Forschergeist
Horizonte für Bildung und Forschung
https://forschergeist.de


FG066 Klimaneutralität

Klimakompensation als Mittel der Öffentlichkeit zur Erreichung von Klimaneutralität jenseits politischer Verwerfungen

Eigentlich möchte doch jeder etwas für die Umwelt tun. Doch nicht nur, wenn die Lösung der Probleme von den sozial Schwachen bezahlt werden soll, stößt jede noch so gut gemeinte Initiative auf erbitterten Widerstand. Darüber hinaus führen viele Ansätze, mit denen die Weltgemeinschaft die Erderwärmung aufhalten will, am Ziel vorbei. Auch das Klima-Abkommen von Paris ist im Grunde schon heute zum Scheitern verurteilt. Wie also kann ein realistischer Ausweg aussehen, um dem Aufheizen der Erdatmosphäre Einhalt zu gebieten?

Franz Josef Radermacher, Leiter des Forschungsinstituts für Anwendungsorientierte Wissensforschung (FAW) in Ulm, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit diesen Themen. In dieser Folge nennt er die tatsächlichen Verursacher des Klimawandels. Und entlarvt anhand von Zahlen, dass manche Annahmen zu den Dimensionen von Umweltbelastungen und zur Effektivität von Gegenmaßnahmen einfach nicht stimmen. Sollten sich die Chinesen am deutschen Klimaschutz ein Beispiel nehmen? Besser nicht.

In der Umweltpolitik geht es im Kern um die Frage, wie Wohlstand verteilt ist, so Radermacher. Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Aber gerade im globalen Maßstab zu denken, fällt enorm schwer. Eigentlich wäre es sinnvoll, dafür zu bezahlen, dass der Regenwald im Amazonas nicht abgeholzt wird. Es würde sich langfristig rentieren, jenseits von marginaler Entwicklungshilfe die Aufforstung und die Entwicklung der Landwirtschaft in Afrika zu finanzieren. Das passiert aber ebensowenig wie das Elektroauto als Patentrezept zum Vermindern von Treibhausgasen kritisch zu hinterfagen. Radermacher legt den Finger in die offenen Wunden der Klimapolitik.

Diese Folge schließt an die Episode 023 an, in der Radermacher vor einem Zwei-Klassen-System beim Umweltschutz gewarnt hatte.

https://forschergeist.de/podcast/fg066-klimaneutralitaet/
Veröffentlicht am: 20. Februar 2019
Dauer: 1:40:36


Kapitel

  1. Intro 00:00:00.000
  2. Begrüßung 00:00:42.922
  3. Vorstellung 00:01:57.064
  4. Klima und Politik 00:05:15.442
  5. Das Abkommen von Paris 00:08:45.123
  6. China, Indien, Afrika 00:15:25.651
  7. Klimaneutrales Wachstum 00:25:19.122
  8. Hilfen für Schwellenländer 00:51:38.287
  9. Investitionen in den Klimaschutz 01:00:02.654
  10. Framing der Klimadebatte 01:07:09.013
  11. Brexit und Europäische Klimapolitik 01:15:40.491
  12. Klimakompensation 01:30:31.716
  13. Ausklang 01:39:23.160

Transkript

Tim Pritlove
0:00:43
Franz Josef Radermacher
0:01:54
Tim Pritlove
0:01:56
Franz Josef Radermacher
0:02:29
Tim Pritlove
0:02:30
Franz Josef Radermacher
0:02:47
Tim Pritlove
0:03:13
Franz Josef Radermacher
0:03:15
Tim Pritlove
0:03:48
Franz Josef Radermacher
0:04:39
Tim Pritlove
0:05:14
Franz Josef Radermacher
0:05:29

Also zunächst einmal sehe ich immer die Klimadebatte auch im Kontext anderer Themen. Und Klima ist heute nicht primär ein Umweltthema, obwohl die meisten das so sehen. Klima hat sehr viel zu tun mit Energie, deshalb mit Fragen der Macht, hat sehr viel zu tun mit Geopolitik, sehr viel zu tun mit Reichtum, aber natürlich indirekt dann auch mit Arbeitsplätzen und sozialen Fragen. Also insofern sind viele Themen irgendwo mit dem Klimathema eng verbunden und natürlich sind alle diese Fragen auch sehr verbunden mit der Veränderung der Verhältnisse in Bezug auf die Einkommensverteilung infolge der Globalisierung, wie auch infolge der Digitalisierung, und wenn man verstehen will, wie Trump möglich wurde, oder wenn man den Brexit verstehen will, oder wenn man auch die Veränderungen bei uns verstehen will, dann haben die auch viel damit zu tun, dass die Globalisierung und die Digitalisierung Verlierer erzeugt. In einem Umfeld, wo insgesamt die Wirtschaft wächst, gibt es Gruppen, die zumindest relativ deutlich verlieren. Diese Gruppen sehen nicht ein, warum die Globalisierung zu ihren Lasten läuft, also der Industriearbeiter in den USA sieht nicht ein, warum die Verbesserung der Lebenssituation des chinesischen Arbeiters zu seinen Lasten geht, während die Millionäre in seinem Land daran verdienen, dass sie das organisieren. Und da tun sich auch Elemente sozialer Spaltung auf, und die haben wir bei uns auch, und da kommen dann die verschiedenen Themen zusammen, und wenn man etwas genauer hinein schaut, wie bei uns zum Beispiel Aufnahme von Migranten praktisch umgesetzt wird, oder wenn man sich jetzt anguckt in Frankreich, wie versucht wird, das Umweltproblem zu lösen, dann löst man es oft zu Lasten der Situation sozial Schwacher. Das heißt, die Belastungen aus den Prozessen landen auch noch bei den sozial Schwächeren, die irgendwann das einfach nicht mehr mitmachen. Also es gibt gut situierte, weltoffene, sich grün gebende Personen mit hohem Gebäudebestand in Großstädten Deutschlands, die verdienen an den Migranten und reden gut über das globale Miteinander und dass wir alle füreinander da sein müssen. Aber ausbaden müssen es Leute, die irgendwann die Mieten nicht mehr zahlen können. Und beim Klima ist das so ein bisschen ähnlich. Da sind Leute, für die spielt Geld keine Rolle, aber zum Schluss soll es jemand bezahlen, der mit seinem Auto nicht mehr fahren darf, obwohl er sein Auto unbedingt braucht, und das Auto der größte materielle Besitz ist, den er hat. Und das macht die Situation so schwierig.

Tim Pritlove
0:08:43
Franz Josef Radermacher
0:09:20
Tim Pritlove
0:10:53
Franz Josef Radermacher
0:10:56

Noch Obama, und die haben, wenn man so will, den gordischen Knoten dann durchschlagen, und haben gesagt, okay, wir machen es jetzt anders, jetzt sagt jeder, was er freiwillig zu tun bereit ist. Wir haben nur ein halbes Jahr nach Kopenhagen in einer wissenschaftlichen Publikation beschrieben, wo sich das jetzt hinbewegen wird und das ist so in etwa das, was in Paris herausgekommen ist. Und es war vollkommen klar, was rauskommen würde, dass nämlich das, was materiell versprochen wird, bei Weitem nicht ausreicht, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Denn hätte man mit freiwilligen Zusagen das Zwei-Grad-Ziel erreichen können, hätte man es ja gleich in Kopenhagen machen können, und in Kopenhagen war es viel einfacher, weil da war sozusagen die Zusage des Einen immer bindend an die Zusage des Anderen, also spieltheoretisch war Kopenhagen viel günstiger für eine Lösung, die viel einspart, als Paris, weil in Paris sagt jeder, was er zu tun bereit ist, und da er unterstellt, dass der andere sowieso auch nicht besonders viel tut, wird keiner besonders viel tun, also wird in Paris eine Lücke rauskommen, die deutlich größer ist als alles, worüber man in Kopenhagen diskutiert hat. Das war in einer rein mathematischen Betrachtung alles vorher klar. Das spricht nicht gegen Paris, weil man ja die andere Lösung nicht politisch durchsetzen konnte, das war die Erkenntnis von Kopenhagen. Nach der Erkenntnis von Kopenhagen sind die freiwilligen Zusagen von Paris das Beste, was man kriegen kann, aber da ist eine riesige Lücke, das ist die sogenannte Paris-Lücke. Die Paris-Lücke beträgt für das Zwei-Grad-Ziel auf das Jahr 2050 bezogen ungefähr 500 Milliarden Tonnen CO2. Also wir haben eine Riesenlücke, wir müssen 500 Milliarden Tonnen über die nächsten 33 Jahre mehr einsparen, als die Zusagen von Paris beinhalten, wobei die Zusagen von Paris bei den ökonomisch schwächeren Ländern außerdem gekoppelt sind an massive Geldflüsse von den reichen Ländern in die schwächeren Länder. Das heißt, die haben zugesagt, bestimmte Einsparungen zu leisten, aber nur unter der Bedingung, dass Geld fließt, und das mindeste, was fließen muss, sind ab 2020 100 Milliarden Dollar pro Jahr, und im Moment weißt kein Mensch, wo diese 100 Milliarden Dollar herkommen sollen. Also ist zu Paris Folgendes zu sagen: Es ist schön, dass man sich auf Ziele verständigt hat. Wie üblich bei internationalen Deklarationen dieser Art, wurde aber Verantwortung und Geld vergessen. Also wir haben Dinge miteinander abgesprochen, für die wir nicht klären konnten, wer die Verantwortung hat und wer es bezahlt, und um das zu erreichen, was man das Zwei-Grad-Ziel nennt, brauchen wir etwa 500 Milliarden Tonnen mehr CO2-Einsparungen bis 2050 und dafür braucht man nach meinen Schätzungen etwa 500 Milliarden pro Jahr, das ist die Lücke, und dann kommt in Paris noch dazu, dass man plötzlich auf den Gedanken kam, dass man statt zwei Grad anderthalb will. Gut, ich habe jetzt über die zwei Grad gesprochen, von denen wir Welten entfernt sind, würde man nach anderthalb Grad wollen, müssen wir sicher nochmal 200-250 Milliarden Tonnen in den nächsten 33 Jahren einsparen, also zusätzlich, was nochmal massive Mehrkosten verursachen würde, wobei kein Mensch weiß, wo das Geld herkommen soll.

Tim Pritlove
0:15:25
Franz Josef Radermacher
0:15:29

Nein, das ist realistisch, und mir geht es in der ganzen Debatte ohnehin darum, dass viel mehr Realismus einziehen muss, weil viel zu viele Leute einfach so vor sich hin träumen, und mal so nebenbei so irgendwas unterstellen, und sagen, ja stellen wir uns mal vor, wir erhöhen den Anteil der Erneuerbaren alle 10 Jahre im Sinne von Verdopplung, dann werden wir das schon hinkriegen. Es wird aber nicht gefragt, ob es lebenspraktisch möglich ist, diese ganzen Verdopplungen überhaupt hinzubekommen. Ich will das Problem mal an folgender Beobachtung klar machen: Heute emittiert China mehr CO2 als die USA, Europa und Japan zusammen. Die meisten bei uns glauben immer noch, die USA seien das Problem - Nein, das eigentliche Problem sind die Chinesen. Wir tauchen da alle kaum noch auf. Das ist jetzt kein Vorwurf gegen die Chinesen, sondern das ist die Kehrseite der ökonomischen Erfolge Chinas. China hat mit Blick auf die Milleniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen den größten Beitrag geleistet, Menschen aus der Armut herauszuholen. Das sind die Industriearbeiter in China und die Milliardäre in China, das ist ein großer Erfolg, die Menschen sind aus der Armut raus. Die Gegenseite ist: China hat in unserem Jahr 2017 Hundert mal so viel Beton verbaut wie Deutschland. China hat in 5 Jahren so viel Beton verbaut wie die USA im ganzen letzten Jahrhundert. Und China hat jetzt pro Kopf höhere CO2-Emissionen als Europa, aber es gibt in Europa nur ein drittel so viel Menschen wie in China. Insofern ist jetzt China das Problem, aber letztlich ist auch China nicht das Problem. China darf nach Paris-Vertrag seine Emissionen weiter erhöhen, wird sie wohl die nächsten 20 Jahre noch um 2 Milliarden erhöhen, aber das ist gar nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem ist Indien und Afrika. Da sitzen heute 3 Milliarden Menschen und in der Zeit, über die wir reden, werden daraus 4. Diese sind heute bei einer Tonne pro Kopf, die Chinesen sind bei 7,5, die Europäer bei 6,8, die Deutschen bei 11. Wenn die Inder und die Afrikaner sich auch nur in Richtung 3-4 Tonnen pro Kopf bewegen, das wäre dann das halbe heutige chinesische Niveau, dann kommt in diesen beiden Riesen-, sagen wir mal ökonomischen Einheiten, indischer Subkontinent und Afrika, da kommt mehr CO2 dazu als China heute überhaupt emittiert. Also da kommt nochmal mehr dazu als USA, Europa und Japan zusammen, da kommt mehr dazu als wir zu dem Zeitpunkt eigentlich noch auf der ganzen Welt emittieren dürften, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen. Nun, da ist für jeden, der ein bisschen Mathematik kann, natürlich klar, wenn man überhaupt eine Lösung finden will, dann müssen entweder die ganzen Menschen in Indien und in Pakistan und in Afrika arm bleiben, das ist dann die Lösung, die emittieren wenig CO2 weil sie arm sind, dann hört da aber das Bevölkerungswachstum nicht auf, oder die haben den Wohlstandszuwachs, dann muss irgendeiner finanzieren, dass dieser Wohlstandszuwachs klimaneutral passiert. Das heißt, die größte Herausforderung, meiner Ansicht nach, ist heute, Technik, Geld und Gehirn der reichen Welt zu mobilisieren, um für Afrika, den indischen Subkontinent und weitere Länder klimaneutrales Wachstum zu ermöglichen, damit nicht der chinesische Weg zu Wohlstand repliziert wird, weil man kann ihn nicht replizieren, wenn man das Zwei-Grad-Ziel einhalten will, von einem 1,5-Grad-Ziel gar nicht zu reden.

Tim Pritlove
0:20:16
Franz Josef Radermacher
0:20:38
Tim Pritlove
0:21:27
Franz Josef Radermacher
0:21:31

Nein, nicht pro Person, sondern das ganze Pariser Abkommen lebt davon, dass die Nicht-Industrieländer noch das Recht haben, CO2-Emissionen zu erhöhen, bei denen ist die Messlatte, nach der man guckt, das ist sozusagen Wachstum des CO2 im Verhältnis zum Wachstum des BIP, also bei denen sollen die Emissionen langsamer wachsen als der Wohlstand wächst, weil man ja diesen Ländern zugesteht, dass sie Wohlstand brauchen. Es gibt das sogenannte Nachhaltigkeitsziel Nummer 8, da wird allen diesen Ländern ein materielles BIP-Wachstum von mindestens 7 Prozent auf dem Weg zur Nachhaltigkeit zugestanden, damit man aus der Armut rauskommt, ja? Man muss aus der Armut raus, auch China hat immer noch viel an der Armutsfrage zu tun, und deshalb macht China alles gleichzeitig, kein Mensch macht so viel Kohle wie China, China macht auch Atomkraftwerke, China macht ganz viel erneuerbare Energie, China macht ganz viel Aufforstung, aber China sind auch 1,4 Milliarden Menschen und ein ziemlich klimaineffizientes System, das heißt, die Chinesen haben pro Kopf mehr Emission als die Europäer, aber ihre Wirtschaftsleistung liegt unterhalb der Hälfte der Europäer pro Kopf. Das heißt, die erzeugen relativ viel CO2 für jede Wertschöpfungseinheit, weil sie noch nicht so durchoptimiert sind wie wir. Sich so durchzuoptimieren wie wir kostet ganz viel Geld, und da braucht man sehr viel Zeit. Da sind wir, also wir sind - relativ betrachtet - sauber, pro Wertschöpfungseinheit, haben aber natürlich die meisten Wertschöpfungseinheiten pro Kopf, weshalb wir die reiche Welt sind und die Chinesen sind immer noch, man würde sagen ein Schwellenland, unter den ärmeren Ländern jetzt vorne, aber längst nicht da wo wir sind, was den Wohlstand anbelangt.

Tim Pritlove
0:23:46
Franz Josef Radermacher
0:23:55

Ja.

Tim Pritlove
0:23:56
Franz Josef Radermacher
0:24:06
Tim Pritlove
0:25:07
Franz Josef Radermacher
0:25:08
Tim Pritlove
0:25:19
Franz Josef Radermacher
0:25:35

Gut, da kommen wir zu Überlegungen und einem Gedankenumfeld, das sich vor allen Dingen auch mit dem Club of Rome und dem Senat der Wirtschaft in der Wechselwirkung mit dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit entwickelt hat, und dieses läuft unter der Überschrift eines Marshall-Plans mit Afrka, also nicht ein Marshall-Plan für Afrika, sondern ein Marshall-Plan mit Afrika. Und diese Überlegungen zielen darauf, dass die afrikanische Bevölkerung sich in den nächsten 35 Jahren verdoppeln wird. Also Afrika wird von 1,2 Milliarden auf 2,4 Milliarden Menschen im Jahr 2050 anwachsen. Afrika ist einem gewissen Sinne der Problemkontinent, ist aber ein Kontinent, in dem sich die Zukunft der Menschheit entscheiden wird, wegen dieses wahnsinnigen Wachstums der Bevölkerung. Und die Frage ist: Ist Wohlstand mit Blick auf 2050 für dann 2,4 Milliarden Menschen in Afrika möglich? Das wäre ganz wichtig, damit dann das Bevölkerungswachstum irgendwann aufhört, weil die ungünstigsten Prognosen für Afrika sind 4,5 Milliarden Menschen am Ende des Jahrhunderts, also eine weitere Verdopplung nach 2050. Wenn man die nicht will, braucht man Wohlstand in Afrika. Man muss jetzt überlegen, wie könnte dieser Wohlstand klimaneutral aussehen? Unser früherer Bundespräsident Köhler hat eine wichtige Zahl abgeleitet und in die politische Debatte gebracht: Ein vernünftiger Weg in die Zukunft heißt: 20 Millionen neue Arbeitsplätze in Afrika, jedes Jahr, 30 Jahre lang, also 600 Millionen neue Arbeitsplätze in Afrika in den nächsten 30 Jahren, und die Frage ist ja jetzt im Raum, wo sind diese Arbeitsplätze, wo ist dieser Wohlstandsaufbau, in einer klimaneutralen Weise? Nun, ich beschreibe jetzt die drei Hauptkomponenten, und das sind auch die drei Hauptkomponenten, die wir im Rahmen des Marshall-Plans verfolgen: Der erste große Hebel ist Aufforstung: Aufforstung, Aufforstung, Aufforstung. Weltweit gibt es eine Milliarde Hektar degradierter Böden in den Tropen, frühere Regenwaldflächen, heute ausgelaugt. In Afrika etwa 200 Millionen Hektar. Diese ganzen Gebiete müssen aufgeforstet werden. Und diese Aufforstung bringt eine Menge benefits verschiedenster Art, im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Weil das den Boden schützt, vor Erosion, weil das den Wasserhaushalt stabilisiert, die Biodiversität erhöht, weil das materielle Ressourcen sind, die nachwachsen, zum Beispiel für Hausbau, weil man da Nahrung produzieren kann, weil da Arbeitsplätze entstehen - die ganze Holzkette ist zentral für eine vernünftige Zukunft der Menschheit. Klimatechnisch ist der entscheidende Effekt das Binden von CO2, das in der Atmosphäre ist, im Holz. Das nennt man biologische Sequestrierung, man holt mit dem Wachsen der Bäume den Kohlenstoff aus der Atmosphäre, und das Potential ist etwa 10 Tonnen pro Jahr und Hektar.

Tim Pritlove
0:29:40
Franz Josef Radermacher
0:29:41
Tim Pritlove
0:30:48
Franz Josef Radermacher
0:30:52

Ja, und das ist natürlich jetzt schon ein Kipppunkt, wo sich jetzt die Prozesse selber beschleunigen. Ich will aber darauf hinaus, dass auch die normale Landwirtschaft, die wir betreiben, sehr viel CO2 freisetzt, weil sie letzten Endes die Bodenbiotopgemeinschaften zerreist, und damit das Bindepotential des Bodens für CO2 abnimmt. Die wichtigste Komponente zur CO2-Bindung im Boden ist Humus. Was man tun muss ist, systematisch Humusbildung stärken. Eine der günstigsten Methoden ist, dass man aus Pflanzenresten und Holzresten eine Biokohle erzeugt, so etwas wie Holzkohle, und dass man letzten Endes diese in die Erde bringt, und dann wird der Boden zu einer Senke für Kohlenstoff. Also man holt den Kohlenstoff aus der Erde, mit den fossilen Energieträgern, das Ganze geht in die Luft, wird mit den biologischen Prozessen der Luft wieder entzogen, und wenn man klug ist, und das am Ende in Pflanzen und Holzkohle verwandelt, die man nicht energetisch nutzt, sondern in die Erde tut, dann wird das zu einer Senke für Kohlenstoff, das Ganze fördert massiv die Humusbildung, verbessert massiv die landwirtschaftliche Produktivität, und im Prinzip kann man sogar semiaride Böden, das sind die Böden, die in der Wüstenausbildung entstehen, in Afrika im großen Stil, diese Böden kann man reaktivieren. Also in der richtigen Strategie werden kaputte Böden reaktiviert für Landwirtschaft, man geht massiv in die Humusbildung, man verbessert massiv die landwirtschaftliche Produktion, man schafft massiv Arbeitsplätze, und in diesem Prozess holt man auch wieder das CO2 aus der Atmosphäre raus, und das sind wieder 10 Tonnen pro Hektar und Jahr, was sich so erreichen lässt, und es gibt wieder auf der Welt Flächen in der Größenordnung von 100, von 1000 Millionen Hektar, also eine Milliarde Hektar gibt es auch an dieser Stelle, und potentiell kann man wiederum etwa pro Jahr 10 Milliarden Tonnen aus der Atmosphäre rausholen, wie bei der Aufforstung, und dann hat man den zweiten Baustein. Zusammen kann man damit die Hälfte der heutigen CO2-Emissionen letztlich eliminieren, und die Situation deutlich verbessern.

Tim Pritlove
0:33:37
Franz Josef Radermacher
0:33:45

Also dies wird so erzeugt wie auch die Holzkohle erzeugt wird, das ist die sogenannte Pyrolyse. Das ist eine unvollständige Verbrennung, und als Ergebnis dieser unvollständigen Verbrennung hat man ein Material, das zu 80 Prozent Kohlenstoff ist. Für uns war diese Holzkohle früher ein entscheidender Energieträger. Das ist er nebenbei gesagt in Afrika immer noch. Hunderte Millionen Menschen in Afrika kochen mit Holzkohle, in Afrika werden nach wie vor Regenwälder zerstört, um aus dem Holz Holzkohle zu machen für das Kochen. Genau das alles darf nicht stattfinden, sondern die Regenwälder müssen stehen bleiben, aus allem Restholz muss Holzkohle werden, aber die Holzkohle wird nicht energetisch genutzt, sondern geht in die Erde, genauso wie Pflanzenreste, Pflanzenreste dürfen nicht abgefackelt werden, was heute üblich ist, nach der Ernte Abfackeln, nein, Pflanzenreste müssen eingesammelt werden, sie müssen über Pyrolyse in Pflanzenkohle verwandelt werden, da sind dann die Mineralien drin und der Kohlenstoff, und das muss in die Erde, und damit verbessert sich die Leistungsfähigkeit der Böden. Das Ganze ist natürlich mühselig, das Ganze braucht Arbeitskräfte. Das Ganze kostet Geld, also das Klimaproblem zu managen kostet natürlich Geld, irgendeiner muss das alles bezahlen, wenn es aber jemand bezahlt, bezahlt man die Arbeitsplätze, die wiederum diese Pflanzenreste über Pyrolyse in Kohle verwandeln, die man in die Erde tut, und das ist der Ansatz, wie man das Klimaproblem löst.

Tim Pritlove
0:35:36
Franz Josef Radermacher
0:35:37

Natürlich, da kommt all das Geld zum Einsatz. Natürlich brauchen die Leute dann zum Beispiel eine andere Möglichkeit zu heizen und zu kochen, und das ist jetzt die dritte Komponente. Die dritte Komponente sind synthetische Kraftstoffe, die klimaneutral sind. Also der Ansatz besteht im Grunde genommen darin, dass man mit erneuerbaren Energien, zum Beispiel aus der Sahara, Wasser aufspaltet über Elektrolyse, man bekommt den Wasserstoff und man bekommt den Sauerstoff. Dieser Wasserstoff ist natürlich ein entscheidender Energieträger, aber man würde diesen Wasserstoff jetzt mit CO2 kombinieren. Diese Kombination führt zu Methanol, und die Ökonomie, die sich daraus ableitet, ist die sogenannte Methanolökonomie. Ich persönlich glaube, dass wenn wir das Klimaproblem lösen wollen, die Energie auf dieser Welt etwa zur Hälfte in elektrischem Strom und zur Hälfte methanolbasiert sein wird. Und Methanol ist eine Flüssigkeit so ähnlich wie Öl, mit Methanol kann man alles machen, was man mit Öl macht, und noch einiges dazu, Methanol ist ein idealer Ausgangsstoff für Benzin und Diesel und Heizöl und alles mögliche andere, und wir sollten in den Sonnengürteln der Welt das Methanol produzieren, und indem wir das Methanol über die Nutzung von CO2 aus Energieproduktionsanlagen, aus Stahlanlagen usw. herstellen, das dort sowieso generierte CO2 einfangen, und in das Methanol einbringen, dieses setzen wir dann im Verkehr ein, und dann sind wir die Hälfte der CO2-Emissionen los.

Tim Pritlove
0:37:37
Franz Josef Radermacher
0:37:40
Tim Pritlove
0:38:06
Franz Josef Radermacher
0:38:15

Nein, ich verdanke das ja anderen, ich bin ja nicht der, der das erfunden hat. Es gibt da eine lange deutsche Tradition, die geht bis in die Zeit des dritten Reichs zurück, als man sich hier unabhängig machen wollte von Öl, weil wir für die Kriegsmaschine Deutschlands nicht sicher waren, dass wir immer genügend Öl haben würden. Heute ist der größte Methanolproduzent der Welt China. Also in chinesischem Benzin ist heute immer mindestens 15 Prozent Methanol beigemischt. Ich sagte eben, die Chinesen machen alles, die machen eben auch Methanol. Dass man aus Methanol das Rückgrat der gesamten Energiewirtschaft, da wo sie nicht elektrisch ist, machen kann, thematisieren heute verschiedene Autoren, auch Nobelpreisträger, die aus diesem Gebiet kommen. Ich habe da eine lange Verbindung zu Leuten, die von der RWTH Aachen kommen, da ist der frühere Forschungschef von Lurgi(?) dabei, da sind Leute von Degussa dabei, also das ist eine deutsche, sagen wir mal in der Chemie wissenschaftlich verfolgte Tradition, die allerdings im Moment in der Debatte zu kurz kommt, sie taucht jetzt aber auf, häufig unter der Überschrift Power to Liquid. Und das ist meiner Ansicht nach der Weg, den man auch für Afrika gehen muss, wir nennen das Desertec 2.0. Also die unglaubliche solare Kraft in der Wüste aktivieren zur Produktion von Methanol, das dann die Basis wird für die Versorgung Afrikas mit flüssigen Energieträgern, aber auch die Basis wird für uns in Europa, und das ist die entscheidende Alternative dazu, dass wir glauben, wir müssten alle Häuser energetisch sanieren, ganz teure Prozesse für wenig Klimaeffekt, und dass wir glauben, wir müssten alle Autos in Elektroautos verwandeln. Das ist ist ein absurdes Programm, und es gibt eine Alternative zu diesem absurden Programm. Und das ist eine Alternative, die gleichzeitig den sich entwickelnden Ländern wie in Afrika eine enorme Entwicklungschance eröffnet.

Tim Pritlove
0:40:45
Franz Josef Radermacher
0:42:04

Ja, so ist es gut beschrieben. Der Club of Rome war ja immer wesentlich involviert in die Entwicklung der Desertec-Ideen, diese Ideen sind auch absolut valide, man muss wissen, dass heute der größte Komplex zur Produktion erneuerbarer Energie in der Sahara in Ouarzazate in Marokko situiert ist. Übrigens mit starker Beteiligung der Bundesregierung, also Deutschland, KfW, war da wesentlich beteiligt, Minister Müller, BMZ, war da wesentlich involviert, also Ouarzazate zeigt genau die Leistungsfähigkeit der Idee. Was man verstehen muss sind zwei Dinge: Zum Einen haben die Deutschen mit dem erneuerbaren Energiegesetz, mit der Bevorzugung von in Deutschland hergestellter erneuerbarer Energie, einem Konkurrenzprodukt aus Afrika von vornherein die Luft abgedrückt. Also wir fördern die Innovation bei uns, wir fördern sie nicht in Afrika, mit der Förderung in Deutschland machen wir den afrikanischen Prozess tot. Das ist die eine Seite. Die zweite Seite ist, es gibt keine Leitungen, und bei uns gibt es genügend Leute, die Leitungen verhindern, die verhindern sogar Leitungen aus Norddeutschland in den Süden, weil ihr Programm ist, dass auf jedem Dach Photovoltaikanlagen stehen, die würden sich ökonomisch nicht rechnen, aber die rechnen sich, wenn es keine Alternative gibt, also muss man die Alternative verhindern. Deshalb ist Desertec schlicht daran gescheitert, dass wir, aus welchem Grund auch immer, gar nicht bereit waren, die Energie abzunehmen. Deshalb geht Desertec 2 jetzt auf eine Flüssigkeit, die vom Typ Öl ist, und für diese Flüssigkeiten haben wir andere Transportmöglichkeiten, und das sind Transportmöglichkeiten, die kann man nicht dadurch ausschließen, dass man keine Leitungen zulässt, weil es eben diese Transportmöglichkeiten, die Schiffe und alles, schon gibt, also man kann das Methanol nach Europa bringen, und das Methanol ist auch so preiswert produzierbar, dass es hier konkurrenzfähig ist, das heißt, es gibt es auch keine deutsche Struktur, die das Methanol vom Markt ausschließen würde, bis auf Regulierungen, das heißt, der entscheidende Punkt ist heute, auch wenn man das ganze Theater um die Automobile sieht, um die Automobilindustrie und die Flottenwerte der Automobilindustrie, wir müssen natürlich von Brüssel her eine Regulierung bekommen, bei der ein klimaneutrales Methanol dann in Flottenwerten auch so gerechnet wird, dass das keine Belastung der Atmosphäre darstellt, dass man dieses Methanol nutzt, oder anders ausgedrückt, wenn man das CO2 einspart in Afrika, in der dortigen Stahl- und Energieproduktion, um es ins Methanol zu bringen, dann muss dieser Effekt anerkannt werden, wenn man jetzt mit diesem Methanol und dem daraus gewonnenen Benzin bei uns mit dem Auto fährt, und wenn man das nicht anerkennt, dann kann man natürlich den Klimaeffekt nicht schöpfen, der in der Sache drin liegt. Man landet also zum Schluss immer bei Regulierungsfragen. Sie können sicher sein, dass starke Kräfte in Europa alles tun werden, damit das nicht zugelassen wird, weil diese Konkurrenz nicht gewollt wird, weil man das Elektroauto will, egal welche Probleme dann zum Schluss aus dem Elektroauto resultieren. Wenn man aber klug an die Sache herangeht, hat man hier eine Chance, enorm Co2 einzusparen, und unsere Autoindustrie zu stärken, und eine viel bessere Lösung für die Mobilität zu haben als in den Elektroautos.

Tim Pritlove
0:46:12
Franz Josef Radermacher
0:46:20
Tim Pritlove
0:47:50
Franz Josef Radermacher
0:48:32

Zumindest hat es eine Chance und es wird an dem Thema gearbeitet. Das heißt, es gibt Aktivitäten, zum Beispiel auf der Forschungsseite, im Bundeswirtschaftsministerium, und wir sind gerade dabei, mit dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und vielen Industriepartnern, die entsprechenden Projektprozesse auf, zum Beispiel, Nordafrika auszudehnen. Aber das ist ein Weg, weil das ist eine massive Veränderung des Denkens. Bisher haben wir immer ein Denken, das zunehmend territotialer wird, bei uns verengt sich alles in der Vorstellung, wir müssen alles in Deutschland machen, und es gibt eine enorme Ablehnung dagegen, dass Geld woanders hinfließt und dass man Dinge woanders macht, und das läuft dann auch immer alles gerne unter Ablasshandel und unter Ablenkung usw. Also politisch geht man an all das nicht gerne ran, aber ich persönlich bin überzeugt, dass wir zunehmend da herangehen werden, weil das, was wir heute politisch versuchen, meiner Ansicht nach chancenlos ist, und es ist vor allen Dingen eben deshalb chancenlos, weil die eigentlichen Klimaprobleme der Welt in Afrika und am indischen Subkontinent entstehen und sich akkumulieren, und wir feststellen werden, dass, egal was wir hier tun, wir dann auf diese globalen Prozesse praktisch keinen Einfluss haben, und die das Zwei-Grad-Ziel verunmöglichen. Das wird uns jedes Jahr deutlicher werden, weil im Moment laufen die Prozesse alle in eine Richtung, die völlig konträr zum Zwei-Grad-Ziel ist, das heißt, die Welt ist nicht auf dem Weg der Dekarbonisierung, und der eben schonmal zitierte Präsident Trump ist einer der größten Akteure auf dem Globus zur Verunmöglichung eines Weges in die Dekarbonisierung. Die Dekarbonisierung ist genau das Gegenteil von dem, was im Moment auf der Welt stattfindet. Und deshalb brauchen wir die Negativemissionen, weil überhaupt keine Chance besteht auf eine rasche Dekarbonisierung, alle Schätzungen, die seriös sind, laufen darauf hinaus, dass 2040 mehr CO2 aus fossilen Energieträgern entstehen wird als heute. Und die Träume davon, dass wir dann bei der Hälfte oder einem Drittel der CO2-Emissionen von heute aus fossilen Energieträgern sind, die sind alle am Thema vorbei, die Menge der CO2-Emissionen wird noch zunehmen, und zwar aus geopolitischen Gründen, aus Machtgründen, aus Gründen, die mit Industriepolitik zu tun haben, und die sich Null um das Klima scheren.

Tim Pritlove
0:51:37
Franz Josef Radermacher
0:52:06
Tim Pritlove
0:53:34
Franz Josef Radermacher
0:53:38
Tim Pritlove
0:53:40
Franz Josef Radermacher
0:53:42

Ja, aber wenn das, was zu passieren droht, sehr schädlich ist, dann ist doch vollkommen normal, dass man dafür bezahlt, dass etwas nicht passiert. Wenn jemand zum Beispiel sein Haus bewachen lässt, dann zahlt er dafür, dass etwas nicht passiert, nämlich der Einbruch. Es ist doch eigentlich vollkommen normal, dass man an den richtigen Stellen dafür bezahlt, dass etwas nicht passiert, nämlich der drohende Schaden. Und es ist oft sehr viel billiger, dafür zu zahlen, dass der Schaden nicht passiert, als den Schaden eintreten zu lassen und nachher zu versuchen aufzuräumen. Wenn wir reich und arm auf der Erde haben, und wenn insbesondere auch der reiche Teil der Welt will, dass dieses wunderbare Amazonasgebiet nicht angetastet wird, dann müssen wir dafür bezahlen. Heute zahlen wir aber nur, wenn man den Regenwald abholzt, denn dann zahlen wir für das Holz, wir zahlen für die Ressourcen, die im Boden sind, dann zahlen wir. Aber wir zahlen eigentlich nur dann, wenn das Gegenteil von dem passiert, was jeder kluger Mensch sagen würde, was wir wollen sollten und damit kommt man auch zum Kern dieser ganzen Umweltprobleme, die eben im Kern gar keine Umweltprobleme sind, sondern es sind Probleme über die Verteilung von Wohlstand, über die Frage, wer hat das Geld und wer hat es nicht, und wenn man sich eine Sekunde vorstellt, die Welt wäre ein Staat und eine Demokratie, dann wäre ja gar kein Thema, dass wir den Amazonas schützen. Dann wäre aber auch kein Thema, dass wir ganz anderen sozialen Ausgleich von den Gebieten mit hoher Wertschöpfung zu denen mit niedriger Wertschöpfung hätten, dann hätten wir sowas wie bei uns in Deutschland den Länderfinanzausgleich.

Tim Pritlove
0:55:40
Franz Josef Radermacher
0:55:41
Tim Pritlove
0:56:15
Franz Josef Radermacher
0:56:59
Tim Pritlove
0:57:20
Franz Josef Radermacher
0:57:21

Ja, weil wir das alles auch gemacht haben, wir haben es ihnen doch alles vorexerziert. Was haben wir in Nordamerika, als die Einwanderer nach Nordamerika gingen, was haben wir da Wälder vernichtet ohne Ende, das war doch Bonanza, all dies Holz war da, und kostete nichts, einfach nur zugreifen. Da ist ein Teil unseres Wohlstands entstanden, indem wir einfach zugegriffen haben. Und jetzt kommen die anderen, sehen, was wir so alles so hinbekommen haben, und wir sagen ihnen jetzt, dass sie das alles nicht dürfen. Das macht ja das Klimathema so schwierig. Die eigentliche Dynamik kommt von dem legitimen Wunsch der Ärmeren, aufzuholen. China, der legitime Wunsch Chinas, aus der Armut zu kommen, beschert uns jetzt CO2-Emissionen, die größer sind als die von USA, Europa und Japan zusammen, man kann da gar nicht gegen argumentieren, es ist das selbe, was wir gemacht haben. Nur das Ergebnis ist, dass sich die CO2-Emissionen mal eben verdoppelt haben, und das wird in Afrika und Indien ein weiteres Mal passieren, wenn uns nichts klügeres einfällt. Und über diesen Punkt wird bei uns praktisch nie geredet. Bei uns wird darüber geredet, ob wir was am Hambacher Forst machen, bei uns wird was darüber geredet, dass die Autos nicht mehr so schnell fahren dürfen, bei uns wird darüber geredet, dass wir alle Häuser energetisch sanieren, und vielleicht kein Fleisch mehr essen. Kleiner Überschlag zeigt sofort, das hat für das globale Klima alles im Wesentlichen keine Bedeutung im Verhältnis zu den Größenordnungen woanders, aber darüber wird nicht geredet, wird auch nicht darüber geredet, was wir für einen Beitrag leisten, nichts. Da kommt der absurde Satz, wir würden der Welt ein Beispiel geben, das, also wir wollen jetzt bei uns das erst mal alles hinkriegen, damit die Welt dann sieht, wie es geht. Man muss aber wissen, dass wir bei 11 Tonnen CO2 pro Kopf sind und die Franzosen bei 5. Jetzt kann man sich mal überlegen, wann das großartige Beispiel Deutschland auch nur auf das französische Niveau kommt, das ist dann vielleicht in 30 Jahren so weit. Die Chinesen sind in erneuerbarer Energie überall schon, wo wir sowieso sind, was sollen die von uns lernen? Das wissen die doch sowieso alles. Da wartet doch keiner darauf, ob wir irgendeinen Fortschritt bei uns erzielen oder nicht, das ist im Wesentlichen irrelevant, aber wir erklären uns über das Beispiel, dass wir das Richtige tun, wenn wir alle unsere Kraft hier einsetzen, obwohl das eigentliche Problem woanders ist.

Tim Pritlove
1:00:01
Franz Josef Radermacher
1:00:13
Tim Pritlove
1:01:10

Ja?

Franz Josef Radermacher
1:01:12

Dieses Problem haben wir gelöst. Wir hatten damals eine alternative Technik, wir brauchten FCKW nicht mehr für Kühlschränke, und die reichen Ländern haben den ärmeren Ländern gesagt, okay, ... steigt mit uns aus FCKW aus und was das mehr kostet, werden wir bezahlen, wir werden euch das Geld transferieren. Ihr werdet in die neue Technologie zu den selben Kosten einsteigen können, wir ihr zu FCKW-basierten Kühlschränken einsteigen könntet. Und auf der Basis dieses Deals haben wir das Ozonproblem gelöst. Wir sind nicht bereit, den selben Deal bei Energie zu machen, weil wir keine vernünftige Lösung haben, und weil es so unendlich teuer ist. Und deshalb machen wir es nicht, aber wenn wir es nicht machen, werden wir das Zwei-Grad-Ziel nicht erreichen. Und deshalb müssen wir überlegen, wo das Geld herkommen kann, wenn es jedenfalls über die Politik nicht aktiviert werden kann. Die Politik kann nicht in dieser Größenordnung das Geld aktivieren, weil die Bevölkerung schon böse wird bei der heutigen Entwicklungshilfe. Also wir haben ja nie die 0,7 Prozent geschafft, die wir versprochen haben. Wir dümpeln jetzt in Europa bei 0,4, die USA sind noch deutlich unter 0,4. Wir haben nicht mal die 0,7 geschafft. Das, was wir zur Lösung des Klimaproblems brauchen, das ist aber so ungefähr das Dreifache von 0,7. Das ist politisch völlig undenkbar, wir können das nicht über den politischen Prozess organisieren, weil die reiche Welt es nicht aushält, wenn ihr Geld woanders hingeht. Und deshalb muss man eine andere Lösung finden, mit der politischen Lösung, da sind wahrscheinlich nicht mal die 100 Milliarden zu schaffen, die laut Paris-Vertrag die Voraussetzung dafür sind, dass die Nicht-Industrieländer ihre freiwilligen Versprechungen einhalten. Nicht mal das werden wir hinkriegen, weil wir die 100 Milliarden pro Jahr nicht hinkriegen werden, und dass die USA aussteigen aus dem Vertrag, wird vor allen Dingen eine Konsequenz haben für diese 100 Milliarden, weil natürlich die USA davon einen spürbaren Beitrag bringen sollen.

Tim Pritlove
1:03:52
Franz Josef Radermacher
1:04:02

Das bedeutet es, und die zweite Seite: Die USA treiben massiv die Erhöhung von fossiler Energie voran, die USA haben in 10 Jahren ihre Ölproduktion verdoppelt, die USA sind heute der größte Ölproduzent der Welt, produzieren mehr Öl als die Saudis und mehr Öl als die Russen, und die Planungen der USA gehen dahin, in 10 Jahren möglicherweise mehr Öl zu produzieren als die Saudis und die Russen zusammen. Zusammen. Und das Ziel ist, niedrige Energiepreise für die US-Industrie, aber das andere Ziel ist, den Russen, den Iranis und anderen, die Luft abzudrehen, indem man einen niedrigen Ölpreis durchsetzt. Für eine Welt, die das Klimaproblem lösen will, und die Dekarbonisieren will, brauchten wir eigentlich einen hohen Preis für fossile Energieträger. Aber der Preis ist durch die US-Politik massiv runtergegangen, und man muss damit rechnen, dass das so weitergehen wird, weil aus rein geostrategischen Gründen macht Trump alles, um die Energieproduktion, sowohl Öl als auch Gas, der USA weiter zu steigern. Das ist ein entscheidender Hebel im internationalen Kampf um die Macht, und das ist das Gegenteil von Dekarbonisierung, Und ich kann nicht gut das Paris-Abkommen unterschreiben, wenn ich alles tue, mehr CO2 aus der Erde zu holen, wobei das Ziel ist, dieses Karbonmaterial dann überall zu verkaufen. Also im Moment drückt ja die US-Regierung mit großer Kraft gegen Nordstream 2, damit wir eben nicht die Energie aus Russland holen, sondern die Energie von den USA abkaufen,

Tim Pritlove
1:06:06
Franz Josef Radermacher
1:06:07
Tim Pritlove
1:06:08
Franz Josef Radermacher
1:06:10
Tim Pritlove
1:07:07
Franz Josef Radermacher
1:07:55

Na ich sehe das nicht so wie Sie, sondern ich glaube, die Bevölkerung ahnt instinktiv, dass es bei uns Diskurseliten gibt, die eigene Geschäftsmodelle verfolgen, und die bestehen in einem Framing des Problems, das darin besteht, dass man die Dinge hier vor Ort klären muss, egal wie teuer. Und dann landet man in der Umsetzung sehr schnell bei Mechanismen, die insbesondere auch Sozialschwache treffen. Also, nehmen Sie zum Beispiel energetische Sanierung von Gebäuden, dann mache ich Programme, die wohlhabenden Eigentümern von Wohnungen ermöglichen, ihre Wohnungen energetisch zu ertüchtigen, das Geld dürfen sie auf Mieter umlegen, die kaum die Mieten bezahlen können. Möglicherweise bekommen sie auch noch öffentliche Kredite für die Verbesserung der Situation ihres Eigentums. Sie profitieren. Bei uns profitieren sehr oft Eliten, und Leute mit viel Geld, an Maßnahmen, die als Umweltschutz ausgegeben werden. Und der Normalbürger, der hat nichts zu profitieren. Der Normalbürger ist der, der zahlt, zahlen, zahlen, zahlen. Mehr für Miete, mehr für Strom, und der Normalbürger ahnt, dass es andere Lösungen geben könnte. Aber diese anderen Lösungen werden systematisch ausgeblendet, das heißt, der Diskurs ist auf einen bestimmten Lösungstyp beschränkt, der aber genau der Lösungstyp ist, der das Problem global nicht löst, aber Eliten hier die Möglichkeiten eröffnet, und auch noch die Bevölkerung belastet, und dann die Bevölkerung irgendwann keine Lust mehr. Ich kann das gut nachvollziehen. Das ist das selbe Theater wie bei den Grenzwerten, die Diskussion, die wir jetzt haben, es werden absurd niedrige Grenzwerte festgesetzt, anschließend haben wir die Exekution von Entscheidungen von Richtern, die massiv in das Eigentum von Menschen eingreifen, und was wir nicht haben ist eine vernünftige politische Debatte darüber, ob wir diese Grenzwerte wollen, insbesondere ob wir diese Grenzwerte wollen, wenn anschließend diese Eigentumseingriffe mit der Exekution dieser Grenzwerte verbunden sind. Und dann fragen wir uns, wer hat eigentlich diese Grenzwerte gemacht? Und warum? Welches Programm ist dahinter? Wer versucht, das jetzt unbedingt vor die Gerichte zu bringen? Wer hat ein Interesse daran? Warum? Wer will uns unser Eigentum nehmen, für was? Und das sind jetzt die Debatten, die ablaufen, weil wir merken, da sind Frames über Regulierungen gesetzt, die bestimmten Interessen dienen, und die Möglichkeiten eröffnen, über bestimmte Hebel anderen Lebensstilmodelle aufzuzwingen, aber die anderen wollen diese Modelle nicht, die können sich andere Modelle vorstellen. Es gibt Leute, die würden sagen, ich bin sogar für meine Freiheit und für meinen Konsum bereit, mit einer Luft zu leben, die nicht ganz so sauber ist wie die Luft, die ich im Moment habe, so wie es Leute gibt, die sagen, weil ich Spaß am Skifahren habe, stürze ich mich einen Hang runter, obwohl eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass anschließend meine Beine gebrochen sind. Der Mensch kann sich für viel entscheiden, und wir hatten mal ganz andere Zeiten mit der Luftverschmutzung, und unsere Lebenserwartung wächst dauernd, und wir haben einfach keine Lust, uns dauernd von irgendwem erzählen zu lassen, wir müssen jetzt hier noch einen Grenzwert verbessern, wenn wir deshalb nicht mehr mit unserem Auto fahren dürfen. Wir haben ja nichts gegen Grenzwertverbesserung, solange wir es nicht merken, aber sobald es ökonomisch relevant wird, sobald es Geld kostet, da verändert sich die Sicht auf die Themen.

Tim Pritlove
1:12:01
Franz Josef Radermacher
1:12:42
Tim Pritlove
1:12:47

Ja.

Franz Josef Radermacher
1:12:48

Die gemeinsame Währung ist besonders günstig für die Starken in Europa. Die Schwachen in Europa haben nicht mehr das Problem, dass sie über eine Anpassung der Währungsrelation, ihre Wettbewerbsfähigkeit halten können, obwohl ihr Produktivitätszuwachs niedriger ist, also wir profitieren von der Situation, und die Griechen haben die Nachteile. Statt dass wir sagen, okay, in der Situation ist doch klar, das wir irgendwas tun müssen, um den Griechen zu helfen, haben wir einen Diskurs, die Griechen seien zu faul. Und dann versuchen wir noch, uns zu vermitteln, dass wenn die Griechen so wären wie wir, dann gäbe es ja kein Problem. Dabei hätten wir ein Riesenproblem wenn alle so wären wie wir, weil unser Vorteil ist ja gerade, dass die anderen nicht so sind. Aber das wollen wir nicht zugeben, wir tun auch immer so, als wäre das für die Welt gut, wenn wir der Exportweltmeister sind. Die ganze Welt ärgert sich mittlerweile über unsere Überschüsse, weil die Überschüsse des Klassenbesten immer auch natürlich negative Volumina auf der anderen Seite zur Folge haben, und man muss sich da was ausdenken. Nun, wir haben uns jetzt Dinge ausgedacht, über die europäische Zentralbank, und die führen dann zu einer Null-Zins-Politik usw., das macht dann auch alles Sinn, das ist auch eine Art, wie man die Kohärenz in Europa finanzieren kann, wir machen das aber so, weil das dann der Bürger nicht so merkt. Weil der Bürger soll nicht so merken, dass etwas passiert, was das Richtige ist, weil wir das Richtige schon dauernd als falsch diffamiert haben. Das heißt, wir haben einen absurden Politikdiskurs. Das ist auch der Diskurs über das böse Brüssel, nicht? Alle fahren, fahren sie alle nach Brüssel, um was zu beschließen, anschließend fahren sie nach Hause und sagen, das haben diese Bösen da in Brüssel beschlossen. Nein, das war der richtige Beschluss, und alle zusammen haben es in Brüssel beschlossen, aber weil sie ihrer Bevölkerung nicht vermitteln wollen, warum sie beschlossen haben, was sie beschlossen haben, und dass es nötig war, was sie beschlossen haben, versuchen sie sich jetzt billig aus der Sache rauszuholen, indem sie dauernd alle auf Brüssel schimpfen. Und die Folge ist natürlich davon, dass zum Schluss die Menschen meinen, das Böse säße in Brüssel, und nicht in einer Welt, in der es bald dreimal so viele Chinesen gibt wie Europäer, ist es dringend notwendig, dass wir zumindest die Einheit Europa haben, wenn wir uns im Konzert dieser großen Kräfte auf der Erde noch einigermaßen behaupten wollen, wenn wir unsere Kultur und unseren Wohlstand erhalten wollen, brauchen wir ein starkes Europa und dann müssen wir überlegen, wie wir Europa stärker machen, wie wir zum Beispiel die Demokratie in Europa stärker machen, weil wir ein stärkeres Europa brauchen, und nicht auch noch Europa schlecht reden.

Tim Pritlove
1:15:38
Franz Josef Radermacher
1:16:19
Tim Pritlove
1:17:40

Ja.

Franz Josef Radermacher
1:17:41

Also mit anderen Worten, mit genügend viel Fantasie kann man sich Lösungen ausdenken, die keiner versteht, die aber materiell so sind als wäre man im Wesentlichen drin, aber man ist dann doch nicht drin und man kann dann im Ausnahmefall auch mal irgendwas machen, und mit ein bisschen Flexibilität und viel Gehirn, kriegt man es dann hin. Ich hoffe, dass wir da noch rauskommen werden. Das heißt, wir leben jetzt sozusagen in der Zuspitzung eines entscheidungstheoretischen Problems, dieses Problem ist schwierig, da gilt Prioritäten haben Posterioritäten zur Folge, einen Tod muss man sterben, das ist ein bisschen eine Auseinandersetzung vom Typ Prisoner's Dilemma, ein bisschen vom Typ Ultimatumspiel, ist ein bisschen was wie Pokern, gucken, wer die Nerven hat, bis wann. Also ich glaube, so wie dieser Prozess im Moment angelegt ist, gibt es noch eine vernünftige Chance, dass im Endergebnis die Briten im Wesentlichen in der EU bleiben. Meiner Ansicht nach ist das auch demokratietheoretisch die angemessene Lösung, weil die Briten im Grunde genommen über eine absurde Frage abgestimmt haben. Die haben abgestimmt über Verbleib oder Nichtverbleib in der EU, ohne die Konditionen zu kennen, die mit dem einen oder anderen verbunden sind. Bei den meisten Menschen ist es aber so, dass wenn sie über irgendwas entscheiden, da spielen dann die Konditionen über die Sache eine große Rolle, also bei der Frage, willst du ein Haus kaufen oder nicht, spielt eine Rolle, ist da vielleicht noch eine Erbpacht drauf, darf da noch einer 10 Jahre drin wohnen, was kostet das Haus? Und erst, wenn ich das alles weiß, dann kann ich sage, okay, ich kaufe oder ich nicht ... Also man könnte das erste Votum der Briten mal so interpretieren, dass sie zumindest den Gedanken zulassen, dass sie raus wollen. Und jetzt wäre eigentlich der Auftrag, mal zu verhandeln, zu welchen Konditionen kann ich raus? Welche Alternativen habe ich? Dann kenne ich die Angebote, und dann würde ich in einer zweiten Entscheidung darüber entscheiden, ob ich bei dieser Angebotslage nun wirklich raus will, oder ob ich dann doch lieber drin bleibe. Und diese Chance besteht ja immer noch, das heißt, vielleicht kommen die Briten in den nächsten Wochen noch dahin, dass sie die, sozusagen die finale Frage nach Ausverhandeln in einem zweiten Referendum klären. Das wäre eigentlich das Klügste, was sie jetzt tun könnten.

Tim Pritlove
1:20:17
Franz Josef Radermacher
1:21:19

Ja, wobei allerdings, sagen wir mal, die geopolitischen Fragen weltweit auf einer ganz anderen Ebene liegen als in der kleinen EU. Also insofern ist die EU eigentlich der einfache Fall, und an diesem einfachen Fall haben wir ja auch sehr viel richtig gemacht. Ich bin im Moment mit dem Senat der Wirtschaft in der Entwicklung von Ideen für die Zukunft Europas. Europa ist heute schon ein teilsouveräner Staat, man muss aber die volle Souveränität Europas entwickeln, aber dazu braucht man auch die volle Demokratie in Europa, man braucht ein voll verantwortliches Parlament, man braucht eine andere Rolle für den Rat, der ja die Regierungen repräsentiert. Wenn man das alles klug durchdenkt, dann kann man Europa fortentwickeln, sehr klug, zu unserer aller Vorteil. Das heißt natürlich, dass deutlich mehr Budget auf die europäische Ebene muss. Wir müssen dafür nicht mehr Steuern zahlen, die entsprechenden Volumina müssen auf der nationalen Ebene abschmelzen, weil die EU Aufgaben übernimmt, die bisher die Nationalstaaten übernehmen. Die EU sollte vernünftigerweise die Aufgaben übernehmen, die die EU besser übernehmen kann als die Nationalstaaten, so dass wir eigentlich für unser Geld mehr bekommen als heute. Dafür müssen aber die Europäer erst einmal die ... Europaebene müssen sie stärken wollen. Mit dem jetzigen Budget lässt sich so etwas wie ein vollsouveränes Europa nicht gestalten, wir, es gibt viele Stellen, wo wir auf europäischer Ebene viel für ganz Europa klug tun könnten, und da müssen dann auch über ein paar Jahrzehnte die entsprechenden Volumina in Richtung Brüssel, und da ist durchaus ein vernünftiges Programm für Europa denkbar, aber es muss eben zu einer vollen Demokratisierung führen, sonst ist es für die Bürger nicht annehmbar, und das Geld muss für die Europäer auch wirksam werden. Also bspw. durch europäische Beiträge zu einer Mindestsicherung für alle europäischen Bürger, so dass alle Menschen in Europa wissen, dass Europa was für sie tut, und dass Europa für sie auch persönlich wichtig ist, mal ganz abgesehen davon, dass wir über Europa unsere Rolle in der Welt absichern.

Tim Pritlove
1:24:00
Franz Josef Radermacher
1:24:43
Tim Pritlove
1:25:35
Franz Josef Radermacher
1:25:45
Tim Pritlove
1:26:25
Franz Josef Radermacher
1:26:29
Tim Pritlove
1:27:21
Franz Josef Radermacher
1:27:25
Tim Pritlove
1:27:28
Franz Josef Radermacher
1:27:29

Aber sagen wir mal, dann würde es auch unmittelbar über diesen Austausch der Budgets wandern, das könnte man auch machen, in Europa haben wir das so gemacht und wir werden unsere Ziele erreichen, und Deutschland leistet seinen Beitrag. Und das ist genau die Richtung, wie man sich auch in Zukunft weiterentwickeln sollte, und dann sollte Europa dazu beitragen, dass wir zum Beispiel europäische Ziele, teilweise auch dadurch erreichen können, dass wir etwas in Afrika tun, das dann bei uns anrechenbar ist. Das war im Kioto-Protokoll so, das war der sogenannte Clean Development Mechanism, der gilt auch heute noch, weil das Kioto-Protokoll noch bis 2020 läuft. Ich gehe auch davon aus, dass wir etwas ähnliches ab 2020 wieder bekommen werden, und was die meisten Leute gar nicht gemerkt haben: In Katowice wurde nicht über die Ambitionen verhandelt, in Katowice war nicht das Thema, wie man die CO2-Volumina auf der Ebene der Versprechen verbessert. In Katowice hat man nur über das sogenannte Rulebook verhandelt, und das ist, sagen wir mal, die bürokratische Struktur des Messens und Verrechnens, die wiederum die Voraussetzung dafür ist, dass man einen internationalen Mechanismus bis 2020 etablieren wird. Und das ist ein entscheidender Baustein einer zukünftigen Klimaarchitektur, und da muss sich Europa natürlich entsprechend einbringen, aber das Problem ist, dass wir viel zu viele, mittlerweile, in Deutschland und Europa haben, die mit dem Schlagwort Ablasshandel gegen alle diesen internationalen Mechanismen argumentieren, und nicht mal mehr den Austausch innerhalb Europas zulassen wollen, sondern sich zunehmend national verengen, bei einem Thema, nämlich CO2, was ein globales Thema ist, weil es der Atmosphäre vollkommen Wurst ist, wo das CO2 in die Atmosphäre geht, und auch vollkommen Wurst ist, wo es wieder aus der Atmosphäre rausgeholt wird.

Tim Pritlove
1:29:38
Franz Josef Radermacher
1:29:49
Tim Pritlove
1:30:28
Franz Josef Radermacher
1:31:26

Also ich bin ein großer Fan dieses Ansatzes, weil ich glaube, das ist die einzige Chance, das Klimaproblem überhaupt zu lösen. Wir brauchen private Akteure, die bereit sind, das nötige Geld aufzubringen, um die globalen Probleme im Klimabereich zu lösen. Ich habe dazu ein Buch geschrieben, der Milliarden-Joker, und ich unterstütze das BMZ in einer neuen Initiative, die heißt Allianz für Entwicklung und Klima. Und was wir tun ist, wir fördern, wir fordern alle privaten Akteure, und insbesondere solche, die über viel Geld verfügen, und das sind in der Regel solche, die sehr hohe CO2-Emissionen haben, also Leute mit 100 Tonnen im Jahr, 200 Tonnen im Jahr, 400 Tonnen im Jahr, wo der deutsche Durchschnitt bei 11 ist, und viele bei uns mit 5 oder 6 Tonnen auskommen, und der Bangladeschi mit weniger als einer Tonne. Wir haben Leute, 500 Tonnen, aber die haben wir auch in Bangladesch, das sind die Reichen in Bangladesch, haben wir auch in Indien, das sind die Milliardäre in Indien. Diese Leute, die haben einerseits ein großes Interesse daran, die Klimakatastrophe zu vermeiden, weil die ganz viel Wohlstand vernichten wird und diese Leute viel von diesem Wohlstand besitzen. Diese Leute haben auch deshalb Interesse daran, das Klimaproblem zu vermeiden, weil sonst in einer Hysterie bei uns massive Eingriffe in die Lebensstile kommen, man merkt das jetzt im Moment bei den Dieselfahrzeugen, aber man merkt das auch bei Forderungen, kein Fleisch zu essen, und nicht so viel zu reisen usw. Also es gibt Gruppen mit entsprechender Leistungskraft, die hochmotiviert eigentlich sein müssten, das Klimaproblem zu lösen, und unsere Aussage ist, und die Aussage der Aktivität des Ministeriums, nehme dein Geld und stecke es in super Projekte in Nichtindustrieländer, hochwertige Projekte, und diese Projekte sollen zwei Dinge tun: Die sollen in diesen Ländern den Wohlstand fördern, die sollen alle SDGs der Vereinten Nationen unterstützen, die sollen Frauen helfen, Kindern helfen, der Biodiversität, den Wäldern, den Meeren, mach was Vernünftiges in diesen Ländern.

Tim Pritlove
1:33:57
Franz Josef Radermacher
1:34:00

Das sind die Sustainable Development Goals, das sind die Ziele der Weltgemeinschaft, und dann sollen die selben Projekte gleichzeitig bilanziell dem Klima helfen. Und das sind dann Aufforstungsprojekte, Humusbildung, Schutz von Mangrovenwäldern, aber zum Beispiel erneuerbare Energien, synthetische Kraftstoffe usw., und stecke in alles das dein Geld rein. Und entweder mach die Projekte, oder kaufe Zertifikate, und wenn du Zertifikate kaufst, ist das Geld weg, also dein entscheidender Beitrag ist, dass du dein Geld nimmst und gibst es ab. Es ist weg, du kannst es nicht mehr selber ausgeben. Du kannst auch mit dem Ausgeben von deinem Geld an der Stelle keinen Schaden mehr machen. Das Geld ist woanders, und es ist irgendwo, wo es Menschen hilft, der Natur hilft, und dem Klima hilft, und mach das, mach das im großen Stil, und mindestens in dem Umfang, wie du selber CO2 emittierst. Wenn du also jemand mit 10 Tonnen bist, dann kompensiere mal mindestens 10 Tonnen, das kann jeder machen. Es kostet im Moment, je nach Zertifikat, vielleicht 100 Euro, dann nimmt man 100 Euro, sie sind weg, man gibt die 100 Euro, nach Afrika, in Projekten, wo die NGOs dabei sind, wir reden nur über hochwertige, zertifizierte Projekte, wo WWF und Greenpeace und alle diese NGOs beteiligt sind, so hochwertige Projekte brauchen Förderung, und diese Projekte helfen den Menschen, helfen der Natur und helfen dem Klima. Und das sollten wir in großem Stil tun, und glücklicherweise hat die Allianz, die Minister Müller und sein Ministerium im ... September in Gang gesetzt haben, September, Oktober letzten Jahres, heute schon 160 Partner. Und darunter sind so attraktiver Partner wie die Münchner Rückversicherung, das ist die größte Rückversicherung der ganzen Welt, die mehr als alle anderen weiß, was droht, da ist SAP dabei, ist der Club of Rome dabei, ist Ritter Sport dabei, ist aber auch zum Beispiel das Schokoladenmuseum in Köln dabei, ist auch ein Bundesligaklub dabei, also damit Sie merken, das ist eigentlich etwas, das müsste die ganze Bevölkerung erfassen. Wir könnten, meiner Ansicht nach, das Klimaproblem alleine dadurch lösen, dass der Privatsektor, der das nötige Geld hat, dieses Geld in die Projekte steckt, und damit Entwicklung fördert, damit Bevölkerungsgrößen stabilisiert und gleichzeitig das Klima stabil hält, indem dieser Wohlstandszuwachs klimaneutral erfolgt.

Tim Pritlove
1:36:54
Franz Josef Radermacher
1:37:06
Tim Pritlove
1:37:10
Franz Josef Radermacher
1:37:18

Das sind Dinge, an denen wir jetzt arbeiten. Also wir wollen über das Bündnis bewirken, dass ganze Branchen, etwa Tourismus oder zum Beispiel Autovermietung, zumindest immer die Kompensation automatisch mit anbieten, vielleicht dass wir dahin kommen, dass jemand, der nicht kompensieren will, ein Kreuz machen muss. Und wer kein Kreuz macht, in dessen Preis ist die Kompensation schon drin, damit ist das alles schon geregelt. Also wir brauchen sozusagen Multiplikatorinstrumente, die immer mehr Menschen dazu bringen, dass sie automatisch diese Kompensationen finanzieren. Dann sind wir viel weiter. Es ist übrigens interessant, dass die Schweiz auf jedem Liter Benzin oder Diesel etwa 3 Cent zusätzlich erhebt, und die gehen in Kompensation. Das macht in der Schweiz schon die Regierung, das heißt, da ist in dem Sinne das Auto klimaneutral als auf Benzin und Diesel schon der Zuschlag ist, über den man global die Neutralisierung der Emissionen finanziert. Und da müssen wir eigentlich hin, wir müssen an möglichst vielen Stellen, das ist dann, wenn man so will, eine Art Internalisierung der externen Kosten, aber entscheidend ist für diese Internalisierung, dass die Umsetzung relativ preiswert ist, und das ist sie bei diesen Projekten, zum Beispiel in Afrika, im Verhältnis zu Sanierung von Gebäuden hier. Also der Klimaeffekt pro Euro ist dort 10 mal so hoch, der Hebel ist viel größer, und deshalb brauchen wir diese Orientierung an den SDGs in den Nichtindustrieländern, damit wir SDGs fördern und Klima fördern, und das zu Kosten, die man stemmen kann.

Tim Pritlove
1:39:18
Franz Josef Radermacher
1:39:32
Tim Pritlove
1:39:33