Forschergeist
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Über den Einfluss der Angelfischerei auf die Ökosysteme und transformative Wissenschaft
Naturerfahrung, Entspannung und doch zugleich auch der Nervenkitzel, ob etwas anbeißt: Rund 3,3 Millionen Deutsche werfen regelmäßig ihre Angel aus. Ihre Leidenschaft wird aber auch kontrovers gesehen – gefährdet der Fischfang nicht die Bestände und schadet der Umwelt? Robert Arlinghaus ist einer der wenigen Forscher, die sich mit der Angelfischerei wissenschaftlich befassen und dabei Aspekte der Nachhaltigkeit und des verantwortlichen Umgangs mit der Natur in den Blick nehmen. Er meint: Angelvereine sind oft auch Naturschutzvereine, die sich um den Artenschutz kümmern – natürlich auch um eigene Fangerträge zu sichern, aber gleichzeitig können auch sich die Lebensräume verbessern. Angeln liefert also sehr wohl positive Effekte für Gesellschaft und Umwelt.
Ausgestattet mit einer Professur für Integratives Fischereimanagement an der Humboldt-Universität zu Berlin untersucht Arlinghaus seit Jahren die Zusammenhänge von Binnenfischerei und Gewässerökologie. Ihm ist wichtig, die Forschung „zu den Leuten zu bringen“, also mit den Anglerinnen und Anglern vor Ort zu forschen, und dies zu den für sie relevanten Fragen. Durch die Verknüpfung mit dem Erfahrungswissen der Amateure profitiert seine eigene Forschung, und dank der Einbindung der Praktiker gelingt dann am Ende auch der Transfer der wissenschaftlichen Ergebnisse an die Basis.
Robert Arlinghaus wurde 2020 vom Stifterverband und der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit dem Communicator-Preis für herausragende Wissenschaftskommunikation ausgezeichnet.
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Veröffentlicht am: 3. Januar 2022
Dauer: 1:08:44
Hallo und herzlich willkommen zu Forschergeist, dem Podcast des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft. Mein Name ist Tim Pritlove und ich begrüße alle zur 90. Ausgabe dieser Gesprächsserie. Und ja, heute wollen wir uns mal einem ganz speziellen Sport zuwenden. Nein, keine Angst, natürlich geht es auch hier um Wissenschaft. Aber im Mittelpunkt des heutigen Gesprächs steht das Angeln oder die Angelfischerei, sollte man vielleicht sagen. Und da gibt es sicherlich auch noch einige andere Aspekte und die bespreche ich heute mit Robert Arlinghaus. Schönen guten Tag.
Ja, IGB, da war ich sogar schon mal und habe mit Rita Adrian gesprochen, da ging es aber mehr um den Klimawandel und die Seen. Heute, wie schon angedroht, wollte ich mich ein bisschen mehr auf das Angeln konzentrieren. Und ja, damit müssen wir vielleicht mal anfangen. Ich bin ja bekennende Landratte und diese Angelwelt, muss ich zugeben, ist so ein bisschen so ein Bereich, wenn man da so nichts direkt mit zu tun hat, dann kommt einem das immer so ein bisschen, ist so ein bisschen so ein Buch mit sieben Siegeln. Man denkt sich halt immer so, was ist eigentlich da so der Kick? Die Frage kennen Sie wahrscheinlich schon. Wer will angeln?
Ja, das stimmt natürlich, das ist ein bisschen verborgen für denjenigen, der nicht angelt. Wir haben in Deutschland 3,3 Millionen Personen, die tatsächlich angeln, ganz überwiegend Männer. Nur sieben Prozent Frauen. Und es ist nicht ganz klar, wer sich sozusagen diesem Hobby verschreibt und wer nicht. Es gibt so ein paar Hinweise, dass das sehr viel mit Sozialisierung zu tun hat, also der Vater, der den Sohn und so weiter.
Mitschleppt, genau. Und wir haben sehr stark untersucht, warum es einige halt packt und andere nicht. Bzw. mehr, warum es einige packt. Und da zeigt sich eigentlich, dass die Leute, die zum Angler werden oder Anglerin ganz viele Dinge damit in Verbindung bringen oder erfahren. Also es ist ein sehr reiches Hobby so an Erlebnissen. Also man kennt ja dieses Naturerlebnis, das kann man natürlich auch nicht angelnd machen, aber das Angeln ist eben Vehikel, um Natur und Umwelt zu erfahren, sich einfach zu entspannen, draußen an den Gewässern zu sein und das macht was mit Menschen. Das ist, glaube ich, ein großer Antrieb für viele. Aber natürlich auch das Angeln von Fischen und am Ende auch der Verzehr von Fischen, dieses Selbstverwerten und dieser Selbstverzehr ist ein großes Motiv für viele. Und das Ganze ist eben auch sehr spannend, das glaubt man nicht, wer nicht angelt, aber wer tatsächlich angelt, es ist einfach so ein Hobby, was immer Überraschungen bereit hält, man weiß nie, ob man was fängt an dem Tag, die Fische können einen austricksen und dieser Überraschungsmoment ist auch eine sehr hohe Motivation. Also man meistert da auch so persönliche Herausforderungen. Also kann ich diese eine Forelle überlisten, ja oder nein. Kann ich an diesen neuen Gewässern einen Fisch fangen, ja oder nein. Wie wirkt sich das Wetter und diese Unwägbarkeiten ist bei vielen Anglern eben auch sehr stark treibend.
Gibt es beides. Also es gibt bei den forellenartigen Fischen auch so was wie zum Beispiel den Donaulachs, den Huchen. Da ist zum Beispiel sehr genau bekannt, unter welchem Loch welche Fische stehen. Und man weiß, da ist ein großer Fisch, der einfach nicht mehr anbeißt oder nie angebissen hat. Und dann angelt man ganz gezielt auf einzelne Tiere, aber im Regelfall geht es natürlich über die Art als solches. Und man kennt natürlich nicht die einzelnen Individuen da drin, aber es gibt eben bei einigen Arten, wie bei Huchen oder bei Karpfen Tal auch den Fall, dass man einzelne Fische beangelt.
Totaler Zufall, also das ist ein gutes Beispiel, ich wurde nicht sozialisiert durch Familie, sondern wir haben, meine Mutter ist Spanierin, im Prinzip im Spanienurlaub verbracht, vier Wochen, weil beides Pädagogen, gab es also einen Sommerurlaub. Und wir waren immer in Spanien an der Küste und ich kann gar nicht sagen warum, ich habe einfach das geliebt, diesen Angeln zuzugucken, die da irgendwie auf den Küsten standen und so kleine Fische gefangen haben.
Genau, die da stehen, irgendwie den Wurm wechseln und einen Köter irgendwie ins Wasser halten, aber das hat was meditatives spannendes. Also ich fand das halt faszinierend und habe mir halt irgendwann eine Angel gewünscht und da war ich irgendwie so fünf, sechs Jahre und habe dann in diesen Familienurlauben dann eben jeden Tag geangelt und irgendwie ein Essen zusammengeangelt. Nach vier Wochen gab es dann ein Abendessen, das erfüllte mich mit Stolz. Und dann habe ich auch in meiner Heimat Südoldenburg dann eben angefangen, erst schwarzangelnd, darf man gar nicht sagen, aber das war so. Die bäuerlichen Karpfenteiche da zu plündern in der Gegend. Ja und so entstand halt eine Passion, das war einfach, ja, am Wasser sein, Fisch überlisten, am Ende dann eben auch die Frage, wie kann ich das optimieren? Also da kam dieses wissenschaftliche dann auch. Also kann ich Köder irgendwie so zusammenstellen, dass der Karpfen besonders darauf abfährt? Wo stehen die Fische? Also für mich war das dann nachher auch eben der Grund für wissenschaftliches Interesse. Ich wollte einfach verstehen, was die Fische so machen, um sie besser zu angeln. Also das war so meine Genese.
Genau, am Anfang gab es das mangels Internet nicht so einfach herauszufinden. Also ich war nie so richtig der Biologe, ich habe zwar geangelt, aber ich war jetzt nicht derjenige, der, weiß ich nicht, die Fische auch seziert hat und sich die Schwimmblase angeguckt hat, das war gar nicht so sehr meins, aber ich wollte gerne was mit Fischerei machen, aber es gab aus meiner Sicht gar keinen Studiengang dafür. Das heißt, ich bin dann, das was ich finden konnte bei den Berufsinformationszentren damals, war irgendwie so in Berlin gab es Umwelttechnik und das war so ein Ingenieurstudiengang, da ging es im weitesten Sinne um Wasserreinhaltung auch und das fand ich irgendwie interessant, weil ich damit was für die Gewässer tun wollte. Und habe dann eher zufällig auf einer Studentenparty hier in Berlin mit einem alten Angelfreund, Jens Packmann aus Vechta, den habe ich da getroffen, der sagte, Mensch die Humboldt die bietet da so einen Studiengang Fischerei an. Und ich habe ihn dann irgendwie für bekloppt gehalten, ich so, das kann doch nicht wahr sein, dass sich jemand mit Fischerei auseinandersetzt. Studienordnung angeschaut, tatsächlich es gab also da so einen alten aus der DDR-Zeit sozusagen überdauernden Studiengang für, damals nannte sich das Fischwirtschaft und Gewässerbewirtschaftung bei den Landwirten angesiedelt und das war eben eine Verbindung auch mit dem IGB, wo ich jetzt arbeite. Und ja das habe ich dann also kurzerhand direkt Umwelttechnik wieder geschmissen nach einem Semester und habe gesagt, das ist mein Ding, also Fischerei will ich studieren.
Kann man sagen, ja. Also das ist eine ganz Interessante Historie, das war immer so eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung, nämlich IGB bzw. die Vorgängereinrichtung, zu DDR-Zeiten hieß das Institut für Binnenfischerei. Und die hatten in den 50er Jahren eine Kooperation mit der landwirtschaftlichen Hochschule dort geschlossen und einen Studiengang gegründet, der aber überwiegend von dieser außeruniversitären Einrichtung getragen wurde von der Lehrkapazität. Und das ist nach der Wende so geblieben, bis heute ist es eigentlich so, dass die außeruniversitären Einrichtungen die Professoren über gemeinsame Berufungen und so weiter stellen und die Lehre dann eben gewährleisten. Das ist bis heute so gewesen, und ich bin sozusagen Nachfolger von den älteren Professoren, die mich damals ausgebildet haben.
Ja, der IGB malerisch gelegen da am Müggelsee, ist ja quasi so direkt am Einsatzort. Und hat man gleich gemerkt, so der Ort atmet sozusagen auch seine Profession ordentlich durch. Gut, kommen wir noch mal so zu den Anglern, ist ja schon mal das Stichwort gefallen so, kann man halt auch schwarz machen, sprich es gibt halt auch klare Regularien. So Angeln ist jetzt nichts, was man einfach mal so machen kann oder sollte oder dürfte. Wie ist denn das überhaupt geregelt? Also wer darf angeln, was muss man eigentlich können und an Prüfungen über sich ergehen lassen gegebenenfalls, um da mitzuspielen, welche Gruppen kommen da zum Einsatz?
Ja, das können wir vielleicht mal kurz erläutern, vielleicht noch mal warum wir uns mit dem Angeln beschäftigen. Also wie gesagt, unser Institut ist ja so ein Binnenfischereiinstitut unter anderem mit der Gewässerökologie zusammen. Aber es ist eben so, dass in allen Industrienationen, also wo eben Menschen Geld und Wohlstand erreicht haben, überall auf der ganzen Welt findet man, dass die traditionellen berufliche Nutzung von Seen und Flüssen eher abnimmt und dafür eben mehr und mehr geangelt wird. Also ist das Angeln eigentlich die dominante Fischereiform in Seen und Flüssen in allen Industrienationen.
Ich rede jetzt nur von der Binnenfischerei, genau, und da ist es so wie Sie es gerade gesagt haben. Zum Beispiel für Deutschland zehnmal mehr Fisch wird geangelt als beruflich gefangen. Und wir haben ökonomisch gesehen reden wir da über Milliardenumsätze, während es nur so wenige Millionen in der beruflichen Fischerei sind. Also deswegen ist es auch von der Größe ein bedeutender Sektor und deswegen beschäftigen wir uns wissenschaftlich damit. Wer kann jetzt angeln, das ist in allen Ländern unterschiedlich geregelt. In Deutschland ist es so, dass wir eigentlich private Fischereirechte haben, das heißt, die Seen und Flüsse, die Fischereirechte der Seen und Flüsse gehören dem Gewässereigentümer, der Gewässereigentümerin. Und die kann dann sozusagen per Vertrag einer Person zubilligen, daraus Fische zu fangen. Diese Person kann dann ein Angler sein oder einen Anglerin, die muss aber in Deutschland eine gewisse Ausbildung mitbringen, also vor allen Dingen gelernt haben, mit einem Fisch umzugehen, Fisch vernünftig zu töten und so weiter. Und das macht man mit einer sogenannten Anglerprüfung, die 30 Stunden in der Regel dauert. Mittlerweile kann man den Kurs auch teilweise online machen, aber so der klassische Fall ist, dass man da ein halbes Jahr in den Landgasthöfen sitzt und dann entsprechend ausgebildet wird in Angeltechniken, in Natur- und Umweltrecht, wie tötet man Fische in Fanggerät und so weiter und so fort. Macht dann eine Prüfung und hat dann so eine allgemeine Legitimation, eine Angelkarte zu kaufen. Also das ist ähnlich wie ein Führerschein, man hat also so einen Schein, der einen legitimiert, dann an den Gewässereigentümer ranzutreten und zu sagen, gebt mir doch für ein Jahr zum Beispiel die Genehmigung, bei dir zu angeln. Und diese Gewässereigentümer sind in Deutschland ganz überwiegend Angelvereine oder auch Anglerverbände, wir haben in Deutschland 10.000 an der Zahl, die die Gewässer entweder gekauft haben oder aber gepachtet haben, die Fischereirechte von dem Gewässereigentümer für in der Regeln 12-15 Jahre. Und derjenige, der nun angeln will, muss dann also in der Regel entweder bei diesem Verein/Verband Mitglied werden oder kann da eine Angelkarte kaufen.
Tages-, Wochen- oder auch Jahreskarten. In Ostdeutschland haben wir gerade in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern auch noch eine funktionierende Seen- und Flussfischerei, da ist eben auch so ein Berufsfischereiunternehmen Gewässerpächter und dann kann man eben bei diesem Berufsfischereiunternehmen sich die Angelkarte kaufen. Etwas anders ist das an der Küste, dort ist in der Regel, zum Beispiel in Mecklenburg, das Land derjenige, der das Fischereirecht hat und dann kauft man sich diese Angelkarte beim Land. So und dann gibt es eben so noch ein paar Ausnahmen, also gerade Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, die haben so Touristenfischereischeine ins Leben gerufen, um eben die Eintrittshürden etwas zu reduzieren, weil eine Anglerprüfung zu machen natürlich relativ hoher Aufwand ist und gerade so touristische Bundesländer, die also gerne den Familienvater mit seinem Sohn anziehen wollen zum Angeltrip, die haben dann eben diese zeitlich befristeten Möglichkeiten installiert, dort eben für 28 Tage in Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel, so eine Ausnahmegenehmigung zu haben. Und man braucht dann diesen Touristenfischereischein und dann zusätzlich eben die Angelkarte, von der ich gerade sprach, um dann angeln gehen zu können.
Genau, in dem Fall ist es, das hat tatsächlich auch zu Konflikten geführt, weil die traditionellen Anglerverbände gesagt haben, Mensch da kommen jetzt Leute, die vielleicht nicht so eine Ausbildung erfahren haben, das ist vielleicht nicht so gut. Es wird so geregelt, dass man sich so eine Broschüre durchlesen muss in dem Fall, wo eben die wichtigsten Dinge drin sind. Und in der Mehrzahl der Fälle ist es so, dass natürlich Leute kommen, die irgendwie schon die Technik gelernt haben, von Freunden, von Kollegen, die vielleicht auch eine geführte Angeltour buchen, also mit einem Experten zusammen auf dem Boot sind, so dass ich eigentlich davon ausgehe, dass in den seltensten Fällen wirklich eine ganz naive Person die Angel in die Hand bekommt. Aber es ist natürlich ein Konfliktfeld, weil einige sagen, das ist jetzt auch ungerecht einerseits und andererseits muss man eben sicherstellen, dass alle irgendwie so eine Mindestkenntnis haben, gerade beim Umgang mit dem Fisch und das ist eine Debatte, die in den entsprechenden Bundesländern bis heute läuft. Das ist durchaus kontrovers.
Diese Debatte geht ja sicherlich in beide Richtungen. Also auf der einen Seite gibt es so die erfahrenen Angler in ihrer Welt, die sich dann vielleicht erst mal ein bisschen fürchten, wenn dann so die unerfahrenen ankommen und wie wir hören ist das vielleicht auch nicht unbedingt so ein Problem. Auf der anderen Seite, glaube ich, stehen sicherlich ja auch die Angler unter Feuer. Wir haben ja immer so eine sehr lebendige Diskussion darüber, was denn jetzt der richtige Tierschutz, der richtige Naturschutz ist irgendwie, ja muss man denn jetzt hier irgendwie überall diese Tiere fangen, sollte man die Natur sich nicht selbst überlassen? So ein bisschen ähnlich ist es ja auch in der Jägerwelt. Welche Stakeholder sind da sozusagen in dieser Debatte unterwegs?
Genau, also das ist tatsächlich auf mehreren Ebenen gibt diese verschiedenen Debatten. Also wir haben Konfliktpotenzial, wie Sie schon sagten, innerhalb der Angler. Zwischen Vereinsangler und nicht organisiertem Angler. Zwischen dem Angeltouristen und dem einheimischen Angler. Zwischen Anglern unterschiedlicher Spezialisierungsgraden. Weil man sich gegenseitig vielleicht vorhält, nicht den eigenen Normen zu entsprechen beim Angelverhalten und so weiter. Man hat Konflikte zwischen Anglern und Berufsfischern. In den Fällen vor allen Dingen, wo es noch eine Co-Nutzung gibt und wo nicht der Berufsfischer profitiert von den Anglern. Also Binnengewässer hatte ich gerade gesagt, ist so ein Berufsfischereiunternehmen daran interessiert, auch Einkommen zu generieren über die Angelkarten. Da sind die Konflikte nicht so stark wie an der Küste. Wir arbeiten zum Beispiel gerade vor Rügen, da gibt es enorme Konflikte zwischen der klassischen Küstenfischerei und den Anglern. Also das sind einfach Verteilungskonflikte, aber auch Normenkonflikte. Dann gibt es eine Debatte zwischen Naturschutz und Angelfischerei und das sehen wir auch sehr stark an der Küste, aber auch in Binnengewässern, wo eben sehr viele Naturschutzgebiete das auch beabsichtigen, sagen wir mal, die Fischerei einzugrenzen, wenn nicht gar auszugrenzen. Und es gibt dann den Tierschutzkonflikt, den Sie gerade ansprachen, das ist sozusagen die letzte Ebene. Wo eben nicht die Natur oder der Populationserhalt im Vordergrund steht, sondern das Wohlergehen eines einzelnen Tieres. Nämlich ist es legitim, einem einzelnen Tier Schmerzen, Schäden oder Leiden zuzufügen? Und ist das sozusagen ethisch und moralisch akzeptabel? und diese Debatte ist relativ aufgeheizt, sowohl zwischen Angelfischerei und vielleicht auch Tierrechtsgruppierungen, aber durchaus aus innerhalb der Angelfischerei. Wenn Sie mal in den sozialen Medien sich das anschauen wollen, also da gibt es dann eben viele Konflikte zwischen zum Beispiel einer Person, die einen großen Fisch fängt, abschlägt und damit posiert.
Töten und ihn dann zeigt zum Beispiel, hier ich habe einen großen Hecht gefangen. Da werden Sie enorme Aversionen sehen, Wortmeldungen, die sagen, wie konntest du nur? Wie konntest du so ein Tier töten und setz den doch bitte zurück. Wo hingegen dann gesagt wird, nein nein, wir haben hier einen vernünftigen Grund, essen von Fisch und ich habe einfach nur tierschutzrechtlich alles korrekt gemacht, du kannst mir gar nichts. Also auch innerhalb der Angler gibt es da irgendwie so einen Riss durch die Gemeinde, würde ich sagen, gerade bei der Frage Tierschutz ist es enorm kontrovers.
Das kann man also nach unseren Studien schon so sagen, das hängt so ein bisschen von der Fischart ab, aber im Großen und Ganzen ist es so. Natürlich nur die Entnahmefähigen, also es gibt sehr viele, die man zurücksetzen muss, weil sie zu klein sind zum Beispiel, es gibt so Schonbestimmungen, man muss eine gewisse Länge erreichen bei den meisten Arten. Dass man also mindestens ein- oder zweimal abgelaicht hat, also Eier abgegeben hat, um zum Populationsgehalt beizutragen und danach sind die Fische in der Regel zu entnehmen. Und nach unseren Umfragestudien sind etwa so 90 Prozent der Anglerinnen und Angler, die das eben dann auch tun, und zu etwa 10 Prozent, die die meisten oder vielleicht auch alle Fische dann nicht mehr mitnehmen. Also es gibt tatsächlich eben auch so einen Anteil von Anglern, die dann keinen Fisch mitnehmen. Aber die Mehrzahl nimmt die Fische mit und bei solchen Arten wie Zander oder Forelle oder Aal, Dorsch…
Das ist dann einfach auch sehr lecker und sehr beliebt und so was wird dann auch bei der Mehrzahl der Angler mitgenommen. Nicht bei allen und deswegen gibt es eben auch Konflikte innerhalb der Anglerschaft. Gerade die sehr aktiven Angler, die auch viel fangen, die wenden häufig die Technik der selektiven Entnahme an. Also die sozusagen nur einen Teil der Fische mitnehmen, einen anderen Teil zurücksetzen, im Extremfall auch alles zurücksetzen und sich sozusagen den Fisch aussuchen, den sie mitnehmen. Also da kann man dann nicht von einer Subsistenz mehr reden, sondern es ist wirklich eine Auswahl, eine gezielte Auswahl häufig von mittelgroßen sogenannten Küchenfischen, die dann entnommen werden. Die ganz großen werden dann auch selektiv wieder zurückgesetzt, weil man findet, dass diese Fische eher sozusagen zum Bestandserhalt beitragen und man den nicht essen möchte. Also das gibt es natürlich auch.
Genau, das haben wir sehr intensiv untersucht, das ist also eins in unserem Forschungsbereich der am intensivsten untersuchten Bereiche. Und da kann man schon sagen, wenn der Fisch flach gehakt ist, wie wir sagen, also im Maulbereich gehakt ist und das kann man mit den meisten Angelmethoden im Prinzip gewährleisten.
Dass der nicht tief eindringt in die Kiemen oder in den Schlund, in solchen Fällen muss man den Fisch entnehmen. Aber wenn der Fisch flach gehakt ist, ist die Überlebenswahrscheinlichkeit sehr sehr hoch. Also 95 Prozent und höher zum Beispiel bei den Karpfen, bei Welsen, beim Hecht, das haben wir selbst untersucht. Nahe 100 Prozent Überlebensrate.
Das wird untersucht, wir haben den Fischen Sender implantiert, also es gibt verschiedene Untersuchungsmethoden, man kann zum Beispiel die Fische experimentell angeln und dann einen Teil nicht angeln und einen Teil schon angeln und dann observieren in Teichen oder Tanks, das ist eine Methode. Die Methode, die wir präferieren ist das Aussetzen von Fischen mit Sendern, so dass wir wirklich verfolgen können, ob der Fisch noch lebt und man angelt dann einen Teil davon. Und schaut dann über mehrere Monate, ob die Fische überleben. Und das haben wir zum Beispiel bei Barschen gemacht, bei Hechten, bei Karpfen und Welsen und da ist die Überlebensrate 95 bis häufig 100 Prozent. Aber wenn der Fisch tief gehakt ist, blutet oder bei einigen Arten auch eine sehr große Tiefe kommt, sagen wir mal beim Zander alles unter 10-15 Meter Gewässertiefe, dann sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit, und es gibt eben sehr hohe Sterblichkeiten. Das heißt, es ist wirklich art- und geräteabhängig und der Angler muss dann auch einschätzen können, und das können sie auch, weil sie einfach da ausgebildet sind, unter welchen Bedingungen das einfach auch nicht mehr okay ist, den Fisch zurückzusetzen.
Und einige Arten können das besser, zum Beispiel der Dorsch kann das besser vertragen als zum Beispiel der Zander. Das ist jetzt von der Art abhängig, aber große Tiefe ist ein großes Problem. Das heißt, in solchen Fällen kann man nicht mehr mit gutem Gewissen die Fische zurücksetzen, die sind dann einfach zu entnehmen, weil einfach die Überlebenswahrscheinlichkeit zu gering ist.
Da gibt es eine Forschung zu. Es gibt so eine decompressions devices, also Möglichkeiten, diese Schwimmblase zu dekomprimieren. Im Prinzip die Luft wieder rauszulassen. In den USA gibt es auch solche Methoden, den Fisch sehr schnell wieder auf Tiefe zu bringen mit so einem Gewicht. Alle Studien, die ich kenne, zeigen eigentlich marginale Effekte. Also es gibt kaum messbare Effekte, das heißt, in solchen Fällen mit großer Tiefe jetzt aus meiner wissenschaftlichen Sicht zu sagen, ist der Fisch eigentlich in der Regel einfach zu entnehmen. Das sind alles so ein bisschen Makulatur, da zu versuchen, den Fisch noch wieder zu retten. Also in solchen Fällen muss der Angler einfach den Fisch mitnehmen. Oder wenn er irgendwie zu viele untermaßige Fische fängt, ist der Angelplatz zu wechseln, weil man sonst zu viele Sterblichkeiten produziert.
Jetzt merkt man ja schon so, einfach nur die Angel in den See schmeißen und warten bis der Fisch kommt und dann nimmt man ihn mit und das war es, so einfach ist es jetzt nicht, sondern es ist schon, wenn man dieser Tätigkeit nachgeht ist es durchaus geboten, noch eine ganze Menge Kenntnisse mitzunehmen, die vielleicht jetzt auch nicht unbedingt immer so vorliegen, ich meine, da mag es dann viel, wie sagt man, Anglerlatein geben, jetzt sind Sie ja in dieser wissenschaftlichen Position sozusagen und eben, ich sage mal, mit so einem eher untypischen Studiengang, der ja sehr viel anwendungsorientierter ist als jetzt, was weiß ich, theoretische Physik oder so, um mal gleich das andere Ende des Spektrums zu nennen. Wie schafft man es, diese Brücke zu schlagen in so eine relativ große Szene? Ich meine, 3,3 Millionen Leute werden sich jetzt nicht alle täglich wissenschaftliche Papers zu diesem Thema durchlesen.
Genau, also vielleicht noch einen Schritt zurück, also Sie haben völlig recht, das ist ein komplexes Thema und nicht jeder, der jetzt angelt, steigt da so tief ein, einerseits. Andererseits gibt es ja so Leute wie mich, also die nicht nur angeln, sondern sich auch für das Drumherum interessieren. Und Sie werden überrascht sein, es gibt 10.000 Angelvereine, da gibt es dann auch Leute, die bestellt sind, die Bewirtschaftung zu übernehmen. Also wir haben in Deutschland ja nicht nur Angeln, sondern der Angler bewirtschaftet ja auch die Gewässer. Setzt Fische aus, verbessert die Lebensräume, ändert die Fangbestimmungen selbstmotiviert und selbstorganisiert in 10.000 Angelvereinen. Da gibt es also Leute, die diese Aufgabe übernehmen und entsprechend natürlich auch geschult werden von Verbänden, sich auch selbst schulen und sozusagen auf die Suche gehen nach Informationen, um ihr Praktikerwissen natürlich auch noch ein bisschen zu vertiefen. Und das gleiche findet man eben auch bei sehr vielen normalen Anglern. Also es gibt einige Anglergruppen, Fliegenfischer zum Beispiel, das sind halbe Entomologen. Also die wissen ganz genau, welche Insekten in den Gewässern vorkommen, wann die schlüpfen, die observieren die Natur und Umwelt und ich würde sagen, in vielen Fällen kommt so ein Erfahrungs- und Praktikerwissen ran, dass dem wissenschaftlichen also sehr nahe kommt und das haben wir auch untersucht zum Beispiel. In einer Studie haben wir mal verglichen, wie ist eigentlich das wissenschaftliche Wissen, in unserem Fall ging es da um die Hechte, wie vergleichbar ist das eigentlich mit dem gebündelten Wissen, was so die Angler mitbringen. Und da konnten wir zeigen, dass gerade wenn mehrere Angler sozusagen zusammen darüber nachdenken, wie Ursache-Wirkungs-Beziehungen sind, dann ist das Ergebnis relativ nah dran an dem, wie Wissenschaftler über den gleichen Sachverhalt denken. Also natürlich gibt es da auch fehlerhafte Vorstellungen, aber in vielen Fällen eben durchaus auch sehr interessante Homologien zwischen Praktikerwissen und wissenschaftlichen Wissen. Das nur so als Vorrede. Trotzdem war ich genervt oder frustriert als junger Wissenschaftler, gerade nachdem ich meine Doktorarbeit beendet habe, auch ein paar Jahre danach habe ich versucht, eben über wissenschaftliche Publikationen das neueste sozusagen zu kommunizieren in die Praxis herein. Und das kann man sagen ist im Rahmen einer schnellen Durchdringung der Praxis eigentlich zum Scheitern verurteilt. Weil allein die Sprachbarriere, dass die meisten Publikationen auf Englisch sind, verhindern eigentlich auch schon, dass so was schnell durchschlägt. Das war also das erste Problem. Und das zweite war, viele unserer Studien waren an Forschungsseen. Und da haben wir auch festgestellt, das ist irgendwie so eine abstrakte Ebene, wo viele Menschen sagen, ja das gilt aber nicht bei mir vor Ort, das ist irgendwo da Elfenbeinturm am Brandenburg eingezäunten Forschungssee. Und irgendwie gilt das nicht, bei uns ist das alles anders. So dass dann relativ schnell so nach etwa 10 Jahren im Business, also im Forscherleben, bei mir die Erkenntnis gereift ist, ich muss eigentlich die Forschung zu den Leuten bringen. Also ich muss mit den Anglerinnen und Anglern vor Ort forschen. Gemeinsam Experimente entwickeln und durchsetzen zu Themen, die die Leute interessieren. Zum Beispiel das Einsetzen von Fischen ist so ein großes Thema, das nennt sich Fischbesatz. Das ist eine ganz lange traditionelle fischereiliche Bewirtschaftungsmaßnahme, die flächendeckend in Deutschland von den Angelvereinen durchgesetzt wird. Mit anderen Worten, man hat das Gefühl, in meinem Gewässer kommen keine Fische oder zu wenig Fische vor. Man kauft sich dann Wildfische aus Fängen von Berufsfischerei oder gezüchtete Fische und setzt die aus. Und da wissen wir eigentlich aus der ökologischen Theorie, dass in sehr wenigen Fällen und nur Ausnahmefällen so was wirklich den Bestand steigert. Aber das an die Angler zu kommunizieren war eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Weil immer diese kognitive Barriere kam, ja das, was du da wissenschaftlich am Gewässer X rausgefunden hast, das zählt bei uns nicht. Und die Lösung war dann wirklich zusammen zu forschen. Also Angelvereine zu suchen, Mensch wer hat Gewässer, wer möchte denn für seine Gewässer mal ein Experiment machen, Fische aussetzen, die markiert sind, um mal zu gucken, wie ist denn das bei mir vor Ort unter praktischen Bedingungen? Und diese Forschungsphilosophie, das nennen wir transdisziplinäres Forschen, also Forschen in der Praxis mit der Praxis, ist jetzt eigentlich unser Credo. Wir machen eigentlich nur noch so was, wo wir eben Dinge, die die Leute vor Ort interessiert, wirklich an ihren Gewässern umsetzen. Und das ist für mich die beste Form dann auch von Wissenschaftskommunikation, weil das wirklich zu einem Aha-Erlebnis wird auch bei den Leuten.
Und ihr kennt die Bedingungen vor Ort, ihr könnt da ein Teil davon sein. Ja, das ist eigentlich eine sehr motivierende Geschichte. Das ist so ein bisschen ein anderes Buzzword, was mir gerade kommt, ist so diese Idee des Citizen Science, die aber in gewisser Hinsicht auch noch mal so eher entkoppelt ist und für sich forscht und vielleicht Ergebnisse liefert, die dann später woanders ausgewertet werden. Aber hier ist es ja wirklich eine totale Kooperation. Wie muss man denn das jetzt einschätzen, wie die das… ich weiß gar nicht, wie ich diesen ganzen Bereich nennen soll. So das Beangeln unserer Binnengewässer, ist das eher ein hilfreicher Beitrag zur Stabilisierung einer Kulturlandschaft, die ja letzten Endes auch die Gewässer sind, auch wenn das vielleicht jetzt nicht so ausgeprägt ist wie auf dem Land. Also ist das eher so ein notwendiges Regulativ oder ist es eigentlich ein zwar irgendwie natürlicher Vorgang, der aber eher zum Problem werden kann für die Natur und damit ja auch für den Rest der Ökosysteme. Wie ist das einzuschätzen?
Beides. Also es ist, glaube ich, zunächst mal zu konstatieren, dass der Haupteinflussfaktor auf die biologische Vielfalt an den Gewässern, auf die Fischgemeinschaften, auf die Biodiversität, wie wir heute sagen, nicht in der Fischerei und nicht in der Angelfischerei in den Binnengewässern zu suchen ist. Das ist etwas anders als bei den marinen Situationen, wo Überfischung stärker als Ursache für Probleme bei den Fischen gilt. Bei den Binnengewässern ist das etwas anders, wir haben also hier die Situation, dass fast alle Seen und Flüsse massiv von unserem Lebensstil, nicht von der Fischerei, sondern von der Art und Weise wie wir als Gesellschaft leben, beeinflusst worden sind. Alle Flüsse, die wir kennen in Deutschland, sind begradigt. Wir haben überall Querverbauung, wir haben überall künstliche Uferschüttung. Wenn Sie hier durch Berlin gehen, ist das sogar häufig noch mit Stahlspundwänden eingemauert. Alle Gewässer liegen in der Landschaft und sammeln Schadstoffe ein, die aus der Landwirtschaft ausgewaschen werden. Also wenn man wirklich mal schaut, welche massiven Veränderungen für die Fischabundanz, für die Häufigkeit von Fischen, aber auch für die Fische an Vielfalt von nichtfischereilichen Faktoren ausgehen, dann ist das alles was wir in der Fischerei versuchen zu regeln Makulatur. Das ist einfach „Pipifax“. Also die Hauptprobleme liegen woanders. Das heißt nicht, dass Angelfischerei und Fischerei ohne Wirkung ist auf Ökosysteme. Natürlich ist eine Überfischung denkbar. Überfischung wird in der Regel dadurch indiziert oder angezeigt, dass die Menge an Fisch einer Art zurückgeht und vor allem die Größenverteilung dieser Fischart zurückgehen. Wir haben häufig auch Effekte, die zusammenwirken. Zum Beispiel der Verbau der Gewässer, die Veränderung durch Wanderbarkeit zusammen mit Befischungsdruck. Das war beim Stör zum Beispiel einer der Gründe, weswegen diese Art ausgestorben ist. Also natürlich kann auch zu starke Fischerei die Gewässer verändern oder über Bewirtschaftungsmaßnahmen falsche Entscheidungen gefällt werden. Zum Beispiel können nichtheimische Arten durch schlecht sortierten Fischbesatz in Gewässer kommen. Und da muss natürlich Fischereimanagement ansetzen und sagen, wie gestalte ich das Fischereimanagement, das diese negativen Wirkungen verhindert und nicht umgesetzt werden. Und da gibt es ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten und da setzt auch unsere Forschung an. Auf der anderen Seite ist eben Fischerei und die Präsenz von Anglern auch ein Vehikel dafür, dass überhaupt so ein gesellschaftliches Gedächtnis noch da ist für die Dinge da unter Wasser. Denn im Unterschied zu den Landlebewesen, den Vögeln, die jeder sieht, jeder Mensch in der Gesellschaft hat da irgendwie ein Fabel für, die meisten zumindest.
Man sieht die nicht und die sehen irgendwie so anders aus und sind irgendwie so kaltblütig, sind nicht so wechselwarm und die sind so ein bisschen im Verborgenen und das haben wir auch durch eine ganze Reihe von Umfragestudien gezeigt, also wir konnten über zufällige Bevölkerungsbefragung tatsächlich nachweisen, dass kein Mensch irgendwie unsere Arten mehr kennt zum Beispiel die Fischarten. Keiner weiß was eine Barbe und eine Esche ist. Oder solche Arten, die künstlich aus Nordamerika eingeführt worden sind Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Regenbogenforelle wird als heimische Art wahrgenommen, die kennt jeder aus dem Supermarkt, das ist doch irgendwie was heimisches.
Oder wo hingegen der atlantische Lachs irgendwie, da denken die Leute, das ist irgendwie Norwegen, das gibt es bei uns gar nicht. Also das ist eine heimische Fischart, die ist leider ausgestorben, weil wir unsere Gewässer verändert haben. Und da kommt jetzt der Angler ins Spiel und die Angelgemeinschaft für Fischerei, dass eben mehrere Millionen Leute da irgendwie erstens ihre Nutzen daraus ziehen und dann natürlich auch ein Interesse haben, diese Bestände wieder aufzubauen, Fischartenschutz zu betreiben und das machen dann die Angelvereine mit ihren Mitteln, sind ja häufig nicht in der Lage, Gewässer umzubauen, aber sie tun mindestens einen Lobbyismus der da ist in der Sache Fisch zu wirken. Und da, finde ich, ist die gesellschaftliche Bedeutung für die Leute außerhalb der Fischerei, wo man sagt, da kümmert sich jemand um Umwelt, nämlich in dem Fall die Wasserumwelt, die sonst ja einfach aus dem Gedächtnis verschwindet und einfach so nicht richtig präsent ist.
So wie Jägern, glaube ich, auch oft so ein bisschen unterstellt wird, so ein bisschen Feind des Tieres zu sein, ist es ja eigentlich genau andersherum. Die Jäger setzen sich sehr viel intensiver mit der Tierwelt auseinander und haben vor allem auch so eine unmittelbare Beziehung zu diesen Tieren. Allein schon weil man ja auch dem Tod und damit sozusagen auch dem Leben des Tieres sehr viel näher kommt, als wenn man jetzt irgendwie seinen ganzen Nahrungsmittel, im besten Fall noch in prozessierten Nahrungsmitteln, konsumiert und überhaupt gar keinen Bezug mehr dazu hat, wo es eigentlich herkommt. Und ähnlich ist es ja beim Angeln dann auch. Man hat einfach unmittelbaren Kontakt zu den Fischen, ja okay gut, dann gibt es halt die Entscheidung, du gehst jetzt wieder zurück oder in den Kochtopf, gar keine Frage. Aber man hat ja dann eine Vorstellung davon, was ist das überhaupt, wie groß ist das überhaupt? Man kann sich ja manchmal auch einfach die schiere Größe dieser Fische gar nicht so richtig vorstellen. Ich denke, wenn man in Deutschland die Leute mal nach dem typischen Durchschnittsgewicht von verschiedenen Fischarten fragen würde, ging es wahrscheinlich komplett in alle Richtungen falsch hin und her so.
Genau, und die kann man auf verschiedenen Ebenen haben. Die kann man auf der Ebene der Naturerfahrung haben bis hin zu der Kompetenzentwicklung oder der Einschätzbarkeit auch von ökologischen Prozessen. Und ich finde, so Jäger und Angeln, die haben diese ganze Kette, diese ganze Nahrungskette wird durchgezogen. Man hat die eigene Erfahrungsumwelt, man erlebt, wie Natur und Umwelt sich ändert. Was auch passiert, wenn die kleine Wasserkraft da zu einem Gewässerumbau führt. Dann erlebt eine Person, die jetzt irgendwie 10-20 Jahre so ein Gewässer befischt, Veränderung. Man erlebt …
Austrocknungseffekte jetzt durch Klimawandel, das merken die Leute vor Ort, diese Seespiegel sinken und so. Also man hat diese gesamten komplexen Erfahrungen da. Andererseits merkt man auch, was kann ich tun? Man entwickelt Kompetenzen oder zumindest Verständnis dafür. Mensch, wir müssen hier vielleicht einen Laichplatz anlegen oder die Durchwanderbarkeit schaffen. Das ist etwas, was keine andere Gesellschaftsgruppe so richtig erfährt. Und drittens, diese Erdung, was Sie gerade sagten mit dem Töten und dem Erfahren des selbsterlegten Tieres, das kann man jetzt grausam finden und einige finden das grausam. Die grundsätzlich die Nutzung von Tieren ablehnen, die werden alle meine Argumente nicht überzeugen. Das verstehe ich, aber derjenige, der sich Fleischkonsum, in welcher Form auch immer, sozusagen zuwendet, für den gibt es ja nichts erdenderes und auch ehrfürchtigeres als sich das eigene Tier zu besorgen. Also und dann auch zu sehen, wie geht es dem Fisch, wie kann ich auch Leiden ganz kurz halten und das ist aus meiner Sicht in der Angelkultur sehr stark verankert. Also gerade in Deutschland, das ist nicht international unbedingt immer der Fall. Aber die Deutschen haben durch diese Anglerprüfung und durch das Thema Tierschutz eigentlich bei der Mehrzahl der Leute diese starke Verankerung, den Fisch sofort zu töten, schnell zu töten und nicht irgendwie in einer Tüte rumzappeln zu lassen. Das sieht man nur in Ausnahmefällen. Das ist in den USA völlig anders. Und das gehört irgendwie zu so einem Thema Nachhaltigkeit mit dazu. Also aus meiner Sicht gibt es nichts nachhaltigeres als selbst erlegten oder selbst gefangenen Fisch oder selbst erlegtes Wildbret. Also das hat auch eine edukative Komponente.
Wie kann man denn das jetzt noch weiter nutzen? Weil im Prinzip hat man ja jetzt so 3,3 Millionen kostenlose Umweltsensoren in der Landschaft herumstehen. Und klar, wir hatten das jetzt schon angesprochen, dass man halt so gemeinsame Experimente macht, das ist natürlich auch eine sehr aktive Rolle, die jetzt wahrscheinlich auch abgesehen vom IGB jetzt an so vielen Orten auch nicht gemacht wird, das heißt, das erreicht ja jetzt auch nicht alle Anglervereine. Also mit denen man es macht, mag man gute Ergebnisse haben, bleiben aber wahrscheinlich noch 95 Prozent über oder mehr. Gibt es einen Ansatz, wie man generell den Angelbetrieb an der Stelle wissenschaftlicher machen kann oder mehr Anbindung schaffen kann? Vielleicht gibt es in der Hinsicht eine automatische Anbindung, dass das sozusagen noch weiter Früchte trägt.
Ja, also erstens, genau diese fehlende Breitenwirkung war auch ein Grund, weswegen wir vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert auch so Anschlussprojekte hatten, wo es nur darum ging, Wissenschaftskommunikation zu machen. Also wir haben so eine Roadshow gemacht zum Beispiel in ganz Deutschland. Oder so einen Dokumentarfilm gemacht. Also diese Erkenntnisse, die wir dort in dem Fall zu Fischbesatz in Niedersachsen realisiert haben, in die Breite zu bringen. Und auch das erreicht jetzt nicht alle, aber diese Initiativen, die wir gemacht haben, haben schon eine Breitenwirkung gehabt. Also das ist, glaube ich, schon in viele Vereine mit eingedrungen, das ist eine Möglichkeit. Also dass der Wissenschaftler, die Wissenschaftlerin Wissenschaftskommunikation mit eindeckt in seine Projekte und nicht nur ein Paper schreibt, einen Aufsatz schreibt, sondern eben auch sagt, wie kann ich das vermitteln. Die zweite Ebene ist für Multiplikatoren zu sorgen. Also mit anderen Worten, Leute, Studenten, Studierende auszubilden, Doktorierende, die dann in die Verbände gehen, das heißt, in jedem Bundesland gibt es nicht nur Angelvereine, sondern darüber gelagert Verbände, die also diese Angelvereine organisieren, dass also dort Kompetenzen geschaffen werden, die diese Vermittlungsrolle dann leisten können. Und die ihrerseits dann zum Beispiel gemeinsame Experimente machen können oder auch Wissenschaft übersetzen können in Handlungsleitfäden in der Bewirtschaftung. Und das findet tatsächlich auch statt. Also wir ganz konkret arbeiten intensiv mit dem Anglerverband Niedersachsen zusammen, aber auch mit anderen, mit dem Verband aber seit vielen Jahren und dort sehen wir, dass zum Teil promovierte Fischereibiologen, teilweise auch Leute mit einem Master, diese Rolle übernehmen und dann beratend wirken in der Fläche. Und wir haben zum Beispiel ein Projekt dort laufen, wo wir Alternativen zum Fischbesatz machen, nämlich das Aufwerten von Uferlebensräumen. Das heißt, in dem Fall sind diese künstlich geschaffenen Seen, Baggerseen, die relativ steilscharige Ufer haben, das ist schlecht für Fische, dort haben die Angelvereine gesagt, wir bringen dort Totholz ein. Also im Prinzip Baumkronen oder andere Strukturelemente, die zum Lebensraum werden für Fische. Die können sich da verstecken, wo sich wirbellose Tiere ansiedeln können und so weiter. Als Alternative zum Einsetzen von Fischbesatz. Und das Projekt haben wir gestartet, also über den Anglerverband Niedersachsen als Praxispartner, flankiert mit einer Öffentlichkeitsarbeit und innerhalb eines Jahres gab es da 20, 30,40 Vereine über ganz Deutschland, die gesagt haben, wir machen mit, wir ahmen nach. Die waren gar nicht Teil des Projektes, sondern haben das irgendwo mitgekriegt und haben gesagt, das machen wir auch. Und das können Sie sich gar nicht vorstellen, wie schnell gerade diese lokalen Gemeinschaften, die haben Zugänge zu schwerem Arbeitsgerät, da kennt sich jeder in den ländlichen Gebieten.
Kurze Entscheidungswege, da wird im Nu so was aufgesetzt. Und da bin ich also hochgradig begeistert, wie sozusagen ein kleiner Impuls dann eben auf diesen Handlungs- und Gestaltungswillen trifft, der da vor Ort da ist und dann eine Umsetzung stattfindet. Also ich glaube, für die Zukunft ist diese Vermittlung über die Verbände, die dann sozusagen diese Projekte mit anleiten oder Impulsgeber sind, eine starke Möglichkeit, Innovationen aus der Wissenschaft dann eben auch relativ schnell in die Praxis zu bringen.
Da geht es ja auch über Fischerei hinaus, ich meine, wir sprechen ja jetzt im Prinzip schon von Gewässerökologie und entsprechenden Maßnahmen, wenn man dann auf einmal solche Flachwasserzonen schafft, wo sie vielleicht vorher so nicht da waren, das hat ja dann nicht nur auf die Fische eine Auswirkung oder?
Ganz genau, genau das war der Ansatz und das ist ja auch das, was eigentlich das Interessante an Angelfischerei, oder einer der Punkte der Angelfischerei ist. Man denkt immer, das ist irgendwie die Interaktion zwischen einem einzelnen Angler und einem Fisch. Aber eigentlich ist es eine Mensch-Umwelt-Interaktion, eine Mensch-Umwelt-Wechselwirkung und obwohl das Fischereirecht eigentlich nur das Recht gibt Fische zu fangen und als Angelverein oder Pächter sie zu bewirtschaften, sind Fische ein Produkt ökologischer Prozesse. Man hat nur widerstandsfähige Fischbestände, wenn die Umwelt intakt ist. Und dann kann ich auch relativ stark fischen bzw. über Fangbestimmungen den Fischereidruck regeln, was eh flächendeckend gemacht wird und habe eigentlich gar keine Überfischungsproblematik mehr, sondern habe dann sich selbst erhaltende Ressourcen, die dann auch genutzt werden. Und hier verstehen sich Angelvereine als Naturschutzverbände. Viele der Verbände, der Angelverbände, sind auch gesetzlich anerkannte Naturschutzverbände, aber im Grunde machen sie Natur- und Artenschutz natürlich am Ende auch mit dem Ziel, ihre Fische, die sie fangen wollen, zu steigern. Aber es gibt eben diese Nebeneffekte, die über die Fische weit hinausgehen. Und dieses Beispiel, was ich gerade brachte, das Verbessern der Lebensräume, ist genau so ein Ding. Selbst wenn man das fischereilich motiviert macht, hat es eben diese Nebeneffekte auf andere Organismengruppen und das ist das, was das Angeln dann eben auch für die Gesellschaft dann liefert über die Fische hinaus. Und deswegen hat das eben eine größere Wirkung.
Größere Wirkung, und vor allem auch so ein Instrument der Gesellschaft, die doch relativ starken Auswirkungen auf die Gesamtökologie, zumindest in Teilbereichen dann auch gezielt gegenzusteuern, einfach um auch die Fehlentwicklungen, die wir definitiv in den letzten paar hundert Jahren gehabt haben, in irgendeiner Form auch wieder zurückzufahren.
Ganz genau, und vielleicht zurückkommend auf eins der Themen, die wir vor ein paar Minuten hatten, leider Gottes sind die Fische eben Produkt der Umwelt und wenn die Umwelt zerstört wurde, Kanalisierung von Flüssen als Stichwort, dann kommen da eben weniger Arten vor und dann sind die Arten nicht mehr so dominant und so weiter. Natürlich ist die Hoffnung, dass das Angeln dann teilweise lokal helfen kann und teilweise kann es das auch durch Schaffung von Lebensräumen und so weiter. Viel wichtiger wird die Wirkung aber dann über Lobbyismus, über politische Einflussnahme, zu sagen, zum Beispiel den Finger in die Wunde zu legen, ob die kleine Wasserkraft, die vielleicht einen Klimaschutzbeitrag hat, aber auf der anderen Seite die Gewässer massiv und unwiderruflich zerstört, ob das vielleicht wirklich die Zukunft irgendwie der Klimaschutzdebatte ist. Also da wirkt das Angeln eben auch als „Lobbyist“ im Sinne des Biodiversitätserhalts und der Biodiversitätsförderung. Und dann gibt es natürlich die kleinen aber feinen Maßnahmen, wie Sie gerade sagten, Lebensraumschaffung in abgeschlossenen Baggerseen, das ist natürlich unbenommen, das kann jeder Angelverein leisten und damit eben seinen Beitrag auch zur Bekämpfung dieser Biodiversitätskrise leisten. Wir haben in einer Studie jetzt auch festgestellt, zum Beispiel gerade an diesen künstlich geschaffenen Baggerseen, dass diese Gewässer die anglerisch bewirtschaftet waren, wir haben sie verglichen mit Bewässern, die unbewirtschaftet in der Landschaft liegen geblieben sind, dass diese bewirtschafteten Seen sehr artenreich waren, bei den Fischen, und zwar von heimischen Fischarten, sieben bis elf Fischarten beherbergten, die in der Fischgemeinschaftszusammensetzung den von Naturseen entsprachen, also im Prinzip waren das neue Naturseen, wenn man so will, während die unbewirtschafteten Seen nur drei bis fünf Fischarten beherbergten, häufig einzelne Arten dominierten und völlig unnatürliche Fischgemeinschaftszusammensetzungen da waren. Und das ist eben eine direkte Konsequenz von anglerischer Bewirtschaftung. Und es ist eben nicht so in den Fällen, dass jetzt irgendwie künstliche Tischgemeinschaften dort entstanden sind mit nicht heimischen Fischarten, sondern ganz im Gegenteil, die Angler haben einfach als Beschleuniger der Evolution des Initiierens einer Fischgemeinschaft in neu geschaffenen Baggerseen oder Gewässertypen beigetragen. Und das ist eben ein positiver Beitrag zum Arten- und Naturschutz.
Das sind ja jetzt alles so Prozesse, die so eine eigene Dynamik entwickeln, aber quasi freiwillige Beiträge sind im Rahmen des Erlaubten. Ich könnte mir jetzt auch vorstellen, dass jetzt der Zustand, den wir jetzt quasi versuchen ein bisschen gegenzusteuern, ja auch durch Gesetzgebung letzten Endes so gekommen ist und man eigentlich aus diesen Erkenntnissen ja dann auch neue politische Maßnahmen, und damit auch neue Regelungen eigentlich ableiten müsste. Inwiefern fließen denn jetzt diese Erfahrungen, die jetzt zunächst einmal zwischen, ich sage mal, den Naturschützern, der Angelgemeinde, ja, oder vielleicht ist das nicht der richtige Begriff, so Naturverwalter in gewisser Hinsicht, ist das vielleicht wirklich dieses steward’sche, dass man so ein bisschen Hausmeister für die Gewässer wird, und der Wissenschaft, das ist ja eine schöne Kooperation, wie verhält sich diese neugeschaffene Gruppe dann quasi gegenüber der Politik? Hat das dann da Auswirkungen?
Das können wir belegen. Also wir haben ja zwei Ebenen, einerseits Natur- und Wassergesetze und andererseits Fischereigesetze. Das unmittelbarere die Fischereigesetze, das ist eine Landeshoheit bei der Binnenfischerei. Und da kann man zeigen, im Prinzip sind das Rahmengesetze, die regeln sozusagen die Mindeststandards, die ein nachhaltiges Fischereimanagement kennzeichnen. Zum Beispiel steht da für die meisten Arten Mindestgrößen, sogenannte Mindestmaße drin. Die sind so hoch gesetzt, dass alle Fische dieser stark befischten Arten mindestens ein- oder zweimal ablaichen können. Und damit ist schon Bestandszusammenbruch ausgeschlossen. Also das Fischereigesetz regelt diese Mindestgeschichten und dann können die lokalen Vereine, die Gewässerpächter diese Regeln verschärfen, das gilt zumindest in fast allen Bundesländern.
Richtig, zum Beispiel so ein Hecht 45-50 Zentimeter, wenn der Fisch drunter ist, muss er zurückgesetzt werden, wenn er drüber ist, kann er entnommen werden. Und die Einhaltung dieser Regel wird in den Angelvereinen in der Regel sehr stark kontrolliert und so weiter, und sichert schon mal einen Bestandserhalt. Aber das heißt nicht zwangsläufig, dass das die optimale Fischschonbestimmung ist. Weil jedes Gewässer ja auch ein Eigenleben hat, unterschiedliche Produktivitäten hat, unterschiedliche Arten vielleicht auch vorkommen, unterschiedlich stark befischt wird. Und unsere Forschung zum Beispiel hat gezeigt, dass auch der Erhalt der großen Fische, also zum Beispiel Hechte 90 Zentimeter und mehr oder ein Meter Hecht und größer, dass diese großen Fische wichtig sind in Situationen, wo ein Bestand sehr stark befischt wird, wo diese Art also sehr intensiv auch nachgestellt wird. Und dann ist zum Beispiel eine alternative Herangehensweise zu sagen, man macht eine Kombination aus Mindestanlandegröße und einer Maximalgröße und man setzt die Fische dann oberhalb, die ganz großen Tiere, zurück, aber auch die Jungfische. Das nennt sich Küchenfenster oder Entnahmefenster. Ist wie gesagt nicht für alle Gewässer geeignet, aber für einige schon. Und da sieht man zum Beispiel in Niedersachsen, dass durch unsere Forschung, durch die Kooperationen mit den Angelvereinen, jetzt sehen wir mittlerweile schon fast 16 Prozent nach einer aktuellen Umfrage der Vereine, die diese Alternative umsetzen. Und in Hamburg zum Beispiel ist das gesamte Fischereigesetz umgeschrieben worden, auch wegen unserer Forschung, das ist jetzt eine Spezialsituation, weil dort vor allen Dingen die Elbe, also ein System, im Fokus steht und der Zander da im Fokus steht, der wird also relativ scharf befischt. Und da hat die Fischereibehörde dann nach reiflicher Überlegung auch Rückmeldung aus der Wissenschaft entschieden, dass sie komplett die Mindestmaße abschafft und die Entnahmefenster einsetzt und das war im Gesetz oder ist jetzt im Gesetz reingeschrieben worden. Und so sehen wir peu a peu, dass sowohl auf den lokalen Gesetzen, das sind diese Gewässerordnungen, die sich die Fischereipächter selbst auferlegen, als auch auf der gesetzlichen Ebene des Bundeslandes sukzessive diese Erkenntnisse auch umgesetzt werden. Und ja, das ist natürlich angenehm, wenn die Wissenschaft halt auch diesen Input liefert, aber ja ist denke ich auch angeraten, weil in manchen Fällen eben tatsächlich diese Innovationen besser sind als das, was wir bisher haben.
Ja, aber weil wir ja jetzt auch schon diesen Aspekt der Pflege der Gewässerökologie hier auch mit angesprochen haben. Und wenn es auf der einen Seite eben die konkreten Fischereigesetze betrifft, die halt jetzt konkret eben das Befischen regeln, gibt es ja dann auch sicherlich Gesetzgebung im Bereich Naturschutz, die vielleicht aus den neuen Erkenntnissen heraus mehr oder weniger Sinn ergeben und gegebenenfalls noch Überarbeitung bedürfen. Und das ist ja wahrscheinlich auch eher auf Bundesebene angelegt oder?
Ja, gibt beides, es gibt die Bundesebene, es gibt Landesnaturschutzgesetze, und dann gibt es auch wieder die Verordnungen in Naturschutzgebieten. Das ist ein etwas schwieriges Thema, weil wir hier häufig leider Gottes auch zum Leidwesen von uns sehr starke ideologische Grabenkämpfe haben. Also sehr häufig finden wir in der Naturschutzdebatte so einen Konflikt zwischen Naturnutzung und Naturschutz durch Ausklammern von Nutzung. Und das ist aus meiner Sicht eine sehr unproduktive Dichotomie. So häufig wird versucht, von zumindest ausgewählten Naturschutzvertretern zu sagen, wir installieren neue Naturschutzgebiete oder FFH-Gebiete, Fauna, Flora, Habitat Richtlinie, das ist EU-Gesetzgebung und klammern die Fischerei aus. Weil wir erst mal davon ausgehen per se, dass sie stört, also sie stört die Fische, aber auch durch die Aktivitäten am Ufer, Trampelschäden, Störungen von Vögeln und ähnliche Dinge. Und das untersuchen wir gerade im Detail, wie diese Entscheidungsprozesse laufen, aber so erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass sehr viel eben ideologisch geprägt ist. Und wir haben genau deswegen gerade so eine Metastudie gemacht, um einfach mal zu analysieren, wie stark sind denn jetzt eigentlich diese Störeffekte? Weil wir sehr häufig die Situation haben, dass in den Naturschutzverordnungen, was ja im Prinzip Gesetzesakte sind, dass Angeln und die Fischerei selektiv ausgeklammert werden, während andere Naturnutzungen, Spazieren gehen mit und ohne Hund, im Sommer ins Wasser steigen und schwimmen nicht verboten werden und häufig deswegen nicht verboten werden können, weil es eben ein Fischereirecht gibt, aber es gibt kein äquivalentes Nutzungsrecht, sagen wir mal.
Und da zeigt sich jetzt eigentlich, wir haben gerade publiziert die Studie, dass die relativen Störwirkungen dieser einzelnen Naturfreizeitaktivitäten sich gar nicht so stark unterscheiden. Und gerade beim Angeln diese Störwirkungen häufig nicht pauschal gelten, sondern es ist sehr stark von den lokalen Bedingungen und so weiter abhängig. Also man braucht eigentlich wirklich eine Einzelfallbetrachtung, um zu sagen, in welchen Gebieten macht das Sinn einzuschränken und in welchen nicht. Und das ist jetzt noch zu frisch, dass das irgendwie durchgeschlagen ist. Ist hoffe einfach, dass diese Forschung, die wir gerade zu dem Thema machen, eben zu einer differenzierteren Betrachtungsweise beiträgt und dass man dann eben wirklich Gebiete identifiziert, wo man versucht, wirklich Wildnis Wildnis sein zu lassen, wo alle Formen von Naturfreizeit vielleicht eingeschränkt werden und andere, wo eben eine Koexistenz vollzogen wird. Denn wir konnten zum Beispiel wiederum an Baggerseen nachweisen, dass die Artenvielfalt von Amphibien, von Libellen, von Wasserpflanzen, von Uferpflanzen, von Singvögeln sich überhaupt nicht unterschied zwischen anglerisch bewirtschafteten und unbewirtschafteten Seen. Also es gab da auf der Ebene der Artenvielfalt überhaupt keine Störwirkung, aber es wird häufig unterstellt bei den entsprechenden Entscheidungen und das ist eigentlich unproduktiv, weil man verliert so ein bisschen durch diese Konflikte eben die Unterstützung, auch der Angler und anderer Naturnutzer für Naturschutzfragen. Weil man immer die Angst hat, dass man rausgedrängt wird aus bestimmten Gebieten. Das ist natürlich für einen Angler sehr bedrohlich, wenn man gar nicht mehr ans Wasser rankommt. Auf der Ebene der Gewässerökologie, die Sie ansprachen, also gibt es eigentlich die Wasserrahmenrichtlinie. Eigentlich gibt es ein sehr gutes europäisches Regelwerk mittlerweile, was auch in die deutschen Wasserhaushaltsgesetze und Naturschutzgesetze übertragen worden ist, was eigentlich fordert, dass alle deutschen Seen und alle deutschen Flüsse in einen guten ökologischen Zustand überführt werden müssen. Das ist also gesetzlich eigentlich schon formuliert, da braucht es diesen Input jetzt der Angelfischerei gar nicht mehr zwangsläufig. Aber wir haben ein Umsetzungsproblem. Also wir haben, trotzdem dieses Gesetzeswerk seit vielen Jahren schon vorliegt, eigentlich Zielverfehlungen, ich habe jetzt die Zahl nicht im Kopf, aber die Mehrzahl der deutschen Gewässer verfehlt diesen guten ökologischen Zustand. Und von daher ist das eigentlich eine über die Angelfischerei hinausgehende Debatte, die wir da haben, nämlich der Frage, wie kriegen wir eigentlich die Gewässer wieder in einen guten ökologischen Zustand. Und ja, da haben wir es einfach mit Zielkonflikten in der Gesellschaft zu tun, die eben diesen an sich schon vorherrschenden guten Gesetzesgrundlagen entgegenstehen. Beispiel Oderausbau. Wir haben gerade riesige Pläne, die Oder wieder auszubauen, wo man sagt, das zerstört dieses Ökosystem.
Und ist denn der Gesamtzustand in Deutschland zumindest in den Binnengewässern okay? Also wie sieht es denn so aus derzeit? Also bessert sich die Situation, bleibt es stabil, ist es gefährdet, wird es schlechter? Wie muss man das einschätzen wohin die Reise geht? Mal jetzt noch unabhängig von den Klimawandelauswirkungen, die natürlich auch noch kommen.
Genau, das ist sehr stark durch verbesserte Reinigungsleistungen verbessert worden. Die chemische Wasserqualität, einige Schadstoffe mal ausgenommen, ist eigentlich flächendeckend ganz gut. Aber man muss doch mit Klimawandel zusammen denken, weil Klimawandel natürlich auch die Gewässerphysik ändert und damit eben auch in bestimmten Fällen auch wieder zu Algenblüten beitragen kann. Also die Debatte gibt es schon noch, da gibt es einen Zusammenhang mit der Temperaturstory. Aber was für die meisten Gewässer, gerade die Fließgewässer immer noch wirklich schwierig bis ganz schlecht ist, ist die sogenannte hydromorphologische Gewässerqualität, also die Struktur der Gewässer. Das hat was eben mit Verbau der Ufer zu tun, mit fehlenden Überflutungsflächen in den Auen, mit Eindeichung, mit Begradigungen, also mit wirklich fundamentalen Veränderungen der Gewässerökologie. Und da sind wir also bei den Fischtreppen vorangekommen, da gibt es schon flächendeckend Initiativen und auch Umsetzungen, aber das reicht natürlich bei weitem nicht aus, um zum Beispiel den Lachs, der also früher hier mal heimisch war und auch sich vermehrt hat, um den wiederzubringen. Also das ist undenkbar unter den gegenwärtigen Bedingungen. Von daher ist eigentlich unter Wasser die Biodiversitätskrise schon massiv, muss man sagen. Das betrifft nicht nur die Fische, sondern auch die ganzen Invertebraten, also da ist hoher Handlungsbedarf.
Mit anderen Worten, da ist auch noch ein hoher Kommunikationsbedarf. Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Stifterverband haben Sie ja mit dem Kommunikatorpreis im letzten Jahr schon ausgestattet für diese Aktivität, auch für diesen Ansatz der integrativen… Ich versuche gerade, einen neuen Begriff zu bilden. Also integrativ nicht das Fischereimanagement, sondern eben einfach diese Zusammenarbeit mit den Angelverbänden. Einfach auch Wissenschaft, würde ich mal salopp sagen, ein bisschen auf eine nicht traditionelle Art und Weise zu leben. Die vielleicht in gewisser Hinsicht jetzt sicherlich nicht auf alle Bereiche so zu erweitern, aber glaube ich vielleicht grundsätzlich auch mal eine Idee wäre als Modell für viele wissenschaftliche Bereiche, einfach mehr in den, ja, Laienbereich oder sagen wir mal, in den Teil der Gesellschaft reingehen, die in irgendeiner Form mittelbar mit den eigenen Themen auch was zu tun haben. Um dort mehr Kooperationen zu haben, und damit eben auch für eine andere Akzeptanz zu sorgen. Was, glaube ich, gerade in unserer problematischen Gesamtdebatte der Pandemie, die ja auch so ein bisschen so eine Krise der Wissenschaft, also auf der einen Seite riesige Erfolge der Wissenschaft gefeiert hat, aber auf der anderen Seite auch gezeigt hat, wie schwierig das manchmal ist, diese Brücke zu schlagen, für Erkenntnisse auch eine gesellschaftliche Akzeptanz zu finden. Und da könnte ich mir durchaus vorstellen, dass diesen Dialog zu suchen und eben auch versuchen, vielleicht auch das experimentelle wissenschaftliche Leben mehr auf so eine gesellschaftliche Breite zu stellen, dass das durchaus auch eine Perspektive sein kann.
Unbedingt, ja, also sehe ich genauso. Das hat Nutzen und Kosten, aber die Nutzen liegen auf der Hand, Sie hatten das eigentlich ganz gut zusammenfasst. Und ich denke schon, dass es im Bereich der landwirtschaftlichen Forschung, vielleicht auch in anderen Umweltbereichen, wo es mit Raumplanung oder so was zu tun hat, dass es da ähnliche Möglichkeiten gibt. Und es gibt durchaus einige Gruppen, die so was, man nennt das auch Reallabore, diese Art von Forschung, eben jetzt stärker machen. Die Vorteile liegen auf der Hand, die Nachteile muss man allerdings auch ansprechen. Nachteile gibt es dann, wenn… Also man kann Normen nicht mehr entgehen. Also man landet zwangsläufig bei Erwartungshaltungen und vielleicht auch Interessenskonflikten, manchmal auch Instrumentalisierung. Also immer, wenn man sozusagen mit Menschen, die jetzt nicht Wissenschaftler sind, zusammenarbeitet, gibt es Interessen und da landet man als Wissenschaftler natürlich in diesem Interessenspielball. In meinem konkreten Fall wird man dann auch vielleicht zum „Anglerprofessor“, wie der Spiegel dann irgendwann sagte. Und vielleicht ist man dann als Naturschutzakteur, wird man irgendwie in einer gewissen Weise wahrgenommen so. Also das ist die erste Problematik, die zweite Problematik, Kommunikation sprachen Sie an, wenn man das ernsthaft betreibt, muss man natürlich ernsthaft kommunizieren. Das bindet enorme Ressourcen. Das hat Konsequenzen für die zeitlichen Verfügbarkeiten, die man für Forschung und Lehre hat. Das hat starke Konsequenzen für Doktorierende. Also ich habe schlechte Erfahrungen gemacht, Doktorarbeiten in diesen Projektzyklen zu machen, weil eben sehr viel Energie in die Aufrechterhaltung der Beziehungen, der Vertrauensschaffung, der Arbeit vor Ort reingeht. Also da muss man eben auch von der Forschungsförderung darüber nachdenken, solche Projekte länger laufen zu lassen oder sich zu verabschieden, dass jemand in drei Jahren promovieren kann.
Genau. Und die dritte Ebene ist, man will ja natürlich weiterhin starke Forschung machen, also darf man natürlich auch die Qualitätsansprüche an die Forschung nicht runterschrauben, und das setzt manchmal Grenzen. also zum Beispiel bei unseren Seen geht es darum zu replizieren, zu wiederholen. Also dass man nicht nur einen See manipuliert, Fische aussetzt oder die Ufer verändert, sondern multiple Seen. Damit steigt exponentiell fast schon der Aufwand, der Planungsaufwand, die Genehmigungen ranzuholen, der Umbau der Gewässer, die Gewässer sind nicht identisch, das ist einfach Fakt, natürlich auch Teil der Forschungsfrage, wie verallgemeinerbar ist denn jetzt mein Ergebnis. Aber das führt eben zu hohen Aufwänden und das macht man nicht mal eben nebenher und das hat halt dann auch gewisse Grenzen, in dem wie eine Arbeitsgruppe oder eine Professur oder so leisten kann. Also bin ich jetzt sehr dankbar, dass ich durch das BMBF da gute Förderung, gute Projektförderung hatte, das sind Dinge, die die DFG also wahrscheinlich nie fördern würde, das sind auch sehr teure Projekte. Also muss man so ein bisschen abwägen, da ist das BMBF sicherlich da der beste Ansprechpartner.
Definitiv der Weg raus aus dem Elfenbeinturm, mit allen Fallstricken, die das auch mit sich bringt. Ich meine, Sie hatten Pandemie angesprochen, auch die Schwierigkeit der Wissenschaftskommunikation, das ist bei uns ja das gleiche, also im Mikrokosmos Angeln. Das ist natürlich jetzt nicht mit Drostens Pandemiedebatte, um es mal vereinfacht darzustellen, zu vergleichen. Aber im Grunde laufen bei uns auf einem kleinen Niveau die gleichen Dinge ab. Da wird instrumentalisiert, da werden Daten dann im falschen Kontext wieder rezipiert und so weiter und so fort. Also wenn man sich da rausbewegt aus seinem Elfenbeinturm, landet man natürlich auch in diesen Zwickmühlen. Und damit muss man halt auch Lust habe, sich damit zu beschäftigen. Und dann eben auch Instrumentalisierung und so weiter mit einplanen, das passiert dann irgendwann.
Ja. Das ist definitiv eine Phase, in der sich auch nicht nur unsere Gesellschaft befindet, sondern die einfach eine Folge ist der medialen Änderungen der Welt durch Technologie, durch das Internet und andere Kanäle. Ich denke, das ist etwas, was erst mal noch von einer Generation auch in irgendeiner Form noch verarbeitet und umgesetzt werden muss, um dort neue Wege zu finden. Derzeit führt es auf jeden Fall zu einer Menge Verstörung so, die teilweise vielleicht auch nachvollziehbar ist, weil einfach der Wandel so schnell geht. Aber letztlich muss es wahrscheinlich auch Teil der Wissenschaft und natürlich Untersuchungsgegenstand der Wissenschaft werden.
Würde ich absolut unterschreiben, gerade bei solchen Themen wie Umweltbereich finde ich ist fast alternativlos. Weil fast alle Probleme, mit denen wir zu tun haben, komplex sind und vom menschlichen Verhalten am Ende abhängig sind. Und wenn ich sozusagen diese Menschen nicht mit einbinde, dann ist eben auch kaum an Veränderung zu denken. Also ich bin wirklich frustriert von der Haltung, gute Wissenschaft ist, tolle Paper publizieren und dann hoffen wir, dass irgendeiner das aufnimmt. Also selbst für meinen kleinen Bereich des Fischereimanagements kann ich sagen, also von meinen Papers auf Englisch ist nichts angekommen vor Ort oder es dauert 25 Jahre, ich meine, dann ist eine Art ausgestorben zum Beispiel. Also das ist alternativlos. Und zweitens, ja die Hürden sind hoch, aber auf der anderen Seite, mir persönlich hat das enorm geholfen, mich mit den Leuten vor Ort auseinanderzusetzen, die die Probleme zu verstehen, sie auch umzuformulieren in konkreten Forschungsfragen, die nicht abstrakt sind und an den Leuten vorbei forschen, sondern wirklich deren Probleme angehen vor Ort im Fischereimanagement. Das fordert mich auch, Themen klar zu formulieren, klar abzustecken, Forschungsfragen einzugrenzen, und am Ende ist es eben auch sehr erfrischend, mit den Leuten vor Ort auch deren Erfahrungswissen zu partizipieren und davon habe ich enorm gelernt. Also da sind ganz viele Dinge, die stehen in keiner Fachzeitschrift und die kann ich nur durch das Mitarbeiten und das Zusammenarbeiten mit Praktikern irgendwie überhaupt verstehen. Also das hilft am Ende auch, Erkenntnis zu realisieren. Das hat ganz viele positive Ebenen, die mir gar nicht bewusst waren, als wir diese ersten Sachen angefangen haben.