest und bei diesem kam es irgendwie aus Nordost so und da war es so laut, da war es so laut, also muss dieser Vogel irgendwo dazwischen gewesen sein, und ich kann ihn relativ stark von einem anderen Signal unterscheiden etc. pp.
Genau daran arbeiten wir in einem anderen Projekt. Das Projekt nennt sich Devise(?), also ist ein Kooperationsprojekt mit einem Fraunhofer Institut, also mit dem Fraunhofer ITM hier in Oldenburg und der ASO GmbH in Oldenburg. Und Ziel des Projektes ist, die Entwicklung eines Verfahrens zum akustischen Tracking von lautgebenden Tieren. Und wir fokussieren uns dabei zurzeit auf zwei Vogelarten, zum einen die Waldschnepfe und zum anderen der Wachtelkönig. Und gerade beim Wachtelkönig macht es schon Sinn, genau die Position der Tiere zu bestimmen, hat auch einen ökonomischen Hintergrund. Der Wachtelkönig ist Bewohner von ausgedehnten Wiesen, insbesondere feuchte Wiesen. Wir selbst machen unsere Untersuchungen im unteren Odertal. Und der Wachtelkönig ist eine extrem bestandsbedrohte Vogelart. Und in der Regel ist es so, dass wenn ein Wachtelkönig an einem Standort nachgewiesen wird, gibt es Einschränkungen in der Bewirtschaftung. Das heißt, dass die Maht zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen muss, bzw. nicht eher erfolgen darf und auf der anderen Seite der andere ökonomische Aspekt ist, dass der Landwirt für diese späte Nutzung der Wiesenflächen in der Regel eine Ausgleichszahlung bekommt. Und da macht es natürlich Sinn, dass die Gelder auch wirklich sinnvoll eingesetzt werden und man sicher nachweist, wo sitzt wirklich der Vogel. Und mit diesem System können wir dann die rufenden Tiere recht genau orten. Und können dann auch sagen, der Wachtelkönig sitzt jetzt auf dieser Wiese und nicht auf der anderen Wiese. Und was natürlich ein ganz großer Vorteil von solchen automatischen Erfassungssystemen ist, man kann auch Negativbelege bringen. Also man kann die Technik über Nächte draußen stehen haben, dann aufzeichnen, und wenn auf der Aufzeichnung kein Wachtelkönig drauf ist, dann kann man mit hoher Sicherheit sagen, da brütet kein Wachtelkönig und diese Wiesenfläche kann dann mit ruhigem Gewissen für die Maht freigegeben werden.
Wobei man jetzt sagen muss, also das Ganze klappt bei einer Vogelart. Und wir sind noch nicht so weit, dass wir die Grenzen ausgelotet haben. Und wir können auch noch nicht sagen, wann steigt das System aus, also auf welche Distanz kann noch sicher geortet werden? Vor welchem Hintergrund kann noch sicher geortet werden? Das sind noch Fragen, die wir in diesem von der DBU finanzierten Projekt noch beantworten müssen.
Aber das hat ja eine technologische Perspektive. Ich meine, wenn man sich anschaut, wie gut Machine Learning in den letzten zehn Jahren geworden ist, man kennt das so von dem Erkennen von Inhalten von Fotos etc.. Und im Prinzip dasselbe Prinzip wird ja letztlich auf die Akustik auch angewendet. Man hat halt das ganze klar markierte, wohlsortierte Trainingsmaterial in möglichst hoher Zahl. An der Stelle wäre ja auch wirklich, umso mehr Varietät und Quantität man hat, wo man sagen, kann, okay, das hier ist jetzt der Wachtelkönig und nur Wachtelkönige. Und wir sind uns auch sicher, dass es Wachtelkönig ist, aber wir haben nicht nur Wachtelkönig hier, sondern wir haben Wachtelkönig überall in allen Formen und Farben mit viel Hintergrundgeräuschen und ohne viel Hintergrundgeräusche, also es ist ja auch ein Vorteil manchmal, dass vielleicht die Aufnahmen nicht so isoliert sind, damit man sie eben auch noch unterscheiden kann, wenn anderes dabei ist. Und angenommen, man hätte also diese ganzen Modelle, sprich ein System, was mehr oder weniger in der Lage ist, so ziemlich alles zu erkennen, was in irgendeiner Form Töne von sich gibt, bis hin zu den Alarmanlagen, dann braucht es ja jetzt eigentlich nur noch so ein Sensornetzwerk, was man in einem Naturschutzgebiet aufhängt, wo, was weiß ich, alle 100 Meter so ein Mikrofon ist. Und in einer idealer Welt hätte man so auf dem Bildschirm für jede Nacht die Information, also hier fliegen 300 von dieser Spezies rum und 20 davon und von dem haben wir seit drei Tagen nichts gehört etc. pp. und da heult auch noch ein Wolf.
Und vor allen Dingen kommt dazu, dass in diesen 120.000 Aufnahmen nicht exakt markiert ist, wo jetzt die Zielart exakt ist. Also wenn ich da jetzt eine 15 Minuten Aufnahme habe und habe auf dieser 15 Minuten Aufnahme, sagen wir, 50 Strophen der Goldamme drauf, dann sind auch noch sehr sehr viele Zwischenräume dazwischen. Und als Trainingsmaterial müsste man dann schon wissen, wo exakt die Goldamme zu hören ist, ob es vielleicht noch Hintergrundarten gibt und ja, also nicht dass irgendwie etwas verkehrtes trainiert wird.
Das ist eine Menge Arbeit. Ich meine, das kann ja eine einzelne Person kaum leisten. Wenn man sich mal überlegt, dass da so in diesem Bereich der Citizen Science oder Crowdsourcing zu tun und irgendwie das Archiv sozusagen auf so eine Art und Weise zu veröffentlichen, dass Leute, die jetzt Lust haben auf so Vogelbestimmung und die einfach mal wissen, wie eine Goldammer klingt, diese dann auch genau annotieren können oder zumindest schon mal Vorschläge macht, die jemand anders nur noch absegnen muss?
Also da ist auf jeden Fall a) eine Menge Arbeit zu leisten, aber es ist natürlich eine interessante Perspektive, weil das ja eigentlich dann auch bedeutet, dass auf einmal diese ganze Forschung und die Tierstimmenforschung einen ganz anderen Beitrag leistet, als sie es vielleicht derzeit tut. Weil in dem Moment, wo man so eine Biosphärenüberwachung durchführen kann, ich meine, wir hatten das Beispiel jetzt schon mit dieser landwirtschaftlichen Nutzung, aber das hat ja auch für viele andere auch politische Entscheidungen durchaus einen großen Wert. Weil man einfach Aussagen darüber treffen kann, wie gefährdet ist eine bestimmte Art, wie ungefährdet ist auch eine bestimmte Art oder welche Lebensräume werden eigentlich von bestimmten Tieren überhaupt erschlossen, die wir vielleicht so noch gar nicht auf dem Zeiger hatten, dass wir einfach gar nicht wussten, dass die dort auch noch zu finden sind.
Ja, ist auf jeden Fall eine wertvolle Ergänzung zu bestehenden Erfassungsprogrammen. Also bestehende Erfassungsprogramme, die haben leider auch nur zu wenige Artengruppen im Fokus. Gut, Vögel werden wirklich gut erfasst, aber auch bei Vögeln hat die akustische Methode große Vorteile, dass man da wirklich kontinuierlich erfassen kann. Und auch in Gebiete reingehen kann, wo eigentlich der Beobachter unerwünscht ist. Wenn man im Totalreservat ist oder in unmittelbarer Nähe des Horstes einer seltenen Greifvogelart, wenn da ein Rekorder hängt, der stört nicht und der kann da drei Monate hängen und wird dann reingeholt, wenn es nicht mehr stört. Also da gibt es auf jeden Fall große Perspektiven und auf jeden Fall könnte ich mir vorstellen, dass über Rekorder noch viel mehr über Kleinsäuger bekannt wird. Das ist auch eine Gruppe, an der sehr wenige arbeiten.
Also sozusagen meistens denkt man jetzt bei so einem akustischen Monitoring an Vögel, aber das ist dann auch noch so ein kleiner Beifang, wenn man dann auch wieder überlegen muss, ob man denn den Frequenzbereich noch etwas weiter ausdehnt, sind alles Fragen, wo man gut abwägen muss. Man darf nämlich nicht vergessen, man kann zwar eine Menge Aufzeichnungen machen, diese Menge von Aufzeichnungen braucht aber sehr viel Speicher. Diese Menge von Aufzeichnungen muss analysiert werden. Also jetzt zu denken, ja wir nehmen ganz einfach tausende von akustischen Sensoren und verteilen die irgendwo. Und das Problem wäre gelöst, nein damit fängt das Problem erst mal an.
Und ein Punkt ist schon, die Überlegung, was für einen Sensor nehme ich? Es kann unter Umständen preiswerter werden, einen teueren Sensor zu nehmen mit einer größeren Empfindlichkeit, als 100 billige oder die Nachbearbeitung sehr aufwändig wird. Also auch wenn man das Ganze mit künstlicher Intelligenz analysieren möchte, auch das braucht Zeit und das braucht auch Energie. Das sollte man nicht vergessen.
Ja, also zurzeit ist die akustische Mustererkennung wirklich der Schwerpunkt unserer Arbeiten. Also im Hause selbst laufen auch Untersuchungen zur akustischen Kommunikation. Also wir haben am Museum für Naturkunde eine Arbeitsgruppe, die sich mit akustischer Kommunikation von Fledermäusen befasst. Frau Knörnschild leitet diese Arbeitsgruppe. Dann haben wir auch eine Arbeitsgruppe, die sich mit akustischer Kommunikation von Heuschrecken befasst. Und diese Aufnahmen werden dann, denke ich, in Perspektive auch im Tierstimmenarchiv landen.
Ja. Wobei man eben im Vergleich zu Bildern mehr Probleme mit Überlagerungen hat. Bei Bildern ist es ja doch in der Regel so, dass das Objekt im Vordergrund ist oder dass man das Objekt als ganzes erkennen kann. Natürlich kann da auch etwas überlappen, aber das Überlappen ist in der Akustik leider die Regel.
Aber was kann man jetzt herausfinden? Also ist diese Pattern Recognition, wie es dann auf Englisch heißt, die Mustererkennung oder sagen wir die strukturelle Analyse, dient die jetzt primär der Identifikation? Weil bei diesem Machine Learning ist es ja immer so ein bisschen so, okay ich schütte dich jetzt mal mit Informationen zu, hier kommt tausendmal das richtige, und hier kommt zehntausendmal das falsche und dann gewinnt man so eine Art statistischen irgendwie Treffermodus, wo man sagen kann, okay, so in den allermeisten Fällen stimmt das dann schon, was dabei rauskommt. Eine strukturelle Analyse ist ja eher der Ansatz, ich versuche jetzt genau herauszufinden, was exakt die Komponente ist und kann es dann auch in gewisser Hinsicht inhaltlich beschreiben. Man kann sagen, okay, dieser Gesang dieses Vogels, der hat halt in diesem Frequenzbereich am Anfang den und den Dynamikanteil und dann verlagert sich das irgendwie in andere Bereiche und dann kommt die und die Melodie raus und so wird hier irgendwie rummoduliert und solche Geschichten. Das ist ja mehr eine qualitative Beschreibung.
Also derzeit wird die Mustererkennung primär zur Arterkennung genutzt. Also dass man wirklich jetzt die Systeme trainiert, eine Art zu erkennen. Potenziell ist das natürlich auch für viele andere Fragestellungen interessant, also dass man jetzt nicht nur die Art trainiert, sondern dass man vielleicht dann auch nach Ähnlichkeiten über taxonomische Gruppen hinweg sucht. Das wurde meines Wissens bisher noch nicht angewandt, aber das ist auch eine Vision, die wir haben, dass dann die Algorithmen der Mustererkennung auch direkt auf die Sammlung angewandt werden.
Ob sie voneinander gelernt haben oder ob es ganz einfach bestimmte Zwänge gibt, Evolutionszwänge, die dazu geführt haben, dass vielleicht ein Warnruf eine bestimmte Struktur haben sollte. Damit dann auch über große Distanzen übertragen werden kann. Solche Fragen kann man dann damit auch stellen. Und natürlich können wir, wenn wir es schaffen, die Algorithmen auch auf die Sammlung anzuwenden, die Sammlungserschließung wieder beschleunigen. Dass wir jetzt die 120.000 Aufnahmen nicht alle durchhören müssen, sondern dass wir dann wirklich …
Wie weit kann sowas gehen? Gibt es dann auch so semantische Analysen? Also es gibt ja bei Tieren auch, also ich weiß da nicht viel drüber, aber Wale, Delfine, da ist ja auch schon eine Sprache im Spiel. Es gibt Tiere, die sich Namen geben, die sozusagen auch individuell ihre Sprache anpassen. Wie hat das Archiv, die Arbeit des Archivs so Ihrer Forschung schon mal berührt, geht das so weit? Also dass man auch die Kommunikation als solche analysiert und nicht nur den Klang als solchen?
Na die Kommunikation als solche kann schwer mit Archivmaterial untersucht werden. Also da muss man dann wirklich gezielte Verhaltensuntersuchungen machen. Also die Rolle des Tierstimmenarchivs ist hierbei höchstens, dass die Aufnahmen, die im Rahmen solcher Untersuchungen erstellt worden sind, dann auch archiviert werden und zugänglich gemacht werden. Das ist ja dann auch ein Punkt, der gerade jetzt sehr wichtig ist, dass die Forschungsergebnisse offen zugänglich gemacht werden müssen und dann insbesondere von Zeitschriften die Forderung kommt, dass auch die Originaldaten zugänglich gemacht werden müssen. Also dass man eine wissenschaftliche Untersuchung auch noch mal überprüfen kann. Also dafür spielt auch das Tierstimmenarchiv eine Rolle, dass Daten von Forschung gespeichert werden.
Also auf jeden Fall müsste generell der Zugang zu dem Tierstimmenarchiv noch weiter verbessert werden. Also da werden wir uns schon dafür einsetzen, dass auch mehr und mehr Daten dann zur Verfügung stellt werden. Also wir haben auch vor, dass das Layout der Webseite verbessert wird oder generell der Zugang zur Datenbank verbessert wird. Ich muss ja dazu sagen, eigentlich hat sich in den letzten 15 Jahren da sehr sehr wenig getan, die Datenbank oder die netzfähige Datenbank wurde vor 15 Jahren aufgebaut, vor über 15 Jahren.