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FG082 Kriminalbiologie

Über kriminalistische Spurensuche und angewandte Wissenschaft jenseits der ausgetretenen Pfade

Bei einem Mordfall kann jede Spur wichtig sein, mag sie auch auf den ersten Blick noch so abseitig erscheinen. Zum Beispiel was für Schmeißfliegen eine verweste Leiche besiedelt haben. Passen die Insekten eigentlich zum Fundort oder fand das Verbrechen ganz woanders statt? Solche Fragen sind nicht etwa der übersteigerten Phantasie von Drehbuchscheibern amerikanischer Krimiserien entsprungen, sondern ganz real. Und Mark Benecke hilft, sie zu beantworten.

Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger wird Benecke (geb. 1970) zu Rate gezogen, wenn es darum geht, die klassische Rechtsmedizin durch sein sehr spezielles Wissen zu ergänzen. Insekten und Mikroorganismen können nämlich einiges über die Umstände eines Tötungsdelikts verraten. So konnte Benecke etwa für ein aufsehenerregendes Gerichtsverfahren anhand von Fliegenmaden den Todeszeitpunkt zu bestimmen und dadurch das Alibi des Täters zu Fall zu bringen.

Wissenschaft bildet für den Spurenkundler das Fundament für seine Erkenntnisse. Und Benecke ist selbst ein Forschender im Sinne der Wahrheitsfindung. Nur eben nicht an einem Institut oder einer Hochschule, sondern sozusagen mit seinem freien Detektivbüro. Deutschlands wohl bekanntester Kriminalbiologe ist nebenbei auch noch Musiker, Politiker und Vortragsreisender, um seine Fälle einem breiten Publikum anschaulich zu vermitteln - das dann beispielsweise erfährt, warum es unklug sein kann, eine Leiche in einen Teppich einzuwickeln.

https://forschergeist.de/podcast/fg082-kriminalbiologie/
Veröffentlicht am: 13. Oktober 2020
Dauer: 2:15:08


Kapitel

  1. Intro 00:00:00.000
  2. Begrüßung 00:00:42.570
  3. Annäherung an die Wissenschaft 00:01:21.448
  4. Fokus auf Biologie 00:08:38.787
  5. Forensik 00:13:16.813
  6. Austistische Züge 00:27:42.200
  7. Sachverständige 00:30:25.091
  8. Selbständiges Arbeiten im Netzwerk 00:42:18.223
  9. Gerechtigkeit 00:57:49.078
  10. Motivation 01:04:38.480
  11. Kooperation mit der Polizei 01:06:26.515
  12. Insekten auf Leichen 01:10:35.651
  13. Spurensuche 01:15:01.129
  14. Gift und Substanzen 01:23:24.375
  15. Materialien 01:29:45.377
  16. Botanik 01:32:00.313
  17. Technologie und Genetik 01:33:59.374
  18. Spurensuche und Hacking 01:47:16.672
  19. Wissenschaftskommunikation 01:50:33.010
  20. Wissenschaft und Gesellschaft 02:04:43.487
  21. Ausklang 02:13:56.286

Transkript

Tim Pritlove
0:00:42
Mark Benecke
0:01:20
Tim Pritlove
0:01:21
Mark Benecke
0:01:36

Ich habe das gar nicht gemerkt eigentlich, ich glaube, ich habe schon immer und mein Bruder auch wissenschaftliche Dinge getan, ohne das zu wissen. Also mein Vater ist Ingenieur, aber der hat eher, wenn überhaupt, hat der so ein bisschen rumgebastelt und rumgelötet oder so was, also der hat ja jetzt keine gesellschaftlichen, politischen, theoretischen oder wissenschaftstheoretischen Dinge jemals diskutiert oder so. Meine Mutter interessiert sich da auch nicht für Wissenschaft. Also zum Beispiel die lehnt es auch ab, Dinge erklärt zu bekommen, zum Beispiel haben wir ihr ganz oft mal versucht zu erklären, wie eine Schleuse funktioniert. Das wollte sie irgendwie nicht hören. Die interessiert sich halt eher für andere Sachen. Und mein Bruder und ich wir haben aber das schon immer gemacht. Also zum Beispiel ich habe viel gezählt und sortiert oder mir angeguckt, wie man Kabel legen muss, damit man was überspielen kann. Früher wurde ja zum Beispiel von einer Kassette auf eine andere etwas überspielt, das fand ich irgendwie komisch, dass das mal funktionierte und mal nicht, je nachdem wie man das Kabel da gesteckt hat und so. Das habe ich dann auseinandergebaut und meistens nicht wieder richtig zusammengebaut, aber da lernst du ja dann auch was draus, nämlich wie es nicht funktioniert. Und Münzen sortiert nach Prägeort und lauter solche Sachen. Und meine Oma und alle anderen Verwandten haben auch erzählt, dass ich schon immer Sachen eingesammelt, also Steinchen oder Tiere oder irgendwas was herumgelegen hat, als ich ganz klein war. Aber sagen wir mal, eine darüberliegende Ordnung die kannten wir nicht als Kinder oder Jugendliche, mein Bruder und ich. Also ich habe das erst, da hätte ich es aber auch noch nicht Wissenschaft genannt, weil da saß ich immer in der Buchhandlung rum, hier wir sitzen ja gerade in Köln und da gibt es einen Platz, der heißt Neumarkt, und da war eine Buchhandlung, da haben die mich sitzen lassen. Das war damals unüblich, also heute soll man ja in der Buchhandlung sitzen und lesen, aber früher wurdest du da rausgeschmissen. Da hieß es, hier wir sind doch keine Bibliothek, hau ab. Also wirklich, das war ganz ungewöhnlich. Da gab es auch keinen Kaffee und nichts, da gab es auch keine Stühle oder so was, da saß ich auf dem Buchregal unten drauf. Und da habe ich immer Chemieexperimentierbücher gelesen und habe mir die Experimente abgeschrieben und die dann zu Hause gemacht. Und später habe ich, als ich das Geld dann dafür hatte, konnte ich mir dann auch mal eins kaufen oder so. Aber in den Büchern stand auch nicht drin, was Wissenschaft ist, da stand nur drin, das sind chemische Experimente, mach die halt und das funktioniert. Da waren auch schon die Reaktionsgleichungen drin, also von Römpp und Raff waren die Bücher. Also die waren sehr gut, aber es wurde nie was übergeordnetes erklärt, nie. Also so gesehen hatten ich und mein Bruder auf eine andere Art, der ist jetzt Linux-Programmierer von Beruf, aber hatten wir eigentlich immer schon was mit technischen, experimentellen, wissenschaftlichen, nur auf Tatsachen und messbaren begründeten Dingen zu tun. Der Rest hat uns nicht interessiert.

Tim Pritlove
0:04:18
Mark Benecke
0:04:28

Nein eigentlich nicht, also mein Bruder hat erst mal so was wie, ich weiß nicht wie das damals hieß, Elektrotechniker oder so was gelernt und ist dann einfach Programmierer geworden. Also als Linux, sagen wir mal, in die Welt trat, da gab es ja kaum jemanden, der das gemacht hat, besonders nicht für Firmen, zumeist am Anfang. Der hat in seinem ganzen Leben eine einzige Email geschrieben als Bewerbung sozusagen, hat aber wahrscheinlich aber nur gesagt, ich kann das und dann haben die gesagt, ja zeig halt oder so fertig. Und ich fand das an der Uni ganz nett, ich bin da mit dem Rad mal hingefahren und ich fand die Atmosphäre da ganz nett. Ich kannte niemanden, der studiert hat und ich habe dann einfach mir mal ein paar Sachen angehört. Und dann war ich eingeschrieben für Theaterwissenschaften, Germanistik, Psychologie und Biologie. Und da war auch keiner, der gesagt hat, das geht nicht, du kannst nicht, das geht nicht, du kannst nur eins davon studieren. Also die im Studierendensekretariat den war das halt alles egal, wirklich absolut alles und dann bin ich am Ende halt bei den Biologen hängengeblieben. Aber ich hätte jetzt genauso gut dieses andere, das war so ein Masterstudiengang, also das ist nicht was heute Master ist, das war früher anders. Da konnte man halt drei Fächer gleichzeitig machen, das wäre dann Theaterwissenschaft, Psychologie, Germanistik gewesen. Gut, das kann man auch wissenschaftlich betreiben, indem man sich nur auf messbares beruft, aber da gibt es ja immer diesen riesigen Graben zu den Naturwissenschaften, die sozusagen sagen, es muss aber auch wiederholbar sein und dergleichen. Und das ist natürlich bei, sagen wir mal, Theaterwissenschaften nicht der Fall. Das kannst du natürlich nicht wiederholen.

Tim Pritlove
0:06:00
Mark Benecke
0:06:14
Tim Pritlove
0:06:20
Mark Benecke
0:06:23
Tim Pritlove
0:06:25
Mark Benecke
0:06:25
Tim Pritlove
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Mark Benecke
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Tim Pritlove
0:06:44
Mark Benecke
0:06:51
Tim Pritlove
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Mark Benecke
0:07:14

Ah ich verstehe. Ja ich verstehe, nein das hat mich alles nicht interessiert. Also Menschen sind halt da, die sind aber langweilig eigentlich. Ich meine, Menschen gibt es auf der Welt, bald werden sie weg sein oder halt eine sehr kleine Gruppe nur noch sein, die unbedeutend ist, aber nein, in der Psychologie fand ich auch die Tiere interessant, also ich habe auch viel mit Tieren gearbeitet dann später, ich habe es auch als Nebenfach dann gehabt. Nein, ich habe mit Tintenfischen und Schnecken und Blutegeln und allem möglichen, aber auch mit Menschen. Also im Altersheim oder so, da haben wir Augenbewegungen gemessen und so, aber für mich ist das alles gleich, also ich ziehe keine Grenze zwischen den anderen Lebewesen und den Menschen. Aber du hast schon recht, die Lebewesen stehen im Mittelpunkt, das stimmt eigentlich, das fällt mir jetzt gerade ein, wo du es fragst. Weil zum Beispiel bei reinen Ingenieurswissenschaften, was mein Vater macht, oder ehrlich gesagt auch beim Programmieren, wie mein Bruder das macht, sind Menschen halt ja halt gegeben und du machst halt irgendwas, weil die halt das bezahlen, aber eigentlich interessierst du dich für die Zahlen oder die Messungen oder die Daten, also das rein technische. Und da hast du recht, das ist tatsächlich dann bei mir wohl eher so, dass ich mich für das Zusammenspiel mit irgendwas, was wirklich lebt, wirklich interessiere und das nicht nur als Auftraggeber sehe, der irgendwie mein Brötchen bezahlt, ja stimmt. Da habe ich noch nie drüber nachgedacht, da gibt es scheinbar irgendsoeinen Unterschied, der Richtung lebendem geht, ja.

Tim Pritlove
0:08:38
Mark Benecke
0:08:44
Tim Pritlove
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Mark Benecke
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Tim Pritlove
0:09:38
Mark Benecke
0:09:40
Tim Pritlove
0:09:58
Mark Benecke
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Ach das ist eine von vielen interessanten Gruppen. Also Kerbtiere allgemein oder Gliedertiere, Spinnen, Schaben, Wanzen, Asseln und so weiter, also alle möglichen Tiere, die so einen gegliederten Körperaufbau haben, also Arthropoden heißen die bei uns, die Gliedertiere sind halt, die stellen die Hauptlebensform auf dem Planeten Erde dar, was langweilig wäre, wenn es jetzt nur ein paar Arten wären, also zum Beispiel Dinosaurier finde ich jetzt nicht spannend, obwohl das eine sehr auffällige Lebewesengruppe mal war. Aber die sind halt unheimlich vielfältig. Also egal wo du hinguckst siehst du die. Unter deinem Teppich leben vielleicht Milben oder wenn du Glück hast auch Teppichkäfer, Museumskäfer, Speckkäfer. Wenn du in Erde reinguckst, da brauchst du gar nicht erst anfangen zu zählen, da sind winzige Tiere drin, die größere siehst du noch, Springschwänze, aber wenn du die unter das Vergrößerungsgerät legst, sind dann auch viel kleinere da. Du kannst an irgendeine alte Mauer gehen, du kannst auf den Dachstuhl gehen, wenn es noch ein alter Dachstuhl ist, du kannst einfach Dreck zusammenkehren, dann findest du halt tote Tiere drin. Wir haben hier ganz viele Leute, die glauben, sie haben Insekten unter der Haut, weil sie die von ihrer Haut abreiben und unters Vergrößerungsgerät legen, die sind natürlich in Wirklichkeit obendrauf, weil die Leute sich nicht gut waschen und dann kleben die da dran, weil die einen Garten haben. Es gibt überhaupt nichts, sagen wir mal, vielfältigeres als Insekten, also das finde ich an denen spannend. Also wie stark die sich eingenischt haben und wie die halt alle möglichen Lebensräume besiedeln. Okay, Bakterien wären vielleicht noch ähnlich, die hast du aber dann nicht so stark zum Beispiel in Büchern, weil wir sitzen hier gerade in so einer Bibliothek. Da gibt es zum Beispiel Bücherskorpione, die leben da. Und bei Bakterien hast du natürlich in trockenen Umgebungen hast du jetzt nicht so, die sind da als Sporen vielleicht, aber die leben da nicht. Also wenn du was wirklich lebendes, krabbelndes, atmendes haben willst, dann sind…

Tim Pritlove
0:11:54
Mark Benecke
0:11:57
Tim Pritlove
0:12:02
Mark Benecke
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Tim Pritlove
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Mark Benecke
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Tim Pritlove
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Mark Benecke
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Tim Pritlove
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Mark Benecke
0:12:28
Tim Pritlove
0:12:30
Mark Benecke
0:12:31
Tim Pritlove
0:13:16
Mark Benecke
0:13:34

Ja gut, Ausbildung ist ja wie der alt vorvorvorige Bundespräsident gesagt hat, man muss ja lebenslang lernen, also die Ausbildung ist nie zu Ende. Das ist wirklich so, besonders in unserem Fachbereich, für andere kann ich es jetzt nicht sagen, aber wahrscheinlich auch für viele andere Fachbereiche. Und ich habe an der Uni Köln promoviert im Institut für Rechtsmedizin als Biologie, das hieß dann doctor rerum medicinalium, also ein Doktor in Sachen der Medizinwissenschaften. Und bin dann tatsächlich nicht mehr zu meiner eigenen Doktorfeier gekommen, weil ich da schon in den USA war, das stimmt, das ging super schnell. Und da ging das einfach weiter. In den USA hat man ja eh nicht so diese Vorstellung, dass du entweder Bäcker oder Konditor bist oder gar nichts. Sondern da ist es halt so, da gibt es on the job training, da kannst du on the job lernen, das haben viele von den Leuten gemacht. Ich habe ja mit sehr einkommensschwachen Leuten da im Labor gearbeitet, weil das sehr schlecht bezahlt war. Und in den USA ist das ja teuer, wenn du studierst, das heißt die haben dann irgendeine Ausbildung oder auch eine Teilausbildung, auch in der Uni gehabt oder so oder kamen aus anderen Ländern und es wurde nicht alles anerkannt und die konnten dann on the job training machen, das wurde dann zertifiziert oder wenn es Biochemie-Kurse oder so was waren, mussten sie es an der Uni machen, das konntest du dir aber zusammen-puzzeln. Bei mir war das jetzt egal, weil ich hatte einen PHD schon, also meine Doktorarbeit wurde als PHD und Master of Sciences und Bachelor anerkannt. Also in den USA habe ich Bachelor, Master und PHD auch als amerikanischen Titel. Und die Ausbildung ging dann insofern natürlich weiter, zum Beispiel ich hatte natürlich noch nie einen Kurs darüber gemacht, wie du jetzt mit Leuten, die vergewaltigt wurden, direkt nach dem Delikt darüber redest, wie man die Spuren nimmt. Das war ein Spezialtraining an der Columbia University in New York oder an der FBI Academy hast du dann halt irgendwie die Abläufe da kennengelernt, wie die da halt arbeiten. In meinem Fall haben wir da, was haben wir denn da gemacht, Insekten auf Leichen haben wir da gemacht. Oder als ich selber Trainer war an der Body Farm für das FBI habe ich dann auch Insekten auf Leichen gemacht, aber ich habe halt gesehen, was zum Beispiel der Gesteinskundler gemacht hat. Ich hatte mir noch nie in meinem Leben über Gesteinskrümelchen in Erdproben unter Schuhen Gedanken gemacht. Oder mein Kollege am Nachbartisch der hatte illegal, also in New York darfst du gar keine Waffen haben, auch kein Taschenmesser, das ist wirklich ernst verboten. Also nicht so wie, machst du besser nicht, sondern ich wurde zweimal reingerufen und dann haben die gesagt, wenn wir dich nochmal reinrufen, war es das, dann war es das für dich. Also die sind da super super…

Tim Pritlove
0:15:58
Mark Benecke
0:16:00
Tim Pritlove
0:16:27
Mark Benecke
0:16:28

Und der hat dann Trainings darüber gemacht im Labor. Also das war halt, don’t ask, don’t tell, also niemand durfte sagen, dass er die Knarren alle bei sich zu Hause in der Wohnung hat, dann hätte der richtig Ärger bekommen und auch nicht nur seinen Job verloren, sondern da wäre noch was ganz anderes passiert. Aber der hat uns dann zum Beispiel alle Namen von allen Bestandteilen von den Schusswaffen offiziell beigebracht. Und da kriegtest du dann, da haben wir dann so ein kleines Minitraining gemacht und dann kriegtest du dafür ein Zertifikat. Oder ein andere Kollege von mir, der wollte eigentlich gerne Polizist werden, der war aber zu klein dafür und der hat sich dann immer wie ein Polizist aufgeführt die ganze Zeit und das Gute daran war, dass er sich aber viel für Blutspuren interessiert hat und der hat dann Blutspurentraining zusammen mit dem NYPD gemacht. Also da siehst du schon, das ist eine ganz andere Auffassung von trainings, als wir die in Deutschland haben. Also bis heute gehe ich auch laufend zu Kongressen. In den letzten drei Monaten war ich bei einem Kongress, virtuell natürlich, weil wir jetzt gerade Corona haben, während wir gerade reden. Also es ist gerade Sommer/Herbst 2020. Aber da war ich in Mexiko, in Indien und in den USA bei Kongressen und bin dann Redner, aber lerne natürlich von den anderen genauso viel. Also das endet nie, wirklich. Also gerade das in den USA war sehr interessant, von der American Academy of Forensic Sciences, da haben wir ein Training über, wie soll man sagen, neumodische Drogen gemacht. Und da muss ich ganz ehrlich sagen, 80 Prozent von den Drogen, von denen hatte ich noch nie was gehört, obwohl ich in dem Thema drin bin. Also nicht tief, ich bin da kein Experte für, aber ich kenne mich eigentlich schon mit allen Drogen aus, die im Umlauf sind. Aber die haben so viel in den letzten Monaten und sagen wir mal anderthalb Jahren haben die schon wieder so viel rumgeschraubt an den Badesalzen und an diesen ganzen Designerdrogen, dass du wirklich nur da stehst und denkst dir so, alter ist der Knaller echt. Also so gesehen, das endet nie mit der Ausbildung bei uns. Also du verlierst, wenn du zwei, ich würde mal sagen, wenn du zwei bis drei Jahre nicht weiter sehr anstrengende Ausbildungsbestandteile machst, dann bist du, zumindest wenn du so wie ich arbeitest hier im Labor, bist du raus. Wir kriegen ja nur die bescheuerten Fälle.

Tim Pritlove
0:18:26
Mark Benecke
0:18:45

Ach so das hat eigentlich damit angefangen, dass nur die Rechtsmedizin damals, also die deutschen Institute für Rechtsmedizin waren bei genetischen Fingerabdrücken sehr weit vorne. Also meins und Köln eigentlich, das waren so und dann München und Berlin, in der DDR das Ostinstitut eigentlich auch. Und da hatte ich das Glück, dass ich eben in Köln als Biologe ins Institut für Rechtsmedizin gehen konnte, da habe ich mein Genetikpraktikum gemacht, weil ich hatte keinen Bock, das in der Uni zu machen, weil das waren so Leute aus den 60er/70er die Professoren. Die waren sehr sehr links, das war cool, also das waren linke Genetiker alle, alle ausnahmslos alle, das war ziemlich lässig. Kennt man heute gar nicht mehr, dass das eine politische Dimension hat, aber für die natürlich schon, weil die die ganze Euthanasiescheiße und diese erfundenen angeblichen Menschenrassen, es gibt ja gar keine Menschenrassen und so, das fanden die halt alle zum Kotzen, alle. Und die haben auch deswegen das so gemacht, es gab keinen Direktor oder Direktorin, sondern die haben automatisch jedes Jahr den Direktor nach Zufallssystem, also nicht nach Zufall, sondern der Reihe nach gewechselt und das war gut. Der Nachteil war, die haben sehr 60er Jahre mäßige angewendete Lernmethoden benutzt, als die 60er jetzt aber schon sehr lange vorbei waren. Und da dachte ich mir so, ja, aber nein. Also das war cool, aber ich war irgendwie da anders und habe mir gedacht, dann geh doch lieber dahin, wo du was richtiges modernes machen kannst, wo sozusagen nicht die coole Lehre im Vordergrund steht, sondern der coole Inhalt im Vordergrund steht. Und es gab auch noch ein Problem, weil zwei von denen oder drei eigentlich sind ziemlich nah an Nobelpreisen vorbeigeschrammt. Und es ist für Forscher und Forscherinnen, das kennen vielleicht die Leute, die deinen Podcast hören, das ist so ziemlich das schlimmste, was dir passieren kann. Dass du beinahe einen Nobelpreis bekommen hättest, das zerstört dich, also zumindest hat es die zerstört. Also du kannst darüber nicht lachen, weil du halt merkst, wie abgekartet die Scheiße ist, obwohl halt unter Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen ja eher, sagen wir mal, die Traumvorstellung ist, es geht nur um den Content, um den Inhalt. Und wenn du dann merkst, ja nein, Nobelpreise kriegst du nach einer bestimmten Methode, es gibt sogar ein Buch darüber, wie man den Nobelpreis bekommt. Wenn man gut genug ist, also ich nicht, ich bin nur ein Staubkorn. Aber wenn du erst mal in der Liga spielst, dann gibt es bestimmte Methoden, wie du den halt ziemlich sicher bekommst oder wie du ihn ziemlich sicher nicht bekommst. Also deswegen. Das waren alles Sachen, da wollte ich nichts mit zu tun haben.

Tim Pritlove
0:21:12
Mark Benecke
0:21:14
Tim Pritlove
0:21:43
Mark Benecke
0:21:45
Tim Pritlove
0:22:50
Mark Benecke
0:22:53
Tim Pritlove
0:22:54
Mark Benecke
0:23:01

Ja, aber nicht in unserem Bereich. Also in unserem Bereich ist das sehr, da nimmst du immer das Beste aus dem, was aus der Front der Forschung kommt, aber das war es. Also Alec Jeffreys, der 1984/85 genetische Fingerabdrücke erfunden hat, der kam aus der Humangenetik und all anderen, die mal so reingeschnuppert haben, auch. Svante Pääbo, der jetzt bekannt ist dafür, dass der Neandertalergenome und so was untersucht oder überhaupt Ancient DNA, also sehr alte DNA, die haben alle da mal kurz reingeguckt, fanden das dann aber langweilig. Also ich habe es auf Kongressen erlebt. Also Alec Jeffreys kenne ich, Svante Pääbo kenne ich auch, also die kennen mich nicht, aber ich habe mit denen geredet und habe von denen was gelernt. Und die fanden das alle immer blöd. Und heutzutage ist es so, dass hauptsächlich Y-chromosomale DNA, Robotertechnik und viele andere Sachen, die halt eben sehr ingenieurtechnisch sind, eine große Rolle spielen. Also es ist aber nicht so heiß wie an der Forschungsfront bei uns. Weil wir es lieber haben, dass es schön standardisiert ist, weltweit gleich, möglichst viele Verschmutzungsfilter auftreten, so dass Verschmutzungen nicht auftreten, aber diese totale Verrücktheit, die du im genetischen Feld hast, also dass du halt auf einmal rauskriegen kannst, wie klein war die menschliche Population mal, 20.000 Leute nur auf der Welt. Oder jetzt ganz aktuell, wie haben sich Neandertaler mit modernen Menschen gekreuzt, wieviele Spuren findest du noch in der Erbsubstanz von modernen Menschen und so. Sowas machen wir natürlich nicht. Ethnische DNA wurde noch interessant, da sind wir relativ weit, also sagen wir mal, da saugen wir den Honig von den Leuten, die sich da den Arsch abarbeiten an der Forschungsfront, aber dieser Wahnsinn, dieser Publikationswahnsinn, der da herrscht, den haben wir nicht.

Tim Pritlove
0:24:47
Mark Benecke
0:24:51
Tim Pritlove
0:25:10
Mark Benecke
0:25:14

Das hat angefangen damit, das nannte man Multiplexen, das bedeutet, dass du die einzelnen Orte, die du auf der Erbsubstanz untersuchst, nicht jede in ein einzelnes kleines Gefäß reintust, weil das halt damals alles noch super aufwendig, super teuer war, auch du musst sehr sehr kleine Mengen pipettieren, also teilweise nur ein Mikroliter, das musst du können, also das kann halt auch nicht jeder. Und dann haben wir gesagt, ist doch besser, wenn man das alles in einem Gefäß machen kann. Also zum Beispiel in meinem Fall haben wir gesagt, drei bis fünf Orte in einem Gefäß. Heute sind das 21 oder manchmal auch mehr, aber so um die 21 Stellen auf der Erbsubstanz, die du dir angucken kannst, indem du alles in ein winzig kleines Gefäß, das ist halb so groß oder noch kleiner, das ist halb so groß wie die Fingerspitze vom kleinen Finger zusammenmischst. Und dann wird das vervielfältigt mit der Polymerase-Kettenreaktion, da gab es auch einen Nobelpreis für für Kary Mullis, der das entwickelt hat und danach musst du das halt so automatisiert wie möglich machen, aber wir haben das alles noch von Hand gemacht. Und dann ist die Frage, welche Temperatur stellst du ein in dem Gefäß, wo du die genetischen Fingerabdrücke machst, also die Vervielfältigung machst. Oder wieviel von bestimmten Stoffen ist da drin, zum Beispiel Magnesium. Oder wieviel von einer bestimmten Substanz musst du reinkippen, das nennt sich buvines Serumalbumin, das ist so eine Art alleskönnender Schmutzabfangpuffer, wo du aber auch ein bisschen vorsichtig sein musst, dass das nicht zu viel und zu wenig ist. Und bei uns war auch das Problem, wir wussten nicht, warum das funktioniert, das ist auch immer schlecht, wenn du nicht weißt, warum es funktioniert. Und so. Und da haben wir dann halt endlos rumgefrickelt, da machst du endlose Versuchsreihen, da musst du total geduldig sein, das ist so ein typischer Job für Asperger Leute. Also die technischen Angestellten, die also da eigentlich eher wegen der beruflichen Sicherheit waren, die sind da wahnsinnig geworden. Also die haben mit allen Mitteln versucht, das zu meiden, weil du alles 20-30 mal wiederholen musst. Dann musst du gucken, ob du einen Fehler gemacht hast, ob es an der Pipette lag, ob deine Erbsubstanz im Kühlschrank irgendwie falsch gelagert war oder so. Und die sind verrückt geworden. Also dazu musst du wirklich gerne sammeln und sortieren und alles gerne nochmal neu machen, weil es dir gerade Spaß gemacht hat. Wie so ein Kind, oh das war eine schöne Geschichte, nochmal Papa. Der Papa so, naja vielleicht in einer Woche oder so, nochmal nochmal. Also so musst du sein. Also du musst so eine Mischung aus total sammelwütig und sortierwütig und kindlich sein.

Tim Pritlove
0:27:42
Mark Benecke
0:27:50

Keine Ahnung, ich sehe eher, dass sehr viele Leute, die Aspis sind, diese Ähnlichkeiten bei mir sehen. Also ich mache bei White Unicorn mit, das ist so ein Verband, der sich hauptsächlich darum kümmert, dass die Kinder in der Schule vernünftig behandelt werden und man nicht immer sagt, jetzt stell dich nicht so an, mein Gott Gruppenarbeit ist aber besser für dich und so, sondern dass man die halt alleine in der Ecke arbeiten lässt, oder wenn sie nicht mehr können, dann auch mal in einen anderen Raum gehen können und so, damit die nicht ständig in diese Überforderung reinkommen. Und die sagen alle, Mark du bist einer von uns und so, also keine Ahnung. Und auch die Dani, die nennt sich Fuchskind, die macht Bücher, also Comics, über Asperger-Syndrom, da habe ich gerade das Vorwort geschrieben für das neueste Buch, das ist vor ein paar Tagen rausgekommen, wo sie eben auch für Kinder erklärt, ihr seid total normal, nur halt in der Schule passt das halt nicht so rein, da müsst ihr das den Lehrern erklären oder eure Eltern müssen das den Lehrern erklären. Weil Aspis halt auch sehr leichtgläubig sind, also die glauben halt erst mal alles und wenn die Kinder … Also das hat sie zum Beispiel in dem neuen Buch drin, wenn die Kinder sagen, oh du hast aber einen schönen Radiergummi, darf ich mir den mal angucken, dann ist der halt weg. Weil die Aspis nicht raffen, dass das nur eine soziale Vorstufe ist zu sagen, gib mir den Radiergummi. Und das ist natürlich für uns Erwachsene nicht so schlimm, aber wenn du halt acht bist und das ist dein Lieblingsradiergummi ist das halt die Höllenpein. Besonders wenn du nicht verstehst, warum die Leute alle so komisch sind, weil die halt andere soziale Regeln benutzen. Ich denke mal, also ich war auch in der Asperger Bibliothek in London mal und habe mir mal die frühen Vorträge von Hans Asperger angeguckt, das war auch sehr interessant. Die sind nur veröffentlicht in so, damals waren das so zusammengetackerte Newsletter, die gibt es nicht mehr. Also der letzte Ort auf der Welt, wo die noch liegen, ist halt in der Asperger Bibliothek oder Autismus Bibliothek, Autism Library in London und ich fand das auch total faszinierend, weil das war halt super, mit den Leuten zu arbeiten. Die haben halt Leute, auch nicht nur Aspis, sondern auch andere, die stärker im Spektrum sind, zum Beispiel der Bibliothekar. Der hat mir, bevor ich gekommen bin, wirklich Millimeter genau beschrieben, wo jedes Bild an der Wand hängt, damit ich mich nicht … Und dann hat der dazu geschrieben, manchmal müssen wir die Bilder abhängen, wenn sie kaputt gehen oder so, dann darfst du dich aber nicht erschrecken. Und ich habe dann meine Frau mitgenommen und das hat 20 Minuten gedauert, weil ich hatte dem nicht gesagt, dass ich mit meiner Frau komme. Und dann haben die unten an der Rezeption gesagt, ja das ist egal, aber das ist für Aspis oder stärker ausgeprägte Autismus-Leute ist das halt, wir verstehen das dann nicht. Weil die haben ja alles abgesprochen, wo die Bilder hängen werden und warum habe ich dann nicht gesagt, dass eine zweite Person mitkommt? Und ich kann damit super umgehen, ich finde das perfekt. Also mit Aspis und so weiter kann ich perfekt arbeiten.

Tim Pritlove
0:30:26
Mark Benecke
0:30:44
Tim Pritlove
0:31:02
Mark Benecke
0:31:05
Tim Pritlove
0:31:06
Mark Benecke
0:31:08

Das heißt, von der Industrie- und Handelskammer Seite aus, die dich bestellen, heißt das, dass du da mit … Sachverständig ist ja jeder Mensch, jeder Mensch ist für irgendwas sachverständig. Ich meine das jetzt freundlich, was jetzt kommt, das ist ganz nett gemeint, das ist wahrscheinlich sozial unangemessen, Aspi okay. Also ich kann Experte für Plätzchenformen sein, weil ich einfach supergeile Plätzchen backe, also ich meine das jetzt aber nett, das ist nicht abwertend oder lustig gemeint. Und dann kannst du in einer gewissen Umgebung kannst du dazu Stellung nehmen. Wenn es aber an Anwendungen geht, wo sehr viel Geld dranhängt, zum Beispiel du baust jetzt einen Langbau oder einen Plattenbau und da ist die Schallisolierung scheiße, dann geht es direkt um zwei Millionen Euro, dann geht es eben nicht um die Plätzchen, wo sagen wir mal der finanzielle oder strukturelle Verlust relativ niedrig ist, wenn du das in der Community als sachverständige Person erklärst, die und die Plätzchenform ist besser als die andere und dann zerbrechen die halt die Plätzchen. Weil keine Firma wird sagen, ja nur weil die Person das empfiehlt, lassen wir ohne Testreihe jetzt unseren gesamten Weihnachtsplätzchen mit der Plätzchenform backen, das passiert einfach nicht. Und irgendwann erreicht es eine Schwelle, da wird es finanziell interessant. Und da hat man als normaler Mensch, auch wenn man aus der Wissenschaft kommt, überhaupt keinen Einblick. Also zum Beispiel wenn das in die Nahrungsmittelherstellung geht, wenn du da einen Kessel falsch heizt und das stellt sich später raus, dass dadurch dann möglicherweise Bakterien noch da drin sind, du kannst dir nicht vorstellen, was da los ist, also im schlimmsten Fall muss die Firma das Werk dicht machen für ein paar Wochen oder Monate und es hängen Arbeitsplätze daran. Oder wenn du eher ins Wissenschaftliche denkst, das kann ich dir mal jetzt aus meinem Fachbereich sagen, du hast halt ein Insekt in einer sogenannten Blisterpackung drin, das sind diese Knisterpackungen, wo du Tabletten rausdrückst, die heißen Blisterpackungen. Und wenn da irgendein Insekt reingefallen ist in die Rohmasse, woraus das Plastik hergestellt wird, dann gehen die in dem Land hin, wo die Rohmasse aus Deutschland als kleine Plastikkügelchen hingeliefert wird, und sagen, das nehmen wir jetzt komplett nicht ab und Sie zahlen uns als Haftung auch noch unsere ganzen Tabletten, die wir da hergestellt haben. Und dann sagt die deutsche Firma, die eine riesige Firma ist und wo extrem viele Arbeitsplätze dranhängen, dann sagt die, okay wir verstehen das nicht, wo kommt das Insekt denn überhaupt her? Kann das auch in dem Land, in einem arabischen Land, in einem asiatischen Land, kann das Insekt da reingekommen sein? Und dann bin ich zuständig, weil dann gucke ich, wo kommt das Insekt her, notfalls mit Genetik oder aber auch mit dem Mikroskop, gucke mir die Arbeitsprozesse an und da brauchen die Sachverständige, die dafür haften, was die da sagen. Das reicht denen nicht, dass einer, der halt sein ganzes Leben lang mit Käfern arbeitet und sich supergeil damit auskennt, dass der sagt, ja höchstwahrscheinlich nach meiner bisherigen Berufserfahrung, sondern der die komplette Haftung übernimmt, das heißt, der auch für fünf Millionen haften kann. Das heißt in meinem Fall, da gibt es natürlich keine Versicherung dafür in meinem Fall, besonders wenn es um Kriminalistik geht, heißt das, ich hafte mit allem was ich besitze ohne Begrenzung. Die anderen Sachverständigen machen das nicht so, die schließen eine Versicherung ab, die kann ich mir nicht leisten, die kostet im Monat so um 800 Euro, habe ich aber nicht 800 Euro im Monat. Das heißt, dann gibt es eine Haftungsbegrenzung. Das bedeutet, dass von der Berufsseite her, vor Gericht bedeutet das, dass die Richter und Richterinnen, die null Ahnung von Wissenschaft haben, die wissen überhaupt nicht was Wissenschaft ist, also die denken im besten Fall an Käfer oder an irgendeine Wissenschaftssendung, die sie als Kinder mal geguckt haben, wo lustige Experimente gemacht wurden oder spannende Experimente. Aber juristisches Denken funktioniert über kulturelle Regeln, die sich in Gesetzte ergießen und die wenden die, das nennt man rechtspositivistisch, an. Also die können das dann ganz auch autistisch können die das auf rechtliche Belange ableiten. Zum Beispiel darf man tätowiert sein als Polizist oder nicht? Da können die Verwaltungsvorschriften ranziehen und die werden dann nach bestimmten rechtlichen Regeln ausgelegt. Und daher sind die froh, wenn die jemanden haben, der zertifiziert ist. Da die die Wissenschaftszertifizierungen aber nicht verstehen und Akkreditierungen und da die auch Ablaufakkreditierungen nicht verstehen, zum Beispiel ISO 9001 das ist eine Akkreditierung, die nur besagt, bei dir im Labor wird alles dokumentiert, alle Abläufe.

Tim Pritlove
0:35:13
Mark Benecke
0:35:19
Tim Pritlove
0:35:53
Mark Benecke
0:35:59

In meinem Fall steht auf dem Stempel, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständige für Sicherung, Untersuchung und Auswertung von kriminalbiologischen Spuren bei der IHK Köln. Das ist aber völlig egal, weil die Güte der IHK-Zertifizierung, auch alle fünf Jahre werden Stichproben von deinen Gutachten gemacht, die prüfen … Das ist zum Beispiel auch noch was, die prüfen zum Beispiel, dass die Gutachten dem modernsten Gutachtenstandard entsprechen, was in der Wissenschaft absolut keine Rolle spielt, da gibt es keinen Gutachtenstandard. Das wird zwar intern manchmal geregelt von den Fachgesellschaften, manchmal aber auch nicht. Zum Beispiel für Vaterschaften gibt es solche Regeln, aber für, sagen wir mal, wenn das jetzt in Schädlingsbekämpfungsfragen reingehen würde, was auch sehr sehr teuer werden kann, wenn du so Wohnblocks hast, dann gibt es natürlich keine Regeln, für die du rangezogen werden kannst. Zum Beispiel die in der Wissenschaft übliche Regel, gib deine Quellen an, sag wer was gemacht hat und wie, die gibt es natürlich bei einem Durchschnittsgutachten nicht. Da steht drin, ich habe herausgekriegt, es handelt sich um die und die Insekten, ich sage, die kommen nicht aus der Mülldeponie und aus der Kompostierungsanlage, sondern ich sage, die kommen aus dem Garten, gezeichnet Schmitz. Und das ist ein gutes Gutachten, nur kann fünf Jahre später oder ein Jahr später kein Mensch mehr nachvollziehen, wie der das wann wo auf welche Weise und vor allem mit welchen Quellen gemacht hat. Vielleicht hat er ja irgendeinen Fehler gemacht, den er gar nicht wissen konnte, weil die Literatur nicht so gut war, das kann ja sein. Und das ist bei uns anders, da wird das alles wie bei einer wissenschaftlichen Veröffentlichung offengelegt. Und das gefällt allen, weil die Privatperson, das Gericht, eine industrielle Einrichtung, jeder weiß, okay wenn der scheiße baut, a) haftet er dafür, das will er aber nicht und b) alle Quellen sind offengelegt, ich kann das also auch jemand anderem geben, der weiß wie er es gemacht hat und der nicht einfach sagen muss, oh der Herr Benecke ja, meiner Erfahrung nach hält der gute Vorträge, aber zwischendurch läuft er auch auf der Demo für die Freigabe von Sexarbeit mit oder so. Und das ist so, ja okay, was hat das jetzt mit unseren kleinen Styroporkugeln oder Plastikkügelchen, die für Blisterpackungen sind, was hat das damit zu tun? Können wir mal zurück zur Sache kommen?

Tim Pritlove
0:38:08
Mark Benecke
0:38:26
Tim Pritlove
0:38:46
Mark Benecke
0:38:47

Ja genau. Und es gibt für absolut alles einen Sachverständigen oder eine Sachverständige. Zum Beispiel Ausdünstungen nur aus Linoleum, weil wir hier gerade auf Linoleumboden sitzen, wie hoch ist die Menge? Oder zum Beispiel ein Kollege, der ist hier in Köln, wenn du deine Wasserleitung anmachst und da kommt Wasser raus, dann kannst du Mietminderung machen, wenn eine bestimmte Menge von irgendwelchen Stoffen da drin ist, die meiner Meinung nach völlig normal da drin sein könnten, im Gesetz steht aber einfach was anderes. Aber ich muss dazu sagen, ich kriege meine Aufträge nicht als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, 99 Prozent der Aufträge kommen von verzweifelten Menschen, die nicht weiter wissen, weil zum Beispiel heute ihr Bruder ist verwest nach zehn Tagen in der Wohnung angetroffen worden, im Obduktionsgutachten steht drin, ja der hatte eine fragliche Blutung, so heißt das, der hatte eine fragliche Blutung an der Stirn und die sagt, ja aber man kann doch so viel machen, Sie arbeiten doch mit Blutspuren, Insekten auf Leichen und so weiter, was soll denn das heißen, man kann jetzt nicht rauskriegen, was da passiert ist? Und dann könnte man zum Beispiel, das machen wir oft, sagen, ist Ihnen aufgefallen, dass rötlich-braune Verfärbungen in der Wohnung sind? Und dann sagen die, nein in der Wohnung nicht, das ist jetzt ein echter Fall, der jetzt kommt, der ist aber älter, aber im Keller. Dann sagen wir, ja sind Sie sicher, dass das kein Rostwasser ist? Haben die gesagt, sind wir nicht sicher, Sie sind doch der Experte. Und dann rollen wir das auf und dann stellt sich raus, Blut des Mannes, der angeblich in seiner Wohnung ausgerutscht ist, hingefallen ist, verstorben ist, weil der ein Säufer und ein Mensch war, der allen auf den Wecker gegangen ist, substanzabhängig, da sind aber leider Spritzer, deren genauen Winkel wir jetzt errechnen können, und zwar sicher errechnen können, sachverständig auf dem Stand der Wissenschaft errechnen können, die nicht von Rostwasser stammen, sondern sein echtes Blut sind, nämlich mit genetischen Fingerabdrücken, da siehst du jetzt den Mix der Methoden, und dann sagen wir, okay, also entweder ist Ihr Bruder früher mal ausgerutscht und Blut hinterlassen oder das hat irgendwas mit dem Fall zu tun. Also da siehst du so ungefähr die Vorgehensweise.

Tim Pritlove
0:40:45
Mark Benecke
0:40:50

Genau, es kann mich jeder beauftragen, das muss man schwören. Also wenn du öffentlich bestellt und vereidigt bist, musst du, das ist in der Schwurformel drin, für jeden Menschen arbeiten. Ich denke mal, dass ich so ziemlich der einzige, okay ich formuliere um, ich bin überzeugt, dass ich der einzige bin, der das macht, weil du kannst dich natürlich immer rausreden und sagen, ich habe keine Zeit, das kann ja keiner prüfen, ob du Zeit hast oder nicht, das ist ja unprüfbar. Aber ich bin derjenige, der absolut jede Anfrage beantwortet. Und man muss dazu sagen, so wie ich vorhin gesagt habe, 99 Prozent der Leute sind einfach verzweifelte Menschen, das kann auch das Gericht sein, es kann auch das Gericht verzweifelt sein, so ist es jetzt nicht, haben wir auch schon gehabt öfter hier im Team. Aber die meisten Leute haben halt kein Geld. Und wenn du hörst, ich habe keine Zeit, heißt das auf Deutsch, der Kunde, Klient, Fragesteller, die Fragestellerin hat kein Geld. Weil das Dumme ist, wir sind innerhalb der Sachverständigen sind wir naturwissenschaftlichen Sachverständigen sind wir nicht nur Exoten, sondern stelle dir die einsame Insel vor, das wäre jetzt exotisch, wir sind die Hängematte auf der einsamen Insel oder die Kokosnuss auf der einsamen Insel, wir sind die Exoten unter den Exoten, wir sind am Rand vom Rand. Und da verdienst du halt auch nicht viel und deswegen müssen die meisten Kollegen und Kolleginnen, wenn die eine Familie haben und ein Auto, ein Haus, ein Fernseher, das habe ich ja alles nicht, wenn die das haben wollen, müssen die natürlich zusehen, dass die eine gewisse Einkommenssicherung betreiben und dann lehnen die natürlich unbezahlte Aufträge logischerweise ab.

Tim Pritlove
0:42:18
Mark Benecke
0:42:24
Tim Pritlove
0:42:24
Mark Benecke
0:42:30

Also unser Team hier ist, also die Ines macht alles, was mit Nerdsachen zusammenhängt, also Datensicherheit, Blutspurprogramm hat sie mal nebenbei geschrieben. Das ist total geil, ich habe ihr nur gesagt, sie soll das mal für die Studierenden ein bisschen vereinfachen, da hat sie direkt eine Software gratis geschrieben, also werbefrei, gratis, bloodonline.de heißt die. Und die ist der Nerd, dann haben wir die Tina, die ist ehrlich gesagt auch komplett vernerdet. Hier auf dem Tisch liegt gerade eine, das nennt man Referee bei uns, also ich bin Gutachter für wissenschaftliche Veröffentlichungen. Bevor die veröffentlicht werden, guckt man halt, ob die veröffentlichenswert sind und den Regeln entsprechen und die hier ist ziemlich kompliziert, muss ich ehrlich sagen. Also den Titel darf ich mal sagen, das darf man machen, also sie heißt „Implication of morphometrics and growth rate of dipteran flies in forensic and toxicology research“. Da musst du was von Giften, Giften bei Insekten, von den Insekten die fliegen und dann die Wachstumskurven verstehen, das sind wirklich vier verschiedene Wissensgebiete, wirklich. Dann habe ich ihr das gegeben, weil sie ab heute Urlaub hat und dann habe ich sie gestern nachmittag gefragt, kannst du mal kurz drübergucken, ich habe das schon gerefereet, aber jetzt ist das in der dritten Runde, kannst du mal gucken, ob die alles, was ich angemerkt habe, auch umgesetzt haben? Und sie wusste aber gar nicht was ich angemerkt habe. Heute Morgen liegt das bei mir auf dem Tisch. Ich so, okay wow. Also das ist echt wirklich krass. Und sie kennt die ganzen Veröffentlichungen, ehrlich gesagt, besser als ich, weil sie die verwaltet, die kennt alle Veröffentlichungen dazu. Schreibt die Gutachten mit mir, ich diktiere ganz viel, das heißt, die kennt auch, also ich diktiere mit ihr zusammen. Also sie guckt mich dann so an und dann so weiß ich schon, dann habe ich halt irgendwas krumm erklärt, dann mache ich es halt anders. Die ist super einfach. Und ansonsten haben wir ein weltweites Netzwerk von Kooperateuren. Ich meine, wenn jetzt Insekten aus einem anderen Land eine Rolle spielen, was ich vorhin geschildert habe, man rauskriegen muss, aus welchem Land die kommen, brauche ich ja erst mal Proben aus dem Land, also das ist das Gute, dass ich in sehr vielen armen Ländern arbeite, also Philippinen, Kolumbien, Peru, da bin ich sogar Ehrenmitglied der Gesellschaft für Biologie, weil sie mich so lieb haben da und ich sie auch und so weiter. In den Philippinen haben wir 25-jähriges Laborjubiläum demnächst, da habe ich das DNA-Labor das erste kriminalistische aufgebaut und so. Und da kann ich jeden ansprechen, weil die halt wissen, ich mache das halt, weil ich es gerne mache, Geld spielt nie eine Rolle, ich habe einfach keins, die haben auch keins. Das hat mir sehr geholfen, muss ich sagen, das hat mir sehr sehr geholfen, ich wusste das gar nicht. Aber die ersten Jahre habe ich immer nur zum Beispiel erklärt, guckt mal Leute, ich habe nur ein paar Schuhe, ihr habt drei paar Schuhe, ihr habt mehr Schuhe als ich. Dann sagen die, ja aber you are still from a rich country. Dann sage ich so, okay ich habe kein Auto, ihr habt ein Auto, yeah still. Da habe ich gesagt, ich habe kein Haus, deine Eltern besitzen ein Haus, können wir jetzt mal aufhören damit? Und irgendwann haben die das gerafft. Das hat ein paar Jahre gedauert, die waren dann auch hier teilweise, also mehrere Kollegen und Kolleginnen waren auch hier und dann haben die das gesehen, dass wir halt alles auf der Felge laufend machen und seitdem klappt das super geil. Und dann haben wir natürlich noch bezahlt Kooperateure und Kooperateurinnen, da muss ich aber auch sagen, viele arbeiten nicht außerhalb der Wissenschaft, die arbeiten ausschließlich nur, wenn es für Wissenschaft ist und/oder Veröffentlichungen, weil das ist ja unsere Währung in der Wissenschaft, dass du einen Veröffentlichung hast hinterher. Die akzeptabel in einem guten Journal ist. Und da, muss ich sagen, habe ich sehr viel Glück, da helfen mir immer wieder Leute. Ich kann mal zwei Beispiele sagen, C14 das ist so eine Alterstechnik, das haben wir manchmal, wenn es darum geht, wie alt ist das Holz? Und ich habe mal mitgearbeitet gratis bei so einem religiösen Fall hier um die Ecke, kannst du hinter dir sogar sehen, da ist eine Kirche, da liegt der Heilige Severin drin, da siehst du die Kirchenspitze sogar über die Dächer lugen, da habe ich super viele Experten kennengelernt, die sich mit Textilien auskennen, alten Textilien, altes Holz, alte Siegel, alte Knochen, super geil. Also wir haben so nicht viel mit zu tun, aber als das dicke Buch rauskam, was nur ausschließlich von dem Heiligen Severin handelt, super geil, nur total coole Experten und Expertinnen wirklich. Sind wir um die Ecke mal ein Bier trinken gegangen und so und so was kennst du ja vielleicht, wenn du viel mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen redest, das ist schon viel, weil man am liebsten eigentlich in seinem Labor sitzt, wenn man dann schon mal zusammen vor die Tür gegangen ist, dann ist das schon was. Und seitdem können wir uns gegenseitig zumindest mal fragen. Oder wir hatten mal einen Fall, da war eine Leiche, die lag an einer Stelle, da sind keine Schnecken und alle Taschen waren voll mit Schnecken, leeren toten Schneckengehäusen, Jackentaschen. Und die Polizei hat gesagt, ja keine Ahnung, ist doch jetzt egal, ist ja auch total abstrus irgendwie, wir spielen ja hier nicht so schwarze Geschichten nach oder so, mein Gott, dann hat er halt Schnecken in der Tasche gehabt. Und dann habe ich gesagt, ja also darf ich die denn haben und das mal untersuchen? Da haben die gesagt, ja Mark, aber dann lass uns in Ruhe, es wird nicht bezahlt. Egal was rauskommt, du wirst kein Geld bekommen. Und da habe ich gesagt, ja ist mir Wurscht und habe halt eine sehr gute Kollegin, die macht nichts anderes, also auch schon seit ihrer Kindheit, als mit Schnecken arbeiten und mit der konnten wir das aufdröseln, wie das kam. Das wird nämlich einmal im Jahr überschwemmt das Gelände und dann sind da die Schnecken zu der Zeit und dann konnten wir rauskriegen, wie lange die Leiche mindestens da gelegen haben muss, weil die Schnecken, als das da wieder trocken wurde, als das wieder trocken gefallen ist, haben die sich natürlich in feuchte Stellen zurückgezogen und so eine wattierte Jacke ist natürlich prima, und so konnten wir eingrenzen, wie lange die Leiche mindestens da gelegen haben muss. Und das ist wir, also wir sind alle möglichen.

Tim Pritlove
0:47:53
Mark Benecke
0:48:02

Nein, das ist mir egal, auf Ausbildung gucke ich nicht. Also die meisten, also interessiert sind nur Biologinnen tatsächlich, also auch bei unseren Kursen sind eigentlich fast nur Frauen, weil das Fach so ekelig ist. Also so alles mit Blut, also Sperma ist das schlimmste. Männern darfst du niemals, niemals mit Sperma kommen. Männer laufen sofort weg, wenn sie Sperma sehen. Ja, muss ich auch immer drüber lachen. Aber auch Haare, Urin, Kot. Das war noch zu deiner Frage, was ich in der Doktorarbeit gemacht habe, da habe ich dann auch noch mit Urin gearbeitet. Also das war diese Vervielfältigung in einem Gefäß, auch noch aus altem Urin, was interessant wurde, weil wir mit Dopingproben aus Atlanta gearbeitet haben von den Olympischen Spielen. Und ansonsten ist jeder der mitmacht … Also wir haben, um das mal zu erweitern, weil das sicher sehr ungewöhnlich ist für normale Forscher und Forscherinnen oder Leute, die sich für Wissenschaft interessieren, die deinen Podcast hören, wir haben zum Beispiel einen, der ist psychisch sehr sehr schwer erkrankt, der sitzt nur zu Hause und der hat sich ganz stark eingenischt auf etwas, was mit Insekten zu tun hat. Und der hat uns schon so oft den Arsch gerettet, weil wir winzigste Bruchstücke hatten, die aus irgendeiner Drecksecke rausgekratzt waren, wo wirklich alle gesagt haben, okay Mark du hast sie nicht mehr alle, es gibt keinen Menschen auf der Welt, der das noch bestimmen kann. Genetisch vielleicht, es ist aber sehr sehr stark verschmutzt, bis du das sauber gekriegt hast, hast du wahrscheinlich beim Saubermachen eine Verschmutzung eingeführt, weil das so eine geringe Menge ist. Der hat bis jetzt jedes Tier richtig bestimmt, wenn wir hinterher auch rausgekriegt haben, was wirklich passiert ist, also wir prüfen das natürlich. Also das muss ich vielleicht auch noch dazu sagen, eine Besonderheit bei uns im Labor ist, wir lassen alles was wir machen gegenprüfen, obwohl ich normalerweise der Schiedsrichter, Obergutachter oder wie auch immer du das nennen willst, bin oder der älteste oder was auch immer, trotzdem lassen wir alles was wir machen nochmal gegenchecken, und zwar von Leuten, die uns nicht mögen. Wir geben das nicht Leuten, die uns lieb haben, weil dann denkst du dir vielleicht, ja okay. Also wir geben das bewusst Leuten, die, sagen wir mal, freundlich skeptisch sind, das ist jetzt noch die freundliche Formulierung.

Tim Pritlove
0:49:59
Mark Benecke
0:50:03
Tim Pritlove
0:50:44
Mark Benecke
0:50:45
Tim Pritlove
0:51:49
Mark Benecke
0:51:54
Tim Pritlove
0:51:55

…in biologischen Angelegenheiten mit wahrscheinlich auch Kombinatorik, die noch weit über die biologischen Fragestellung hinausgeht, aber das ist sozusagen die Basis von allem. Und wo du gerade sagst, ja die ganzen ekligen Sachen, die keiner anfasst. Ich hatte irgendwann mal ein schönes Frühstück bei Freunden, wo ich übernachtet hatte, wo ich viele Leute nicht kannte und da saß dann irgendwie auch ein junger Mann und wie es so ist, man fragt halt so, was man so macht und er meint so, er wäre halt Pathologe und machte auf mich auch einen extrem entspannten Eindruck und ich fragte ihn dann einfach so ganz locker, was ihm eigentlich so gefällt an seinem Job. Und seine Antwort war, geregelte Arbeitszeiten. Seine Kunden würden sich nicht beschweren. Und erzählte halt so ein bisschen und dieser ganze Umgang mit Tod und mit, sagen wir mal, auch so Situationen, wie sie ja für die meisten Leute nicht alltäglich sind, das hatte sich bei ihm sehr reingesetzt. Und ich fand diese Entspanntest an der Stelle einerseits faszinierend, auf eine gewisse Art und Weise auch beruhigend, weil man sich selbst ja meistens immer so einen Kopf macht um solche Geschichten oder viele Leute da vielleicht etwas dünnhäutig sind, die Erfahrung wirst du ja sicherlich auch gemacht haben. Das geht dir sicherlich ähnlich, nehme ich mal an, dass du da so eine Grundentspannung entwickelt hast oder vielleicht schon immer gehabt hast gegenüber diesen Fällen, weil das hat ja auch, sagen wir mal, eine gewisse psychologische Power, so diese ganzen Fälle sind ja dann auch immer oft Notsituationen, Verzweiflungssituationen von beteiligten Leuten, gerade den potenziellen Kunden. War das schwierig damit umzugehen anfangs oder hat dich das irgendwie nie gekratzt?

Mark Benecke
0:53:59
Tim Pritlove
0:54:12
Mark Benecke
0:54:14

Ja genau, so eine Gelassenheitsschutzmauer, aber bei den anderen Leuten kannte ich das nicht, ich habe mich da sofort wohlgefühlt. Also die Biologinnen, bei denen ich im Labor war, die sind nicht zu den Leichen rübergegangen, da haben die mich immer geschickt, was für mich aber normal war und ich weiß nicht, also ich denke mal, alles was so mit Tod oder so zusammenhängt oder mit Ekel ist ja eine rein kulturelle Bewertung. Also ich habe da oben ein ganzes Regal stehen mit Büchern über Insekten als Nahrung zum Beispiel. Das gibt es überall auf der Welt. Oder hier in Köln essen die Leute Pferdefleisch, das finden auch viele Menschen auf der Welt total bescheuert und auch eklig, obwohl sie Schweinefleisch essen, aber Pferde dann nicht. Oder hier die Deutschen regen sich immer auf, dass in China Hunde oder so gegessen werden, dann so, ja du hast da gerade Rind auf dem Teller liegen, wo ist jetzt der Unterschied, Vollidiot. Also wirklich, das ist so lächerlich und unlogisch, aber ich muss sagen, der Sache war ich eigentlich nie ausgesetzt, weil die Leute, mit denen ich geredet habe, oder zu tun hatte, die waren eigentlich alle sehr an Dingen interessiert oder an Abläufen oder halt an der Beschreibung des Tatsächlichen, genau so muss ich es sagen, einer Beschreibung des Tatsächlichen. Also ich habe da nie, ich war der Sache nicht ausgesetzt. Bei mir in der Familie hat auch nie jemand Drama gemacht, wenn irgendwas war, was andere vielleicht jetzt im Nachhinein für ekelig halten würden. Ich war der Sache aber auch nicht ausgesetzt. Also ich glaube, ich verstehe das Konzept einfach nicht von Dingen. Also ich finde auch Sachen nicht schön, ekelig, also so hier gerade so alte Haare, die man aus dem Ausfluss zieht, also jetzt im Alltag meine ich, nicht in Kriminalfällen, die finde ich auch widerlich, aber da sage ich mir, okay das ist ja mein privates Problem, also das erzähle ich nur, wenn mich jemand danach fragt, aber andere Leute tragen das ja heraus, was sie irgendwie gruselig, traurig, ekelig finden. Und die Notsituation der Leute, da muss ich sagen, da bist du eigentlich im Auge des Sturms. Also da ist es ruhig sozusagen. Also wenn du mit Leuten redest, ich kann mal ein Beispiel sagen, wo das besonders auffällig ist, Eltern von ermordeten Kindern, die sind absolut ruhig normalerweise. Also wenn du mit denen redest in der Phase, wo die noch die dicke graue Wattewand vor sich haben, kannst du mit denen ganz normal essen gehen und dann machst du irgendwelche Witze, also jetzt natürlich nicht mit Absicht oder so, aber da merkst du gar nichts, die sind halt noch komplett in der Wattewelt, wo die nichts mitkriegen mehr, die können sich auch dann später nicht mehr dran erinnern, was da passiert ist in den zwei Jahren oder so. Und mit denen kannst du sehr sehr gut arbeiten. Und wenn die aus dieser Phase rauskommen und merken, okay es passiert nicht das, was im Krimi passiert, das Gute siegt, die Einhörner und die Glücksbärchis tanzen und so, dann kannst du mit denen eigentlich auch sehr sehr gut arbeiten, weil die gerafft haben, okay entweder wir kümmern uns drum oder niemand kümmert sich drum. Es ist echt entspannt. Oder du redest mit den Leuten, die eigentlich auch bisschen religiösen Hintergrund haben, das haben wir auch, wir haben eine Frau, die ist unschuldig wegen Mordes ihrer Mutter verurteilt, die sagt dann so, ja okay, das ist dann halt so, das muss ich aushalten, das hat Gott irgendwie für mich vorgesehen. Und dann hättest du jetzt normalerweise natürlich den Reflex und würdest sagen, nein das hat niemand für Sie vorgesehen, das ist ein Fehlurteil und die Welt ist in Ihrem Fall halt krumm und schief gelaufen, aber es ist eigentlich relativ ruhig, in der Zone, wo es ernst wird, sind die Leute eher ruhig, muss ich sagen, mit denen kannst du eigentlich sehr sehr gut über das Tatsächliche reden und über Spuren halt in meinem Fall.

Tim Pritlove
0:57:49
Mark Benecke
0:58:14
Tim Pritlove
0:58:40

Ja.

Mark Benecke
0:58:41

Also Gerechtigkeit ist ein Witz, die gibt es nicht. Also ich weiß überhaupt nicht wozu das dient. Gerechtigkeit hat ihren Sinn, wenn du die kulturellen, sozialen, politischen, wie auch immer du das nennen willst, Regeln in Gesetze fasst und dann zum Beispiel sagst, für einen Verkehrsverstoß ist vielleicht nur eine Ordnungswidrigkeit, das ist noch nicht mal eine Straftat, dann gibt es Straftaten, dann gibt es im Wirtschaftsbereich Sachen, die sind eine Straftat und die sind keine und so weiter, also ich haue dir verschieden stark auf die Finger und das legen wir kulturell fest, das ist in jedem Land völlig anders und die Strafen sind dann halt abgestuft. Und da müssen wir eine Art Gerechtigkeit machen, dass jetzt nicht die Regel, die dann gültig ist für Mord versus Totschlag versus sexuelle Nötigung versus Vergewaltigung, die muss richtig angewendet werden. Also wir bleiben dann sozusagen in unserem kulturellen Bereich, Rechtspositivismus sozusagen, man schaut nicht so sehr auf die Situationen, sondern man schaut darauf, was so im Gesetz steht und leitet das dann ganz sauber ab. Das wird dann, je nachdem durch wieviele Instanzen das geht, auch schon mal kassiert, wenn das dann meinetwegen vor das Verfassungsgericht geht oder vor den Europäischen Menschengerichtshof oder so, aber im Großen und Ganzen, da gibt es so eine Art einen Schimmer von Gerechtigkeit. Jetzt ist es aber so, da ich an vielen verschiedenen Gerichten arbeite, wissen wir in Westfalen, weil wir sitzen hier gerade in Nordrhein-Westfalen, wenn du nach Westfalen gehst, kriegst du zum Beispiel viel stärkere höhere Strafen als im Rheinland, zumindest jetzt in Köln oder so. Also wenn du Drogendelikte hast in Köln, was kleines, THC, Cannabis irgendwas, dann sagt der Richter oder die Richterin, im Ernst jetzt, zum Staatsanwalt, sollen wir das jetzt echt hier verhandeln? Wir haben hier meterweise organisierte Kriminalität und echte Drogendelikte liegen, während in Hagen, Hamm, Wuppertal und so weiter, da weht also ein anderer Wind. Und da siehst du schon, dass selbst da schon die Gerechtigkeit mehr mehr mehr als brüchig ist. Dann hast du das Problem, dass die Polizei bei Sexualdelikten beispielsweise natürlich… die meisten Sexualdelikte haben ja nie stattgefunden und jetzt möchtest du aber gerne die, die stattgefunden haben, möchtest du mit großem Ernst untersuchen, jeder möchte das, bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft, Gericht, wir Spurenkundler sowieso, alle. Jetzt ist das Blöde aber, dass es natürlich eine Unschärfe zwischen diesen erfundenen Delikten und den echten Delikten gibt, wo du spurenkundlich sehr früh reingehen könntest, wo aber, wenn zum Beispiel die örtliche Polizei in irgendeinem kleinen Kaff überzeugt ist, das ist jetzt ein Märchen, das war auf dem und dem Fest, da waren wir selber auf dem Schützenfest, da waren alle total blau und es ist völlig normal, dass auf dem Schützenfest jetzt hier mal Küsschen oder vielleicht auch mal jemand an die Brüste gefasst wird, egal ob Mann oder Frau, spielt jetzt gar keine Rolle und da können wir jetzt nicht das große Fass hier von wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung aufmachen. Also die sind dann da halt meinetwegen noch 15 Jahre hinter der Zeit oder aus anderen Gründen, sehr sehr häufig, weil die zusammen im Fußballverein sind oder zusammen im Karnevalsverein, zusammen in der Feuerwehr oder aus irgendwelchen Gründen sagt man, komm das regeln wir jetzt mal so, da brauchen wir jetzt kein Ding aufmachen.

Tim Pritlove
1:01:39
Mark Benecke
1:01:41

Ja oder nein, die sagen auch wirklich, das kann einfach wirklich nicht der Situation nicht gewesen sein, weil ich war auf dem Schützenfest, warum hat der oder die denn nicht sofort was gesagt, warum kommen die denn jetzt zwei Tage später damit an oder so. Was wir alle wissen, woher das kommt, aber die sind dann da überfordert, wenn normalerweise das schlimmste was die erlebt haben ein Fahrraddiebstahl war. Das gibt es wirklich, das ist jetzt ernst gemeint. Und da kann man auch niemandem böse sein, das ist halt leider so. Und da schleicht sich natürlich dann wiederum dieses Ungerechte ein. Und dann hast du natürlich die Situation … Ach so und dann hast du natürlich die ungerechten Beschuldigungen, dass Leute sehr starke Nachteile erhalten, weil sie beschuldigt sind, obwohl sie es gar nicht waren. Das hatten wir in den 80ern sehr oft, Väter, die wegen Sexualdelikten in der Familie beschuldigt waren. Das habe ich nicht mehr miterlebt, aber ich habe dann noch die Folgeschäden davon habe ich dann noch gesehen später. Vaterschaften, weil bis genetische Fingerabdrücke erfunden wurden, hieß ja die Rechtsregel, jede Vaterschaft ist unsicher oder keine Vaterschaft ist sicher. Diese Regel galt ja über 2000 Jahre lang, bis zur Einführung von genetischen Fingerabdrücken, also das war eine feste Rechtsregel. Und dann hat man so Lösungen gefunden, jeder Vater kann das Kind anerkennen, wenn er möchte und so weiter, aber das hat auch sehr viele Schwierigkeiten erzeugt, weil die Frauen häufig versucht haben, die Vaterschaft zu vertuschen, weil sie, als die Familien noch sehr stark abhängig vom Einkommen des Mannes waren bis vor, sagen wir mal, 50 Jahren oder so, haben die natürlich alles dran getan, dass die, sagen wir mal, das Kuckuckskind oder wie auch immer man das nennt, dass das nicht rauskommt, weil der genetische Vater von den anderen Kindern dann möglicherweise die Ressourcen vermindert. Und in meinem Bereich, in der Spurenkunde, gibt es eh keine Gerechtigkeit, da gibt es nur Dinge, die passieren und Dinge, die nicht passieren. Also wir prüfen nur, ist es passiert, steht das mit den Spuren in Einklang oder ist es passiert und es gibt keine Spuren oder ist es passiert und steht es aus einem Freak-Grund nicht mit den Spuren in Einklang oder ist es garantiert nicht passiert, weil wir es sicher ausschließen können anhand der Spuren, aber Gerechtigkeit gibt es da nicht. Ich kenne auch persönlich niemanden im engeren Bereich unseres Teams jetzt, der irgendein Interesse an Gerechtigkeit hat. Das ist ein Luxus von Leuten, die in großer Sicherheit sich wähnen oder sich in sehr großer Sicherheit befinden. Aber kein einziger Mensch, der jemals in diese Spurenwelt geguckt hat, hat überhaupt nur eine Idee, was das überhaupt sein soll, außer dem geschilderten rechtlichen Verfahren. Also die korrekte Ableitung von Gesetzestexten, okay bitte schön, das vielleicht, aber das kannst du auch ohne Spuren machen. Also typische Formulierung vor Gericht ist, diese Person wirkt glaubwürdig oder diese Person hat noch nie ein Delikt begangen, wo wir hier lachend zusammenbrechen, wenn wir die beiden Aussagen hören, weil was soll das bedeuten? Das ist völlig sinnleer.

Tim Pritlove
1:04:38
Mark Benecke
1:04:53

Ja, Wahrheit im Sinne von, dass du nach Tatsachen schaust. Also für uns alle, also ich kann jetzt nur für alle, die hier im Team waren, also auch die Saskia war zehn Jahre hier, jetzt die Tina, meine Frau und alle, die näher mit uns mal mitarbeiten, näher am Team Begleitung machen oder auch die Studierenden, die Fortgeschrittenen-Kurse machen und ein bisschen länger dabei bleiben auf der Kursseite und auch Veröffentlichungen mit uns schreiben, also wir binden die Studierenden auch gerne ein in die wissenschaftlichen Veröffentlichungen, das sind alles Leute, die, sagen wir mal, Ruhe, meiner Meinung nach auch korrekt sehen in den Dingen, die vorhanden sind oder nicht vorhanden sind und in der Prüfung dieser Dinge. Und die merken, dass außerhalb dieser Welt alles unruhig, unstet, unsicher, von mir aus auch ungerecht, wenn du so willst und wahllos und zufällig ist. Aber das Steinchen, was du jetzt unter deinem Vergrößerungsgerät hast, das ist das Steinchen, was du unter deinem Vergrößerungsgerät hast. Und wenn du dich damit beschäftigst, bist du bei einer Sache, die vielleicht andere Leute meditativ durch Mittefinden erreichen, aber wir haben die Mitte schon da. Oder was ich vorhin Auge des Sturms genannt habe, das ist schon da, das spaziert bei uns ins Labor oder sonst wo rein und ich finde das einfach angenehm, und das, glaube ich, würden auch alle anderen hier sagen. Du kannst natürlich sagen, das ist eine Wahrheitssuche, aber die wahre Wahrheit ist, dass wir das einfach angenehm, ruhig, gemütlich und kontemplativ oder sonst wie finden, das ist der wahre Grund. Der Rest der Welt ist uns zu kompliziert, so.

Tim Pritlove
1:06:25
Mark Benecke
1:06:48

Ja, also mal mehr mal weniger. Also mal mehr ist es meistens, wenn gerade irgendwelche Situationen sind, dass eine neue Technik reindröppelt. Also zum Beispiel als genetische Fingerabdrücke neu da waren, habe ich … Ich bin Ehrenmitglied beim Bund deutscher Kriminalbeamter und so. Da haben die dann gesagt, pass mal auf, fahr doch mal mit in die Niederlande, die haben eine andere Gesetzgebung, da wurde zum Beispiel erlaubt, die Augenfarbe und die Körperlänge und die Haarfarbe zu bestimmen, obwohl das noch gar nicht ging, hat die Königin einfach unterschrieben, ich glaube, 2004. Und dann sind wir rüber und haben dann sozusagen auf polizeilicher Ebene mit allen geredet, die Datenbanken machen, die Datenschutzfragen beantworten und so, also da ging es eher Richtung Datenschutz. Das hat die Polizei viel interessiert, da habe ich dann auch Vorträge gehalten vor irgendwelchen Parlamentsentscheidungen in Regionalparlamenten, zum Beispiel in Brandenburg oder irgendwie so was oder Beratungen gemacht für die Grünen, die tragen ja immer sehr vor sich, gegen Gentechnik zu sein und dies und das und dann sagen wir immer, ja aber, ich meine, deine Impfung ist auch Gentechnik oder wenn du eine Operation bekommst, wo deine Netzhaut verändert wird, ist die höchstwahrscheinlich auch gentechnisch, steckt da drin. Oder ich weiß jetzt nicht genau, was meinst du eigentlich mit Gentechnik, also was meinst du mit, ich bin dagegen, du benutzt es ja die ganze Zeit. Also heißt das dann, du bist dagegen, aber du benutzt es die ganze Zeit? Und was bedeutet das dann? Also ich verstehe dich nicht. Und dann haben wir solche Hintergrundgespräche geführt, zum Beispiel jetzt im Bereich von Datensicherheit bei genetischen Fingerabdrücken. Da war die Hauptfrage, kann man heimlich Krankheiten auslesen, zum Beispiel eine Neigung zu Krebs? Und das kannst du natürlich. Und da haben wir gesagt, ja heimlich kannst du das, aber das ist in einem Labor nicht erlaubt. Das ist genau so wie, dann müsstest du Autos verbieten. Du darfst halt keine Kinder tot fahren mit Autos, jedes Auto kann aber Kinder tot fahren. Also jetzt definiere uns mal, was du mit heimlich meinst, also definiere heimlich und so. Und so haben wir uns dann rangearbeitet. Und bei Blutspuren kommt es immer mal wieder vor, dass das sehr spannend ist für fortgeschrittene Todesermittler und Todesermittlerinnen, weil das einfach sehr sehr wenig gemacht wird und wir verstehen, was die Polizei überhaupt fragen will. Also wir liefern nicht so ein Gutachten ab, wo die Polizei hinterher sagt, ja okay, es stimmt alles was da drin steht, aber es hilft uns insofern nicht weiter, als dass unsere Frage nicht beantwortet wird. Also damit ist nicht gemeint, das Gutachten muss uns helfen, in dem was wir glauben, was passiert ist, so blöd ist kein Kriminalpolizist und keine Kriminalpolizistin, zumindest keine, die ich kenne.

Tim Pritlove
1:09:10
Mark Benecke
1:09:13

Genau, ich kann dir mal ein Beispiel sagen von einem Fall, den wir gerade haben, in einem anderen Land, also in einem europäischen Nachbarland. Da haben die uns die Akten gezeigt und haben gesagt, passt auf, wir hoffen, dass ihr versteht, was ein Ausschluss des Verdächtigen oder ein Einschluss des Verdächtigen ist. Die Polizei will ja auch gerne, wenn der Verdächtige nicht war, sind die ja froh, wenn der ausgeschlossen ist. Und dann haben wir gesagt, ja okay, da müssen wir uns jetzt sehr sehr viele Gedanken machen, das ist ein Fall mit wenigen Spuren, wo der Ausschluss sehr schwierig ist, wo aber zum Glück viele Gegenstände eine Rolle spielen. Jetzt müssen wir aber räumlich und zeitlich wissen, welcher Gegenstand gehört denn eigentlich wohin? Also so ein Kanister mit Blutspuren drauf, dann ein Klappstuhl, dann der Boden vor einem bestimmten Fahrzeug, dann was haben die anderen gehört und gesehen. Wir glauben natürlich Zeuginnen und Zeugen kein Wort, aber trotzdem ist mal interessant zu hören, was die sagen, weil wenn das zum Beispiel bestimmte Geräusche sind, die die selber nicht einordnen können, wo wir aber wissen, was für ein Geräusch das gewesen sein muss, dann kann das manchmal zeitlich ganz interessant sein. Und dann versuchen wir, das räumlich-zeitliche reinzubringen. Und die meisten Leute, die mit Blutspuren arbeiten, denken nicht räumlich-zeitlich, sondern die denken nur im Sinne des Auftreffwinkels der Blutspuren. Und solche Gutachten sind sehr sehr sehr aufwändig und die machen wir dann auch, das ist dann hauptsächlich für die Polizei. Und dann gibt es noch Insekten auf Leichen. Das war besonders interessant, als ich wiederkam aus den USA, da haben die eigentlich aus Neugier mich ganz oft zu Fällen geholt und haben mal geguckt, ob es was nützt. Haben dann festgestellt, dass es was nützt, ich habe auch Gutachten geschrieben, ziemlich viele sogar und das wurde dann übernommen von anderen polizeilichen Behörden. Also die haben dann die Gutachten sich angeguckt und haben gesehen, aha diese Expertise braucht man, so und so muss das Gutachten aussehen und so und das hat sich dann so nicht groß, aber das hat so ein kleines Eckchen dann bekommen, so manche Landeskriminalämter zum Beispiel machen das so ein bisschen.

Tim Pritlove
1:11:07
Mark Benecke
1:11:17

Das war früher oft der Fall. Also früher haben die oft oder habe ich auch oft Leichendatierungen gemacht, also wie lang lag die tote Person an der Stelle oder an einer anderen Stelle, wo Insekten dran kamen. Das heißt, nicht in einer angeschalteten Kühltruhe, da gehen keine Insekten dran. Leichen werden öfters eingefroren, besonders Babyleichen, also deswegen sage ich das. Und wir machen es aber anders hier im Labor. Wir gucken uns das so an, dass wir uns alle Insekten angucken, was sehr aufwändig ist, das können die meisten auch gar nicht, weil das sind sehr sehr viele verschiedene Tiergruppen, wir kennen aber genügend Leute, die uns helfen bei den verschiedenen Insektengruppen und deswegen können wir das überhaupt leisten hier im Labor. Ich glaube, das kann wahrscheinlich gar niemand anderes. Das ist super teuer und aufwändig und du brauchst super viele Spezialistinnen und Spezialisten. Und wie gesagt, wie ich das vorhin erklärt habe, oft kriegen wir die Hilfe halt von denen, weil die nett sind oder weil wir uns gut verstehen. Und dann schauen wir eher, ergibt das insgesamt Sinn? Also kann die Leiche, wenn die in dem Wald lag und von diesen Schmeißfliegen besiedelt wurde, kann die überhaupt bei den Feuchtigkeitsbedingungen da gelegen haben? Zum Beispiel wenn es wie Mörder geregnet hat, dann fliegen die Schmeißfliegen gar nicht. Oder ich war mal in Österreich bei einem Fall, da war ich Obergutachter, also da wurde das Gutachten komplett nochmal neu aufgerollt, da habe ich gesagt, keine Ahnung, ich nehme jetzt verfaultes Gewebe mit, gehe an genau den Straßengraben, wo die Leiche lag und dann schauen wir mal. Dann habe ich da zwei Wochen in so einer Pension gewohnt bei irgendeiner Oma, die sehr nett war und habe dann jeden Tag geguckt, welche Tiere da dran gehen und habe gesagt, das sieht irgendwie anders aus, als bei der Leiche, die die da gesehen haben. Kann jetzt sein, dass das Wetter anders ist. Also ich habe es zwar zur selben Jahreszeit gemacht, aber kannst du natürlich nicht wissen. Und dann habe ich mir gedacht, irgendwas übersehe ich hier. Dann bin ich mit so einem Thermometer rumgelaufen und mit so einem Lichtmesser, das siehst du mit bloßem Auge gar nicht, wie stark sich die Helligkeit verändert von einer Stelle zur anderen und dann stellte sich raus, dass da ein Schattenwurf durch den Graben entstanden ist, weil die Sonne, wenn die da lang wanderte, hat die zu bestimmten Zeiten Schatten geworfen und bestimmte Tiere gehen dann eher in den Schatten, wenn da Bäume und Sträucher sind und andere eher nicht. Da musst du natürlich total aufpassen, es kommt natürlich immer drauf an, aber durch die Experimente haben wir da einen besseren Griff und ein besseres Verständnis dafür bekommen, was man an der Leiche gesehen hat und ob die da wirklich die ganze Zeit in dem Straßengraben lag. Weil klassisch ist natürlich, dass eine Leiche, bevor sie im Graben liegt, vorher schon tot ist. Also die meisten Leute werden im Kofferraum oder sonst wo da hingebracht und lagen vielleicht vorher auch schon in einer Garage oder in einem Schrank. Und da kannst du aus der Art der Insekten, nämlich die, die im Freien leben, die im Gebüsch leben, die im Schatten leben, die in der Feuchtigkeit leben, die in der Garage leben, kannst du mehr rauskriegen. Also besonders interessant bei Leichen, die in Teppiche eingerollt werden. Also wenn die in Teppiche eingerollt werden, rollst du quasi die Jahreszeit oder wenn du Glück hast sogar die Woche oder den Monat, rollst du anhand der Tiere mit ein, die zu dieser Zeit gerade leben und dann hast du das, wenn du den Teppich aus dem Teich ziehst, hast du halt diese dort stehengebliebene Liegezeituhr …

Tim Pritlove
1:14:20
Mark Benecke
1:14:24
Tim Pritlove
1:15:01
Mark Benecke
1:16:23

Also nur mal was Allgemeines, biologisch ist, wenn du stirbst bricht ja nur dein Energiegleichgewicht zusammen, also mehr ist es ja gar nicht. Du bestehst ja nur aus lauter recyceltem Material und das wird dann halt wieder recycelt. Also das ist sozusagen eine wichtige Vorstellung, wenn du jetzt über den Tod überhaupt sprechen willst, dass das, was da stirbt in dem Moment, sind ja sozusagen, wenn wir nochmal auf Science Fiction und Philip K. Dick gehen wollen oder so oder Cyberpunk, das sind ja nur deine Erinnerungen, die jetzt da in deiner biologischen Festplatte sind, die ist dann halt nicht mehr auslesbar, mehr ist es ja nicht. Der ganze Rest ist ja beliebig. Ich meine, wo du dein Wasser trinkst, aus dem sich dein Körper zusammensetzt, ist ja egal, ob du das jetzt in Hawaii oder Mönchen Gladbach trinkst und daraus setzt sich das halt zusammen, das ist also zufällig. Und das knallt dann zusammen, also das funktioniert dann nicht mehr, dieses Energiegleichgewicht und dann passiert, was für uns nicht so interessant ist, sondern eher für die Rechtsmediziner und Rechtsmedizinerinnen, die Selbstauflösung des Körpers. Meinetwegen die Fetttröpfchen lösen sich in den Zellen, die Zellen lösen sich irgendwie auf, das Ganze kann austrocknen als Mumie oder kann zerlaufen als breiig-cremig zersetzte Leiche und so weiter oder die Körpertemperatur gleicht sich der Raumtemperatur oder der Umgebungstemperatur an, das untersuchen alles die Rechtsmediziner und Rechtsmedizinerinnen. Anfangs werden deine Muskeln starr, dann lösen sie sich wieder. Und für uns ist interessant alles, was entweder eine Spur ist, die an der Leiche klebt, das kann von irgendwie so ein Konfettipapierchen sein, was irgendwo rumlag und was aus einem bestimmten Locher kommt oder aus einer bestimmten Lieferung von Konfetti oder eine Knoblauchzehe, die auf der Leiche gekeimt ist, also einfach irgendwas, was dranklebt oder was am Tatort rumliegt, Kondome, kann aber auch was völlig … Zum Beispiel wir hatten mal in einer Biotonne, da war eine Leiche drin, da war unten so ein Prospekt drin und dann war hier ein Praktikant und der interessierte sich für Klamotten und dann hat der sofort gesagt, als der den Prospekt gesehen hat, der war total mit Fäulnisflüssigkeit war der durchdrängt, dann haben wir den ganz vorsichtig aufschwimmen lassen in Seifenwasser und dann einlaminiert, das war eine Sauarbeit, wenn du da einmal eine falsche Bewegung machst, zerreißt sofort alles und es ist vorbei. Und dann hat der gesagt, es sind Hosen in dem Prospekt, die waren in dem und dem Jahr in. Und ich so bist du da sicher? Und das kannst du natürlich nicht benutzen, aber dann kann man der Polizei sagen, wenn ihr Bock habt, könnt ihr den Hersteller des Prospektes rauskriegen oder die Herstellerfirma, die in dem Prospekt geworben hat, vielleicht ist es ja interessant, weil das eben direkt bei der Leiche lag, vielleicht auch nicht. Also das ist das eine, das sind so reine Dinge, Gegenstände, Lebewesen, die an der Leiche kleben oder so in der Umgebung sind. Und dann haben wir eher die Sachen, die in Bewegung sind, Maden auf Leichen, die noch leben, wo du dann die Leichenliegezeit bestimmen kannst, die recyceln halt das Körpergewebe. Spermien, die da irgendwie hingekommen sind, Fasern, das mache ich aber nicht, das gebe ich lieber den Kolleginnen und Kollegen, die gucken dann, zum Beispiel wenn wir jetzt uns umarmt hätten, hi wie geht’s und tschüss schönen Tag noch, dann hätten sich Fasern übertragen. Während, wenn wir jetzt mega gerauft hätten, hätten sich die Fasern anders übertragen von unseren Kleidungsstücken. Dann, was kann denn noch interessant sein, ach so ja, es können sich Dinge einfach lösen, zum Beispiel Haare lösen sich relativ früh, wenn du dich zersetzt. Das kann manchmal spannend sein, wenn die Leiche bewegt wird, wo hast du dann Haare liegen? Dann natürlich Blutspuren, in welchem Winkel sind sie aufgetroffen, wie schon erwähnt oder aber auch wie haben sie sich vermischt oder was sehr häufig der Fall ist, ist das überhaupt das Blut vom Opfer oder hat der Täter oder die Täterin sich verletzt? Also das ist so die Wolke, also das dreht sich gar nicht so sehr um irgendwas todesbezogenes, sondern eher die Leiche ist der Spurenträger oder die lebende Person ist der Spurenträger und ehrlich gesagt, ob die Person lebt oder tot ist, macht für uns ehrlich gesagt auch keinen Unterschied.

Tim Pritlove
1:20:08
Mark Benecke
1:20:11
Tim Pritlove
1:20:11
Mark Benecke
1:20:21

Ja genau, wobei man sagen muss, es gibt ja immer die angebliche Science of Deduction bei Sherlock Holmes, das stimmt aber so eigentlich nicht. Also der ist ja Chemiker, Sherlock Holmes ist ja Chemiker und der arbeitet zwar angeblich mit solchen Ableitungen, also quasi so vom Hölzchen auf’s Stöckchen kommen in einer logischen Kette, allerdings ist das System, was er benutzt, weil Arthur Conan Doyle hat das angelehnt an so einen Arzt aus Edinburgh, der auch sehr aspi-mäßig war, in Wirklichkeit sagt er, mache niemals Annahmen, es gibt nichts schädlicheres als Grundannahmen und viele andere gute Regeln, die eigentlich sehr stark zeigen, dass, wenn wir von Detektivarbeit hier reden, dann reden wir von Spurenarbeit, also im Fall von Sherlock Holmes chemischer Arbeit, die nur darauf beruht, dass du einen Ausschluss oder Einschluss wirklich hast. In den Krimis, also ich lese jetzt keine außer Sherlock Holmes, ich lese überhaupt keine Romane außer Sherlock Holmes, aber wenn ich mal einen Film sehe, zum Beispiel jetzt ist ja Hercule Poirot ist ja gerade, also Agatha Christie und so was ist gerade wieder, kommt, interessiert sich die neue Generation so ein bisschen für, Mord im Orientexpress war und der Mord auf dem Nil kommt jetzt demnächst und so. Da muss man sagen, da wird es schon gefährlich. Im Grunde genommen arbeiten die aber auch spurenkundlich. Also wenn du dir zum Beispiel die letzten großen Kinofilme, die an so klassische Krimis sich angelehnt haben, angeguckt hast, sind die eigentlich auch spurenkundlich. Nur die Krimileser und -leserinnen sehen was anderes, die sehen, der ist einfach total schlau und hat Logikketten, die sich aus menschlichen Befindlichkeiten abgeleitet haben, nachvollzogen. Und das liegt einfach daran, dass die Romanautoren und -autorinnen das machen müssen, weil sonst langweilig ist. Wenn du nämlich eine rein spurenkundliche Erwägung darstellst, dann verlierst du sofort die Leser und Leserinnen. Ich habe öfter Krimiberatungen gemacht und das hat immer immer damit geendet, dass die gesagt haben, okay dann machen wir so eine Szene im Labor, die sich schlau anhört. Kannst du uns bitte viele Fremdworte sagen? Und dann habe ich denen eine Szene im Labor mit vielen Fremdworten gesagt, kurz gesagt, niemand hat auch nur eine Silbe davon verstanden, das sollte cool und klug klingen und das war es. Und die gesamte restliche Geschichte dreht sich dann um was anderes. Aber wenn du Detektivarbeit sagst, stimme ich schon zu, wir sind, wenn du jetzt Sherlock Holmes, also chemischen, biologischen, naturwissenschaftlichen Detektivismus nimmst, das stimmt. Aber es hat nichts mit der klassischen Detektivarbeit zu tun, die du sonst oft hörst. Räumlich-zeitlich ja, räumlich-zeitlich das machen wir, das spielt auch bei den klassischen Krimis noch eine Rolle, aber der Beruf, den wir machen, ist tatsächlich von Arthur Conan Doyle und Edgar Allan Poe erfunden worden. Also der naturwissenschaftliche Detektiv stammt aus der Literatur ursprünglich, also ist ein Produkt der Industrialisierung. Weil man gesagt hat, Naturwissenschaften sind ja auch bei Verbrechen nützlich.

Tim Pritlove
1:23:14
Mark Benecke
1:23:19
Tim Pritlove
1:23:20
Mark Benecke
1:23:41

Also die echte Toxikologie ist eine klinische Sache. Da musste ich sogar eine Prüfung machen für meine Doktorarbeit, weil die gesagt haben, du gehst mal schön in die Anatomie, Rechtsmedizin und klinische Toxikologieprüfung. Das war super die Hölle als Biologe. Aber da ich halt in der Rechtsmedizin im Institut promoviert haben, wollten die das. Deswegen die klinische Toxikologie ist relativ chemisch und ein bisschen pharmakologisch. Also da geht es halt um Medikamente, aber eher auf der chemischen Seite. Und die Pharmakologen und Pharmakologinnen die gucken dann auf die Wirkung im Körper. Damit haben wir gar nichts zu tun. Ich habe aber viel gelernt, weil ich Chemie sehr mag, das war mein Lieblingsfach in der Schule. Und da spielen nochmal ganz bestimmte Reaktionswege eine Rolle, die du normalerweise gar nicht kennenlernst. Und das hängt eben damit zusammen, dass es einen Bezug zu Menschen und zu Medikamenten und zu Krankheiten haben soll. Wenn wir mit Giften zu tun haben, dann eigentlich eher mit der Wirkung auf die Tiere, also auf die Insekten. Wachsen die dann schneller oder langsamer? Je nachdem. Da wir aber sehr viele Fälle haben, in denen Substanzabhängige tot sind, weil du verwest ja nur, wenn dich keiner vermisst, sonst verwest du ja nicht oder wenn du entführt worden bist oder so was, aber in meiner Erfahrung ist der häufigste Fall, dich vermisst keiner, das heißt, du hast irgendwie keine Menschen, mit denen du viel Kontakt hast. Einsame Menschen, alte Menschen, Substanzabhängige, sozial desintegrierte und so weiter. Und da spielt das natürlich schon eine Rolle, ob diese Stoffe dann die Insekten langsamer oder schneller wachsen, weil sonst hast du eine falsche Liegezeitbestimmung. Wir haben den Dreh aber noch ganz anders gedreht. Mein Kollege James Clary und ich, wir waren in New York zusammen in der Rechtsmedizin, also im Institut für Rechtsmedizin als Biologen und da haben wir immer in den Zeiten, wo wir auf irgendeine Reaktion gewartet haben, wenn irgendein Gel hart werden musste oder eine Auftrennung von Bestandteilen in diesem Gel dauerte dann eine halbe Stunde, haben wir mit Insekten auf Leichen gearbeitet und da haben wir gesagt, okay, wenn die Gifte aufgenommen werden, könnte man das ja noch ganz anders verwenden, weil leider unsere ganzen Giftproben sind irgendwann weggeworfen worden, weil das gefiel den Leuten in unserer Abteilung nicht, dass wir ständig Leichengewebe da reinschleppen von Leuten, wo wir wussten, was für welche Gifte da drin waren. Und dann haben wir gesagt, na gut, dann gucken wir uns Spermien an. Und der Dreh, das ist aber nicht mehr giftkundlich, hat aber von Hölzchen zu Stöckchen in dieser kindlichen Weise, die ich vorhin geschildert habe, geführt, dann haben wir nämlich geguckt was passiert, wenn das Sperma von den Maden aufgenommen wird und die Leichen verwesen. Findest du dann die Spermienköpfe noch in den Maden? Weil das wäre natürlich sehr schön, weil dann weißt du, wer da irgendwas sexuelles vielleicht gemacht hat. Und das klappt zum Beispiel. Also so sind wir über den Umweg der forensischen Entomotoxikologie sozusagen dann wieder zu was ganz anderem anwendungsbezogenem gekommen. Ich bin aber immer up to date, was ich vorhin auch kurz erwähnt habe, was die ganzen Gifte angeht, die modern sind. Also Gifte, die Leute freiwillig nehmen oder auch nicht freiwillig, also insbesondere Date Rape, das spielt eine große Rolle, weil die Leute sich dann nicht dran erinnern, was passiert ist in der Zeit häufig und eben…

Tim Pritlove
1:26:39
Mark Benecke
1:26:42

Ja, irgendwelche Handlungen, das muss noch nicht mal eine Vergewaltigung sein. Also es könnte ja auch sein, ich erfinde mal was, dass jemand nur darauf steht, dass das Opfer sich in Giraffenhaut kleidet und irgendwelche verrückten Fetische. Die sind vielleicht sexuell oder auch nicht, also irgendwas passiert jedenfalls, die Leute wissen nicht, was los ist, das ist das eine und das andere … Warte mal, wo kamen wir gerade her? Ach so mit den Drogen. Und das andere ist halt die hohe Zahl an Toten durch Substanzen und das entsteht oft gar nicht durch die Substanz an sich, sondern durch was politisches, was dahintersteckt und da bin ich oft in Gesprächen mit Organisationen, die halt sagen, okay, wir müssen bestimmte Substanzen besser legalisieren, weil dadurch wird nur Schwarzgeld erzeugt, und das Schwarzgeld fließt wieder in andere illegale Sachen, zum Beispiel was wir jetzt gerade erleben, die sehr starken Mieterhöhungen zum Teil die kommen halt daher, dass Geld aus Drogen schwarz gewaschen werden muss durch Immobilienkäufe, dadurch gehören riesige Immobilien auf einmal irgendwelchen Arschlöchern. Ich meine, die gehören häufig so oder so Arschlöchern, das ist ein anderes Thema, aber jetzt gehören sie super Arschlöchern und die können natürlich dann machen was sie wollen, weil sie das Geld legal gewaschen haben. Deutschland ist ja, die neueste Schätzung von der GDP, von der Gewerkschaft für Polizei, vorgestern war, dass 100 Milliarden pro Jahr gewaschen werden in Deutschland durch so was. Also 100 Milliarden Euro, nicht irgendeine Währung, die nichts wert ist. Und da kriegst mal einen Begriff davon, wovon wir da reden. Und da ist natürlich dann sehr interessant, auch kriminalistisch könnte man bestimmte Sachen freigeben. Die USA haben die Erfahrung ja gemacht, die haben ja Cannabis, sagen wir mal, flapsig gesagt, jetzt freigegeben in vielen Bundesstaaten. Die schwimmen in Geld durch die Steuereinnahmen. Die verdienen mehr Geld durch die Cannabissteuer als sie jemals durch Alkoholsteuern verdient haben, sofort, das ist im ersten Jahr schon passiert. Die haben mehr durch Cannabissteuer eingenommen als durch Alkoholsteuer. Und natürlich dadurch, dass die … Die sind ja alle konservativ in den USA, also auch die Demokraten sind ja auch eine konservative Partei und die Republikaner sowieso, dann haben also die beiden konservativen Parteien, die es ja nur gibt, haben gesagt, okay, wenn wir schon Geld durch Cannabis einnehmen, dann wird das aber auch komplett nur in Drogenaufklärung, Drogenvorbeugung und dann der Klassiker Kindergärten und Spielplätze tatsächlich und Krankenhäuser gegeben. Und ohne scheiß, sie haben es gemacht. Und dann habe ich jetzt natürlich bei den entsprechenden Besprechungen gesagt, Leute nur zur Info, das ist schon passiert in den USA. Was wir hier in Deutschland für ein Zukunftsprojekt mit ganz vielen für und wider halten, ist schon längst passiert, kurz mal aufwachen und da bin ich auch sehr interessiert. Weil es gibt halt auch Substanzen, die kannst du auf keinen Fall legalisieren leider, weil da die Schäden zu groß sind. Bei Cannabis natürlich auch. Also wenn die Jugendlichen Cannabis zu sich nehmen, haben die halt auch diese sehr, die kannst du im MRT sehen die Gehirnschäden, bei Koks natürlich auch. Aber da muss man sich trotzdem drüber unterhalten, ob der soziale und kulturelle Schaden nicht größer ist als der, den die Leute dann in ihrem Gehirn haben. Nur das geht mich nichts an, das muss die Ethikkommission entscheiden, aber ich kann zumindest die Zahlen und Daten dazu liefern. Und ab einer bestimmten Grenze ist es halt nur noch schädlich für alle, da kannst du dann gar nichts mehr machen.

Tim Pritlove
1:29:45
Mark Benecke
1:30:10

Doch, nein nein, die Materialkunde mache ich nicht, das machen die Textilexperten und -expertinnen. Wir machen nur den wissenschaftlichen Teil hier im Team. Also wir machen nur, kannst du das experimentell nachvollziehen? Wir stellen auch das Delikt mit den Blutspuren nach. Also wir setzen hier regelmäßig die ganze Küche unter Blut, da muss ich auch neu streichen, habe ich gerade erst gemacht vor, weiß ich nicht, zwei Wochen oder so. Also das muss immer den wissenschaftlichen Regeln folgen, ist es nachprüfbar, also reproduzierbar, also jemand anderes kann es nachprüfen und kommt zum selben Ergebnis. Es beruht auf Experimenten und nicht auf Denken, Denken böse, hier wird nicht gedacht, wer hier denkt fliegt raus, wirklich ganz im Ernst und auch Logik spielt hier keine Rolle. Mir ist das egal, ob es logisch ist oder nicht, mir geht es darum, ob es experimentell so ist oder nicht. Ich meine, alle Entdeckungen in der Wissenschaft sind ja nicht gemacht worden, weil sie logisch sind, sondern weil sie beobachtet wurden einfach da sind. Und es muss auf dem Stand der Forschung sein. Also wir machen nur den wissenschaftlichen Teil davon, nicht den materialkundlichen. Wenn wir mal Materialien verwenden, klauen wir uns was, zum Beispiel mit Silikon, da haben wir mal was veröffentlicht für die Kriminalistik, die da neben dir steht, das ist so eine Zeitschrift, die von den Landeskriminalamtsdirektoren und -direktorinnen herausgegeben wird. Zum Beispiel wie kann man sehr sehr schwierige Oberflächen abformen oder wie kann man Fingerabdrücke, also die Linien auf der Haut, auf gebogenen Flächen, wo du diese Scheiße fast überhaupt nicht fotografieren kannst, abformen, so dass man die einfach geradeziehen kann mit Silikon und so. Aber in das, was man sich so vorstellt, was macht der Ingenieur bei UHU, den ganzen Tag mit Klebstoffen rumspielen, so was machen wir nicht. Oder in Schwaben, was weiß die Firma über ihre verschiedenen Fäden oder dergleichen oder die Reifenfirma, wenn wir Spuren angucken oder Schuhspuren, wie ist der Herstellungsprozess und die Zusammensetzung von dem Gummi oder so, das machen wir nicht.

Tim Pritlove
1:32:00
Mark Benecke
1:32:16

Ja total, aber das mache ich nur in dem Bereich, wo ich es kann. Also das heißt, da bin ich ein Scharnier einfach. Also wir haben zum Beispiel einen Kollegen von mir, der ist Sachverständiger für Wurzeln, für Baumwurzeln und der hat früher Privatleute beraten, wenn ein Baum in deine Wasserleitung reingewachsen ist. Nachbarn zanken sich ja immer, das ist scheinbar so bei Nachbarn und dann ist immer die Frage, von welchem Baum kommt es? Von meinem Baum oder von deinem Baum, wer bezahlt jetzt, dass das Wasserrohr da neu gemacht wird oder wieder hergerichtet wird? Also da zanken die sich zu Tode die Leute, da geht es dann auch um viel Geld und vielleicht auch darum, ob der Baum gefällt werden muss oder nicht oder wie oder was. Und das macht der dann und das reichen wir dann weiter. Die einzige Spur, die ich gerne benutze, ist, wenn Leichen unter Gewächsen liegen und die Gewächse eindeutig über die Leiche drüber oder hindurchgewachsen sein müssen. Das mache ich dann, da suche ich dann Leute, die sich mit den entsprechenden Gewächsen auskennen. Ich darf als Sachverständiger sogenannte, Hilfspersonen hießen die früher im Gesetz, darf ich Hilfspersonen zuziehen. Ich muss das dann transparent machen, wer was gemacht hat, das darf ich aber. Und dann ziehe ich die als Hilfspersonen zu, weil die natürlich von Leichen und Kriminalistik und vor allen Dingen von Haftung nichts hören wollen. Naturwissenschaftler und Naturwissenschaftlerinnen sind Feiglinge, also weil deswegen sitzen wir ja alle gerne im Labor und wollen nichts mit Menschen zu tun haben, weil uns das alles zu kompliziert ist und zu laut und zu hell und zu weiß ich nicht, schwirrend und flirrend. Und da mache ich dann eben das Scharnier. Oder was ich auch sehr gerne mache, wenn es um Pflanzenpollen geht, die wie schon erwähnt in den Nasennebenhöhlen sind, das erzähle ich dann einfach und dann sagt jemand, oh da haben wir aber so einen ähnlichen Fall und vermittle die Leute dann. Das ist dieses netzwerkartige, was wir vorhin schon mal besprochen haben.

Tim Pritlove
1:33:59
Mark Benecke
1:34:31

Also es gibt viele Fortschritte. Der eine ist im Bereich der Substanzen, also mit Substanzen meinen wir bei uns im Beruf immer Drogen. Nur für uns gibt es keine Drogen, was soll eine Droge sein, das ist kulturelle Festlegung. Also im Bereich der Substanzen, die andere Drogen nennen, gibt es sehr gute Fortschritte auf zwei Gebieten, nämlich erstens auf dem sozialen Gebiet, also dass wir besser verstehen, wodurch sie sich wann wie verbreiten, das ist sehr sehr hilfreich, das ist ganz ganz neu. Durch die Opiatkrise in den USA ausgelöst haben wir also verstanden, dass jede Art von Verbot von Drogen dazu führt, also Prohibition dazu führt, dass sie sich im illegalen Bereich ausbreiten, dadurch schlechter kontrolliert werden und das dann noch viele andere Effekte nach sich zieht, auf die ich jetzt, außer das interessiert dich, nicht eingehen will. Aber das können wir im Jahr 2020, da sind wir endlich an dem Punkt, wo wir durch Experimente, also die Prohibition von Alkohol damals in den USA und dann in den verschiedenen Ländern, Freigabe von Cannabis jetzt im Moment und dann aber auch Medikamente, die ja auch Drogen sind, in verschiedenen Ländern verschieden geregelt werden, könnten wir endlich mal eine vernünftige Lösung dafür finden. Ach so dann die Schweizer, die durch sehr schlechte und gute Zeiten mit Heroin auch gegangen sind, da ist jetzt experimentell sehr sehr großes Material vorhanden auf der sozialen Seite, das ist gut. Dann das zweite ist, wir kennen mittlerweile die Gehirnschäden gut durch die ganzen Substanzen. Also wie gesagt, bei Cannabis, Kokain jetzt mittlerweile gut untersucht, dann natürlich auch bei den ganzen Medikamenten, die angeblich immer gut sind und so weiter.

Tim Pritlove
1:36:08
Mark Benecke
1:36:10
Tim Pritlove
1:37:17
Mark Benecke
1:37:19
Tim Pritlove
1:37:28
Mark Benecke
1:37:34

Wie auch immer, die haben mit Langwaffen geschossen, das ist egal. Und die hatten so Kärtchen hinterlassen am Fundort mit so Sternen drauf. Und man dachte so, das ist so ein klassischer Serientäter bestimmt und da gab es diese Regel, das höre ich auch heute noch manchmal von so Leuten, die viele Krimis lesen, hellhäutige Menschen bringen hellhäutige Menschen um, dunkelhäutige Menschen bringen dunkelhäutige Menschen um, blablabla und so weiter, also so Faustregeln. Die stimmen statistisch auch, nur wie ich schon sagte, denken ist verboten und das ist denken. Statistische Ableitungen sind Bullshit, weil das ist ein Einzelfall. Eine Statistik bedeutet ja, dass, wenn 90% der Leute es so machen, dass 10% der Leute es nicht machen. Also diese Küchenstatistik bringt überhaupt nichts im Einzelfall, weil der Einzelfall ein Einzelfall ist. Und da war es dann so, da haben die ethnische DNA gemacht, die hatten da DNA-Spuren gefunden, weil die eben Sachen hinterlassen haben am Fundort und da hat man festgestellt, dass die nicht die Hautfarbe hatten von den Opfern, da war das zum Beispiel mal interessant, höchstwahrscheinlich nicht die Hautfarbe von den Opfern hatten. Das wird in ein paar Jahren soweit gehen, wie das in den Niederlanden ja schon erlaubt war, Körperlänge, Augenfarbe, Haarfarbe. Ich kenne keinen, der das interessant findet, weil deine Haare kannst du dir färben oder du hast graue Haare, was nützt mir deine genetische Haarfarbe. Jeder kann sich heutzutage durch plastische Chirurgie wirklich, ich weiß gar nicht, ob das jeder weiß, der das hört, aber du kannst dein Aussehen innerhalb von einem Tag grundlegend verändern, ohne dass das am nächsten Tag überhaupt noch jemand sehen kann, dass du irgendwelche dicken Schwellungen oder so was hast. Also deswegen ist das eigentlich relativ egal geworden, aber sagen wir mal, andere Sachen werden freigegeben, zum Beispiel Erbsubstanzmerkmale, die auf Krankheiten deuten, dann könntest du gucken, werden bestimmte Medikamente, die sehr selten sind, irgendwo gekauft, das geht alles. Also du kannst mittlerweile, da habe ich sogar einen Artikel auch wieder für die Zeitschrift Kriminalistik drüber geschrieben, weil Kollegen das erforscht haben. Du kannst von jedem Handy, wenn du das abreibst mit einem Wattetupfer, kannst du sehen, welche Medikamente derjenige nimmt. Weil die Stoffwechselveränderungen, die das Medikament mit dir macht, nicht von jedem Medikament, das nehme ich zurück, aber von denen, die interessant sind, Antidepressiva und alles mögliche kannst du durch einen Abrieb vom Handy also sehen, was derjenige für Medikamente nimmt oder die Zusammenstellung der Medikamente kann interessant sein.

Tim Pritlove
1:39:46
Mark Benecke
1:39:49
Tim Pritlove
1:40:46
Mark Benecke
1:40:48

Beides, den Schädel, den ausgekochten Schädel und die Schaufel und das passte wirklich wie Arsch auf Eimer, also jede einzelne Kerbe passte haargenau. Und da gab es auch nichts mehr zu diskutieren. Weil der Junge hatte dann, ich war bei der Verhandlung dabei, der Junge hat gesagt, ich weiß nicht wovon Sie reden. Da hat der Richter gesagt, okay passen Sie auf. Also das sind jetzt meine Worte, natürlich hat der Richter das nicht gesagt, aber der hat sozusagen durch die Blume gesagt, hätten Sie wenigstens zugegeben, Sie haben einen tödlichen Streit mit der Frau gehabt, weil die Sie beleidigt hat oder weil die Nazi war oder sonst irgendwas und aus dem Affekt heraus hätten Sie diese schlechte Tat begangen, dann wäre es jetzt vielleicht nur ein Totschlag oder so, aber wenn Sie sagen, Sie wissen überhaupt nicht worum es geht, dass die Heinzelmännchen – nochmal meine Worte – dass die Heinzelmännchen die Schaufel runtergetragen haben und dann ist die der vom Schrank auf den Kopf gefallen oder so, tut mir leid, da kommen wir nicht durch. Und was ich nicht weiß ist, was die Polizei noch beigesteuert hat, es gab da noch irgendwas anderes, interessiert mich nicht, habe ich nicht erfahren. Und der ist dann natürlich verknackt worden. Also es gibt sehr viele hochauflösende Methoden und was auch neu ist, ist natürlich Handydatenspeicherung. Das interessiert dich natürlich da mit den ganzen Chaos Computer Club Sachen, da sind ja alle mega paranoid deswegen, auch zurecht sind sie da paranoid. Wenn du mal eine echte Handydatenauswertung gesehen hast, ohne dass die Gespräche aufgezeichnet werden. Das machen die Geheimdienste, wir reden überhaupt nicht von Geheimdiensten, wir reden nur von stinknormalen Telefonanbietern, wenn denen die Erlaubnis erteilt wird, die Daten zu ermitteln, nur wer hat wann mit wem telefoniert, das kannst du dir nicht vorstellen. Also für die älteren, die hier zuhören, die kennen vielleicht noch die Filmserie Matrix, da gibt es immer so Szenen, wie sich die Zahlen und Buchstaben, wie die sich dann in bestimmte Welten verwandeln und genauso ist das, das ist unfassbar. Also das nennt man Massendatenauswertung, das kannst du dir nicht vorstellen, das ist wirklich live wie in Matrix, also wie in einem Science Fiction Film latscht du dann durch die Daten da durch. Das ist auch relativ neu, das mache ich aber nicht, das finde ich auch total langweilig, aber das ist eine neue Technik.

Tim Pritlove
1:42:38
Mark Benecke
1:42:41
Tim Pritlove
1:42:53
Mark Benecke
1:42:55
Tim Pritlove
1:42:56
Mark Benecke
1:43:18
Tim Pritlove
1:44:15
Mark Benecke
1:44:22

Das ist uns egal, wir sind die Sandkastenkinder hier, wir entwickeln die Methoden, wir sind die, die die Methoden entwickeln oder adaptieren muss man eher sagen. Also ich höre mich auf der ganzen Welt um, was die Leute machen, ich habe Aufträge von Lebensmittelfirmen, von der Polizei, von Privatleuten, jeder hat seine eigene Lebensgeschichte. Die ganzen Nerds mit ihrer Paranoia liefern auch oft interessante Anknüpfungspunkte, also Computernerds meine ich jetzt. Dann die ganzen Spezialisten, die keiner sieht, die im Museum irgendwo sitzen und weglaufen, wenn jemand kommt und das meine ich jetzt wörtlich so, die wirklich weglaufen, wenn jemand kommt, die liefern uns alle was, ich kann ja mal ein paar Beispiele sagen. Also Beispiel Nummer 1, was ich schon erwähnt habe, Abformung komplizierter Oberflächen. Eigentlich relativ kindlich, hatte vorher aber noch keiner gemacht. War besonders dann an der Schnittstelle zu Hautleistenabdrücken interessant. Dann kommunikative Sachen, die manchmal helfen, Missverständnisse, wenn die Polizei mit jemandem redet, aufzuklären. Zum Beispiel denken viele Leute, eineiige Zwillinge könnten dieselben Fingerabdrücke haben, seit bekannt ist, dass sie denselben genetischen Fingerabdruck haben. Dann haben wir das an zwei Fronten aufgebohrt, dann haben wir erst mal uns von Zwillingen, die wir kennen, die wir persönlich kennen, wo wir auch den Perso geprüft haben, aber die wir trotzdem persönlich kennen, die eineiig sind, haben wir die Hautleistenabdrücke genommen, haben aber gleichzeitig mal geprüft, wie man die Erbsubstanz von eineiigen Zwillingen vielleicht doch unterscheiden kann. Das haben zwei Kollegen und ich gemacht. Der eine ist Genetiker gewesen, der andere mehr biochemisch interessiert und ich, ist auch veröffentlicht worden. Und als wir das veröffentlicht haben, haben alle gesagt, das geht doch gar nicht. Und wir so, ja wir haben es aber gemacht. Also wir sind eher so die Sandkastenkinder, die nach Hause kommen, weißt du, Mama guck mal, und die Mama so, hä hier leben doch überhaupt keine Frösche, wo hat das Kind denn jetzt einen Frosch her? So ist das. Also das ist das, was wir machen, und was da rauskommt, kannst du nicht sagen. Das ist natürlich meistens nicht das, was an der Forschungsfront steht, aber wir verknüpfen die Sachen von der Forschungsfront mit dem Frosch aus dem Sandkasten, deswegen da ist alles möglich. Also die meisten Sachen, die die Kollegen und Kolleginnen, die hier mitarbeiten, reingeschleppt haben, da hätte ich im Traum nicht daran gedacht. Auch teilweise mathematische Verfahren. Eine Kollegin, die jetzt nicht mehr hier ist, die ist jetzt Bioinformatikerin geworden, die hat mit 17 das erste Praktikum bei mir gemacht, also die war wirklich bei der Sache. Die hat dann studiert, hat auch promoviert, auch in der Rechtsmedizin so wie ich als Biologin und die hat dann irgendwelchen mathematischen Kram hier reingebracht zur Berechnung der Wachstumskurven der Insekten. Weil wir das Problem haben, wenn wir ein Experiment machen, wer sagt uns, dass das genetisch immer noch dieselbe Fliegengruppe ist, dieselbe Art schon, aber dieselbe Gruppe, die wir vor fünf Jahren hatten, als wir die Wachstumskurven gemacht haben. Das Klima ändert sich, die Tiere ändern sich und das ist super kompliziert, da hat die sich mega reingefuchst, deswegen ist die jetzt auch Bioinformatikerin. Also jeder bringt irgendwas verrücktes mit.

Tim Pritlove
1:47:16
Mark Benecke
1:47:49

Ja, es gibt Schnittstellen tatsächlich zum Hacken. Also auffällig ist, dass wir nie nie nie Probleme hatten, obwohl wir natürlich genügend Leute haben, die da sich in unsere Systeme einklinken wollen, also aus Eigeninteresse halt oder auch aus Fremdinteresse. Und ich habe dann auch mal rumgefragt, warum das eigentlich nie passiert. Also gerade jetzt, Viren ist eh nicht so das Problem, weil wir alle nur Macs benutzen, während meine Frau allerdings PC benutzt und es stellt sich raus, dass das teilweise wirklich ganz seltsame Dinge sind. Also oft hatten wir, was heute zwei-Faktor-Autorisierung wäre, so verschiedene Schichten, also mehrfach-autorisierung, nicht gerade zwei-Faktor, aber mehrfach-Autorisierung, also mehrere Wände, so dass, wenn ein Passwort verraten ist, trotzdem nichts passiert. Das war das eine. Dann eine ganz interessante Sache, die auch mit dem Job direkt was zu tun hat, nämlich dieser, mich interessiert der soziale Zusammenhang nicht. Meine jetzige Mitarbeiterin, die Tina, der kannst du erzählen, was du willst, warum du jetzt ein Passwort von ihr willst oder an den Rechner möchtest oder an die Steckdose oder irgendwie an einen Schrank, die sagt einfach grundsätzlich nein, weil die sagt, ich weiß nicht worum es hier geht, nein Ende, also die ist einfach knochentrocken. Also das ist auch eine super Methode, um natürlich das Eindringen zu verhindern. Und meine Frau, da ist auch noch nie was passiert, die hat sich einmal vor 15 Jahren oder so mal einen Virus gefangen auf dem PC. Und die macht das so, die veröffentlicht einfach nichts, von dem irgendjemand was erfahren würde. Also entweder wir stellen es komplett offen, dann ist es aber auch völlig frei, wie bloodonline.de unser Blutspurenprogramm, wie gesagt werbefrei, anmeldefrei, alles frei oder es ist komplett versteckt. Und erstaunlicherweise ist es tatsächlich so, wenn du es versteckst und keiner weiß, dass es da ist, dann sucht auch keiner danach. Also das ist ganz lustig. Und hat uns auch, also diese Denkweise hat uns auch in den Fällen schon geholfen, weil natürlich die Täter und Täterinnen versuchen natürlich auch was zu verstecken. Und dann ist es immer ganz lustig, da die Schnittstelle, wenn du so willst, das wäre eine Spur, die das Lügenkonstrukt hackt, zu finden. Und das klappt immer. Also wenn du lange genug nach Spuren suchst, kriegst du das raus. Übrigens auch bei unschuldig verurteilten. Da findest du auch raus, was da schiefgegangen ist, warum die Person unschuldig verurteilt wurde, anhand von Spuren. Also die Spur oder die spurenkundliche Anwendung ist tatsächlich oft Hacking, wenn du das in Verbindung miteinander bringen möchtest.

Tim Pritlove
1:50:14
Mark Benecke
1:50:16

Ja.

Tim Pritlove
1:50:16
Mark Benecke
1:50:17
Tim Pritlove
1:50:30
Mark Benecke
1:51:54
Tim Pritlove
1:52:24
Mark Benecke
1:52:30

Wir haben auch schon mal eine sozialwissenschaftliche Veröffentlichung gemacht, da habe ich mitgeholfen, über Subkultursachen, die kannst du natürlich hinterher dann wieder naturwissenschaftlich statistisch auswerten oder du kannst zum Beispiel die statistische Aussagekraft mit normaler klassischer Mathematik testen. Also ab welcher Stichprobe ist das überhaupt aussagekräftig. Also how powert is the statistics here? Oder ist überhaupt die richtige statistische Methode angewendet worden? Nimmst du den Student Test, T-Test oder reicht ein Chi-Quadrat-Test oder funktioniert das alles überhaupt nicht, weil du keine Gleichverteilung in der Gauß-Kurve hast oder was. Da musst du dann eventuell andere Tests nehmen. Also das machen wir schon. Dann ich bin im wissenschaftlichen Feld sehr viel unterwegs, das sieht nur keiner. Zum Beispiel bin ich sehr oft der, wie soll man sagen, wie nennt man das, der Invited Speaker. Also ich habe gerade, war das letztes Jahr oder dieses Jahr, bei der deutschen Gesellschaft für Physiologie habe ich da so, wie soll man das nennen, so einen Festvortrag oder den Gastvortrag gehalten. Bei den Vorträgen hier, was ich gesagt habe, 100 Jahre Lucknow University in Indien, da war ich der Hauptredner. Bei dem Kongress jetzt hier in Mexiko war es auch so bei der Gesellschaft und das in Indien das sind die Zoologen, das sind ganz normal knochentrockene Universitätszoologen gewesen. Bei den Physiologen und Physiologinnen auch, das sind knochentrockene Wissenschaftler, die auch die Anwendung nicht schätzen, das mögen die eigentlich nicht. Also ich bin da schon viel unterwegs. Ich bin auch seit immer in der deutschen Gesellschaft für Zoologie. Da haben wir bei diesen, das habe ich sehr stark unterstützt bei diesem, also es gibt keine Menschenrassen bei der Jenaer Erklärung und so weiter. Rein wissenschaftlich, das habe ich auch stark mitbefördert, also ich bin da sehr viel unterwegs, nur das interessiert halt keinen. Weil wenn du Medical Detectives guckst, so eine Fernsehsendung, wo halt Kriminalfälle gelöst werden, berichtet natürlich keiner darüber, dass ich in den wissenschaftlichen Gesellschaften da tätig und aktiv bin. Also das ist das eine und dann, wie sich die Wissenschaft in der Gesellschaft aufstellt, habe ich keine Ahnung. Ich kann dir nur sagen, ich habe immer mitgemacht bei diesen March for Sciences, die habe ich auch finanziell gefördert, also ich war da auch Geldgeber und da war das so, dass die Kollegen und Kolleginnen, die da geredet haben, egal ob es Wissenschaftsjournalisten waren, Journalistinnen, Philosophen, Philosophinnen, egal wer da geredet hat, die haben nur geschwurbelt, vom ersten bis zum letzten Satz haben die nur Phrasen gedroschen, wir müssen, wir sollten, wir werden, blablablabla, es war nicht zum Aushalten. Und ich bin als einziger hingegangen und habe einfach dann irgendwas konkretes gesagt, was in dem Jahr halt gerade interessant war und habe dazu gesagt, welche Messungen und welche Daten es gibt. Da gibt es auch YouTube-Videos von mir, zum Beispiel habe ich neulich im Naturkundemuseum in Chemnitz habe ich mal einen Vortrag gehalten, der heißt auch so, Messungen und Daten zum Artensterben. Nicht, warum wir alle sterben werden oder ist das traurig, oder warum darf Omi keine Wurst mehr essen, sondern einfach nur Messungen und Daten, da kann jeder selber. Die Leute sind intelligent genug, um selber damit was anzufangen. Was Wissenschaften ansonsten machen in der Gesellschaft, habe ich keine Ahnung. Wenn ich bei Ethikkommissionen oder so was mal sitze, ich kann denen meistens nicht folgen, das sind nur Fremdwörter, verschachtelte Sätze und Dinge, ich weiß es nicht. Ich kann mit Fremdworten nichts anfangen, ich kann mit dem Begriff Ethik nichts anfangen, wenn der sich davon entfernt, dass man nach der Nützlichkeit fragt, was es ja ursprünglich bedeutet hat, also ich habe keine Ahnung. Die normalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie der Kollege Hölldobler, der dann auch einen Pulitzer Preis für sein Ameisenbuch gewonnen hat und so, die sind halt zur richtigen Zeit am richtigen Ort und können auch mal schön was erklären. Und das ist dann gerade auch mal fancy und die Menschen haben Bock dazu, sich das anzuhören. Aber das ist meistens reiner Zufall, was gerade cool ist oder wofür die Menschen bereit sind, das aufzunehmen oder nicht. Zum Beispiel jetzt hat die Zeit, die Abonnentenzeitschrift für so obere Mittelschichtbürger oder untere Oberschichtbürger, die haben ein großes Interview mit mir gebracht über das Artensterben, das fand ich auch super, das war auch klar und rein und ich durfte auch alle Fremdworte, die dann da zugedichtet wurden, entfernen und so weiter. Aber das war halt Raum und Zeit geschuldet, weil uns jetzt gerade die Erde wegbrennt und weil halt alle wissen, dass sie anstatt das Vernünftige und Richtige zu tun, nämlich halt keine Tierprodukte mehr zu verwenden, und zwar nie wieder, keins ab heute, lieber labern, obwohl die Messungen und Daten das Gegenteil zeigen. Und ich denke, da sind viele institutionell gefangene Menschen, die eben ihre festen Arbeitszeiten, wie du es vorhin geschildert hast, und ihren normalen beruflichen Aufstieg haben, besonders wenn sie eben kauzig sind und glauben, dass sie außerhalb dieses engen wissenschaftlichen Feldes sich nicht darstellen könnten, weil sei eben gerne Spezialisten und Spezialistinnen sind, was ich ja auch gut finde, die sind, also wenn ich Auftritte sehe, meistens versteht sie keiner. Also ich weiß nicht, ob das deine Frage war, aber das ist meine bisherige Erfahrung, auch mit denen, die ich lieb habe. Es gibt auch andere Kolleginnen und Kollegen, das sind diese seltenen Ausnahmen, die einfach durch die Wellen, die auf sie einschlagen, dann lernen, sich verständlich auszudrücken, aber was klügeres kann ich dazu jetzt leider nicht sagen, weil ich meistens einfach nicht verstehe was die sagen die Kollegen.

Tim Pritlove
1:57:48
Mark Benecke
1:57:53

Nein, es ist kein Problem. Ich habe bisher die Erfahrung gemacht, außer bei der deutschen Gesellschaft für Naturforscher und Ärzte, da bin ich auch schon sehr sehr lange Mitglied, auch über 20 Jahre, da klappt das sehr sehr gut, weil da ist die Ebene gut eingehalten, da sind Schulklassen eingeladen, die naturwissenschaftlich interessiert sind, und es sitzen nur naturwissenschaftlich Interessierte da, aber jeder, der einen Vortrag hält, bricht es auf die Ebene runter, sind wir mal ehrlich, sagen wir mal, Abiwissen Naturwissenschaften. Also natürlich bisschen mehr, da ist das auch okay, das ist der einzige Ort, wo ich mal sehe, dass die Informationen wirklich voll, wo jeder hinterher sagen kann, ich habe zu hundert Prozent verstanden, was da stattfindet. Aber in allen anderen Umgebungen nicht. Haben wir doch gerade erlebt, alle Leute, die zu Corona sich geäußert haben, also nochmal, wir sitzen hier gerade während Corona-Zeiten, haben es nicht geschafft, auch nur einen Satz ohne Fremdwort zu formulieren. Und 90 Prozent oder noch mehr der Menschen verstehen die Fremdwort aber nicht, die freuen sich, dass da jemand sitzt, der super klug ist und der darauf aufpasst, dass böse Viren oder was auch immer, man weiß gar nicht so genau was, dass die uns töten und der ist schlau und der kann gut reden, okay prima, und der kann was, aber die Leute haben nichts verstanden. Ich habe dann so ein Büchlein gemacht, das ist vor einem Monat erschienen, nein noch nicht mal, schon vor Erscheinen sind zwei Auflagen davon ausverkauft gewesen, also komplett vergriffen, nicht mehr erhältlich gewesen vor Erscheinen, weil das einzige, was wir als Ankündigung gemacht haben war, keine Fremdworte drin. Das war die einzige Qualifikation von dem Buch. Ach so und die zweite war, das sollte ich vielleicht auch noch sagen, nur eure Fragen. Was den Benecke interessiert, steht nicht drin, es steht nur das drin, was ihr uns gefragt habt während der ganzen Corona-Monate. Und vielleicht wäre das eine Sache, die interessant wäre, nämlich halt nur das beantworten, was die Leute überhaupt fragen, dazu muss man sie vorher fragen, was sie wissen wollen und zweitens keine Fremdworte. Ich habe diesen Vortrag auch schon gehalten vor großen wissenschaftlichen Verbänden und Organisationen, wo ich das an Beispielen gezeigt habe. Da sage ich sogar noch, keinen Text benutzen. Also zeigt nur Bilder und keinen Text. Und dann haben die halt immer hinterher, das war wie als ob der Kugelblitz durch den Raum gelaufen wäre, dann haben die immer gesagt, ja Mark das ist aber toll, dass du das machst. Aber das geht ja gar nicht. Dann sage ich so, ja aber ich mache das seit 25 Jahren so, was soll das heißen, das geht nicht? Dann so, nein okay, voll gut, dass du das machst. Also halt das kennt man ja, schön, dass das jemand macht, nämlich du, tschüss. Und klügere Dinge kann ich dazu nicht sagen. Ich kann auch schöne Beispiele, zum Beispiel wie der Wolfgang Hell, der den Nobelpreis bekommen hat für Elektronenmikroskopie, der hat einen total geilen allgemeinverständlichen Vortrag zum Beispiel, das gibt es. Also es gibt Leute, die das machen. Die Frau Nüsslein hat mit der Bild-Zeitung, als sie damals den Nobelpreis gewonnen hat, hat sie verständlich erklärt, da haben ihr die Redakteure wahrscheinlich auch geholfen, aber da haben sie es aber darauf zusammengeschmolzen, dass sie halt in ihrem Teich badet und sich einen VW kaufen wird von dem Geld. Aber gut, immerhin und sie konnte bisschen was reinschleusen. Aber okay, jetzt fällt es mir ein, während ich hier während dem Reden denke, du musst erst mal rauskriegen, was die Leute wollen, dazu musst du erst mal Leute kennen. Weil die meisten Forscherinnen und Forscher unterhalten sich ja gar nicht mit Nichtforscherinnen und Nichtforschern über das, was die Leute vielleicht interessieren würde, weil sie der Auffassung sind, meine Freunde und Freundinnen schlafen ein oder verstehen es nicht. Oder das passiert auch sehr oft, wenn ich mit Leuten reden, die ganz vorne an der Forschungsfront sind, in molekularbiologischen Sachen, dann sagen die immer, Mark lies das doch mal durch, wie findest du mein Paper? Und wenn ich dann zu denen sage, ich habe es zu 80 Prozent verstanden, aber die letzten 20 Prozent nicht, weil ich nicht in deinem Feld arbeite, dann sagen die, ach das ist aber schade. Das heißt, dann sind die traurig und persönlich angegriffen, aber manche Sachen sind zu kompliziert. Ich mache jeden Samstagmorgen seit 20 Jahren eine neue, nagelneue Forschungsveröffentlichung. Also wenn ich das nicht, sagen wir mal, zusammenpuzzlen kann, dann können das wahrscheinlich die Freunde und Verwandten der Leute auch nicht. Das heißt, was ich dann immer sage, wenn mich mal jemand fragt, geht zu Schulklassen, geht zu den Gruppen, die sich für das Thema interessieren, angeblicher Elektrosmog oder so was, geh doch mal hin und rede mit denen. Oder super auch Krankenschwestern, Krankenpfleger, technische Angestellte, Leute, die eigentlich sich durchaus für den naturwissenschaftlichen Teil sehr interessieren, die aber nicht einen Großteil ihrer Ausbildung damit gemacht haben. Geh doch einfach hin und rede mit denen. Dann sammelst du die Fragen und dann weißt du, wie du den verständlichen Vortrag halten kannst. Aber wenn du jetzt nach tieferen Dingen fragen wolltest, die weiß ich nicht, da kann ich dir nichts zu sagen.

Tim Pritlove
2:02:29
Mark Benecke
2:02:38
Tim Pritlove
2:02:42
Mark Benecke
2:02:44
Tim Pritlove
2:02:53
Mark Benecke
2:02:55
Tim Pritlove
2:02:56
Mark Benecke
2:03:09

Nein, Entschuldigung, das nehme ich zurück, das ist nur aspergerisch, das ist dann sozial nicht angemessen gewesen. Also ich habe eine sozial unangemessene Formulierung verwendet. Ich meine mit Schwurbeln das objektiv messbare Schwurbeln. Damit meine ich, Phrasen benutzen, die man zum Beispiel in jedem Zusammenhang verwenden kann, ich fordere, ich will, wir werden, ich kann und so weiter, dann wir müssen, wir müssen ist das beste, wer muss warum, schon diese beiden Worte sind doch Bullshit. Wir müssen gar nichts. Dann meine ich auch mit Schwurbeln und Phrasieren meine ich, du gehst überhaupt nicht auf in dieser Zeit, in diesem Moment tatsächlich vorhandene Fragen ein, sondern springst sofort auf die Ebene, das ist auf jeden Fall nützlich, das hilft immer, das weiß doch jeder, dass das gut ist. Oder springst ins Philosophische, aus jahrhundertelanger philosophischer Kenntnis leitet sich das ab, ja und? Kein Mensch hat diese Philosophen gelesen, niemand weiß wovon du redest, niemand weiß was du meinst. Und selbst wenn du Schopenhauer, Kant oder selbst wenn du reine Vernunft sagst, ja gut, jeder weiß, dass es da eine Buch gibt, was irgendwas mit reine Vernunft heißt, aber was die Definition, die in der Philosophie ja total eng ist, von rein und Vernunft ist, das weiß ja schon wieder keiner, weil natürlich niemand das Buch gelesen hat. Also deswegen so meine ich das, also ich nehme das zurück, dass, wenn das Geschwurbel was negatives heißt, ich meine damit diese leicht messbaren Bestandteile, die zeigen, dass es inhaltsleer ist, außer es nützt meinen eigenen Interessen, okay gut ja. Aber das beantwortet nicht die Fragen der Leute.

Tim Pritlove
2:04:44
Mark Benecke
2:05:48

Würde ich nicht machen. Weil das ist zu viel verlangt. Also wenn jemand zum Beispiel… Ich kenne einen von diesen Masernleugnern. Da hat einer, mit dem ich mal Berührung hatte, eine Art Rechtsstreit mit dem gehabt, ein Wissenschaftler, ein Arzt und ich würde jetzt auf diese Leugner oder Leute, die nicht bereit sind, wie du gesagt hast oder die keinen Bock haben oder die Mathe, Physik und Bio und Chemie immer doof finden und so, denen würde ich nur Angebote machen, weil der Tag kommt, wo sie es brauchen, der Tag wird kommen. Ihr Schiff säuft ab, es gibt einen Rechtsstreit darum und dann sagt der Reeder, ja da kann aber keiner was für. Oh dann brauchen sie aber auf einmal sehr viel Mathematik oder sonst irgendwas oder es wäre besser, wenn sie es verstehen würden, ob das jetzt wirklich gefährlich war oder nicht oder wie schnell das Schiff versunken ist oder es kommt eine Seuche, was auch immer, also die Seuche kommt, dann ist das schon gut, wenn ich eine Firma habe, zu wissen, welche Handlungen sind sinnvoll und welche nicht und was ist ein Beweis, der nicht von meiner Logik abhängt oder von dem was ich bisher gelernt habe, sondern von dem was jetzt gerade gemessen wurde. Das waren auch sehr viele Fragen anfangs über Corona, kann man Kartons verschicken, wie ist das mit Holz, was ist Metallplatten? Was passiert, wenn ich meiner Oma ein Buch schicke, die in Quarantäne ist und ich habe Corona und merke es nicht, stirbt die dann? Dann auf einmal hören die Leute alle zu. Wir waren gerade erst vorm Bundestag, das waren christliche Maskenleugner. Die haben irgendwie aus so einer christlichen Fantasie heraus haben die also Masken abgelehnt und geleugnet. Und da war es zum Beispiel so, mit denen konntest du nicht reden, die haben uns gesehen, wir hatten Masken auf, das hat denen schon gereicht. Und da kommst du nicht hin, das hat keine Sinn, aber wenn die dich was fragen, deswegen lege ich so eine Betonung darauf, was fragen die Leute, dann beantworte ich das denen. Jeder, egal ob der Mitglied einer Partei, die ich hasse, ist und das auch auf seinem Logo hat durch eine Farbe oder durch ein Symbol, jede oder jeder die sagt, ich glaube zwar nichts davon und ich stehe in meiner Firma als Spinner da und als Fanatiker oder Fanatikerin, aber jetzt wollte ich Sie doch mal fragen, da hast du die ja schon. Weil das ist die Schnittstelle, die Leute, die eine Frage stellen, zu beantworten und dann erreichst du super super viele. Ich habe den ganzen Sommer Insektenaktionen gemacht, konnten die Leute Insekten einschicken, habe die alle miteinander vernetzt und denen Tipps gegeben. Wer findet Insekten schon interessant? Keiner, außer es sind schöne Schmetterlinge. Das hat ein halbes Jahr gedauert, nach einem halben Jahr sind dreiviertel der Leute sagen so, oh auf einmal interessiere ich mich auch für Wanzen und Spinnen und so weiter. Das wollte ich gar nicht, da habe ich überhaupt nicht drauf hingearbeitet, das ist ein reiner Zufallseffekt. Wenn du die Fragen der Leute verständlich beantwortest, wird immer etwas Gutes daraus entstehen und sie werden die Grundzüge der Naturwissenschaften, nämlich dass du Dinge messen, also ein- oder ausschließen kannst, werden sie verstehen. Kein Problem. Dass da irgendwie ein Prozent Irre rumlaufen, die häufig auch gar nichts dafür können, weil sie eine Erkrankung haben oder schwere Lebensumstände oder sonst was, das ist ein anderes Thema, aber wir reden ja von, nehmen wir mal an, es wäre eine Wahl, dann möchte ich ja, dass ich die Wahl so vernünftig beeinflusse, dass sie eben auf naturwissenschaftlicher Wahrheit beruht. Wenn ein Prozent der Leute rumspinnt oder zwei Prozent, ist mir auch egal.

Tim Pritlove
2:08:56
Mark Benecke
2:09:41

Das ist völlig ohne Bedeutung, es kann nur der Einzelne was machen. Wieviele Klimaforscher kennst du? Manche Leute kennen ihn noch, weil er einen lustigen Namen hat, Hans von Storch in Deutschland, ansonsten kennt schon wieder keiner irgendjemanden. Wenn diese Institutionen, Potsdamer Institut, alle anderen, wenn die einfach hingehen würden und zwei Leute abstellen würden, die absolut, sagen wir mal, charakterfest sind, also die lassen sich weder trollen noch beleidigen noch sonst was, die ruhen in sich und dem Troll antworten sie beim ersten Mal, wenn der Troll mit derselben Scheiße das zweite Mal kommt, antworten sie halt nicht mehr, weil sie haben es ja schon beantwortet. Sie lassen sich nicht beleidigen, wenn ihnen einer die Kompetenz abstreitet, dann sagt man halt, gut ich akzeptiere, dass du meine Doktorarbeit für schlecht hältst, können wir jetzt wieder zurück zum Thema kommen? Ist kein Problem. Also wenn du da ein paar Leute hättest, die ein Gesicht dafür darstellen und die nicht sozusagen wie der Ranger oder so was, wo man dann sagt, Fernsehen finde ich aber gut oder schlecht und die gehören ja auch alle der Regierung, blablabla, sondern die einfach nur zu den Leuten gehen, die Fragen stellen, genau das, was ich seit 25 Jahren mache, dann hast du am Ende eine Armee, wenn du so willst, von Leuten, die wissen, dass das, was du erzählst, weder dein eigenes Interesse ist, erst recht nicht dein finanzielles, kulturelles, politisches, strukturelles Interesse ist und zweitens, dass du jede Frage beantwortest zumindest einmal und das funktioniert. Wir kriegen aus den letzten Orten der Welt, in Kalau, im Erzgebirge, im tiefsten Bayern fragen mich die Leute, wenn sie irgendwas nicht verstanden haben und ich antworte ihnen und sie wissen, dass ich ihnen antworte und auch in einer angenehmen Zeit, kurz und ihnen Verweise auf was verständliches gebe. Das heißt, wenn die Klimaforscher, die gibt es ja gar nicht, und Klimaforscherinnen, aber wenn man da mal ein Programm machen würde, dass die sich die verdammte Mühe machen würden und ihren Arsch einfach einmal die Woche, das sage ich auch wörtlich so, geht doch einmal die Woche, und zwar nicht mit Urlaub eingerechnet und sonst was eingerechnet, sondern 54 Wochen oder 52 Wochen im Jahr, das heißt 52 mal im Jahr jeder von euch in irgendeine Schulklasse, die euch irgendwas gefragt hat, dann könnt ihr ja mal ausrechnen, dann sind das tausend Leute mal 52, das sind ziemlich viele Schulklassen, das sind nämlich 52000 Schulklassen, in den ihr dann gewesen seid. Alle so, ja Mark, gut dass es einer macht und den Rest kennst du jetzt schon. Also ich habe die Erfahrung gemacht was Klimasachen angeht, wenn du die ruhig darstellst, zum Beispiel jetzt aktuell stelle ich immer vor, Hamburg, Bremen und Bangladesch und Niederlande saufen ab, an der aktuellen Karte und dann sagt nämlich keiner mehr, äh glaube ich nicht, sondern dann sagen die, seit 20 Jahren wissen wir, dass der Mark nur Tatsachen und Daten, die man prüfen kann, liefert, könnte wir prüfen, denn er hat uns die Quelle gezeigt. Machen wir aber nicht, das ist uns zu kompliziert. Und dann sagen die sofort, weil sie mich dann eben kennen, ja Bangladesch wäre mir egal gewesen, Niederlande ehrlich gesagt auch, Bremen und Hamburg sind mir aber nicht egal. Und anstatt jetzt darüber einen Kommentar zu machen, dass man sagt, wie bist du denn drauf, sagt man, prima, dann lass uns über Bremen und Hamburg reden. Das kommt, weil du Tierprodukte benutzt, woher weiß ich das, das zeige ich dir. Und wenn die dann sagen, oh ich esse aber so gerne Schinken, das fällt in die Kategorie Troll, das ist nicht getrollt, aber dann sage ich halt, okay dann iss halt weiter Schinken. Bis dahin ist alles angekommen, kein Problem. Also ich sehe das Problem nicht. Die Gesellschaft ist mehr als bereit dafür, dass ihre Fragen beantwortet werden, no problem.

Tim Pritlove
2:12:58
Mark Benecke
2:12:59
Tim Pritlove
2:13:56
Mark Benecke
2:13:59
Tim Pritlove
2:14:01
Mark Benecke
2:14:06
Tim Pritlove
2:14:07