Forschergeist
Horizonte für Bildung und Forschung
https://forschergeist.de
Über unsere Persönlichkeit und den Wert der Unterschiede
Jule Specht ist Psychologin und Professorin an der Berliner Humboldt-Universität. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Persönlichkeitsentwicklung, Wohlbefinden, Persönlichkeit und soziale Beziehungen. Sie ist zudem Mitglied der „Jungen Akademie“, einem Thinktank für wissenschaftliche und wissenschaftspolitische Fragen, die besonders den wissenschaftlichen Nachwuchs betreffen.
In dieser Episode sprechen wir mit Jule Specht darüber, was Persönlichkeit in einem wissenschaftlichen Sinne ist, was unsere Persönlichkeit formt, wie sich eine Persönlichkeit im Laufe des Lebens entwickelt oder wie sich Männer und Frauen in Ihrer Persönlichkeit unterscheiden. Wir werfen einen Blick auf das Berufsleben, das Teile unserer Persönlichkeit besonders fordert oder formt, beispielsweise bezüglich unserer Gewissenhaftigkeit. Und auf welche Persönlichkeitsmerkmale achten eigentlich Unternehmen bei der Mitarbeiterauswahl?
Zum Ende hin streifen wir noch die Frage, wie man mit Big Data Rückschlüsse auf die Persönlichkeit ziehen und uns damit vielleicht auch manipulieren kann, und erkennen wenig überrascht: Wir sind nicht mehr weit entfernt davon, dass uns unser Smartphone sagen kann, wie glücklich wir gerade sind.
https://forschergeist.de/podcast/fg061-persoenlichkeitsentwicklung/
Veröffentlicht am: 27. Juli 2018
Dauer: 1:56:30
Hallo und herzlich willkommen zu Forschergeist, dem Podcast des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft. Mein Name ist Tim Pritlove und ich begrüße alle zu Nummer 61 unserer Gesprächsreihe über Wissenschaft, wissenschaftliche Aspekte, Forschung und vieles mehr und heute wird es persönlich. Heute möchten wir sprechen über die Persönlichkeit des Menschen und die Entwicklung derselben und dazu begrüße ich meine Gesprächspartnerin, Jule Specht, schönen guten Tag.
Ich muss sagen, so Psychologie ist so eins von den Dingen, wo ich mir früher immer dachte, das wäre bestimmt total langweilig, aber gehört so eher zu den Kandidaten, wenn ich heute drüber nachdenke, was vielleicht auch mal ganz sportlich sein könnte, weil man da so weite Einblicke eigentlich erhält in den Menschen, was ja dann vielleicht auch in anderen Bereichen mal ganz hilfreich sein kann.
Und dann habe ich überlegt, was ich denn dann studieren könnte und dann hatte ich Verhaltensbiologie in der Oberstufe erst und dann fand ich das so cool, dass ich dachte … Und ich fand auch Mathe immer ziemlich gut und dachte dann, dann könnte ich ja Psychologie studieren und habe mir so ein paar Bücher ausgeliehen und mich in der Unibibliothek verkrochen.
Ja, auch das Lernen lernt. Und wenn man irgendwie, ich hatte gleich so eine Faszination irgendwie für das Fach und habe dann, als ich eben viel drüber gelesen habe, gemerkt, dass es einfach so ein buntes Fach ist, dass da so viele Dinge drin sind, von denen man vielleicht schon mal gehört hat oder auch nicht, aber die einem dann irgendwie Dinge erklären, die man vorher nicht wusste und deshalb habe ich mich dann da eingelesen und fand dann, das ist eine gute Wahl. Und dann habe ich irgendwann gemerkt, die Psychologie ist eben doch irgendwie eines der Superthemen, da will ich gar nicht so schnell weg und bin deswegen dabei geblieben.
Ja, das ist schon tough, aber ist ja immer so, dass es ein bisschen eine komplexe Situation ist, wenn man Kinder hat und gleichzeitig noch irgendwas anderes macht. Das ist ja im Beruf auch nicht anders. Genau, aber eigentlich kann ich das nur empfehlen, weil das natürlich eine Lebensphase ist, wo man viele Freiheiten hat. Freiheiten im Sinne von, man muss jetzt nicht von morgens um 8 Uhr bis 16 Uhr irgendwie im Büro sitzen oder so, sondern man kann da so ein bisschen schieben.
Ja, ich meine es gab so was wie einen Unikindergarten und so, das ist ja immer schon mal was, aber ja, im Prinzip war es so, dass man sehr viel individuelle Unterstützung hatte, im Sinne von, dann ist man halt zum Prof gegangen und hat gesagt, ich kann einfach nicht in so einen Nachmittagskurs geben, da gibt es keine Kita, kann ich nicht in einen anderen Kurs gehen oder so? Und dann haben sich immer so individuelle Lösungen gefunden. Bisher ist es ja noch nicht so verbreitet, Kinder zu haben im Studium. Und immer wenn man eine Sonderrolle spielt, dann ist es eben manchmal ein bisschen komplizierter, aber eigentlich haben die sich schon echt mühe gegeben.
Im Prinzip Persönlichkeitspsychologie, aber mit einem starken Fokus auf Persönlichkeitsentwicklung, also der Frage, wie verändert man sich über die Zeit, insbesondere im höheren Alter. Und dann habe ich mich da beworben und das fanden die gut und dann haben die mich genommen, was ein riesiges Glück war und seitdem bin ich da und es macht total Spaß.
Genau, also das ist eine Gruppe von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, 50 Personen sind das und jedes Jahr werden zehn neue reingewählt und zehn, die schon fünf Jahre dabei sind, werden verabschiedet. Und das ist eigentlich einfach nur ein Zusammenschluss von jungen Leuten, die Lust haben, interdisziplinär da zu forschen oder sich auszutauschen, die sich an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft engagieren wollen, also Wissenschaft vermitteln wollen. Und die sich eben, gerade in den letzten Jahren, vermehrt mit wissenschaftspolitischen Themen auseinandergesetzt haben. Und genau das finde ich natürlich interessant, weil wir ja in Deutschland diese absurde Situation haben, dass wir lauter gute Leute haben, die hoch qualifiziert sind, aber keine realistische Chance haben, langfristig in der Wissenschaft zu sein. Und die dann irgendwann, wenn sie, keine Ahnung, in ihren 40ern sind, mitkriegen, dass einfach keine Stelle für sie da ist. Und diese absurde Situation zu verändern, das ist eben was, was uns in der jungen Akademie, auch wenn wir alle aus unterschiedlichen Fächern kommen, zu großen Teilen beschäftigt und genau, das wird dann natürlich recht schnell auch politisch, wenn man sich dann überlegt, wie können wir denn eine Uni so gestalten oder wie müsste denn die moderne Uni aussehen, damit die Missstände, die wir zurzeit haben, nicht mehr da sind. Und da entstehen dann so politische Forderungen oder Vorschläge, wenn man es nicht ganz so radikal sagen will.
Richtig, genau, also es sind alles Personen, die irgendeinen Deutschlandbezug haben, also unsere Sprache ist deutsch, die wir sprechen, aber letztendlich sind das Personen, die entweder zurzeit in Deutschland tätig sind oder mal in Deutschland tätig waren oder aus Deutschland kommen, aber jetzt im Ausland sind, genau, und die sich mit ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen und auch künstlerischen Themen auseinandersetzen. Also wir haben auch zum Teil einige Künstlerinnen und Künstler dabei.
Also im Prinzip ist es so eine Form in junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu investieren. Denen eine Plattform zu geben, damit sie sich regelmäßig treffen können, sich austauschen können, Gemeinsamkeiten über Fächergrenzen hinweg sich anschauen können, Projekte bearbeiten können, die eben aus einer Disziplin heraus nicht sinnvoll zu beantworten sind. Und einfach mehrere junge Leute an einen Tisch zu kriegen, die von irgendwem mal als exzellent bewertet wurden. Also man wird da vorgeschlagen vom Unipräsidenten oder der Unipräsidenten oder jemandem, der schon früher Mitglied der jungen Akademie war, und dann wird man so zusammengewürfelt und kennt sich am Anfang gar nicht und hat eben nur die Verbindung, dass man in der Wissenschaft ist
Genau, na eine Sache, die uns total beschäftigt, oder zum Glück nicht nur uns, sondern viele, ist, dass wir relativ wenig Geld haben für Stellen, die unbefristet sind. Das heißt, wir haben relativ wenig Professuren im deutschen Wissenschaftssystem und immer mehr Gelder, die über sogenannte Drittmittel ins System fließen. Also zum Beispiel Mittel vom Bund, die zeitlich befristet in Projekte investiert werden. Das ist an sich natürlich erst mal gut, dass man eine Geldquelle hat, die einem Geld zuschießt, um Projekte zu machen. Das ist aber völlig aus dem Ruder gelaufen, so dass wir jetzt super viel Geld auf dieser Drittmittelseite haben und ganz wenig Geld auf der sogenannten Grundmittelseite. Und das führt eben dazu, dass die Zahlen der Stellen, die zeitlich befristet ist, immer mehr gestiegen, gestiegen, gestiegen ist und die Zahl der Professuren und der langfristigen Stellen aber stabil geblieben ist. Und so kommt es, dass wir jetzt einen riesigen Mittelbau haben, also Personen, die zeitlich befristet beschäftigt sind und eine gleichbleibende Anzahl an Professuren, und dadurch kommt es, dass wir ungefähr fünf Leute haben, die sich schon in zig Verfahren durchgesetzt haben als, keine Ahnung, ERC-Grant bekommen haben oder eine Emmy Noether-Gruppe? oder irgendwie eine eigene Stelle von der DFG oder irgendwas, also gezeigt haben, dass sie supergute Sachen machen, aber gleichzeitig immer noch zu wenig Professuren. Und dieses Missverhältnis muss aufgelöst werden, weil wir sonst einfach vier von fünf Leuten, so ist das zur Zeit, nicht halten können in der Wissenschaft, sondern die sind dann ewig dabei und dann mit 40, wenn so das Durchschnittsalter ist, wenn man auf eine Professur berufen wird, dann merkt man, okay für diese Person haben wir keine Stelle mehr, dann kommt das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das sagt, man darf nur eine bestimmte Anzahl an Jahren im Wissenschaftssystem befristet sein. Und das führt einfach dazu, dass wir viel zu viel Geld für zeitlich befristete Stellen ausgeben und viel zu wenig Geld für unbefristete Stellen. Und das müssen wir irgendwie ändern und da haben einige Mitglieder der jungen Akademie mehrer Vorschläge gemacht, wie man das hinkriegen könnte.
Genau, also ich persönlich, aber da haben wir 50 Mitglieder, also ungefähr auch 50 Meinungen dazu, aber ich selbst würde sagen, wir haben vor allem ein Verteilungsproblem. Also es ist viel Geld im Wissenschaftssystem, das wird aber eben vor allem für befristete Stellen ausgegeben und nicht für unbefristete Stellen und wir müssen jetzt uns einen Mechanismus, meiner Meinung nach, überlegen, wie wir diese Gelder, die bisher für befristete Dinge ausgegeben wurden, nutzen können, um unbefristete Stellen zu schaffen, damit eben nicht immer wieder da neue Leute sich in die Lehre einarbeiten oder immer wieder neue Leute glauben, langfristig in der Wissenschaft bleiben zu können, sondern dass man eben sich einzelne Personen raus pickt und die dann langfristig fördert.
Richtig genau, also das war eben so eine Idee, dass wir sagen, okay die Unis haben eben die Zahl der Professuren stabil gehalten oder halbwegs stabil, haben nicht mehr Professuren geschaffen und im Gegenteil, nutzen immer mehr Geld, um auch an der Uni, die ja nun eigentlich langfristig Geld zur Verfügung hat, auch die investiert immer mehr Geld in befristete Stellen. Und wir haben zum einen gesagt, das ist ein Missverhältnis, wir haben schon so viele Drittmittel, wir brauchen dann nicht auch noch an der Uni weitere Geldquellen, die auch zeitlich befristete Stellen nur schaffen. Die Uni soll sich doch mal darauf konzentrieren, die Professuren als Standardpersonalkategorie zu stärken und mehr Gelder in Professuren stecken. Und eben nicht noch weitere Gelder in den Mittelbau. Und das geht einher mit dieser Vision einer neuen Universität, die eben nicht durch Hierarchien geprägt ist, wo ein Sonnenkönig an der Spitze steht, der so eine Traube an abhängig Beschäftigten unter sich vereint, sondern dass wir zum einen heutzutage und in der Wissenschaft sowieso nicht Hierarchien brauchen, sondern einen Wettbewerb der Ideen. Also wenn man sich mit Doktorandinnen und Doktoranden und Postdocs unterhält, hat ja nicht zum Schluss der Prof recht, sondern der mit der besten Idee oder der mit dem interessanten Studiendesign. Und diese Denkweise in der Wissenschaft muss sich irgendwie auch in der Personalstruktur widerspiegeln. Dass es eben nicht so ist, dass einer bestimmt, was richtig ist, sondern dass man viele Personen hat, die auf Augenhöhe gleichberechtigt forschen und lehren und die eine langfristige Perspektive in der Wissenschaft haben.
Oder man kann sagen, Professuren entlasten. Weil man ist auch als Prof zur Zeit so mit Aufgaben überladen, dass man überhaupt nicht hinterher kommt und gar nicht alle Sachen in gleicher Weise gut erfüllen kann. Und wenn wir jetzt aber mehr Professuren hätten, die sich die Aufgabe teilen können, so was wie Prüfungen oder Personalverantwortung oder Lehre oder irgendwas, dann wäre das auch eine Entlastung für die Professuren. Und genau, die Idee ist halt, den haushaltsfinanzierten Mittelbau, das heißt, die Stellen, die die Unis finanzieren, die befristet sind an der Uni, dass man die aufwertet zu Professuren. Dass man also fünf Mittelbaustellen nimmt und dafür drei neue Professuren schafft und dann würde man sich eben nicht mehr in einem Lehrstuhl qualifizieren und irgendwie ewig Postdoc von einem Prof sein, sondern man würde schon frühzeitig eine Tenure-Track-Professur kriegen. Und wenn man da zeigt, dass man gut forschen und lehren kann, dann wird man entfristet und dann weiß man zu einem halbwegs frühen Zeitpunkt in der wissenschaftlichen Karriere, was da für Optionen offen sind und welche eben nicht offen sind.
Richtig, also so ein bisschen Wanderschaft braucht man glaube ich schon. Also dieses, ich studiere irgendwo, promoviere dann da und dann werde ich da Prof, hat immer den Nachteil, dass man dann sehr wieder in diese Schulen kommt und dann man wenig Ideendurchmischung hat. Oder das ist so eine Befürchtung der Kritikerinnen von dieser mangelnden Wanderschaft, aber zurzeit ist es ja so, dass die Wanderschaft sehr lange dauert und an sehr viele Stellen geht. Dann ist man ein Jahr hier und dann nochmal zwei Jahre hier und das ist super schwierig zu vereinen mit dem Leben, was man nebenher zum Beruf idealerweise auch noch führt. Also Familie zum Beispiel. Und da gibt es ganz erschreckende Zahlen, die dann zeigen, dass Personen im Wissenschaftssystem sich genauso häufig Kinder wünschen, wie Personen, die hochqualifiziert sind und außerhalb der Wissenschaft arbeiten, aber viel seltener endgültig kinderlos bleiben, weil sie eben sagen, ich kriege das überhaupt nicht hin, hier ein Kind in die Welt zu setzen, wenn ich nicht weiß, wo ich morgen bin und ständig hin und her pendeln muss und eine Beziehung führe, die dauerhaft auf Distanz ausgelegt ist und so. Und da würden natürlich solche früheren Perspektiven hilfreich sein, weil wenn ich schon mit Anfang 30 weiß, ich habe jetzt hier eine Stelle und wenn ich darin gut bin, dann kann ich da bleiben, dann kann ich meine Zukunft ganz anders planen, als wenn ich das eben mit Mitte 40 gesagt kriege und dann als Frau gar nicht mehr unbedingt Kinder kriegen kann.
Die betrifft nicht nur Frauen, Männer sind halt flexibler in dem Alter, in dem sie Kinder zeugen, da sind Frauen eingeschränkter, deshalb ist es für Frauen glaube ich nochmal schwieriger. Weil der Zeitpunkt, ab dem man weiß, ob man in der Wissenschaft bleiben kann, eben Anfang 40 ist, und das für Frauen eben zu spät ist, aber für viele Männer natürlich auch zu spät sein kann.
… ja quasi durch eine Flexibilisierung dieses Stilmittels machen. Ich meine, dieser Austausch mit anderen Universitäten ist ja an sich ganz wichtig, weil man muss ja auch sehen, ah wie arbeiten die denn? Ach guck mal, die machen das ja ganz anders, aber kommen trotzdem noch zu irgendwelchen Ergebnissen oder vielleicht ist das auch der Grund, warum die so toll sind.
Das passiert natürlich auch so, es ist ja selten so, dass man einfach nur bei sich im Büro sitzt, sich irgendwas überlegt, das macht und dann publiziert man das, sondern es ist ja total verbreitet, dass man mit den Leuten auf der ganzen Welt im Austausch ist, wir haben ja jetzt auch das Internet, so dass das auch alles ganz einfach ist und man dann halt eben mit denen skypt und dann Projekte auch über die Ozeane hinweg auf die Beine stellen kann. Ich will damit nur sagen, dass selbst wenn man an der Idee festhalten möchte, dass man so ein bisschen Wanderschaft braucht, dann kann das ja auch der eine Sprung sein von, nach der Promotion geht man irgendwo anders hin und dann hat man ja was anderes gesehen, ohne dass man jetzt über Jahre und Jahrzehnte unter prekären Bedingungen wandern muss.
Nein genau, also der Begriff wird international genutzt, also die Idee, Departements einzurichten, hat so den Hintergrund, also zum Beispiel ist das in den USA auch so, dass die Forschung eben in Departements organisiert ist und dass man da eine große Faculty hat, also eine große Professorenschaft, wo es Tenure-Track-Professuren gibt und diese Idee oder die guten Teile dieser Idee kann man auch auf Deutschland übertragen. Das ist auch immer mehr so, es ist jetzt nicht mehr so, dass wir heutzutage in vielen Fächern Lehrstühle haben, die so organisiert sind, wie das noch vor ein paar Jahren und Jahrzehnten der Fall war. Es geht schon immer mehr in Richtung Departement-Struktur und es wird gleichberechtigter.
Zum Teil auch interdisziplinärer, aber zum Teil ist es auch haarsträubend, was man für Probleme hat, wenn man interdisziplinär forscht, da kriegt man es wieder nicht richtig gefördert, weil dann verstehen die Drittmittelgeber wieder nicht so richtig, wo sie eine da hinstrecken und zuordnen sollen und dann kriegt man es nicht richtig publiziert, weil die Journals dann sagen, ach naja das hat doch eher was damit zu tun, dann reich es doch mal da drüben ein. Also da kann auch noch viel passieren, aber die Departements sind erst mal von der Ursprungsidee weiterhin disziplinbezogen. Das kann man natürlich auch noch weiter denken, aber wäre vielleicht auch der zweite Schritt vor dem ersten Schritt. Und wenn man jetzt so ein Departement zum Beispiel für Psychologie hätte, dann würde das eben, auch wie jetzt schon, ein Institut organisiert sein, bloß dass man eben keine Mittelbaustellen finanzieren würde aus Haushaltsmitteln, sondern viele Professuren, die miteinander zusammenarbeiten können oder eben auch nicht, je nachdem wie es ihnen passt und wo es aber kein strukturelles Hierarchiegefälle gibt, dass der eine dem anderen sagt, was derjenige zu tun hat.
Aber die Dinge sind ja auch ein bisschen im Fluss. Wo Sie gerade meinten, auch die Journals sind ja ein Problem. Die deutsche Universitätslandschaft steht ja eh gerade im Kriegsverhältnis mit der klassischen Journalindustrie. Ist da die junge Akademie auch in irgendeiner Form eingeklinkt in solche Prozesse?
Ich glaube, jetzt gerade haben wir kein Projekt, was sich damit beschäftigt. Das wechselt natürlich immer, weil dadurch, dass wir immer so einen Mitgliederwechsel haben, ändern sich eben mit den Mitgliedern auch die Themen, die beackert werden, aber klar, generell ist das natürlich ein großes Thema die Frage, wie wollen wir eigentlich publizieren? Wer bezahlt für Publikationen? Wer darf es nachher lesen? Und wieso bezahlen wir eigentlich Verlagen viel Geld, nachdem wir mit unserem eigenen Geld geforscht haben, mit unserem eigenen Geld die Reviewer bezahlt haben und dann müssen wir wieder die Journals kaufen, das ist ja eigentlich alles total absurd.
Genau, also im Prinzip ist es eigentlich die Gesamtheit aller Merkmale, die Menschen unterschiedlich macht im Denken, Fühlen und Verhalten. Also wir haben verschiedene Denkmuster oder Verhaltensmuster, die typisch für uns sind und die uns von anderen Menschen unterscheiden. Und diese individuellen Unterschiede im Denken, Fühlen und Verhalten sind das, was die Persönlichkeit beschreibt. Das klingt jetzt erst mal sehr abstrakt, aber im Prinzip gibt es so Studien, die sich gefragt haben, ja okay, was ist denn eigentlich Persönlichkeit in seiner Gänze? Und die dann auf solche Schätzungen kommen von, es gibt 15.000 Persönlichkeitseigenschaften, die Menschen ausmachen und die sie individuell machen, was das für die Persönlichkeitspsychologie immer sehr unpraktisch macht, weil es halt einfach schwierig ist, immer 1000 Eigenschaften zu untersuchen. Und deshalb kam man dann über verschiedene Prozesse irgendwann dahin, dass man gesagt hat, okay wenn wir eine total sparsame Beschreibung der Persönlichkeit haben wollen, dann brauchen wir allermindestens fünf Persönlichkeitseigenschaften, die wir wissen oder kennen müssen, um zumindest so einen Grundstock an Individualität einer Person zu beschreiben. Und das …
Ach so, na gut aus meiner Perspektive sind die 90er Jahre echt lange her. Also es gab halt, es hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte, da ist es so entstanden, dass man gemerkt hat, okay es gibt zig Arbeitsgruppen auf der Welt, die sich mit Persönlichkeitseigenschaften beschäftigen und die dann alle so vor sich hin tüfteln und irgendwelche interessanten Sachen rausfinden, aber gar nicht merken, dass die Arbeitsgruppe eine Stadt weiter genau das gleiche macht und ihre Persönlichkeitseigenschaft bloß anders nennt, aber im Prinzip das gleiche meint. Oder mehrere Personen von dem gleichen Konstrukt gesprochen haben und damit aber ganz unterschiedliche Sachen meinten und dann irgendwie ganz konfligierende Ergebnisse rauskamen. Und dann hat man sich eben irgendwann gedacht, okay irgendwie ist das hier alles zu einzeln und zerstückelt und jetzt müssen wir mal wirklich die ganze Persönlichkeit analysieren. Und dann kamen so Leute, die gesagt haben, okay, was ist denn eigentlich Persönlichkeit? Und die dann gesagt haben, eigentlich müsste doch alles, was uns unterschiedlich macht, irgendwie nach Sprache repräsentiert sein. Weil wenn irgendwas wichtig ist, was Menschen voneinander unterscheidet, dann muss es auch ein Wort dafür geben und die haben dann eben Wörterbücher durchgeblättert und alle Worte, die Unterschiede zwischen Menschen im Denken, Fühlen und Verhalten beschreiben, rausgeschrieben, kamen dann eben auf mehrere tausend Worte und haben das dann so eingedampft über verschiedene statistische Verfahren und sind dann bei den Big Five geblieben. Und das war so ein bisschen ein kontinuierlicher Prozess, weil eben nicht irgendwann ein Superpsychologe kam und gesagt hat, ab heute gibt es die Big Five, sondern viele sich da so dem angenähert haben. Aber so ab 1990 war das so die gängige Terminologie.
Genau, ja und das ist eben auch Teil des Buches, dass man in dem Buch so erklärt bekommt, was sind das überhaupt für Persönlichkeitseigenschaften? Wie zeichnen die sich aus, womit hängen die zusammen? Und dann so kleine Tests, wo die Leute dann auch selber gucken können, was für eine Persönlichkeit sie denn eigentlich selber haben und inwiefern das mit ihrem Selbstbild zusammenpasst. Und dann geht es aber, also in der Psychologie gibt es so einen Konflikt zwischen den Persönlichkeits- und den Sozialpsychologen, zumindest in den USA, die da lange Vorreiter waren, weil wegen Zweiten Weltkrieg und so in Deutschland ja nicht viel lief an Forschung. Und da haben immer die Sozialpsychologen, die in den USA sehr stark sind, gesagt, ach es gibt überhaupt keine Persönlichkeit, Die Situation macht den Menschen und je nach Situation verhält man sich unterschiedlich. Und die Persönlichkeitspsychologie musste da ganz schön strampeln, um klarzumachen, dass es eben Unterschiede zwischen Personen gibt, selbst wenn die in der gleichen Situation sind und dass die auch stabil sind über viele Situationen hinweg. Und in diesem psychologieinternen Kampf ist man dann in der Persönlichkeitspsychologie so ein bisschen davon weggekommen zu sehen, dass Persönlichkeit natürlich nicht perfekt stabil ist, sondern auch nur so mittelstabil ist und hat erst so in den letzten Jahren und Jahrzehnten wieder näher in den Fokus gerückt, dass sich natürlich die eigentlich recht stabil Persönlichkeit auch wieder verändern kann. Und diese Veränderungssensibilität oder überhaupt die Veränderungen, die man beobachten kann in der Persönlichkeit, das ist das, was mich in der Forschung beschäftigt und was ich da jetzt auch in dieses Buch, in dieses Charakterfragebuch eben habe einfließen lassen, weil das finde ich total spannend.
Nein, im Prinzip sind die alle gleichberechtigt wichtig und es kommt aber immer darauf an, was ich zum Beispiel vorhersagen möchte. Also wenn ich vorhersagen möchte, wie erfolgreich eine Person im Beruf ist zum Beispiel oder werden wird, dann ist es relevanter zu wissen, wie gewissenhaft die Person ist. Wenn ich aber wissen will, wie lange wird diese Person wahrscheinlich in der Zukunft eine romantische Beziehung führen, dann ist es wichtiger zu wissen, wie emotional stabil die Person ist. Also je nachdem, in welchem Bereich man Vorhersagen treffen möchte oder Aussagen treffen möchte, ist mal die eine und mal die andere Persönlichkeitseigenschaft wichtiger, aber es ist jetzt nicht so, dass eine Persönlichkeitseigenschaft die anderen überstrahlen würde oder aushebeln würde oder so, sondern die stehen schon gleichberechtigt nebeneinander.
Genau, also typischerweise wird das in der Persönlichkeitspsychologie über Fragebögen gemacht. Das heißt, Personen werden befragt zu ihrem typischen Denken, Fühlen und Verhalten, also Gedanken, Gefühlen und ihrem Verhalten und dann wird eben verglichen, wie sich Personen darin unterscheiden, wie sie auf diese Fragen antworten. Mit der Idee, dass Personen ungefähr sich so gut kennen und sich so unverzerrt darstellen können, dass man dem vertrauen kann, was sie über sich berichten, weil man eben sagt, naja man kennt sich selbst am besten und dann kann man das auch ganz gut berichten.
Aber genau, dann gibt es viele Fragen, die gestellt werden, dann wird irgendwie gefragt, ja wie häufig machen Sie sich denn Sorgen auf einer Skala von 1-7? Wie häufig sind Sie traurig? Wie häufig sind Sie deprimiert? Oder hängen Sie ewig Gedanken nach, auch wenn die Situation schon längst vorbei ist oder irgendwie so. Hat man also viele Fragen, bildet darüber den Mittelwert und sagt dann, diese Person hat eben eine 4 und diese Person eine 3. Und das ist aber natürlich immer noch eine sehr reduzierte Betrachtung von der emotionalen Stabilität zum Beispiel und deshalb kommt dann das, was Sie eben gesagt haben, trotzdem noch auch ins Spiel, dass man nämlich sagt, okay wir können nicht nur von emotionaler Stabilität sprechen, sondern es gibt noch so Facetten, so nennen wir die. Also zum Beispiel die Ängstlichkeit und die Depressivität als Subkomponenten der emotionalen Stabilität. Und je mehr Zeit man hat, um sein Forschungsprojekt oder seinen Probanden oder Klienten oder Patienten oder wer da auch immer sitzt, sich genauer anzugucken, je mehr Zeit man hat, desto mehr Facetten würde man differenzieren und eben nicht bei den Big Five, so nennen wir die, also diesen fünf globalen Merkmalen stehenbleiben, sondern immer differenzierter fragen, weil der Gedanke dahinter ist, dass wir, also dass Personen, die zu Ängstlichkeit neigen, häufig auch zu Depressivität neigen. Und wenn ich wenig Zeit habe, frage ich eben nur, wie ängstlich die sind, weil ich mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit dann schon weiß, was die für eine Depressivität haben, aber natürlich mach ich dabei Fehler. Weil nicht jeder, der ängstlich ist, hat auch eine hohe Depressivität und andersrum. Und deshalb, je mehr Zeit ich habe, desto fehlerfreier kann ich messen und mir dann eben die einzelnen Komponenten der emotionalen Stabilität zum Beispiel genauer angucken.
Genau, das ist tatsächlich so eine Schwierigkeit, die wir haben, dass viele Leute mit bestimmten Merkmalsausprägungen assoziieren, dass das besser sei als andere. Also die Gesellschaft findet ordentlich besser als unordentlich und freundlich besser als unfreundlich und wenig sorgenvoll besser als sorgenvoll und das ist natürlich super fehleranfällig, weil wir als Persönlichkeitspsychologen sagen, die Diversität ist gerade das Schöne. Zum Glück sind wir nicht alle gleich, sondern wir sind unterschiedlich und jede Merkmalsausprägung ist irgendwann mal von Vorteil. Und deshalb ist es gut, dass wir so unterschiedlich sind und es gibt eben keine gute Seite und keine schlechte Seite und trotzdem ist es so, dass es Studien gibt, die zeigen, wenn man Personen fragt, ob sie ihre Persönlichkeit verändern wollen, sagen über 90%, sie wollen ihre Persönlichkeit verändern und fast alle in die gleiche Richtung. Also das heißt, die Menschen haben ein sehr einseitiges Bild davon, was eine gute Persönlichkeit ist und das ist für mich als Persönlichkeitspsychologin natürlich total fürchterlich, weil ich dann denke, oh Gott, wenn man sich mal vorstellt, die Menschen kriegen das tatsächlich hin, ihre Persönlichkeit zu verändern, alle in die gleiche Richtung und wir haben irgendwann eine Gesellschaft, wo alle Menschen die gleiche Persönlichkeit haben, dann ist das eine ganz fürchterliche Vorstellung, weil dann natürlich ganz viel wertvolle Unterschiedlichkeit verloren geht.
Kann man im Prinzip schon, also sie ändert sich von selber über die Zeit. Also wenn ich ins Ausland gehe oder Zivildienst mache oder neu ins Berufsleben starte oder meinen Job wechsle, dann geht das mit neuen Herausforderungen einher, an die man sich dann anpasst oder in vielen Fällen sich die Menschen anpassen und dadurch ändert sich die Persönlichkeit von den Personen im Durchschnitt durch solche Lebenserfahrungen. Ob man die jetzt auch ändern kann, und in die Richtung klang das ja gerade, wenn man irgendwie ein Training macht, das ist wieder eine kompliziertere Frage. Es gibt Studien, die zeigen, dass Personen, die eine psychische Störung haben und eine Psychotherapie machen, eigentlich egal welche, dass sich die tatsächlich in ihrer Persönlichkeit häufig ändern und emotional stabiler werden zum Beispiel, aber ob solche Trainings auch funktionieren mit ganz gesunden Personen, die nicht unter irgendeiner Einschränkung leiden, das ist noch umstritten, da sind wir jetzt gerade am Anfang. Und es gibt so ein paar Leute, die sich da ausprobieren und die dann ganz vielversprechende Ergebnisse zeigen, dass das möglich ist. Aber das ist eben noch keine ausgemachte Sache, ob das dann auch langfristig hält oder ob das dann wieder verfliegt und wie er sich wirklich verändern kann und über welchen Weg, da sind wir gerade erst noch dabei, das herauszufinden.
Genau, also im Durchschnitt zumindest, nicht unbedingt jeder einzelne Mensch, aber im Durchschnitt ist das tatsächlich so, dass man sich dann automatisch verändert. Aber ich glaube halt, das ist nicht so, jetzt um dieses Beispiel aufzugreifen mit dem ins Ausland gehen, das ist eine Studie von Julia Zimmermann und Franz Neyer, die haben eben gezeigt, dass Studierende, die ins Ausland gehen, offener für neue Erfahrungen werden. Und das ist jetzt nicht so, dass man sich das jetzt so vorstellen muss, dass man sagt, okay ich gehe jetzt mal ins Ausland und dann sitzt man da im Ausland und denkt, ach das wäre echt gut, wenn ich ein bisschen offener für neue Erfahrungen wäre, ich fange dann morgen mal damit an und dann wird man offener für neue Erfahrungen, sondern es ist eher natürlich so, dass man dann ganz unterschiedliche Leute kennenlernt und auf einmal in Situationen kommt, die man typischerweise in Deutschland vielleicht nicht erleben würde und dann merkt, das ist ja interessant und cool und merkt, dass es irgendwie von Vorteil ist, sich diesen anderen Situationen zu öffnen und dann dafür belohnt wird, indem man dafür Anerkennung bekommt oder Wissenszuwachs bekommt und dann dadurch offener für neue Erfahrungen wird. Es ist nicht unbedingt ein bewusster Prozess diese Persönlichkeitsveränderung.
Naja, also ich kenne jetzt keine Studie, die sich mit der Persönlichkeitsentwicklung im Gefängnis auseinandersetzt. Ich kriege manchmal Briefe von Leuten im Gefängnis, die dann irgendwas hören über meine Forschung und dann sagen, ah ich sitze jetzt hier im Gefängnis und habe davon gelesen und ändert sich denn jetzt eigentlich meine Persönlichkeit? Und ich kenne keine Studie, die sich damit auseinandergesetzt hat, aber es ist eigentlich ein interessanter Bereich, weil die Situation, in der sich die Menschen befinden, ja sehr kontrolliert ist, so dass man sehr gut sehen kann, durch welche Einflussfaktoren verändert sich denn ein Mensch oder verändert sich eben auch nicht. Das Spezielle an dieser Gefängnissituation, ohne dass ich da jetzt empirische Ergebnisse zu liefern kann, aber jetzt erst mal die … oder was das Interessante ist, ist, dass der Kontext des im Gefängnisseins ja ganz anders ist als der Kontext, ich bin draußen. Das heißt, ich habe eine Persönlichkeit, wenn ich in Freiheit bin, komme ins Gefängnis und ändere da wegen mir meine Persönlichkeit, ob das dann aber noch so bleibt, wenn ich wieder in dem Kontext bin.
Genau, das ist eben die große Frage, weil man eigentlich denken würde, die Persönlichkeit passt sich an die Lebensumstände an. Und wenn die Lebensumstände sich eben wieder ändern, kann sich eben die Persönlichkeit auch wieder ändern. Ganz wertfrei in unterschiedliche Richtungen. Und das, was besonders adaptiv im Gefängnis ist, muss nicht das sein, was adaptiv gewesen ist, bevor ich ins Gefängnis kam oder nachdem ich im Gefängnis war.
Stellt sich ja auch erst mal auch vor allem die Frage, wo kriegt man es denn eigentlich her, die Persönlichkeit? Also ist das etwas, was man in die Wiege gelegt bekommt? Ist das quasi ein genetisches Knobelergebnis oder hat das was damit zu tun, wie es so in der Kita war? Wie man von seinen Eltern behandelt wird oder Schule? Also was glaubt man denn derzeit so in der Forschung, wo es denn herkommt?
Da bleibt noch relativ viel übrig für Umwelterfahrungen, also für Lebensereignisse oder die Situation, in der man sich befindet. Das heißt, so genetische Aspekte haben einen Einfluss und das sieht man ja auch manchmal, wenn man sich so umguckt, dann sieht man ja, irgendwie es gibt gewisse Ähnlichkeiten zwischen Geschwistern oder zwischen Kindern und ihren Eltern und da kann man eben so interessante Schätzungen an Zwillingen machen, wie hoch denn jetzt eigentlich dieser genetische Anteil ist und dann kommt man eben auf diese 30-50% und gleichzeitig sieht man aber, okay da ist noch ganz viel Raum für nicht genetischen Einfluss. Und eine Hypothese, die auch relativ prominent, zumindest so in der Öffentlichkeit, ist, ist, dass man ja denkt, okay die Kitajahre oder die ersten drei Lebensjahre sind total relevant für das, was aus einem Menschen mal wird. In meinem Freundeskreis höre ich das auch ganz häufig, dass man sagt, naja das war schon früher, als ich oder meine Eltern haben das und dann war das eben besonders gut oder besonders ungut und dann hat man sich auf die eine oder andere Weise entwickelt. Da würde man aus der persönlichkeitspsychologischen Sicht sagen, okay das wird wahrscheinlich maßlos überschätzt dieser Einfluss, den diese führen Kindheitserfahrungen haben, die sind wichtig, aber wichtig ist eben auch alles, was danach kommt. Und es ist jetzt nicht so, dass ein Lebensjahr, was früh im Leben ist, viel wichtiger sei als ein Lebensjahr, was später im Leben ist. Und deshalb ist es viel aussagekräftiger oder viel relevanter für die Persönlichkeit, die man gerade hat, was in den letzten paar Jahren passiert ist, als das, was schon Jahrzehnte zurückliegt. Genau und was besonders relevant ist, ist also die Lebenssituation, in der man sich zurzeit befindet, also womit verbringt man seine Zeit? Welchen Beruf hat man, lebt man in einer Beziehung, in was für einer, welchen Hobbys geht man nach, also was beschäftigt einen, in welcher Situation ist man? Das beeinflusst ganz stark, was wir für eine Persönlichkeit haben oder eben auch in den nächsten Jahren haben werden.
Genau, und die sind eben super ähnlich, viel ähnlicher als zweieiige und dadurch kommt man auch diese … Was man bei diesem Einschätzen des genetischen Einflusses auf die Persönlichkeit guckt man sich an, wie ähnlich sind sich eineiige Zwillinge, wie ähnlich sind sich zweieiige Zwillinge und dann guckt man sich an, wie unterschiedlich ähnlich sind sich denn eineiige und zweieiige Zwillinge und dieser Unterschied wird dann zurückgeführt auf die 50% unterschiedlichen Gene, die die Personengruppen haben. Also eineiige Zwillinge teilen 100% ihrer Gene, während die zweieiigen Zwillinge im Durchschnitt 50% teilen, wie normale Geschwister.
Genau, das ist auch wieder so eine Kritik an der Zwillingsforschung, dass man sagt, naja ganz so vergleichbar, also Zwillinge sind eben auch in einer besonderen Situation, weil es sie, wenn sie eineiig sind, eben zweimal gibt und dann ihnen gegenüber auch sich anders verhalten wird als gegenüber Personen, die eben keinen Zwilling haben. Das ist so eine Kritik, die man häufig hat, aber das ist so eine Messmethode, wie man genetische Einflüsse untersuchen kann. Es gibt auch so …
Wüsste ich jetzt eigentlich nicht, aber es gibt so die Kritik, dass man sagt, naja Zwillinge, gerade in heutiger Zeit, es gibt immer mehr zweieiige Zwillinge, die ein besondere Familien geboren werden, weil es immer mehr künstliche Befruchtung gibt und dann eher Familien, die sich schon sehr lang überlegen, Kinder zu bekommen, einen ganz dringenden Kinderwunsch haben, eher dafür entscheiden, die dann in einer stabilen Beziehung leben müssen, weil das dann schwierig ist mit den Regelungen, dass man eben überhaupt ein Kind zeugen lassen kann künstlich. Und dass es also systematische Unterschiede geben kann zwischen dem typischen Zwilling und dem typischen Nichtzwilling, was dann natürlich wieder Fehlereinflüsse in den Schätzungen sind. Aber es gibt so ein paar Leute, die versuchen zu sagen, okay das mit den Zwillingen ist uns zu indirekt, wir wollen jetzt mal sehen, welche genetischen Einflussfaktoren gibt es denn tatsächlich für die Persönlichkeit? Und da haben wir bisher lauter ernüchternde Ergebnisse, also man findet dann mal was und der nächste versucht, es dann nochmal zu finden und findet das dann aber nicht wieder. Also sobald man konkret wird und sich Gene oder genetische Interaktion angucken will, wissen wir eigentlich so gut wie nichts.
Aber so Faktoren wie emotionale Stabilität, würde ich jetzt mal sagen – jetzt kommt der Laie – aber klingt für mich so ein bisschen wie, man vertraut auch anderen Menschen und man fühlt sich auch nicht so benachteiligt und wenn man halt immer jemanden an seiner Seite hat, der im wesentlichen auch genauso intelligent unterwegs ist, genauso denkt, ähnliche Hobbys und Neigungen hat, dass man sich da irgendwie grundsätzlich erst mal aufgehobener fühlt, so nie so, ich bin allein, dieses Alleinsein ist ja vielleicht auch etwas, was so eineiigen Zwillingen vollkommen fremd ist.
Das stimmt, das hat man natürlich auch so in Großfamilien versus Einzelkindfamilien. Ja, ist immer die Frage, also keine Ahnung, Studie kenne ich nicht, die das systematisch untersucht hat, aber auch da ist wieder die Frage, wenn wir jetzt davon sprechen, dann habe ich immer meinen besten Freund, das mag relevant sein, wenn man zur Schule geht oder in die Kita, aber wenn ich jetzt eine normale 32-jährige Person bin, dann wohne ich im Allgemeinen ja nicht mit meiner Zwillingsschwester, also ich habe jetzt keine, aber würde ich ja nicht mit meiner Zwillingsschwester zusammen wohnen, sondern das lebt sich dann natürlich auch immer wieder auseinander und dann kommt wieder das, was ich vorhin meinte, dann ist eben vor allem relevant, mit wem habe ich denn jetzt zu tun? Bin ich vernetzt, bin ich gut integriert in einem sozialen Netzwerk oder fühle ich mich einsam, dann wirkt sich das natürlich auf meine emotionale Stabilität aus.
Ich bin jetzt, wie die meisten Leute wahrscheinlich, kein großer Freund davon, aber jeder von uns hat das schon mal gehabt, Klassentreffen, man trifft sich dann so nach 10-20-30 oder was weiß ich wie vielen Jahren wieder und trifft die alte Bande wieder und man lernt ja dann die Leute aus seiner Schulklasse, insbesondere wenn man jetzt auf einer Schule war, wo man die ganze Schulzeit über mit Leuten zusammen war, in meinem Fall ist das so, dass man viele dann halt so trifft und sich denkt so, naja ist ja wie immer. Ist ja immer noch so in etwa, ich erkenne deine Charakterstruktur wieder. Mag sich was geändert haben? Keine Ahnung, wie die Leute auf mich so reagieren. Manche haben sich vielleicht auch anders entwickelt. Aber man hat ja irgendwie so bei den meisten so das Gefühl, so bist du halt.
Da ist man auch wieder in dem Modus, dann ist man eben wieder Klassenclown oder Streber oder als wer man da auch immer gegolten hat, weil das einfach das verbindende Element ist, diese gemeinsame Erinnerung. Also ich habe manchmal das Gefühl, manche Leute sagen, das ist doch verblüffend, dann trifft man sich wieder und sieht, die sind eigentlich alle gleich geblieben und der eine ist immer noch total zurückhaltend und der andere ist immer noch total lustig oder so. Und gleichzeitig ist es aber auch so, dass einige Leute dann berichten, mein Gott ich habe die wieder gesehen und die ist jetzt auf einmal, neulich meinte eine, die ist jetzt irgendwie erfolgreiche Balletttänzerin in New York und die war vorher immer so eine total strebsame ordentliche Person, die immer irgendwie ganz kontrolliert war und so und jetzt macht die da eine riesen …
Genau, meinte ich dann auch, na inwiefern widerspricht sich das denn? Weil wenn man Balletttänzerin ist, hat man glaube ich auch eine ganz schön taffe … also dann muss man sehr gewissenhaft sein, um diese ganze Ausbildung und das ständige Trainieren und so eben erfolgreich zu managen. Aber trotzdem manchmal fällt Personen dann schon auf, die haben sich in eine ganz andere Richtung entwickelt, als ich das dachte.
Ja genau, es ist immer die Frage, schätzen wir Personen richtig ein oder wer schätzt wen richtig ein? Da gibt es ganz interessante Studien, die dann so zeigen, naja jemand anders kann einen in einigen Aspekten schon ganz gut einschätzen, manchmal sogar besser als man sich selbst einschätzen kann, weil man sich selbst ja manchmal ein bisschen toller findet als andere einen finden, also gesunder Mensch hat man die Tendenz…
… sich positiv verzerrt wahrzunehmen. Das Problem ist, dass natürlich auch Freunde und Freundinnen ein positives Bild von einem im Allgemeinen haben und deshalb auch einer gewissen Verzerrung unterliegen. Deshalb muss man sich eben fragen, wer ist denn eigentlich eine gute Person, die andere einschätzen kann? Und am besten man macht so einen Mix aus verschiedenen Personen, man fragt die Mutter und den Mann und die Tochter und die Klassenkameraden und den Kollegen.
Lehrer gibt es auch, gerade in Schulklassen gibt es das manchmal. Ist halt auch schwierig, wenn man so eine Klasse hat mit 32 Kindern, weiß ich nicht, ob Lehrer und Lehrerinnen so ein differenziertes Bild über 32 Personen haben, die sie dann 45 Minuten am Tag sehen. Aber wird natürlich auch gemacht.
Genau, also ist eine Quelle, die man nutzt, um Persönlichkeitseigenschaften von Kindern zum Beispiel zu untersuchen, weil da auch Eltern sehen die Kinder ja in der Schule nicht, haben also auch wieder nur eine begrenzte Situationsauswahl, in der sie ihre Kinder überhaupt erleben können und das kann ja auch manchmal Überraschungen bringen.
Na es ist auf jeden Fall vielfältig. Also man kann sagen, der genetische Einfluss ändert sich im Laufe der Zeit, also die Gene ändern sich zwar nicht, aber der Einfluss, den die Gene auf die Persönlichkeit haben, der kann sich über die Zeit ändern. Und die Erfahrungen, die wir machen, haben eben auch einen wichtigen Anteil.
Genau, also das hat einen Einfluss, werde ich kränke oder kriege ich eine bestimmte Krankheit, das hat einen Einfluss darauf, wie ich Dinge bewerte, welche Dinge mir wichtiger werden, wie ich meinen Alltag lebe und dann eben auch auf die Persönlichkeit. Und ein Befund, den ich in meiner Dissertation, war das noch, gefunden habe, war, dass Personen sich im hohen Alter gerade besonders stark nochmal verändern. Und da liegt es ja nahe zu sagen, naja die Persönlichkeit ändert sich im hohen Alter, weil die Leute halt krank werden und ganz so einfach ist es aber nicht, aber es ist eben ein Einflussfaktor. Allerdings scheint es so zu sein, je älter wir werden, desto geringer ist vielleicht auch die Bedeutung, die gesundheitliche Veränderung für die Persönlichkeitsveränderung spielen, aber okay, auf jeden Fall Gesundheit ist ein Einflussfaktor, aber eben auch so was wie der Übergang von der Ausbildung oder Studium zum Beruf führt dazu, dass Personen im Durchschnitt gewissenhaft werden. Oder wenn Personen den Job wechseln, dann ändert sich häufig die Extraversion und Offenheit für neue Erfahrungen, je nachdem welche Extraversion, Offenheit der Job eben von einem verlangt. Oder wenn ich in Rente gehe, werde ich wieder weniger gewissenhaft und wieder so ein bisschen relaxter, da sagt man auch „la dolce Vita“-Effekt dazu, weil man irgendwie jetzt nicht mehr so unter diesem Produktivitätsdruck steht, sondern jetzt auch mal so ein bisschen relaxen kann und im höheren Alter sich dann auf wichtigere Dinge als Gewissenhaftigkeit konzentrieren kann. Oder wenn Personen eine feste Beziehung eingehen, dann sieht man häufig, dass sie weniger extravertiert und weniger offen für neue Erfahrungen werden, was ja irgendwie auch einen gewissen Vorteil vielleicht mit sich bringt, dass man dann eben nicht mehr so viel unter Leuten ist und so viele Sachen ausprobieren möchte, weil man ja jetzt jemanden gefunden hat, mit dem man gerne viel Zeit verbringt, während wenn man sich dann wieder trennt, kehrt sich das dann wieder um, das ist dann irgendwie so die Partnersuchpersönlichkeit vielleicht auch oder man wird verträglicher dann auch wieder, weil man dann ja irgendwie, weil es sich lohnt, freundlich zu sein, wenn man Single ist und einen Partner sucht. Also solche Anpassungsmechanismen gibt es dann im Laufe des Lebens, wo man in einer bestimmten Situation ist oder ein bestimmtes Ziel verfolgt oder bestimmten Situationen ausgesetzt ist, die dazu führen, dass bestimme Persönlichkeitseigenschaften adaptiver sind oder belohnt werden oder sich besser anfühlen oder so und dann ändert sich das eben je nachdem in welcher Situation ich bin.
Jetzt scheint das ja die Leute sehr zu beschäftigen, wie man so drauf ist, und es gibt so einen großen Wunsch, irgendwie toller zu sein so in unserer Zeit, habe ich so den Eindruck, da wird viel an sich herumexperimentiert und optimiert. Ist das so auch im Blick der Forschung, was so die Leute da gerade so treiben?
Also es gibt viel Forschung dazu, gerade in den USA, die eben so dieses Ziel verfolgen, wie können wir denn Personen helfen, ihre Persönlichkeit zu verändern oder welche Trainings könnte man sich überlegen? Das ist irgendwie ja so ein sehr großes Bedürfnis und ich warne immer so ein bisschen davor, weil das , das hatten wir vorhin schon kurz angesprochen, dazu führen kann, dass Personen sich in eine bestimmte Richtung verändern und dann die Menschheit immer gleicher wird, was nicht wünschenswert ist, weil uns diese Unterschiedlichkeit erleichtert, unterschiedliche soziale Nischen zu besetzen, unterschiedliche Berufe besonders gut auszuführen oder auf neue Veränderungen überhaupt in der Gesellschaft vorbereitet zu sein, was eben schwierig ist.
Genau, dann kann man in Bereichen erfolgreich sein, in denen andere Personen, die eben sich nicht durch dieses Merkmalsmuster auszeichnen, eben weniger erfolgreich sind. Und aber diese Idee mit dem, wie können wir denn Menschen dabei helfen, ihrem Wunsch zu entsprechen, die Persönlichkeit zu verändern, die versuchen dann so Trainings aufzuziehen und zu sagen, okay wenn ich jetzt, zum Beispiel gibt es da so ein Training von eine Studie von Josh Jackson, der gezeigt hat, dass Personen, die jeden Tag so kognitive Aufgaben lösen, so Knobelaufgaben, ältere Menschen, die Knobelaufgaben lösen…
Sudoku und so was, die merken, ach hier intellektuelle Stimulation ist irgendwie super, das macht mir Spaß, ich kriege das gut hin, und die dann dadurch offener für neue Erfahrungen werden. Und dann eben sieht man, okay ein Training, was also in bestimmte Verhaltensweisen im Alltag pusht, führt dann dazu, dass Personen das tatsächlich übernehmen, selbst wenn das Training vorbei ist und dann offener für neue Erfahrungen werden. Das haben wir dann in einer Studie nochmal nachgemacht und geguckt, ob das auch für Personen in Deutschland, die über 100 Tage regelmäßig Trainings machen auch funktioniert, hat nicht funktioniert. Aber es gibt sozusagen Studien, die versuchen, das Alltagsverhalten von Personen in eine bestimmte Richtung zu lenken und dann gucken, ob sich die Persönlichkeit verändert, aber da stehen wir noch ganz am Anfang.
Na zum Beispiel, im Prinzip ist das der Gedanke, den es in der Therapie schon ganz lange gibt, also jemand ist super schüchtern zum Beispiel, das muss ja jetzt nicht klinisch schüchtern sein, sondern einfach ist ein schüchterner Mensch und sagt, ich wäre total gerne Radiomoderatorin und bin aber so schüchtern, ich kriege immer kein Wort über die Lippen, wenn ich mit anderen Menschen rede, das ist dann unpraktisch, weil die Person in einer Situation sein möchte, in der ihre Persönlichkeit ihr ein Bein stellt. Und dann kann man natürlich sagen, na okay, wie kriegt man das denn hin zu trainieren, dass die Person mehr auf Leute zugeht? Und dann kann man sich eben überlegen, okay in welchen Situationen ist die Person denn schüchtern? In welchen Situationen nicht? was führt denn dazu, dass sie da schüchtern ist? Dann kann man sich so Aufgaben stellen und sagen, so heute spreche ich mal drei unbekannte Personen an und meistens, wenn man das mal ausprobiert, kriegt man ja mit, die Leute reagieren eigentlich recht positiv und dann fühlt man sich bestärkt und dann macht man das noch mehr und merkt, dass man als Person, die auf andere Menschen zugeht, doch irgendwie damit gut klar kommt und da gute Rückmeldungen bekommt und kann das dann immer mehr ausprobieren, und je mehr eine Person dafür verstärkt wird und merkt, das kommt eigentlich ganz gut an, wenn ich Leute einfach mal anlächle oder anspreche, ich muss da gar nicht so zurückhaltend sein, desto leichter wird es dieser Person auch fallen, diese Extraversion in dem Fall dann in ihren Alltag zu übernehmen. Und auch, wenn sie dann einfach auf einer Party ist, wo es überhaupt nicht um Radiomoderation geht, dann einfach auf die Leute zuzugehen, weil sie das so verinnerlicht hat. Dann hat man also von einzelnen Situationen, die einen gewissen Handlungsdruck hatten, also ich will mehr auf die Leute zugehen, weil ich gerne Radiomoderatorin werden will, hat man sich so entlang gehangelt und die Person zu einem extravertierteren Menschen hat werden lassen. Und das ist schon denkbar und eben aus der klinischen Psychologie wissen wir, das funktioniert auch, wenn Personen einen ganz starken Druck haben, weil es ihnen einfach schlecht geht in ihrer Situation, aber Menschen, die einfach eine ganz normale Persönlichkeit haben und ein ganz normales Leben führen, haben halt meistens diesen krassen Druck nicht, sich unbedingt verändern zu müssen. Und dann muss man sich schon fragen, inwiefern, wenn jetzt jemand sagt, oh ich will unbedingt irgendwie gewissenhafter werden, ich bin immer so unordentlich, dann ist eben die Frage, was nützt dir das jetzt eigentlich, wirklich diese Persönlichkeit zu verändern, ist das nicht auch ganz gut so wie es ist? Oder reicht es vielleicht, wenn sich dieser und dieser Aspekt verändert? Und die anderen Aspekte der Persönlichkeit, die auch zu Gewissenhaftigkeit zählen, können aber so bleiben. Also es gibt da immer mehr Forschung und Bestrebung, was zu tun und die ganze Selbstoptimierungsindustrie außerhalb der Wissenschaft gibt es natürlich noch zusätzlich dazu, also die Bücherregale sind ja voll davon, von solchen Ratgebern.
Das interessiert alle und alle wollen irgendwie toller sein, aber wenn ich es jetzt richtig rausgehört habe, so einfach ist es nicht und es ist vor allem dann denkbar und realistischer, wenn es eine besondere Situation gibt, einen besonderen Druck. Aus eigener Motivation heraus oder eben auch aus externer Motivation heraus.
Genau, und der erste Schritt sollte immer, meiner Meinung nach, immer erst sein, sich selbst wertzuschätzen und anzuerkennen, dass es gut ist, dass man so ist wie man ist, weil die Persönlichkeit auch positive Aspekte hat, auch wenn die einem jetzt gerade nicht bewusst sind. Und der zweite Schritt ist dann, sich bewusst zu machen, dass wenn man die Persönlichkeit ändern will wirklich, dass das eben nur geht, wenn man auch seine Umwelt maßgeblich verändert. Ich kann also nicht mein Leben einfach weiterleben und bin dann aber statt introvertiert extravertiert, sondern das geht eben mit einem langen Prozess einher, der mit vielen Veränderungen eben im Alltag auch einhergeht und dann muss man sich fragen, ob man das will.
Genau, also es ist immer ein Sonderfall, wenn man jetzt … Also man hat auch ganz viele unterschiedliche Persönlichkeiten unter autistischen Personen, da gibt es eben auch ganz unterschiedliche Menschen und gleichzeitig geht es dann sehr in die klinische Richtung. Wenn man sich dann überlegt, was haben denn autistische Personen gemeinsam, was sie von Personen, die keine Autisten sind, unterscheidet? Das ist dann eigentlich wieder eine klinische Fragestellung, weil das dann nicht mehr die Persönlichkeitsvariabilität in der allgemeinen Bevölkerung beschreibt.
Ja, aber ich habe ja nicht so das Gefühl, dass Autismus jetzt so eine binäre Eigenschaft ist, wo man sagt, man ist jetzt entweder Autist oder man ist es nicht, sondern ich kenne viele Leute, gerade so in der computerorientierten Landschaft wird vielen so nachgesagt, na er ist ja sehr autistisch drauf und etc., da ist sicherlich auch ein Funken Wahrheit drin und ich habe halt gemerkt, die Skala ist sehr fein aufgelöst und geht da sehr weit. Also dass Leute, die in ihrer sozialen Interaktion teilweise extrem schwierig sind, also wo man manchmal das Gefühl hat, die hören einem gar nicht zu, die aber einfach nur ganz anders abspeichern und ein ganz anderes Reaktionsverhalten haben und gar nicht für denselben Moment der Meinung sind, man müsste jetzt was sagen, wo einem das selber sozusagen wichtig erscheint, die aber dann auf der anderen Seite viel genauer zuhören als man das vielleicht selber gedacht hat, ganz andere Analysen nach sich ziehen, also im Prinzip ja auch ein Persönlichkeitsbild haben, was ja in irgendeiner Form greifbar sein müsste. Gibt es da irgendwelche Erkenntnisse? Also ist das so ein Zug, der da eine Rolle spielt? Bildet sich das einfach nur in allen anderen Charaktereigenschaften mehr oder weniger gleichmäßig ab?
Na ich glaube halt, dass es wichtig ist zu sehen, es gibt irgendwie so Merkmale, so was wie Vermeidung von zu viel sozialer Interaktion zum Beispiel oder eine geringere Bedeutung bei Ermessen sozialer Interaktion, vielleicht als ein Merkmal. Das kann jetzt autistische Personen eventuell auszeichnen im Vergleich zu nicht autistischen Personen, obwohl wir ja diese Merkmale auch bei nicht autistischen Personen zum Teil haben. Das ist ja jetzt nicht originär etwas, was autistische Personen auszeichnet. Aber wir haben natürlich auch, das werden Sie ja dann auch beobachten bei den Personen, die Sie kennen, die Sie als mehr oder weniger autistisch einschätzen, dass die trotzdem sehr unterschiedlich sind. Man kann ja jetzt nicht sagen, es gibt die autistische Persönlichkeit.
Ja genau, und diese Unterschiedlichkeit findet man dort wie eben in anderen Personen auch. Also in der Persönlichkeitspsychologie machen wir es häufig so, man geht immer davon aus, dass die Persönlichkeitsmerkmale normal verteilt sind, es gibt also viele Personen, die mittel extravertiert, mittel offen, mittel neurotizistisch, also mittel emotional stabil sind und so weiter, und nur ganz wenige Personen, die extremst introvertiert und extremst extravertiert zum Beispiel sind. Und diese Extreme schneiden wir meistens ab und kümmern uns dann nur so um die Mitte. Weil wir eben sagen, uns interessiert vor allem die Variabilität in der Allgemeinbevölkerung und nicht so sehr die ganz besonderen Ausprägungen.
Genau, aber das machen dann die klinischen Psychologen. Die gucken sich dann die extrem Extravertierten, die überhaupt nicht mehr aufhören zu erzählen, die ständig unter Leuten sind, die total einen Koller kriegen, wenn sie mal einen Abend alleine sind oder eben die Personen, die sich gar nicht raus trauen und die ganz schüchtern sind, die gar nicht den Mund aufmachen und immer das Gefühl haben, oh Gott wenn ich jetzt was sage, dann könnte es sein, dass das jemand blöd findet oder so, das sind dann eben die ganz krassen Extreme.
Genau, also im Prinzip ist es so, dass es natürlich, wie ganz vielen Eigenschaften, ganz unterschiedliche Frauen gibt, ganz unterschiedliche Männer und diese riesige Unterschiedlichkeit, die man innerhalb der Geschlechter findet, viel größer ist als die Unterschiedlichkeit zwischen den Geschlechtern. Das ist eigentlich jedem bewusst, wir kennen ganz viele unterschiedliche Männer, ganz unterschiedliche Frauen und es gibt aber trotzdem systematische kleinere Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die man aber eben nicht überbewerten sollte, aber ein Unterschied, der wahrscheinlich so der wichtigste oder größte ist, ist der in der emotionalen Stabilität. Also Männer sind im Durchschnitt weniger neurotizistisch oder emotionaler stabiler als Frauen im Durchschnitt sind.
Da ist der größte Unterschied zu finden. Also es gibt auch noch kleinere Unterschiede in den anderen Traits, also in den anderen Persönlichkeitseigenschaften, aber da findet auch die eine Studie mal das eine und die andere Studie das andere, also der große Unterschied ist schon die emotionale Stabilität, die auch eine besondere Rolle spielt – jetzt sind wir schon wieder beim klinischen Kontext – weil emotionale Instabilität oder Neurotizismus nennen wir das auch, ein Risikofaktor ist für Depressionen und Angststörungen, also so psychische Störungen, die so nach innen gehen. Und da sehen wir eben, dass Frauen ein höheres Risiko haben, an diesen psychischen Störungen zu erkranken als Männer. Und das passt eben dazu, dass Frauen auch eher neurotizistisch sind und Männer eher emotional stabil sind. Und das interessante ist, dass dieser Entwicklungsverlauf nicht ab der Wiege so ist, also wenn man sich jetzt Kinder anguckt, sieht man den Unterschied nicht, sondern erst ab dem späten Kindes- und frühen Jugendalter geht die Entwicklung so auseinander, dass Jungs oder junge Männer eben deutlich emotional stabiler sind als das bei Frauen der Fall ist. Und da kann man sich natürlich schon fragen, woran liegt?
Genau, an Pubertät könnte es liegen. Es gibt eine Studie, die ich kenne, die hat geguckt, was macht Pubertät mit der Persönlichkeit und da hat jetzt Pubertät keine maßgeblichen Veränderungen verursacht. Aber das kann natürlich, Pubertät ist ja auch eher so eine langgestreckte Phase, die nicht nur, keine Ahnung, die erste Regelblutung als biologischen Marker für Pubertät beschreibt, sondern kann ja auch das unterschiedliche Bild, das die Gesellschaft von Mädchen und Jungen oder jungen Frauen und jungen Männern hat, wenn sie dann in der Pubertät sind, ganz unterschiedliche Anforderungen, Erwartungen oder …
Na man weiß auf jeden Fall, dass junge Frauen eher mit bestimmten Vorurteilen konfrontiert werden wie, ach das können doch Frauen nicht oder dass denen dann weniger zugetraut wird, das wissen wir schon. Und wir wissen auch, das bestimmte Kompetenzen, also so zum Beispiel intellektuelle Fähigkeiten mit, wie gut kann ich Objekte im Raum drehen und so, das ist immer so der Klassiker, bei dem gesagt wird, Männer schneiden daran besser ab als Frauen und dann sieht man aber, dass in Gesellschaften oder in Ländern, in denen diese Stereotype besonders ausgeprägt sind, dass Männer ja besser irgendwelche Objekte rotieren können mental, dass dieser Geschlechterunterschied besonders stark in den Ländern ausgeprägt, wo es dieses Stereotyp gibt, dass Männer das eben besser können. Also diese Haltung, die man in einer Gesellschaft hat, was man Männern und Frauen zutraut, hängt ganz maßgeblich davon ab, wie gut die Leistungen von den Personen in der Gesellschaft dann auch tatsächlich ist. Also es gibt ganz gute Evidenz, dass das eben schon Einfluss auf die Entwicklung eines Menschen hat, was dieser Person zugetraut wird und wenn jungen Frauen systematisch weniger zugetraut wird in bestimmten Bereichen, dann schlägt sich das eben auch darin nieder, dass sie ängstlicher sind, sich Dinge nicht zutrauen oder bestimmte Situationen vermeiden und dann kann das eben dazu führen, dass man solche unterschiedlichen Entwicklungsverläufe findet.
Nein, leider nicht oder ganz wenig. Also es gibt so Kohorten-Vergleiche, das Problem ist, wir sind erst in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf den Trichter gekommen, dass es interessant wäre, die Persönlichkeit von Menschen systematisch zu untersuchen. Und deshalb gibt es einfach wenig Studien von vor zum Beispiel 100 Jahren oder 50 Jahren, wie da die Persönlichkeit und die Persönlichkeitsentwicklung war.
Genau, aber es gibt super wenig Studien, die so Kohorten-Vergleiche machen. Eine Studie gibt es, die hat das so im höheren Alter sich angeguckt. Die haben dann zum Beispiel gefunden, dass sich Personen immer fitter in auch so psychischen Merkmalen sind, also länger eine hohe Kontrollüberzeugung haben, länger ein hohes kognitives Leistungsniveau haben im höheren Alter, als das noch vor 20 Jahren der Fall war. Und es gibt Studien, die sich so mit so Selbstwertgefühl auseinandergesetzt haben. Da gibt es ja immer dieses Stereotyp, was so durch die Medien spukt, dass es heißt, wir wären immer selbstzentrierter und immer selbstverliebter.
Die Ich-Gesellschaft ja. Und da sieht man, das ist empirisch nicht haltbar, also es ist eigentlich nicht so, dass die Person, die vor 20-30 Jahren so alt waren wie die Leute jetzt, also junge Leute von damals, junge Leute von jetzt, da hat sich nicht maßgeblich was verändert. Und es gibt gar nicht die Kohorten-Unterschiede in der Selbstzentriertheit, die der heutigen Generation manchmal unterstellt werden. Das scheint einfach so ein …
Ja guter Punkt, weil es gibt ja so immer diese schönen griffigen Generationenzuschreibungen. Generation X ist so, Generation Golf, Generation Y, Z, keine Ahnung, was da jetzt alles gerade noch auf dem Tisch liegt, ist das eigentlich in irgendeiner Form wissenschaftliches Gut oder ist das eine reine populäre Nummer?
Also das ist natürlich was, was jetzt wieder mit Persönlichkeit nur mittelbar was zu tun hat. Es gibt natürlich schon Unterschiede, zum Beispiel dass sich das junge Erwachsenenalter immer weiter streckt. Also typischerweise heiratet man und kriegt Kinder heute eben nicht mehr mit Anfang 20, sondern wenn überhaupt dann vielleicht mit ungefähr 30. Das heißt, diese Phase des Ausprobierens und Familiegründens, Sesshaftwerdens, Reihenhauskaufens die verschiebt sich eben immer weiter nach hinten.
Weil sich vielleicht das Alter verschiebt, weil man immer besser qualifiziert ist, um immer komplexer werdenden Berufen nachzugehen und dann es ja immer noch diesen Mythos gibt, man müsste erst eine unbefristete Stelle haben, bis man anfangen kann, Kinder zu kriegen, was ich ja nicht teilen würde, aber viele Leute haben ja so …
Genau, da ist es hoch risikohaft die Strategie zu fahren, wenn man Kinder kriegen will. Genau, aber das heißt, es gibt so Trends, dass zum Beispiel das junge Erwachsenenalter immer länger wird und dass Personen eben nicht die erste Person, mit der sie einen Date haben, gleich heiraten, sondern sich erst mal so ein bisschen ausprobieren. Das ist natürlich was, was man auch empirisch zeigen kann. Also das ist ja einfach Vergleich von Heiratsalter oder Anteil an der Bevölkerung, die heiratet oder Kinder kriegt und wie viele, da sieht man natürlich schon Unterschiede. Aber das hat eben nicht unbedingt gleich was mit der Persönlichkeit im engeren Sinne zu tun.
Ja genau, also es gibt eine interessante Studie von Wiebke Bleidorn und Kollegen dazu, die haben rausgefunden, die haben sich so die Frage gestellt, inwiefern hängt denn das Annehmen von so Erwachsenenrollen mit der Persönlichkeitsentwicklung zusammen? Weil man häufig so sagt, naja man reift in der Persönlichkeit durch diese Aufgaben, die man im Laufe des Lebens so auf sich nimmt, und dadurch wird man dann reifer, so die Theorie. Und was sie gemacht haben ist, sie haben sich angeguckt verschiedene Länder, wo das typische Alter, wenn man heiratet und wenn man ins Berufsleben einsteigt sich unterscheidet, ob da die Trends in der Persönlichkeitsentwicklung unterschiedlich sind oder ob die im Prinzip so in die Richtung haben sie das untersucht und da haben sie gezeigt, dass in Ländern, in denen man eben später anfängt, diese Erwachsenenrollen zu übernehmen und sich länger noch nicht erwachsen fühlt, sondern in so einer Übergangsphase, dass man da länger offen für neue Erfahrungen ist. Offenheit für neue Erfahrungen ist eine Persönlichkeitseigenschaft, die im Durchschnitt im Laufe des Lebens sinkt und die sinkt eben in Ländern, in denen man typischerweise eine längere Phase des Ausprobierens und Weiterentwickelns hat, später als in Ländern, in denen man schon relativ früh Kinder kriegt und anfängt zu arbeiten.
Jetzt gerade Familiengründung ist was, was halt erstaunlicherweise sehr wenig mit der Persönlichkeitsentwicklung zu tun hat, also ist intuitiv nicht so, aber es scheint tatsächlich so zu sein, dass uns das in der Persönlichkeit nicht so maßgeblich verändert, wenn wir Kinder kriegen, aber zumindest dieses, eine feste Beziehung eingehen und sesshaft werden, sich auf eine Rolle einschießen, das ist was, was uns weniger offen macht, weil danach probieren wir ja auch nicht mehr so viel aus, da haben wir uns dann ja festgelegt.
Genau, also es gibt immer dieses, was uns nicht umbringt, macht uns stärker, Bild, also ich muss erst mal durchs tiefste Tal gehen, um das größte Glück zu spüren, das ist auch ein Trugschluss. Also es gibt Studien, die zeigen, dass Personen, die was schwerwiegendes, negatives, einschneidendes, traumatisches erleben, dadurch weniger emotional stabil werden, also neurotizistischer werden, also ängstlicher, sorgenvoller werden, eher zu Traurigkeit neigen, kann man sich ja auch vorstellen, ich erlebe was schlimmes, dann werde ich natürlich eher niedergeschlagen, das ist glaube ich intuitiv gut nachvollziehbar und man sieht eben auch, dass das eine tiefgreifende Veränderung in der Persönlichkeit auslösen kann, eben dass man dauerhaft sorgenvoller wird, was auch damit zusammenhängt, dass es Studien gibt, die zeigen, dass ein negatives Ereignis selten allein kommt, also die Wahrscheinlichkeit etwas negatives zu erleben, steigt, wenn ich was negatives erlebt habe. Und andersrum genauso, wenn ich was positives erlebe, habe ich eine höhere Wahrscheinlichkeit noch was positives zu erleben. Die Dinge im Leben passieren also nicht zufällig, sondern sind so eine Verkettung von Umständen. Und da ist es ja durchaus nachvollziehbar, dass ein Körper oder ein Mensch oder ein Organismus sich anpasst und sich denkt, okay ich habe was schlimmes erlebt, ich werde jetzt neurotizistischer, sorgenvoller, um gewappnet zu sein für das nächste, was jetzt kommen kann, weil das Risiko eben höher ist, dass noch was schlimmes passiert. Das heißt, diesen Zusammenhang gibt es und das ist genau das Gegenteil davon, dass jemand stärker wird und wächst, sondern eher fühlt die Person sich geschwächt und sorgenvoll und eigentlich die besten Voraussetzungen für Stärke, Wachstum, Selbstsicherheit, Zufriedenheit, Selbstbewusstsein, Veränderungswillen oder Veränderungen hinsichtlich dessen, dass man sich anpasst an neue Herausforderungen, sieht man vor allem bei den Personen, die es eher leicht hatten im Leben, wo eben nicht viele schlimme Dinge passiert sind, sondern wo sich viele Chancen geboten haben und positive Dinge passiert sind, die verstärkt wurden und belohnt wurden. Also es ist gerade im Gegenteil so, Personen, die was schlechtes, schlimmes, niederschmetterndes erleben, denen fällt es deutlich schwerer, sich so zu entwickeln wie Personen, die eben vor allem die Sonnenseite erlebt haben. Aber gleichzeitig, um das noch hinzuzufügen, ist es so, dass wenn man sich jetzt nur die Personen anguckt, die was sehr schwerwiegendes erlebt oder traumatisches sogar erlebt haben, dann ist es so, dass die Personen, die dann im Rückblick berichten, dass sie das Gefühl haben, dass sie eigentlich das Gefühl haben, sie sind in der Situation gewachsen, sie haben daraus was für sich mitnehmen können, sie haben jetzt irgendwie das Gefühl, sie können auch mit sehr schwierigen Situationen umgehen und so eine Bewertung eben haben, dass sie da irgendwie auch was positives dran sehen, was sie weitergebracht hat. Das sind die Personen, die am besten mit der Situation umgehen. Also wenn es Personen schaffen, wenn sie schon mit so was schwerwiegendem konfrontiert sind, daraus für sich einen Sinn zu finden und etwas zu finden, wie sie daran gewachsen sind, die kommen deutlich besser mit der Situation klar, als die Person, die sagen, mich hat das total zurückgeworfen und ich kam aus dieser Situation überhaupt nicht raus. Also man muss immer genau sich angucken, wen man genau betrachtet. vielen Personen gelingt es eben, auch aus schlimmen Dingen etwas positives aus sich herauszuziehen und das ist, wenn einem das gelingt, das ist gerade die Kunst, dass man das schafft, damit man eben nicht nur dieser Negativität so ausgeliefert ist.
Genau, es gibt dann so gewisse Personen, die emotional stabil sind, generell, selbst wenn die ein bisschen neurotizistischer werden, dadurch dass ihnen was passiert, sind die immer noch emotional stabiler und machen sich weniger Sorgen als Personen, die schon von vornherein extrem neurotizistisch in die Situation gegangen sind. Oder Personen, die sehr gut sozial integriert sind, weil sie sehr extravertiert und verträglich sind, die dann einfach auch Leute haben, die für sie da sind, die sie unterstützen und die einen positiven Ausgleich schaffen können zu Rückschlägen, den geht es besser.
Aber kann man das auch trainieren oder kann an das auch unterstützen? Ich meine, man kennt ja immer so traumatische, was weiß ich, Katastrophen passieren und so weiter und dann kommen die Psychologenteams und machen psychologische Betreuung, was ja sich auch herausgestellt hat, eine sehr gute Idee ist, um Leute dann sozusagen gleich in dem Moment auch abzufangen. Kann man das dann auch so weit steuern, dass man sagt, okay umso mehr du jetzt das akzeptierst, dass es jetzt so ist, Drama ist passiert, lässt sich jetzt aber nicht ändern, ist jetzt so, ab heute wird alles besser, weil war ja schon schlimm, sind das so Botschaften, die verfangen oder ist das auch wiederum sehr individuell?
Nein, müssen wir uns jetzt nicht ausmalen, aber das heißt, diese Betrachtung, war jetzt halt blöd, jetzt wird es besser, das ist wenig hilfreich in der akuten Situation, in der es passiert. Gleichzeitig ist natürlich schon eine Herausforderung für die Personen, die etwas schwerwiegendes erlebt haben, sich auch wieder als Akteure in der Situation zu fühlen. Dass man eben sich nicht nur ausgeliefert fühlt der Situation, in die man gebracht wurde.
Genau, Kontrollüberzeugung nennen wir das, also dass man das Gefühl hat, ich habe wieder Kontrolle über das, was jetzt mit mir passiert. Und ich lasse mich jetzt nicht nur in die zum Beispiel Opferrolle bringen, sondern ich versuche, die Stärken, die ich habe, zu nutzen, um aus diesem Tief herauszukommen. Kann natürlich super schwierig sein, also man sieht das zum Beispiel wenn der Partner stirbt oder die Partnerin stirbt, das ist natürlich ein riesiger Einbruch im Wohlbefinden, den Personen erleben dadurch und das dauert 6-7 Jahre im Durchschnitt, bis Personen wieder sich aus diesem Tief erholt haben und ungefähr bei dem Wohlbefindenslevel sind, bei dem sie waren, bevor der Partner oder die Partnerin gestorben ist. Also das ist eben schon ein … also das ist ein Prozess, wo man sieht, es gibt so diesen Anpassungsprozess und man kann wieder glücklich werden danach, aber es kann ewig dauern.
Also ich kenne jetzt keine Studie, die sich mit Persönlichkeitsveränderungen bei Kindern, wenn die Eltern sterben, beschäftigt, aber generell ist natürlich auch da immer wieder wichtig, wie die Lebenssituation eines Kindes aussieht. Ein Kind ist ja relativ unselbstständig, das heißt, es ist super wichtig, ob das Kind danach in einem geschützten sozialen Kontext lebt, hat das eine Bezugsperson, die …
Genau oder wird es komplett rausgeworfen? Gibt es jemanden, der sich um das Kind kümmert und wird es aufgefangen in der Situation, in der es ist oder nicht? Das spielt dann eben eine ganz große Rolle, weil das Kind eben selbst die Situation ja nur bedingt beeinflussen kann, weil es gar nicht die Macht und Erfahrung hat, um da jetzt das eigene Leben maßgeblich zu gestalten.
Jetzt haben wir viel über so private und familiäre Kontexte gesprochen, aber einen Großteil der Zeit verbringen die Leute ja dann doch eher mit Arbeitstätigkeit, Selbstständigkeit oder irgendeinem Job in irgendeiner Firma. Da ist man ja dann auch permanent Dingen ausgesetzt. Vielen erzeugt das Stress, anderen Spaß, manche sehen das als Pflicht an, manche als Genugtuung, da zu sein und ja ich meine, zwangsläufig wird man ja auch geprägt, zumal man ja dann auch in so ein System hineingerät, nicht selten, was eigene Regeln hat, was Dinge von einem erwartet, wie man sich zu verhalten hat, wie man sich anpassen muss eben an so eine Hierarchie oder welche Struktur auch man immer vorfindet, ist dann dieses Berufsleben am Ende auch noch entscheidend oder vielleicht sogar noch entscheidender?
Genau, also es scheint tatsächlich so zu sein, dass das Berufsleben einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Persönlichkeit hat. Und das ist natürlich auch hier wieder so ein Wechselspiel, oder vielleicht, um was anderes noch vorzuschieben, es gibt irgendwie zwei Veränderungen, die man im Berufsleben beobachten kann, das eine ist so die allgemeine Anforderung, die typischerweise mit dem Berufsleben einhergeht. Also von mir wird verlangt, dass ich in vielen Berufen relativ gewissenhaft bin, dass ich pünktlich zur Arbeit komme oder überhaupt zur Arbeit komme, dass ich da die Aufgaben, die an mich gestellt werden, gewissenhaft bearbeite, dass ich, wenn ich sage, ich bin dann und dann fertig, dann auch dann und dann fertig bin und irgendwie mich an Regeln innerhalb des Unternehmens halte. Und das ist also ein Persönlichkeitsmerkmal, was sich durch den Eintritt ins Berufsleben typischerweise erhöht. Das heißt, wir haben gewisse Rollenanforderungen, die das Berufsleben mit sich bringt, die dazu führen, dass sich Personen im Durchschnitt verändern und dann gibt es gleichzeitig aber natürlich ganz unterschiedliche Berufe und unterschiedliche Berufe führen auch zu unterschiedlichen Veränderungen. Und da ist es zum einen so, dass man sich an die Berufe anpasst und zum anderen sucht man sich im Allgemeinen ja Berufe, die zu einem passen. Also wir hatten vorhin ja die introvertierte Radiomoderatorin, wo man sagen würde, das ist jetzt erst mal kein perfekter Match, sondern normalerweise würde man denken, eine extravertierte Person sucht sich so was wie Radiomoderation, eine introvertierte Person, die ungern mit Personen interagiert, arbeitet vielleicht gerne, keine Ahnung, im Archiv oder wir hatten vorhin dieses Beispiel von Personen, die so ganz viel am Computer machen und da irgendwelche Sachen austüfteln, die dann introvertiert sein können und diesem Beruf nachgehen können. Das heißt, wir haben eine Studie gemacht, wo wir gezeigt haben, dass unterschiedliche Berufe mit ganz unterschiedlichen Anforderungen einhergehen und ganz unterschiedliche Anforderungen an die Persönlichkeit stellen und dass Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeitsprofilen in unterschiedlichen Berufen erfolgreich sind. Das heißt, man kann nicht generell sagen, wäre total super, wenn man, keine Ahnung, verträglich ist oder gewissenhaft oder so ist, sondern es kommt immer darauf an, in welchem Beruf man sich befindet und manchmal kann man eben auch zu gewissenhaft oder zu verträglich oder so für einen Job sein. Und da haben wir eben dann gezeigt, dass je nachdem, ob die Persönlichkeit zu dem Jobprofil passt, man mehr oder weniger Geld verdient und dass Personen, die top zu ihrem Job passen, 3000-4000 Euro mehr im Jahr verdienen als Personen, die eben zu starke oder zu niedrige Ausprägungen in ihrer Persönlichkeit haben. Und da sieht man auch wieder, zum Glück sind wir nicht alle gleich, sondern zum Glück haben wir unterschiedliche Persönlichkeiten, denn es gibt eben unterschiedliche Berufe, wo unterschiedliches von uns verlangt wird.
Da spielt ja dann auch zum Beispiel das Beispiel mit den Autisten wieder rein, da gibt es ja auch verschiedene Firmen, die sich quasi darauf spezialisiert haben, Autisten für bestimmte Berufe zu holen, ihnen dort auch die richtige Umgebung zu bieten, in der sie eben da, wo sie sich überfordert fühlen, eben auch nicht überfordert werden. Also wenn sie nicht mit so vielen Menschen zu tun haben, Callcenter etc., dann aber wiederum super sich konzentrieren können auf diese Arbeit und da eben ihre Persönlichkeit auch voll ausleben können.
Genau und das gibt es für ganz verschiedene Personengruppen. Also dass man sich überlegt, wer passt in welchen Job, das ist eine sehr maßgebliche Entscheidung, die wir heutzutage ja auch immer mehr selber in der Hand haben. Das ist jetzt nicht mehr so, dass wenn der Papa einen Hof hat, dass ich dann den Hof übernehme oder wenn mein Vater, was weiß ich, ein bestimmtes Handwerk macht, dann mache ich das eben auch, sondern man ist relativ frei, zumindest hier in Deutschland, in der Wahl des Berufs und kann sich ausprobieren oder erst das eine probieren, dann das andere.
Naja, also wenn es immer so einfach wäre, den Beruf sich auszuwählen, man muss ja auch ausgesucht werden, sprich die Firmen haben ja dann auch und Anforderungen und so, das Bewerbungsgespräch ist ja auch nochmal so ein Angstfaktor für viele, weil ja auch die Anforderungen der Unternehmen, weiß nicht, ob die steigen, aber zumindest ist das immer ein großes Thema, wir suchen Personen, die jetzt genau zu uns passen, und die so und so sind.
Also diese ganze Persönlichkeitsquantifizierung spielt ja im, furchtbares Wort, Human Ressourcenmanagement auch in zunehmendem Maße eine Rolle und es gab ja schon immer viel Diskussionen, okay wie sucht man sich diese Bewerber raus? Ist es jetzt sozusagen nur das Schreiben, oder wird dann irgendwie erst mal Facebook durchgescrollt, um herauszufinden, Ob die Personen denn zu uns passen? Stellt sich natürlich auch die Frage, ob das immer so gut ist aus Perspektive eines Unternehmens, zu viel zu bewerten und zu viel zu quantifizieren, weil man ja vielleicht auch auf so einen Serendipity-Effekt, also auf so einen Glücksmoment mit, ja ich weiß gar nicht so viel, wir können auch hier zufällig in eine gute Sache hineingeraten, das ist genauso wahrscheinlich, dass es nicht klappt, oder wir versuchen zu viel zu bewerten und zu viel herauszusieben, nehmen wir uns sozusagen unsere eigenen Chancen, hier auch einfach mal einen Volltreffer zu landen.
Und auf welchem Weg, Facebook wäre jetzt natürlich schwierig, weil das ja keine Daten sind, die man dem Unternehmen wissentlich zur Verfügung stellt unbedingt, aber generell sind so Persönlichkeitsmessungen gar nicht so schlecht. Weil was man häufig beobachtet bei der Auswahl von Personen ist, dass eine Person führt 10 Bewerbungsgespräche mit Personen und sucht sich nachher die aus, die genauso ist wie sie selbst, weil man immer diese Tendenz hat, Leute cool zu finden, oder viele Menschen die Tendenz haben, Leute cool zu finden und eine Passung zu vermuten, bei Personen, die einem selbst ähnlich sind. Und das führt dann dazu, dass zum Beispiel Frauen sich weniger durchsetzen können als Männer, weil Männer Männer einstellen und Männer befördern und dann, wenn man sich mal so die Führungsetage in vielen oder überhaupt einflussreiche Personen in Deutschland anguckt, sieht man, dass die relativ ähnlich sind in vielen Merkmalen. Da kann jetzt so was wie eine Persönlichkeitssache schon nochmal weiterhelfen, weil man eben nicht nur so dem Gefühl nachgeht und sagt, ich nehme den, bei dem ich ein gutes Gefühl habe, sprich, der mir irgendwie ähnlich ist oder der mir sympathisch ist, sondern ich kann Studien machen, gerade in größeren Unternehmen, die mir zeigen, Personen, die hier arbeiten, sind besonders dann zufrieden mit ihrem Job, wenn sie diese und diese Merkmale haben. Oder es gibt fünf Profile von Personen, die in dieser Firma besonders happy sind und das sind Gruppe 1, Gruppe 2, Gruppe 3, Gruppe 4, Gruppe 5 und dann kann man dieses Wissen nutzen, um im Bewerbungsgespräch eben nicht nur auf Sympathie zu gehen, sondern zu gucken, okay wir haben jetzt hier eine Stelle, da sind besonders diese Merkmale gefragt, und wir haben auch gefunden, besonders Personen mit diesen Merkmalen sind da glücklich in diesem Job, also präferieren wir jetzt Personen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie lieber nicht so viel mit Menschen zu tun haben wollen, oder gerade viel mit Menschen zu tun haben wollen oder lieber Routinetätigkeiten machen wollen oder gerade nicht, sondern viel ausprobieren wollen und viel Experimentierraum benötigen in ihrem Job. Und deshalb kann es schon von Vorteil sein, sowas wie Persönlichkeitsmerkmale auch mit zu erheben, was ja in so Assessement-Centern häufig auch gemacht wird. Da scrollt man jetzt nicht unbedingt durch Facebook durch das Facebook-Verhalten, sondern guckt sich dann eher an, wie verhalten sich Personen in unterschiedlichen sozialen Situationen.
Genau, es gibt auch Bestrebungen, dass man das Glück der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter misst oder dass das dann verglichen wird, dass sich Firmen bewerben können und dann wird von einem externen Unternehmen gemessen, wie zufrieden sind die Leute eigentlich und dann ist das eben ein Erfolgsfaktor, was auch wieder nicht schlecht ist.
Also würden Sie das empfehlen? Also ich meine, wenn ich jetzt so ein Unternehmen habe und vor allem leiden tun ja immer die großen Unternehmen, weil die ja eigentlich dann die Distanz zu den einzelnen Personen, welcher Manager kennt schon alle Personen mit Vornamen, die jetzt da in irgendeiner Abteilung arbeiten? Aber wenn man das irgendwie versucht, mal systemisch zu erfassen, so wie glücklich seid ihr denn eigentlich und wie korreliert den euer Glück mit eurer Persönlichkeit im Verhältnis zu dem Job, den ihr habt und lässt sich das in irgendeiner Form matchen, gibt es dann sozusagen durchaus die Option, dass man dann so eine Bestandsaufnahme machen kann, dass man aber sowohl die richtigen Leute einstellt oder vielleicht auch sagt, du bist hier total unglücklich, aber dein Persönlichkeitsprofil passt ja viel besser in die Abteilung, probiere es doch da mal?
Genau, das wird ja auch gemacht, dass man Personen weiterentwickelt oder andere Erfahrungen machen. Aber um nochmal zurückzukommen auf die Idee, die Zufriedenheit von allen Leuten in einem Unternehmen zu messen. Ich finde das insofern nicht schlecht, weil dann eben Erfolg eines Unternehmens nicht nur bewertet wird auf Basis von so …
Genau, keinen wirtschaftlichen Erfolg, sondern eben auch sagt, okay wir haben ja hier eine gesellschaftliche Aufgabe und uns geht es auch darum, wir gut geht es den Leuten eigentlich? Und das auch zur Unternehmensphilosophie zu machen, finde ich schon richtig. Ich hatte mal so ein Unternehmen, die mich gefragt haben und meinten, ja wir würden hier gerne mal an … Da gab es irgendsoeine Ausschreibung oder so, hier glücklichstes Unternehmen gesucht oder und die dann zu mir kamen und meinten, können Sie nicht mal schon vorher fragen, wie glücklich die Leute sind und hier so eine Studie machen, weil wenn wir nachher an der Studie teilnehmen und da kommt raus, die sind alle total unglücklich und unzufrieden, dann würden wir lieber nicht mitmachen wollen, aber wenn die happy sind, dann würden wir mitmachen. Wo ich auch gesagt haben, nein so funktioniert das irgendwie nicht. Aber an sich finde ich die Idee schon ganz gut, dass man sagt, man guckt eben nicht nur auf die Unternehmenskennzahlen oder jetzt wenn man auf Länderebene wieder ist auf’s Bruttoinlandsprodukt, sondern man nimmt eben auch solche Merkmale, wie das Wohlbefinden von Menschen, weil sich Menschen ziemlich, nicht ganz, aber ziemlich einig sind darin, dass Glücklichsein toll ist. Und dann gehört es eben auch dazu, dass man nicht nur dafür sagt, dass Leute besonders viel Geld haben, sondern dass sie auch glücklich sind.
Genau an den Gesamtbedingungen ändern muss oder man sieht eben auch, ja, also das Einkommen ist sowieso immer so die Frage, inwiefern hängt jetzt Einkommen mit dem Wohlbefinden zusammen, aber da sieht man zum Beispiel, dass in Ländern oder auch Unternehmen, in denen es eine große Unterschiedlichkeit im Gehalt gibt, die Leute unzufriedener sind, als wenn das relativ gleich verteilt ist. Ich will jetzt nicht sagen, in einem Land müssen alle genau gleich viel Geld zur Verfügung haben und dann wäre das das glücklichste Land, das ist auch Quatsch.
Jetzt leben wir ja in digitalen Zeiten und haben es ja hier teilweise auch schon gestreift, es liegen halt immer mehr Informationen einfach so vor, ohne dass man sie jetzt noch groß erheben muss oder sie kommen irgendwie heraus. Es gab ja jetzt auch diesen Fall mit dem Unternehmen Cambridge Analytica, die halt bei Facebook und anderen Quellen eine Menge Daten abgeholt haben. und auch unter dem Verdacht stehen, psychologische Profile daraus abgeleitet zu haben und diese dann unter Umständen auch noch gewinnbringend in Wahlkämpfen, Brexit, Präsidentenwahl in den USA 2016 zur Anwendung gebracht haben. Das ist ja sicherlich ein interessanter Fall oder wie blicken Sie darauf?
Genau, also ich meine, für mich als Persönlichkeitspsychologin ist das schon ein interessantes Feld, mir anzugucken, also ein Problem, über das wir vorhin auch schon kurz gesprochen habe, ist, wenn ich Leute immer nur nach ihrer Persönlichkeit befrage, habe ich da Fehlerquellen drin. Leute finden sich selbst ganz gut in vielen Fällen, stellen sich dann besser dar als sie sind und dann kommt es zu Verzerrungen und dann ist mein Ergebnis oder meine Schätzung der eigentlichen Persönlichkeit ungenau. Das heißt, ich selbst finde es total cool, wenn ich Informationen über Personen habe, die möglichst unbewusst gemessen sind und die mir Informationen über die Verhaltensmuster von den Personen zur Verfügung stellen. Das heißt, das ist ein Zukunftsfeld für die Persönlichkeitspsychologie, sich anzugucken, wie kann ich die Daten, die Personen sowieso aufzeichnen die ganze Zeit, bei Facebook, bei Twitter, mit ihrem Aktivitätstracker, den sie ums Handgelenk haben, mit was sie eben die ganze Zeit an sich tracken, sowieso aufzeichnen, wie kann ich diese Informationen nutzen, um daraus was über die Persönlichkeit zu erfahren. Und gleichzeitig hat das natürlich ein riesiges Missbrauchspotenzial, dass man eben, sobald man viel über Menschen weiß und die sich vielleicht manchmal gar nicht so sicher sind, dass sie Teil eines großen Datensammlungsunternehmens sind, jetzt wie zum Beispiel Facebook, dass man dieses Wissen auch für sich nutzen kann und das Verhalten von Menschen in Richtungen lenken kann, ohne dass die Menschen davon wissen. Und das wird natürlich, wenn man dann in so was kommt wie Werbung oder Wahlbeeinflussung, dann gibt es eben viele, die sich daran stören und das infrage stellen, was wer eigentlich darf und wer davon wissen muss. Und da muss man jetzt sehr genau gucken, wie kriegen wir das hin, dass wir einerseits die Daten nutzen können, wenn es sinnvoll ist und andererseits den Menschen die Wahl lassen, die Daten freizugeben oder auch nicht freizugeben, da sind wir schon wieder bei der Datenschutzgrundverordnung.
Ja, das ist ein heißes Thema, auch berechtigt. Aber für wie realistisch würden Sie denn sozusagen das Potenzial der Auswertung solcher Daten für eine aktive Einflussnahme auf diese Persönlichkeit machen? Also halten Sie das für überhaupt vorstellbar und realistisch oder zumindest in seiner Auswirkung her für relevant, dass man aus dem Material, was Leute so öffentlich von sich geben, was sie mögen, was sie nicht mögen, wie sie kommunizieren, dass man daraus belastbare Schlüsse ziehen kann auf die Persönlichkeit, also auf so eine Big-Five-Skala im Zweifelsfall und dass man dann auf der Basis auch tatsächlich Einflussnahme vornehemn kann, wenn man die Möglichkeit dazu hat?
Also der Schluss auf die Persönlichkeit auf jeden Fall. Wenn Leute ihr Verhalten aufzeichnen und man sieht, wie häufig schreiben die Personen in Nachrichten oder bei Facebook Sachen, die sie glücklich machen oder über bestimmte Themen oder wie häufig sind die unterwegs, wo loggen die sich ein, wie häufig sind die überhaupt sozial vernetzt, wie häufig geht deren Blutdruck hoch, schlafen die regelmäßig, schlafen sie lang, kurz und so weiter, also wenn wir die ganzen Informationen, die Personen derzeit an sich sammeln, nicht mit dem Hintergedanken, ihre Persönlichkeit messen zu wollen, aber die sie sammeln, weil das praktisch ist und weil es möglich ist, dann kriegen wir ein super umfangreiches Bild der Persönlichkeit von Personen. Das ist eher eine Frage der Zeit, bis wir immer besser darin werden, die Verknüpfung zwischen dem digital aufgezeichneten Verhalten zu assoziieren mit der Persönlichkeit. Aber das wird kommen und ist ja jetzt schon dabei. Die Frage, wie kann man das dann nutzen, um die Person zu beeinflussen?
Ja. Aber ist das erstaunlich? Also wenn man jetzt, also wenn Sie bei Twitter oder Facebook unterwegs sind, dann gibt es so diese Personen, die die ganze Zeit jubeln und sagen, ah cool hier ist das und das passiert und wenn man dann auch noch weiß, was die in ihren privaten Nachrichten schreiben und wie häufig die bestimmte positive Affektworte nutzen oder andere, die eben dann die ganze Zeit nur von schwierigen und negativen Problemen reden, die dann eben anscheinend einen Fokus haben auf weniger zufrieden, also weniger zufrieden sind mit sich oder dem Leben oder einem bestimmten Aspekt des Lebens, klar kann man daraus Schlussfolgerungen ziehen, auf jeden Fall. Die Frage ist, aber das haben wir im Prinzip ja früher auch schon gemacht, oder das konnte man früher auch schon. Wenn irgendwie so der Laden an der Ecke, der wusste eben, ah hier kommt wieder der und der kauft jetzt sein Bier und seine Zigaretten und seine Chips und der andere kauft die Biokost und Babybrei und irgendwie so, also ich meine, man hatte ja gewisse Profile von Personen, die man vielleicht jetzt nicht mit Persönlichkeit assoziiert hat, aber man hatte bestimmte Verhaltensmuster auch schon vorher erkannt.
Gut, da sind wir jetzt wieder bei Ausreißern, aber generell glaube ich ist das nur eine Frage der Zeit. Also es ist ein Prozess, der momentan stattfindet, dass man assoziiert, wie sind die Personen online oder mit irgendwas, wie die Personen sich tracken und wie ist ihre Persönlichkeit. Die Frage ist jetzt, kann man das missbrauchen, indem ich irgendwie, wenn ich, wie war das da bei Trump, dass er dann irgendwie der alleinerziehenden Mutter da irgendwie Werbung für Pistolen oder irgendwelche Waffen gemacht hat, mit dem Hintergedanken, die Person sucht Schutz. Und bei dem jungen Mann, der irgendwie gerade seine aggressive Phase hat, eher Werbung macht, indem Waffen mit Stärke assoziiert werden. Also dass man sozusagen das Persönlichkeitsprofil nutzt, um bestimmte Messages an Leute zu bringen mit einem anderen Narrativ. Das kann man natürlich probieren und machen, ob das klappt oder wie gut das klappt, dazu gibt es meines Wissens noch keine belastbare Information. Und da überschätzt man das auch schnell, also wenn ich jetzt an der Werbung, also wenn ich die Straße runterlaufe und da sehe ich eine Werbung, dann denke ich ja auch nicht gleich, oh ja ich muss jetzt unbedingt Chips essen oder so, sondern man blendet das dann irgendwann aus und wird wenn dann sehr subtil davon beeinflusst.
Okay, ich meine, hier gibt es jetzt glaube ich so zwei Vektoren. Also man hat quasi diese Daten, das wird offensichtlich, dass sich daraus eine Menge ablesen lässt so. Jetzt habe Sie ja einerseits gesagt, okay, also die Persönlichkeit lässt sich ablesen, es ist bloß nicht klar, ob man sie auf der Basis dieser Kenntnis auch entsprechend beeinflussen kann. Wenn ich es richtig verstanden habe?
So, das schafft ja jetzt auf der einen Seite dann, ich meine, es ist lustig, wenn ich dann morgens aufwache und mein Telefon nach drei Monaten nachdenken und beobachten und tracken, was ich alles so getan und gepostet habe, kann mir dann sagen, ja du bist ein eingebildeter Fatzke, komm mal klar, aber ich gratuliere dir generell zu einer positiven Grundauffassung deines Lebens, das ist ja das eine. Ob das wünschenswert ist, dass man so was gesagt bekommen möchte, weiß ich noch nicht so ganz genau. Auf der anderen Seite denke ich mir, es ist ja auch klar, dass sich aus Verhalten Dinge ablesen lassen. Ob man jetzt wirklich bis in die Tiefe der psychologischen Grundstruktur vordringt, …
Genau, muss man ja vielleicht gar nicht. Also diese Datenschutzkomponente, die gerade so heftig diskutiert wird, weil wir jetzt halt das erste Mal ein Mittel haben, was ja auch globale Auswirkungen hat, wodurch glaube ich viele auch gerade mal anfangen, darüber nachzudenken, was sie eigentlich so tun und treiben und lassen und wofür sie im Zweifelsfall auch haften, ist ja auch mal ganz schön, ist halt schon eine Spaßbremse für Leute, die das gerne mal missbrauchen wollen, aber ist ja für die Forschung jetzt auch problematisch. Weil ich merke ja schon diese Lust auf, uh ja da sind ja viele Daten, das müssen wir jetzt mal total toll auswerten, wie geht da jetzt Ihre Disziplin mit um, was für Fragen stellen sich denn da?
Ja, ich bin gespannt, wie unsere Disziplin damit umgeht, weil es halt noch ein Aushandlungsprozess ist. Also generell, wenn wir jetzt an so was wie Datenschutzgrundverordnung denken, dann lässt die für die Forschung schon auch viele Möglichkeiten offen, aber welche genau und wie man damit umgeht und wie und so, das ist dann schon wieder relativ schwierig. Also da stellt sich dann schon … Also man ist immer wieder an der Schwelle oder an dem Ausdiskutieren von Grenzen zwischen dem Bedürfnis nach Wissensgewinn und den ethischen Grenzen, die sich dann eben auch stellen. Und das ist eben jetzt durch diese digitalen Tracker ist das eben immer mehr so, dass die Daten prinzipiell greifbar sind und deshalb natürlich auch der Wunsch besteht, die Daten, wenn sie schon aufgezeichnet sind, dann auch auswerten zu können oder sie eben auch an den Unis auswerten zu können, damit nicht nur die Unternehmen vorpreschen und die Unis, die ja im Dienste der Gesellschaft idealerweise stehen, dann da nicht weiter vorwärts kommen, aber da so ein Gleichgewicht herzukriegen ist ein kontinuierlicher Aushandlungsprozess. Und ich bin mal gespannt, wo das hinführt. Also einige Dinge, die wir gerne tun würden, waren bisher schwierig, aber könnten jetzt auch wieder einfacher werden, also man muss sich dann immer angucken, was hat man genau vor. Also in der Wissenschaft ist es häufig so, dass wenn die Personen selbst einwilligen, also wenn die Personen erwachsen und gesund sind und aktiv sagen, ich finde, das ist eine wichtige Forschungsfrage, ich stelle mich dafür zur Verfügung und wenn ihr mir zusichert, dass ihr die Daten sorgsam behandelt und die ordentlich schützt und dann niemand ran kann, den es nichts angeht, dann mache ich mit, dann ist es in vielen Fällen unproblematisch. Aber gerade bei diesem digitalen Tracken ist das halt manchmal schwierig. Also was es zum Beispiel total cooles gibt ist das "Heard", das ist so ein kleines Mikrofon, das man als App auf dem Smartphone hat, und das nimmt alle 12 Minuten 30 Sekunden Ton auf, das ist für uns Persönlichkeitspsychologen super, weil wir dann lauter Tonschnipsel von Personen im Laufe des Tages haben und dann sehen wir eben, wie häufig nutzen die selbstbezogene Worte, wie häufig sind die mit Leuten unterwegs, wie häufig nutzen die positive Affektworte, wie häufig negative, wie häufig reden die über ihren Job, wie häufig über ihre Kinder und lachen sie viel und so weiter und so fort. Gleichzeitig ist das natürlich was, was jetzt zum Beispiel in den Niederlanden und vor allem in den USA eine riesige Konjunktur hat, also da gibt es super viele coole Studien, die so was nutzen. Gleichzeitig hat man natürlich das Problem, okay wenn jetzt da alle paar Minuten aufgenommen wird, ohne dass man weiß wann, weil das ist ja gerade der Witz, dass man sich dann eben nicht verstellt, dann kann ja die Person, die dieses Mikro trägt, da zustimmen, aber die Person, die neben ihr in der S-Bahn sitzt, die weiß ja davon gar nichts. Und dann ist die Frage, naja können wir das machen, ist die anonym genug und so weiter und da stellen sich lauter sehr schwierige Fragen, und da muss man sehr genau gucken, in welchen Kontexten kann man das machen, in welchen nicht und inwiefern überwiegt da das Forschungsinteresse vor anderen ethischen Interessen. Und das ist eben ein schwieriger Aushandlungsprozess. Aber an sich ist das der Weg der Zukunft, auch für die Persönlichkeitspsychologie meines Erachtens, dass man diese elektronischen Tracker nutzt, um mehr über das Verhalten von Personen im Alltag zu erfahren. Weil wenn wir die immer nur in unser Labor einladen und gucken, wie verhalten die sich, wenn wir denen eine Situation basteln, die sie in ihrem echten Leben nie erleben, dann ist das eben auch nicht so besonders aussagekräftig.
Gut, ich meine da ist sicherlich auch in der technischen Entwicklung noch einiges zu holen, indem sozusagen diese Anonymisierung vielleicht auch dadurch stattfinden kann, dass eine Auswertung auch quasi auf dem Gerät stattfindet und man mehr oder weniger nur noch Ergebnisse liefert, das muss man natürlich dann im einzelnen sehen, ob das überhaupt technisch funktionieren kann oder ob das Modell dann noch funktioniert. Haben wir noch andere Zukunftsfragen, Dinge, wo Sie gerne mal sich drauf stürzen würden, jenseits der digitalen Auswertung? Gibt es überhaupt so gesellschaftliche Fragestellungen, die sich jetzt neu aufdrängen, wo die Psychologie gerne mal Stellung beziehen würde?
Beiträge leisten könnte. Ja gut, ich meine, mich beschäftigt das tatsächlich sehr, was diese ganzen Tracker und so angeht, aber zusätzlich gibt es natürlich einfach gesellschaftliche Fragen, bei denen die Psychologie hoffentlich mit Antworten finden kann. Also wenn man sich jetzt so was anguckt wie, keine Ahnung, den Zusammenhalt der Gesellschaft zum Beispiel, dann ist das natürlich auch ein Aspekt, wo die Psychologie hoffentlich mitmischen wird, um Antworten darauf zu geben, warum haben wir das Gefühl oder die Befürchtung oder tatsächlich den Fakt, dass die Gesellschaft weniger zusammenhält? Inwiefern können wir einen Beitrag dazu leisten, dass Europa zusammenwächst oder …
Der Politik vertraut wird, der Wissenschaft selbst vertraut wird, den Medien vertraut wird. Woran liegt das überhaupt, ist das gerechtfertigt, dass man da mehr oder weniger vertraut oder wovon hängt das ab, ob man mehr oder weniger vertraut? Ist das so, dass man dubiosen Quellen weniger vertraut als weniger dubiosen oder liegt das an anderen Mechanismen? Also da gibt es schon viele Fragen in der Gesellschaft, die uns jetzt in der Gesellschaft allgemein bewegen, wo ich mir erhoffe, dass die Psychologie auch Antworten mitliefern wird, weil jetzt gerade ja echt viel passiert mit Populismus und Europa droht auseinander zu brechen und alle reden über Geflüchtete, obwohl …
… eigentlich kein großes Problem ist, aber ich habe jetzt auch neulich so gedacht, jetzt 2015, als so das alles anfing, dass da viel Migrationsbewegung auch nach Deutschland hin waren, da meine ich mich zu erinnern, oder zumindest ist das meine Erinnerung, war das eigentlich so, dass wir alle dachten, boah ist das eine Welle der Solidarität, die hier durch Deutschland geht. Die Leute fangen an, die neu hinzukommenden willkommen zu heißen und auszuhelfen, Sprachkurse anzubieten, Leute bei sich aufzunehmen, Sachen zu spenden, für die Menschen da zu sein, Ämter zu unterstützen, die heillos überfordert sind. Das war doch eigentlich eine Stimmung von, krass Leute, die eigentlich wenig Zeit haben oder sich sonst gar nicht unbedingt engagieren, waren auf einmal total solidarisch und haben sich engagiert und das ist eigentlich die Erinnerung, die ich an 2015 habe. Wenn man jetzt so rumguckt, dann sieht man, dass ich mit dieser Erinnerung relativ alleine da stehe oder dass die zumindest nicht dominant ist in den Medien. Viele assoziieren jetzt vielleicht auch wieder mehr das irgendwie mit Angst und Vermeidungsverhalten und Abschottung und Rassismus kriegt wieder mehr Zulauf und wird irgendwie gesellschaftlich gar nicht mehr so verpönt, sondern Standard in Talkshows oder so. Und das sind alles Prozesse, die ja auch ganz anders hätten laufen können eigentlich und wo man sich fragt, welche Prozesse stehen denn eigentlich dahinter, dass sich die Sorgen der Menschen nun in die eine oder auch andere Richtung bewegen? Oder ist das überhaupt so oder kommt das nur bestimmten wichtigen Entscheidungsträgern so vor? Und dadurch werden bestimmte Dinge in den Medien oder in der Politik stärker gepusht oder woran liegt das eigentlich? Da hoffe ich mal, dass die Psychologie auch viele Beiträge leisten kann, weil sie sich mit Menschen ja gut auskennt.