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FG060 Klimawandel

Ozeanographie und die düstere Zukunft unseres Planeten

Stefan Rahmstorf ist Ozeanograph und Klimaforscher am renommierten Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er an der niederländischen Nordsee. Die Leidenschaft für das Meer war also früh geweckt. Nach dem Studium der physikalischen Ozeanographie schälte sich das Klima als Forschungsgegenstand schnell heraus: „Klima ist letztlich Physik“, sagt Rahmstorf, „und der Ozean ist einer der wichtigsten Teile des Klimasystems.“

Und so sprechen wir in dieser Episode über die Folgen des Meeresspiegelanstieges, der nicht mehr gestoppt werden kann, selbst wenn es gelingen würde, den weiteren Anstieg der globalen Erwärmung zu stoppen. Die großen Eismassen auf Grönland und der westantarktische Eisschild werden vermutlich noch über Jahrhunderte weiter abschmelzen - mit unabsehbaren Folgen: Zum einen Hitzeextreme sowie zum anderen extreme Niederschläge, die mit dem zunehmendem Wasserdampf in der Luft deutlich öfter auftreten (werden).

„Es ist sehr deprimierend, wie lethargisch die Menschheit auf diese existenzielle Bedrohung reagiert“, sagt Rahmstorf, der auch die Bundesregierung in Sachen Klimawandel beraten hat. Denn der Klimawandel kann ganze Staaten und das friedliche Zusammenleben der Menschheit destabilisieren. Höchste Zeit zu Handeln!"

https://forschergeist.de/podcast/fg060-klimawandel/
Veröffentlicht am: 6. Juli 2018
Dauer: 0:58:26


Kapitel

  1. Intro 00:00:00.000
  2. Begrüßung 00:00:43.007
  3. Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung 00:01:54.639
  4. Persönlicher Hintergrund 00:03:29.913
  5. Ozeanographie 00:06:10.991
  6. Datensammlung 00:18:55.092
  7. Gefahren des Klimawandels 00:22:59.645
  8. Wetterextreme 00:31:40.949
  9. IPCC Klimawandel als Sicherheitsrisiko 00:46:44.558

Transkript

Tim Pritlove
0:00:43
Stefan Rahmstorf
0:01:28
Tim Pritlove
0:01:29
Stefan Rahmstorf
0:01:48
Tim Pritlove
0:01:49
Stefan Rahmstorf
0:02:02
Tim Pritlove
0:03:06
Stefan Rahmstorf
0:03:12
Tim Pritlove
0:03:25
Stefan Rahmstorf
0:03:36
Tim Pritlove
0:04:56
Stefan Rahmstorf
0:05:02
Tim Pritlove
0:05:12
Stefan Rahmstorf
0:05:17
Tim Pritlove
0:05:33
Stefan Rahmstorf
0:05:35
Tim Pritlove
0:06:07
Stefan Rahmstorf
0:06:20
Tim Pritlove
0:07:15
Stefan Rahmstorf
0:07:23
Tim Pritlove
0:08:13
Stefan Rahmstorf
0:08:17
Tim Pritlove
0:09:14
Stefan Rahmstorf
0:09:43

Ja die Ozeane haben mehrere sehr starke Wirkungen auf das Klima und einmal ist es natürlich die Wärmespeicherung in den Ozeanen, die führt vor allem zu einer zeitverzögerten oder langsameren Reaktion auf Klimaveränderungen an der Oberfläche, weil es natürlich eine Zeit dauert, um Meerwasser zu erwärmen. Das führt zum Beispiel dazu, dass die Meere im Sommer sich nicht so rasch aufheizen, kühler bleiben, im Winter dafür wärmer sind, das ist die Grundlage für die Monsun-Winde zum Beispiel, dieser Kontrast zwischen Land und Meer mit den Jahreszeiten. Dann gibt es den Transport von Wärme, da sind wir dann zum Beispiel bei dem Golfstromsystem, das riesige Wärmemengen in den Nordatlantik transportiert und dafür sorgt, dass der Nordatlantik eben wesentlich wärmer ist, etwa 5 Grad wärmer als der Nordpazifik auf gleichen Breitengraden. Mit Golfstromsystem meine ich jetzt in diesem Fall nicht den Golfstrom selber, der ja hauptsächlich windgetrieben ist, sondern die Umwälzbewegung des Nordatlantik. Das ist eine große Umwälzzirkulation, wo das Wasser an der Oberfläche nach Norden strömt, dort die Wärme an die Luft abgibt, und dann weil das kalte Wasser dann schwerer wird in die Tiefe absinkt und als kalter Tiefenstrom zurückfließt, da können wir sicher nachher noch mehr drauf kommen. Eine dritte sehr wichtige Funktion des Ozeans im Klimasystem ist die Speicherung von Kohlendioxid, denn der Ozean hat von dem vom Menschen verursachten Austausch von Kohlendioxid etwa ein Drittel aufgenommen bisher. Und ohne diese große Aufnahmefähigkeit der Ozeane würde der CO2-Anstieg eben noch wesentlich rascher ablaufen, als es ohnehin der Fall ist und damit auch die globale Erwärmung wesentlich rascher ablaufen.

Tim Pritlove
0:11:43
Stefan Rahmstorf
0:12:18
Tim Pritlove
0:13:36
Stefan Rahmstorf
0:13:38
Tim Pritlove
0:14:18
Stefan Rahmstorf
0:14:49

Ja vielleicht sollte man zunächst mal zwischen der biologischen und der physikalischen Meeresforschung unterscheiden. Was ich mit Ozeanographie meine und was ich studiert habe und mache ist eben die physikalische Ozeanographie, und die beschäftigt sich heute eben zum Beispiel mit Veränderungen er Meeresströmungen im Zuge des Klimawandels. Auch übrigens bei den zum Teil sehr abrupten natürlichen Klimaveränderungen, die es in der Erdgeschichte gegeben hat, die auf Instabilitäten in den Meeresströmungen zurückgeführt werden und die Ozeanographie beschäftigt sich auch mit der Frage des Meeresspiegels. Auch wieder sowohl in der Erdgeschichte, wo wir ja sehr große Meeresspiegelveränderungen im Zuge der Eiszeitzyklen sehen. Und eben natürlich den modernen Meeresspiegelanstieg, der durch die globale Erwärmung durch den Menschen jetzt verursacht wird. Da gibt es einmal die Frage, wie stark ist der Meeresspiegel tatsächlich in der Vergangenheit angestiegen, denn das ist gar nicht so leicht zu bestimmen, weil man Messungen fast nur entlang der Küsten hat. Aber wenn wir jetzt den global gemittelten Meeresspiegelanstieg wissen wollen, dann sind die Küsten vielleicht gar nicht so typisch für den Meeresspiegelanstieg. Man möchte gerne natürlich wissen, was im offenen Ozean passiert ist auch, und das wissen wir erst seit den 90er Jahren, 1993 als man begonnen hat, von Satelliten aus den weltweiten Meeresspiegel zu vermessen. Und ein großer Forschungsbereich ist natürlich der künftige Meeresspiegelanstieg. Wie schnell ist der zu erwarten? Und da sieht man auch wieder den interdisziplinären Aspekt, selbst bei einer einfachen Frage wie Meeresspiegelanstieg, weil da geht es einmal um eine typische ozeanographische Frage, nämlich, wie rasch erwärmen sich die Meere? Das führt zu einer thermischen Ausdehnung des Meerwassers und damit zum Meeresspiegelanstieg. Aber jetzt werden auch die Kontinentaleisforscher natürlich da gefragt, weil das Schmelzen von Gebirgsgletschern und den großen Kontinentaleismassen auf Grönland und der Antarktis ein sehr wesentlichen Beitrag zum Meeresspiegelanstieg leistet, dann sind die Forscher, die sich mit den Landoberflächen beschäftigen, auch gefragt, weil die Wasserspeicherung an Land und im Boden und unter dem Boden eine wichtige Rolle spielt. Und es gibt einen menschlichen Beitrag zur Absenkung des Meeresspiegels, weil wir immer mehr Wasser in Stauseen speichern. Und da würde man vielleicht denken, ja das kann ja nicht so viel sein.

Tim Pritlove
0:17:39
Stefan Rahmstorf
0:17:40
Tim Pritlove
0:17:49
Stefan Rahmstorf
0:17:51
Tim Pritlove
0:18:01
Stefan Rahmstorf
0:18:08
Tim Pritlove
0:18:18
Stefan Rahmstorf
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Tim Pritlove
0:18:39
Stefan Rahmstorf
0:19:08
Tim Pritlove
0:20:29
Stefan Rahmstorf
0:20:35
Tim Pritlove
0:20:37
Stefan Rahmstorf
0:20:53
Tim Pritlove
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Stefan Rahmstorf
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Tim Pritlove
0:22:36
Stefan Rahmstorf
0:23:06
Tim Pritlove
0:23:07
Stefan Rahmstorf
0:23:19
Tim Pritlove
0:24:31

Ja.

Stefan Rahmstorf
0:24:32
Tim Pritlove
0:25:01
Stefan Rahmstorf
0:25:04
Tim Pritlove
0:26:27
Stefan Rahmstorf
0:26:41
Tim Pritlove
0:28:14
Stefan Rahmstorf
0:28:26
Tim Pritlove
0:29:08
Stefan Rahmstorf
0:29:14

Ja, was natürlich durchaus auch diskutiert wird, sind Möglichkeiten, aktiv CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, aber dagegen sprechen einfach diese unvorstellbaren Mengen. Also in kleinem Umfang, ja wird das durchaus möglich sein. Es gibt ja die Möglichkeit, Aufforstung zu betreiben, aber gut wenn man alles wieder aufforstet, was der Mensch jemals abgeholzt hat, und quasi die Urwälder in ganz Europa wiederherstellt und so, dann hat man vielleicht 15% des Kohlendioxid wieder zurückgeholt, was wir aus fossilen Quellen in die Atmosphäre gegeben haben. Also man hat quasi nur den Entwaldungsanteil dann rückgängig gemacht, aber den wesentlich größeren fossilen Anteil an dem zusätzlichen Kohlenstoff kann man damit nicht wegbekommen. Und mehr technische Verfahren, Bioenergie mit Kohlenstoffspeicherung unter der Erde und so weiter, können zwar theoretisch auch genutzt werden, um CO2 aus der Atmosphäre herauszuholen und dann in unterirdischen Lagern wieder abzulagern, ist aber sehr teuer. Und was Bioenergie angeht, wir haben natürlich nur sehr begrenzte Landflächen, die Weltbevölkerung wächst, die möchte ernährt werden, so dass da gibt es eigentlich nur das Potenzial, eine gewisse kleine Ergänzung der Emissionsminderungsmaßnahmen zu erreichen, wenn man die Emissionen nicht komplette wegkriegt, weil irgendwelche Restemissionen aus der Landwirtschaft oder so nicht wegzubekommen sind, könnte man da noch ein bisschen gegensteuern, indem man aktiv CO2 entfernt, aber es ist undenkbar, dass man es in solchen Massen machen kann, wie wir fossile Brennstoffe verbrennen.

Tim Pritlove
0:31:04
Stefan Rahmstorf
0:31:36

Ja was sonnenklar ist, dass die Hitzeextreme logischerweise zunehmen, wenn das Klima insgesamt wärmer wird, und zwar in einem erstaunlich großen Ausmaß. Wir haben mal eine weltweite Datenanalyse gemacht über die Häufigkeit von Monatsrekorden bei der Temperatur. Also so etwas wie wärmster Mai seit Beginn der Aufzeichnung, wie wir ihn ja jetzt gerade auch hinter uns haben hier. Und haben festgestellt, dass diese Rekorde fünfmal so oft auftreten, als das in einem unverändertem, einem stabilen Klima der Fall wäre. Also natürlich treten auch ohne Klimaveränderung, allein durch Wetterzufall, immer mal neue Rekorde auf. Und das hört man dann ja auch immer wieder, dass Leute sagen, ja so was hat es ja schon immer gegeben. Aber das entscheidende ist eben, dass es wesentlich häufiger wird durch den Klimawandel und eben bei diesen Temperaturrekorden fünfmal häufiger. So dass man sagen kann, wenn man also eine extreme Hitzewelle wie den „Jahrhundertsommer“ 2003 hat, der in Europa etwa 70.000 Hitzetote gekostet hat, dass von fünf derartigen extremen Hitzewellen wäre eine durch Zufall auch aufgetreten, vier kommen hinzu aufgrund der von uns verursachten globalen Erwärmung. Der zweite Faktor, den man ansprechen kann, zweite Art von Extremen, sind die extremen Niederschläge und auch da ist einfach aufgrund der Physik zu erwarten, dass die zunehmen, weil warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen, das ist ein Grundgesetz der Physik, Clausius-Clapeyron-Gleichung. Abhängigkeit des Sättigungsdampfdrucks von der Temperatur. Und das heißt, pro 1 Grad Erwärmung kann 7% mehr Wasserdampf in der Luft sein. Und bei einem extremen Regen ist es eben typischerweise so, der entsteht durch gesättigte Luftmassen, die sich abregnen, daher spielt eben gerade der Sättigungsdampfdruck da die entscheidende Rolle. Und man muss eben davon ausgehen, dass diese extremen Regen zunehmen.

Tim Pritlove
0:33:55
Stefan Rahmstorf
0:33:56
Tim Pritlove
0:34:31
Stefan Rahmstorf
0:34:36

Also man kann das auch auf kontinentaler Skala nachweisen. Also für Europa, wenn man jetzt noch kleinräumiger wird und es nur für ein Land von der Größe wie Deutschland zum Beispiel machen wird, dann wird es sehr schwer, weil die Niederschläge natürlich sehr große Zufallsschwankungen aufweisen in ihrer Intensität. Und wenn man Externe anschaut, hat man ja immer das Problem, Extreme sind per Definition selten. Und sonst wären sie nicht Extreme. Um aber statistische Signifikanz zu erreichen, also ausschließen zu können, dass es vielleicht einfach nur Zufall ist, braucht man große Fallzahlen und das widerspricht sich quasi. Und deswegen große Fallzahlen von Extremen kriegen Sie nur, wenn Sie über große Gebiete aggregieren, wie wir das nennen. Also große Gebiete betrachten. Und deswegen ist es auf der globalen Skala, auch auf der kontinentalen Skala klar nachzuweisen. Für Deutschland, ich weiß da arbeiten Kollegen in Dresden zum Beispiel dran, da ist es nicht ausgeschlossen, die Zunahme schon nachzuweisen, aber da ist es wesentlich schwieriger, da muss man also schon sehr genau in die Daten schauen und eben auch, das macht die Sache so schwierig, die Veränderungen im Messsystem mit berücksichtigen. Weil Wetterstationen kommen hinzu, dann werden sie wieder reduziert wegen Sparmaßnahmen, sie werden automatisiert. Also es gibt auch eben solche Veränderungen im Beobachtungssystem, die dann zu Scheintrends führen können und da muss man sehr sehr sorgfältig sich die Daten anschauen, damit man eine homogene Datenreihe hat.

Tim Pritlove
0:36:24
Stefan Rahmstorf
0:37:27
Tim Pritlove
0:38:41
Stefan Rahmstorf
0:38:53
Tim Pritlove
0:38:54
Stefan Rahmstorf
0:39:03
Tim Pritlove
0:40:21
Stefan Rahmstorf
0:40:49
Tim Pritlove
0:41:35
Stefan Rahmstorf
0:41:38
Tim Pritlove
0:42:45
Stefan Rahmstorf
0:43:05

Ja, um bei den Tropenstürmen zu bleiben, da gibt es ja eine Maximalstärke, die sie erreichen können, die hängt im wesentlichen von der Meerestemperatur ab, das ist die sogenannte potenzielle Intensität eines Tropensturms unter optimalen Bedingungen. Wenn der also nicht durch irgendwelche Scherwinde zerrissen wird oder auf Land trifft oder so, sondern wenn der sich ungestört unter optimalen atmosphärischen Bedingungen über warmem Wasser entwickeln kann, dann hängt die Energie und damit die Windgeschwindigkeit von der Wassertemperatur ab. Deswegen treten die ja auch nur in den Tropen auf bzw. Subtropen und im Sommerhalbjahr im wesentlichen, weil die brauchen einfach mindestens 26-27 Grad Meeresoberflächentemperatur, um überhaupt in Gang zu kommen. Und dieser Deckel der Maximalstärke wird immer mehr angehoben, je wärmer das Klima wird. Also von daher werden eben Stürme von nie da gewesener Intensität erwartet und es ist ja auch so, dass in der Mehrzahl der Ozeanbecken die stärksten Stürme seit Beginn der Satellitenbeobachtung, wo man einigermaßen gute durchgehende Beobachtungsreihe hat seit 1980, die stärksten sind alle in den letzten 4-5 Jahren aufgetreten, also nicht alle, aber in den meisten dieser Becken weit mehr, als man jetzt durch Zufall erwarten würde, also insofern haben wir schon Stürme von bislang nie beobachteter Stärke in den letzten Jahren gesehen. Und bei Niederschlägen gilt das gleiche, Sättigungsdampfdruck steigt praktisch exponentiell mit der Temperatur und von daher ist da auch keine Grenze in der Physik, sondern je wärmer es wird, desto wasserhaltiger kann die Luft sein. Und wenn Sie sagen, länger anhaltend, da ist gerade gestern eine Studie in Nature erschienen, die zeigt, dass die Tropenstürme sich langsamer bewegen. Die sind in den letzten paar Jahrzehnten etwa 10% langsamer geworden. Und das heißt eben, sie verharren auch länger über einer bestimmten Stadt, wenn sie die treffen. Und das Beispiel ist eben Harvey in Houston letztes Jahr, der hat ja dort in Texas in Houston so verheerende Schäden angerichtet durch Überschwemmungen, weil er einfach nicht weitergezogen ist. Dieser Sturm saß einfach da über Texas tagelang und hat deswegen zu den größten Regenmengen geführt, die jemals im kontinentalen Nordamerika beobachtet worden sind.

Tim Pritlove
0:45:45
Stefan Rahmstorf
0:46:03
Tim Pritlove
0:46:23
Stefan Rahmstorf
0:46:44
Tim Pritlove
0:46:45
Stefan Rahmstorf
0:46:46
Tim Pritlove
0:46:49
Stefan Rahmstorf
0:46:50
Tim Pritlove
0:46:57
Stefan Rahmstorf
0:47:40

Ja, also es ist wirklich sehr deprimierend, wie lethargisch und extrem langsam die Menschheit auf diese existentielle Bedrohung reagiert. Und ich sage vielleicht nochmal, warum ich das für eine existentielle Bedrohung halte, ich habe ja auch 8 Jahre lang die Bundesregierung beraten im wissenschaftlichen Beirat für globale Umweltveränderungen und da haben wir ein Gutachten geschrieben über Klimawandel als Sicherheitsrisiko und da haben wir eben tatsächlich mal so Szenarien durchgespielt, dass zum Beispiel schwache Staaten durch ein Extremereignis, sagen wir eine Dürre mit großen Ernteausfällen, destabilisiert werden können und letztlich in Bürgerkrieg und Chaos versinken. Das haben wir vor Syrien geschrieben. Dann kam die schwerste Dürre in der syrischen Geschichte in den Jahren bis 2011, die gefolgt war von Massenprotesten, anderthalb Millionen Binnenflüchtlingen in Syrien, weil die Bauern ihre Dörfer verlassen mussten, weil das Vieh gestorben war, die Ernten ausgefallen. Diese Dürre war übrigens die schlimmste in Syrien seit mindestens 800 Jahren, soviel weiß man aus Sedimentdaten im östlichen Mittelmeer. Und diese Dürre ist so vorhergesagt, also das sagen Klimamodelle seit vielen Jahren robust vorher, dass der Mittelmeerraum austrocknet, wenn man mehr CO2 in die Atmosphäre gibt und das ist ein Prozess, der läuft ab, den zeigen auch die Beobachtungsdaten. Und man kann eben sehen, dass solche Extreme Staaten destabilisieren können, das hat natürlich auch viele politische Ursachen noch, deswegen ja schwache Staaten, die vielleicht schon unter inneren Spannung leiden, ethnischen, religiösen Spannungen, aus welchen Gründen auch immer, korrupte Regierungen, aber die sind dann anfällig, wenn ein solches verheerendes Extremereignis passiert. Und wenn wir das jetzt nicht nur in einem Land sehen, sondern wenn sich das noch wesentlich weiter verschlimmert in den nächsten Jahrzehnten, ja dann kann man sich ausmalen, dass die gesamte weltpolitische Architektur destabilisiert wird, dass Staaten sich versuchen abzuschotten gegen dann noch wesentlich größere Flüchtlingsströme und so weiter. Und von daher glaube ich, dass die Zivilisation der Menschheit unseren Zusammenhalt als Menschen wirklich existentiell gefährdet. Und dass es diese globale Erwärmung gibt, das ist ja wirklich seit etlichen Jahrzehnten bekannt. Der erste offizielle Expertenbericht für die amerikanische damalige Regierung, den amerikanischen Präsidenten, Lyndon B. Johnson damals, stammt von 1965 und da steht alles drin, CO2 wird diese Erwärmung verursachen, Meeresspiegelanstieg, Eisschmelze und so weiter, die wesentlichen Fakten stehen da alle drin und es hat genau 50 Jahre Debatte gebraucht, bis man dann endlich in Paris 2015 das Pariser Abkommen geschlossen hat. 195 Staaten, selbst Saudi-Arabien, alle haben zugestimmt und das liegt daran, dass die Menschen, die dort verhandeln, Diplomaten, Mitarbeiter von Ministerien und so weiter, die dann so ein Abkommen erarbeiten, die beschäftigen sich wirklich intensiv mit dem Thema. Und ich glaube, jeder der sich unvoreingenommen intensiv damit beschäftigt, egal aus welchem Land er kommt, egal welche Kultur, erkennt, dass das eine existentielle Bedrohung ist und deswegen ist auch das Pariser Abkommen zustande gekommen. Aber die Delegierten dort, die das beschließen, die sagen dann auch, zu Hause meine Regierung dann zu überzeugen, die Abgeordneten, Politiker und so, das ist extrem schwer, weil die stecken nicht so in der Materie drin, die wollen es zum Teil einfach auch nicht verstehen und deswegen ist die entscheidende Schlacht jetzt, wo wir das Pariser Abkommen haben, ist die Umsetzung dessen zu erreichen, was dort versprochen worden ist. Und wir sehen ja jetzt gerade, die Kohlekommission eingesetzt in Deutschland, die auch schon nicht Kohlekommission heißen darf, sondern irgendwie Kommission für, weiß nicht, Wachstum, Strukturwandel oder sonst was, das ist extrem schwierig. Wir müssen sehr schell aus der Kohleverstromung aussteigen, es gibt nur wenige Länder, unter anderem Deutschland, die in großem Umfang noch Kohle verbrennen und das ist einfach praktisch der schlimmste Beitrag zur globalen Erwärmung, die schmutzigste Art, CO2-intensivste Art Energie zu erzeugen.

Tim Pritlove
0:52:24
Stefan Rahmstorf
0:52:46
Tim Pritlove
0:53:13
Stefan Rahmstorf
0:53:14
Tim Pritlove
0:54:43
Stefan Rahmstorf
0:55:09

Ja da sehe ich auch eine starke Verantwortung der Medien, dieses Thema eben mehr in den Vordergrund zu rücken und auch die Politiker immer wieder zu fragen, ihr habt jetzt das Pariser Abkommen unterzeichnet, ratifiziert, was macht ihr jetzt eigentlich, um das umzusetzen? Warum werden die Klimaziele gar nicht eingehalten? Stichwort Asteroid ist natürlich gut, warum ist das Klimaproblem anders? Es kommt nicht von außen, es hat mal jemand vor vielen Jahren gesagt unter Zeiten von Georg Bush, wenn der Klimawandel von Osama Bin Laden verursacht würde, dann wären die USA längst im Krieg gegen den Klimawandel gezogen. Es ist nicht ein Angriff von außen, sondern wir alle sind irgendwie mit verantwortlich, das schiebt man lieber gerne weg. Und der Asteroid würde eben etwas schneller kommen. Wenn man in so einem schleichenden Veränderungsprozess ist, der Jahrzehnte dauert, wie beim Klimawandel, dann findet man natürlich immer irgendwas, was jetzt gerade akut dringender ist. Wenn die Banken zu kollabieren drohen, dann kann die Politik innerhalb von einer Woche reagieren, aber auf einen Klimawandel, wo wir schon vor 20-30 Jahren wirklich hätten reagieren müssen, da kann man immer wieder auf die nächste Legislaturperiode verschieben und glaubt, das kann ja nicht so schlimm sein, aber in der Summe ist es jetzt eben so, dass wir bis 2040, allerspätestens 2050 die weltweiten Emissionen auf Null haben müssen, um die Ziele des Pariser Abkommens noch einzuhalten und die Erwärmung deutlich unter der 2-Grad-Grenze zu halten.

Tim Pritlove
0:56:42
Stefan Rahmstorf
0:56:47
Tim Pritlove
0:57:11
Stefan Rahmstorf
0:57:12
Tim Pritlove
0:57:16
Stefan Rahmstorf
0:57:31
Tim Pritlove
0:57:33