Forschergeist
Horizonte für Bildung und Forschung
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FG023 Welt in Balance

Über die Zukunft der Welt und die Verantwortung der Wissenschaft

Wirtschaftskrisen, die wachsende Weltbevölkerung und der sich verschärfende Klimawandel erschüttern das Bild einer Welt, die sich über Bildung, Forschung und eine sozialorientierte Ausrichtung der wirtschaftlichen Entwicklung in eine Zukunft verwandelt, die für alle Menschen lebenswert erscheint. Es stellt sich die Frage, ob wir künftig ein Zweiklassensystem etablieren oder noch eine Chance auf eine Welt in Balance haben.

Wir sprechen mit Franz Josef Radermacher, Leiter des Forschungsinstituts für Anwendungsorientierte Wissensforschung (FAW) in Ulm, der sich schon im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit Wirtschaft und Informatik früh diesen Fragen gestellt und sich auch im Rahmen seines Engagements für den Club of Rome mit der Erforschung der Rahmenbedingungen für eine stabile, prosperierende Entwicklung der Menschheit beschäftigt hat.

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Veröffentlicht am: 4. Januar 2016
Dauer: 1:24:23


Kapitel

  1. Intro 00:00:00.000
  2. Begrüßung 00:00:42.861
  3. Vorstellung 00:01:19.692
  4. Ausbildung 00:02:09.657
  5. FAW Instititut 00:07:16.528
  6. Club of Rome / DIe Grenzen des Wachstums 00:13:54.442
  7. Das Wachstum der Weltbevölkerung 00:21:39.171
  8. Der globale Marshallplan 00:28:17.627
  9. Das Ziel einer Welt in Balance 00:38:31.807
  10. Die Wirtschaftswissenschaften und die Welt 00:52:45.981
  11. Verantwortung der Wissenschaft 01:13:15.778
  12. Ausklang 01:23:12.531

Transkript

Tim Pritlove
0:00:43
Franz Josef Radermacher
0:01:18
Tim Pritlove
0:01:20
Franz Josef Radermacher
0:01:40
Tim Pritlove
0:01:52
Franz Josef Radermacher
0:01:56
Tim Pritlove
0:02:10
Franz Josef Radermacher
0:02:21
Tim Pritlove
0:02:48
Franz Josef Radermacher
0:02:51
Tim Pritlove
0:02:57
Franz Josef Radermacher
0:03:02
Tim Pritlove
0:03:07
Franz Josef Radermacher
0:03:08
Tim Pritlove
0:03:18
Franz Josef Radermacher
0:03:22
Tim Pritlove
0:03:39
Franz Josef Radermacher
0:03:43
Tim Pritlove
0:04:13
Franz Josef Radermacher
0:04:21
Tim Pritlove
0:05:12
Franz Josef Radermacher
0:05:28
Tim Pritlove
0:07:15
Franz Josef Radermacher
0:07:37

Ja auch hier macht es vielleicht Sinn, die Historie zu rekapitulieren. Ich bin, nachdem ich längere Zeit in den USA war und habilitiert in Mathematik war, bin ich als Professor nach Passau. Also Professor für angewandte Informatik. Im besonderen Operations Research, nach Passau. Das war damals eine Neugründung. Eine Neugründung einer Fakultät für Mathematik und Informatik. Und von dort bin ich sehr stark in Wechselwirkung mit dem damaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth hier an die Uni Ulm gekommen, um ein Forschungsinstitut zu leiten, das neu gegründet wurde. Nämlich das Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung. Das ist also keine Begriffsbildung und keine Institutsschöpfung von mir, sondern das war die Antwort des damaligen Ministerpräsidenten in Zusammenarbeit mit Führern sehr großer Unternehmen aus Baden-Württemberg wie Daimler und IBM und HP und anderen. Gedacht als Antwort auf das damalige 5. Generation Program der Japaner. Also es gab damals einen ersten Hype in künstlicher Intelligenz. Japan setzte das 5. Generation Programm auf. In Deutschland gab es Überlegungen, ein Zentrum für künstliche Intelligenz zu gründen. Das ist dann schließlich in Kaiserslautern Saarbrücken gegründet worden. Und weil das an Baden-Württemberg vorbeiging, hat der damalige Ministerpräsident gesagt, wir brauchen das hier auch. Hat sich hier die Unternehmensführer als Partner geholt, hat das alles kombiniert mit den Planungen zum Umbau von Ulm als Wissenschaftsstadt und in diesem Prozess, wo dann die Wissenschaftsstadt Ulm konzipiert wurde, wurde in Ulm das neue Institut geschaffen, als ein Aninstitut, also mit der Uni verbunden, aber außerhalb der Uni rechtlich selbstständig. Und ich wurde dann zum Gründungsdirektor dieses Instituts berufen. Und das war ein entscheidender Moment in meinem Leben. Bis dahin hatten sich die Dinge gut zusammengefügt und in dieser Mischung von Optimierungstheorie, Mathematik, Ökonomie, Anwendungen, Operations Research tauchte eben immer stärker auch das Thema entscheidungsunterstützender Systeme auf. Was kann die Entscheidungstheorie beitragen? Was können die Computer beitragen? Wie viel Leistungen können Maschinen übernehmen im Bereich Entscheidungen? Und das sind ja alles Themen, die in Richtung Kybernetik und Intelligenz wirken. Und das war der Gegenstand dieses neuen Instituts, bei dem man nicht genau wusste, was es machen soll und dann einen Begriff erfunden hat, der das modische künstliche Intelligenz oder artificial intelligenzce vermied. Die Unternehmensführer und der Ministerpräsident waren da eher konservativ, die wollen so ein Wort nicht benutzen. Und dann sind sie eben auf anwendungsorientierte Wissensverarbeitung gekommen, wobei Wissensverarbeitung eben bedeutet, mit Wissen macht man irgendwas und anwendungsorientiert bedeutete, es soll in irgendeinem Sinne in Anwendungen dann materiell wirksam werden. Und das war das Programm dieses FHW. Und ich war jetzt also der Gründungsdirektor dieses Instituts und habe mich über fast 20 Jahre in diesem Institut mit einer Vielzahl von Themen beschäftigt, von denen die Globalisierung und die nachhaltige Entwicklung nur ein Teil war. Also das war wenn man so will mein eigener Schwerpunkt, mein Anliegen, die Welt verstehen, die Globalisierung verstehen, die Nachhaltigkeit verstehen und zu verstehen, wie hängt das mit dieser Revolution im Bereich IT zusammen. Und was werden die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz in diesem Kontext sein. Und mich interessierte insbesondere immer, die Menschheit als intelligentes System zu verstehen. Also vom einzelnen Menschen eine Stufe hoch zu gehen in die Welt sogenannter Superorganismen, die Millionen von Individuen koordinieren, technische Nervennetze besitzen, technische Wissensverstärker und dann die Frage zu stellen, wo ist eigentlich die Intelligenz von diesem System und wo wandert das hin und wo wird sich das entwickeln? Das war wenn man so will meine ganz persönliche Agenda. Das Institut hat sich hauptsächlich beschäftigt mit Themen wie: IT in der Automatisierung von Fabriken; IT in der Welt der Büros; intelligente Systeme im Bereich Umweltinformatik; intelligente Systeme im Bereich Verkehr. Wir haben uns damals schon mit dem Auto beschäftigt, das selber fährt. Wir haben uns aber auch beschäftigt mit der Steuerung technischer Systeme durch Netze. Also netzbasierte Systeme, die die Türen öffnen, die Kameras steuern und haben uns mit Schnittplätzen für Multimedia beschäftigt und sind in die Produktion von Multimedia-Beiträgen etwa für die Expo 2000 eingestiegen. Haben also eine unglaubliche Fülle von Themen gemacht, die irgendwo mit IT zusammenhingen, die mit Kommunikation zusammenhingen, aber für mich immer auch mit der Zusatzdimension, die ganze Welt zu verstehen, die Menschheit zu verstehen, die Menschheit als intelligentes System zu verstehen und zu verstehen, wo die Menschheit hinmarschiert.

Tim Pritlove
0:13:52
Franz Josef Radermacher
0:14:42

Ja.

Tim Pritlove
0:14:43
Franz Josef Radermacher
0:15:36

Der Club of Rome war für mein Leben prägend. Insbesondere mit der Publikation „Grenzen des Wachstums, Limits to Growth. Dies wurde 1972 publiziert. Das was der Club of Rome gemacht hat liegt sehr auf der Linie derart wie ich selber arbeite. Das heißt, man versucht ein komplexes System zu verstehen, indem man einige wesentliche Einflussgrößen isoliert und betrachtet und dann das Ganze versteht aus der Dynamik der Wechselwirkung dieser Größen, auf die man sich konzentriert. In der Regel rechnet man auf dieser Basis dann Inszenarien. Das heißt, man unterstellt gewisse Wechselwirkungen zwischen diesen Größen und fragt, wenn die Wechselwirkungen so sind, was kommt dann raus? Der Club of Rome hat beispielsweise niemals die Position vertreten, es müsste das Wachstum enden. Wenn überhaupt eine solche Position indirekt irgendwo beinhaltet war, dann war es die Aussage, es muss das Wachstum bezüglich der Nutzung kritischer Ressourcen enden. Das heißt die limitierende Größe sind kritische Ressourcen. Das könnte die Fläche sein. Das könnte die verfügbare Energie sein. Das könnte, was sich als wichtiges Thema herausgestellt hat, die Fähigkeit der Atmosphäre sein, CO2 aufzunehmen und zu speichern. Also wo immer kritische Grenzen sind, muss die Menschheit aus Vernunft und Eigennutz diese Grenzen beachten. Und diese Grenzen, diese Limits to Growth waren das Thema von Limits to Growth. Und nicht dass es prinzipiell nicht wachsen dürfte. Insbesondere ist selbst die Begrenztheit einer kritischen Ressource überhaupt kein Problem, wenn es gelingt, eine neue Ressource zu finden, die man statt der alten verwenden kann. Es gab vor 300 Jahren einen großen Engpass beim Holz. Wälder waren das knappe Gut. Holz war die entscheidende energetische Ressource. Holz war eine wichtige materielle Ressource. Holz war insbesondere die Basis für die Kriegsflotten. Ein großes Kriegsschiff braucht 1000 Eichen. Und damals wurde im Atlantik zwischen Frankreich und Großbritannien entschieden, wer Nordamerika kontrolliert und im Mittelmeer lief die Auseinandersetzung vor allen Dingen zwischen Venedig und dem osmanischen Reich um die Kontrolle des Mittelmeers. Das alles brauchte Unmengen von Holz. Holz war die knappe Ressource. Wir haben die Knappheit bei der Ressource Holz nicht überwunden durch eine Ökonomie, die holzbasiert ist, aber wenig Holz braucht, sondern wir haben die sogenannten unterirdischen Wälder gefunden. Wir haben Kohle, Gas und Öl gefunden. Wir haben damit industrielle Revolutionen angezettelt. Wir haben die Zahl der Menschen verzehnfacht. Wir haben die Größe der wirtschaftlichen Leistung verfünfzigfacht und konnten das Holz weitgehend in Ruhe lassen, weil wir die neue Ressource gefunden haben. Also der Club of Rome wird sehr oft falsch interpretiert in dem was er gesagt hat. Ich habe aber verstanden, was er richtig gesagt hat. Nämlich, eine Menschheit, die insbesondere von der Anzahl der Menschen sehr schnell wächst – und da sind wir wieder bei dem Thema Weltbevölkerung – die außerdem Vorstellungen darüber entwickelt, dass sie eine gewisse Balance will. ... oder die Möglichkeiten der Produktion von Wohlstand sind begrenzt. Oder wenn wir das dann nicht akzeptieren, haben wir einen Kollaps. Und das müssen wir jetzt irgendwie verheiraten mit der Situation, dass die Bevölkerung explodiert. Wie gesagt, als ich mit dem Thema begann, da waren wir 3 Milliarden, im Jahr 2000 waren wir 6 Milliarden, heute sind wir schon 7,5 Milliarden.

Tim Pritlove
0:21:00
Franz Josef Radermacher
0:21:04
Tim Pritlove
0:21:40
Franz Josef Radermacher
0:21:51

Wenn immer man die drei Optionen im Raum hat, eine Welt in Balance, eine Wohlstandswelt, wo die Unterschiede nicht zu groß sind auf der einen Seite. Eine Welt Zweiklassengesellschaft, eine ganze Welt, die wie Südafrika aussieht, auch bei uns als die zweite Alternative. Und der Kollaps vor allen Dingen der ökologische Kollaps mit vielleicht einer Milliarde Toten, mit massiven Wanderungsbewegungen, gegen die die aktuellen Migrationsthemen klein sind. Wenn man diese drei Alternativen sieht, dann kann man sich ja fragen, wo ist da ein vernünftiger Ausgang möglich. Und wenn man die Zweiklassen-Variante nicht will, dann bewegt man sich ja zwischen Balance oder Kollaps. Und bei Balance wissen wir, die Balance ist nur zu haben, indem die ärmeren Teile der Welt aufholen. Weil die reicheren Teile nicht freiwillig ärmer werden. Die einzige Möglichkeit, dass sie ärmer werden, ist über ein Zwangsregime, das die Zweiklassengesellschaft hervorbringt. Aber wenn man die nicht will, wenn man das Problem also nicht lösen will, indem man die ganze Welt in zwei Klassen organisiert, den Mittelstand der OECD-Staaten verarmt und eine reiche Oberschicht der armen Länder produziert und dann überall auf der Welt eine Elite hat und ziemlich arme sonstige, wenn man das nicht will, dann muss am im Grunde überlegen, wie kann man eine arme Welt in Richtung Wohlstand bringen. Und natürlich so, dass die Umweltsysteme nicht kollabieren. Dann muss man überlegen, kann man das schaffen? Weil die Alternative ist dann nur der Kollaps. Und von diesem Gedanken her getrieben, insbesondere auch von dem Gedanken, dass wenn wir das einfach so laufen lassen, wir mit enormen Konflikten konfrontiert sein werden und mit enormen Migrationsbewegungen und mit daraus resultierenden Verhärtungen bei uns. Also das alles zusammenführend haben wir gesagt, das Klügste, was die Welt tun kann, ist sehr früh investieren in einen vernünftigen Aufholprozess in den ärmeren Ländern. Und da wollten wir natürlich die Beobachtung für die Welt nutzbar machen, dass ein wachsender Wohlstand, wachsende Bildung, insbesondere wachsende Bildung bei Frauen, Stärkung der Rechte der Frauen, dass alle diese Prozesse zur Folge haben werden, dass die Zahl der Kinder zurückgeht. Also anders ausgedrückt, die Förderung von wirtschaftlicher sozialer Balance ist auch das beste Programm, um endlich ein Ende des Wachstums der Weltbevölkerung und nachfolgend ein Abschrumpfen der Weltbevölkerung bei dann wohl 10 Milliarden Menschen im Jahr 2050 zu ermöglichen. Es war eine der Erkenntnisse aus der politischen Analyse, dass es wahrscheinlich unmöglich sein würde, ein Programm zur Begrenzung des Bevölkerungswachstums politisch hinzubekommen. China war ein Paria, obwohl China aus meiner Sicht die richtige Strategie gewählt hatte.

Tim Pritlove
0:25:41
Franz Josef Radermacher
0:25:41

Durch die Ein-Kind-Politik und ich glaube im Nachhinein noch viel viel mehr, dass es die richtige Strategie war. Und es wäre viel viel besser, Indien hätte etwas ähnliches gemacht, wäre viel besser für Indien, wäre viel besser für die Welt, aber so war es nicht. Indira Ghandi hat die Sache in Indien total versaut, mit der Folge, dass dieses Thema in Demokratien zum No-Thema wurde und wir auf der Ebene der vereinten Nationen ein Wort wie „Bevölkerungskontrolle“ gar nicht benutzen dürfen. Das ist politically incorrect. Man darf nicht mal das Wort „Bevölkerungsplanung“ benutzen. Das korrekte Wort heißt in der aktuellen Form „Mother and Child Aid". Das Wort davor war „reproduktive Gesundheit“. Also wir können über Maßnahmen, die letzten Endes Familienplanungscharakter haben, auf UN-Ebene nur als reproduktive Gesundheit reden. Und durch den permanenten Druck der USA mittlerweile eher sogar nur in der Form Mother and Child Health. Was man aber auch ganz anders interpretieren kann. Also wir können das Problem nicht aktiv angehen. Was bedeutet, wir können es nur indirekt angehen. Und in Bezug auf indirekt weiß man, zunehmender Wohlstand, Stärkung der Rolle der Frau, Förderung der Mädchen, Ausbildung der Mädchen, mehr Rechte für Frauen, auch in Bezug auf reproduktive Fragen führen dazu, dass erstens das erste Kind später kommt. Zweitens die Lücken zwischen den Geburten größer werden, das nennt man Child Spacing. Damit insgesamt die Anzahl der Kinder kleiner ist, dann aber die Familien sehr viel mehr in die Kinder investieren, wodurch die Ausbildung der Kinder besser wird, insbesondere auch die Ausbildung der Mädchen, was bei denen zur Folge hat, dass die von Vornherein wenig Kinder haben. Also das einzige absehbare Programm zum Abbremsen dieses für uns katastrophalen negativen explosiven Wachstums der Weltbevölkerung ist mehr Balance. Und das heißt mehr Wohlstand für alle, mehr Bildung für alle und Stärkung der Rolle der Frau und vor allen Dingen Stärkung der Rolle der Mädchen.

Tim Pritlove
0:28:19
Franz Josef Radermacher
0:28:24

Gut der Global Marshall Plan war jetzt ein politisches Programm, das versuchte, diese Art Überlegungen in einer breiten Koalition in die Politik hinein zu transportieren. Der Ausgangspunkt des Programms war ein Buch von Al Gore, dem damaligen Vizepräsidenten der USA. Der gesagt hat, Marshall Plan for the World. Also der hat diese Idee vertreten und immer auch von dem Gedanken her, wie können wir Klimaschutz und Armutüberwindung miteinander koppeln. Und die Idee ist immer in einem gewissen Sinne, jeder Mensch hat Anrechte auf Klimagasemissionen und das ist jetzt ein knappes Gut. Wir können davon nicht so viele zulassen. Aber weil jeder Mensch ein Anrecht hat, kann er auch Geld dafür bekommen, dass er dieses Anrecht jemand anderem gibt und damit ist ein Geldfluss garantiert. Und dieser Geldfluss der bringt mehr Wohlstand. Und dieser Wohlstand holt die Leute dann also aus der Armut raus in Richtung Bildung. Das ist so ein bisschen so. Der Hintergrund, den viele Leute haben, wenn sie das Thema Menschenrechte oder Familienplanung mit Klima koppeln. Weil sie sagen, das ist im Interesse aller, dass nicht so viele Menschen da sind, weil sonst sind unsere pro Kopf Möglichkeiten an Emissionen kleiner und wenn jeder Mensch seine pro Kopf Rechte hätte, könnte er die verkaufen. Die Reichen müssten die anderen dafür bezahlen, das gibt einen Geldtransfer und aus diesem Geldtransfer kann Balance resultieren. Nun das ist ein völlig illusionäres Programm, aber das ist immer wieder im Raum. Das ist schon deshalb illusionär, weil die Eliten armer Länder gerne auf Staatsebene das Geld einnehmen, das eigentlich in der Überlegung von Al Gore individualisiert war. Im Moment haben wir ja jetzt als Folge des Paris-Vertrags die Zusage von zusätzlichen 100 Milliarden Dollar Transfer für Klima im weitesten Sinne von Nord nach Süd ab 2020. Aber diese 100 Milliarden fließen natürlich an Staaten, die dann irgendwelche Programme machen. Und die Eliten der Länder sind an diesen Programmen interessiert und unsere Firmen und wir sind auch an diesen Programmen interessiert und wir sind nicht daran interessiert, irgendeine soziale Grundversorgung der Ärmsten darüber zu finanzieren. Das heißt diese Idee im Hintergrund die war auch mit Illusionen verbunden, aber die Kopplung der beiden Themen, wenn man so will, die soziale Frage und die Klimafrage die hat auch im Global Marshall Plan einen Niederschlag gefunden. Und die Global Marshall Plan Initiative hat damals gesagt, lass uns doch unstrittige Punkte in ein politisches Programm integrieren, die wenn wir sie machen würden der Welt helfen würden. Und das ist jetzt wichtig zu verstehen, es ging da um 5 Punkte und der erste Punkt war so was wie ein Geschenk des Himmels. Die Staaten der Welt hatten nämlich im Jahr 2000 die Milleniumserklärung verabschiedet. Und die Milleniumsziele der Vereinten Nationen formuliert. Sehr kluge Ziele. Nebenbemerkung, die nicht richtig umgesetzt wurden, wie so oft. Aber kluge Ziele. Zum Beispiel alle Kinder sollen eine vernünftige Schulausbildung bekommen. Also wir haben uns diese Milleniumsentwicklungsziele zu eigen gemacht. Wir haben gesagt, jawohl das sollte passieren.

Tim Pritlove
0:32:31
Franz Josef Radermacher
0:32:34

Gut damals war ja auch noch viel Zeit. Also wir haben diese Initiative ja 2004 gegründet. Da war noch 11 Jahre Zeit. Also wir haben eine unsere Aufgabe darin gesehen, diese Ziele groß zu propagieren. Wir haben aber auch eine Aufgabe darin zu sehen, zu sagen, das kostet zusätzlich 100 Milliarden Euro mehr und bringt die bitte auf. Und wir haben argumentiert, dass man endlich das 0,7% in der Entwicklungshilfe erreicht. Und wir haben argumentiert, dass man dafür eine vernünftige globale Ökonomie braucht, die wir eine ökosoziale Marktwirtschaft nennen. Also eine ökologisch sozial regulierte Marktwirtschaft. Und dann haben wir argumentiert, dass die Umsetzungsprozesse in den ärmeren Ländern sehr stark basisgetrieben sein sollten, dass man versuchen sollte, die Korruption möglichst auszuklammern. Einer unserer Partner war immer Muhammad Yunus. Der Nobelpreisträger, Friedensnobelpreisträger, Vater der Kleinkreditbewegung, Grameen Bank, Förderung von Frauen, also diese Art von Philosophie haben wir sehr stark unterstützt. Und wir haben immer gegen die Logik des freien Marktes, des Logik des Freihandels und die Logik des Marktfundamentalismus argumentiert. Und stattdessen vom rheinischen Kapitalismus herkommend haben wir also immer argumentiert, der Markt muss ökologisch sozial reguliert sein. Das ist jetzt über die Zeit der Finanzkrise auch die internationale Position. Seit der Finanzkrise tritt sowohl der internationale Währungsfond, wie die Vereinten Nationen, wie die OECD, die Organisation der reichen Länder konsequent für sogenannte Green and inclusive Markets ein. Grüne und inklusive Märkte. Grüne und inklusive Marktwirtschaften, grünes und inklusives Wachstum. Also was bei uns ökologisch ist, ist da grün und was bei uns sozial ist, ist da inklusiv. Das ist jetzt die internationale Position. Als wir die Global Marshall Plan Initiative in den Gang setzten hätten wir nie gehofft, dass sich die von uns damals als sehr negativ wahrgenommene marktfundamentalistische internationale Position je ändern könnte. Die Weltfinanzkrise hat das alles verändert. Die Weltfinanzkrise hat vieles ermöglicht, was wir uns nicht mal getraut haben, hinzuschreiben, um die Philosophie des Global Marshall Plans nicht mit Dingen zu belasten, die dann viele Leute gleich ablehnen würden. Deshalb haben wir ein sehr vorsichtiges Programm formuliert. Und wie gesagt im Kern die MDGs, die Finanzierungsnotwendigkeiten, die Umsetzungsmethodologie und das Ziel einer ökologisch sozialen Marktwirtschaft. So sind wir mit vielen Organisationen im Jahr 2004 gestartet.

Tim Pritlove
0:35:56
Franz Josef Radermacher
0:35:59

Sind die Millenniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen. Das sind diese acht Ziele, die im Jahr 2000 verabschiedet wurden. Man sollte vielleicht dazu sagen, mittlerweile ist der Zeitraum ja abgelaufen. Es gibt eine internationale Evaluierung der Zielerreichung und Nichterreichung. Aber was vielleicht wichtiger ist, die Weltgemeinschaft hat viel aus dem Prozess gelernt und hat jetzt vor zwei Monaten in New York bei der Vollversammlung die sogenannten SDGs verabschiedet, die Sustainable Development Goals, das sind jetzt nicht acht sondern 17 Ziele. Die 17 Ziele arbeiten ab, was bei den acht nicht erledigt war. Aber die 17 sind jetzt Ziele für die ganze Welt. Die acht waren Ziele für sich entwickelnde Länder. Jetzt hat man gesagt, im Bezug auf Nachhaltigkeit haben wir alle Probleme. Wir haben miteinander Probleme beim Klima, wir haben miteinander Probleme bei den Meeren, wir beuten miteinander den Globus aus. Also wir alle miteinander, alle Staaten der Welt sind jetzt aufgefordert, dieses Programm der SDGs bis 2030 umzusetzen. Und jetzt ist man natürlich gewarnt. Also damals hatte man Illusionen oder glaubte leichtfertig. Heute fragt man vom ersten Tag an, was kostet das eigentlich, was müsste jetzt eigentlich passieren? Wo sind denn die Hebel? Kann man denn die SDGs überhaupt durchsetzen? Im Raum steht die Notwendigkeit 1500 Milliarden Dollar pro Jahr zu aktivieren. Also die SDGs das sind die Ziele für eine Welt in Balance. Ich glaube nicht, dass die SDGs erreicht werden können, aber die Frage ist, wie viel davon kann erreicht werden? Und wer eine Welt in Balance will, muss in Richtung SDGs arbeiten und das ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit im Institut, ist aber auch ein Schwerpunkt aktuell sowohl der Global Marshall Plan Initiative wie des Club of Rome. Das heißt der Club of Rome arbeitet genauso aktiv wie immer und ist mit voller Power an der Frage, wie sieht eine Welt aus in Balance und können wir die SDGs umsetzen?

Tim Pritlove
0:38:34
Franz Josef Radermacher
0:39:38

Nach meinen Analysen ist die Brasilianisierung der Welt, also die Welt als Zweiklassengesellschaft, die wahrscheinlichste Zukunft. Und diese Einschätzung hat sich die letzten 20 Jahre nicht verändert. Ich gebe der Welt in Balance nur etwa 35%. Und bin im Club of Rome eher einer der großen Optimisten. Das heißt sehr viele sehen eine viel kleinere Wahrscheinlichkeit für eine Welt in Balance. Sehr wahrscheinlich kommt die Welt als Zweiklassengesellschaft. Und den Weg dahin kann man gut studieren im Moment als Folge der Eurokrise. Jetzt am Südrand Europas kann man sehr gut sehen, wie diese Prozesse laufen, die dazu führen, dass große Teile der Bevölkerung verarmen. Und die internationalen Arrangements, die Strukturen die wir haben, die sind so, dass sie das durchsetzen und umsetzen. Also ist die Ausgangsposition von dem was ich sage nicht, dass ich mir ziemlich sicher wäre, dass wir die Welt in Balance erreichen, sondern es spricht viel dafür, dass wir sie nicht erreichen und wenn wir jetzt fragen, wo liegt denn der tiefere Grund, dann liegt der in Defiziten der Global Governance. Das heißt – und das war ja der Kern Ihrer Frage – die Welt als Ganzes verfügt nicht über adäquate Instrumente der Steuerung. Oder wenn ich nochmal zurückkomme auf den Superorganismus Menschheit, der mein Interesse seit 40 Jahren ist. Die Menschheit ist als System nicht gut organisiert, sinnvolles tun zu können. Sondern sie ist doch in vielen Fällen so organisiert, dass eine Reihe Akteure mit unterschiedlichen Interesse Vetopositionen haben und das über die verschiedenen Vetos jede Handlung ausgebremst wird. So dass wir nicht in Richtung von Lösungen operieren können. Also wir haben primär ein Problem der globalen Koordinierung oder ein Problem der Global Governance. Deshalb war schon in der frühen Formulierung des Global Marshall Plan Programms die Etablierung einer weltweiten ökologisch sozial regulierten Marktwirtschaft das eigentliche Thema. Das setzt natürlich den politischen Konsens über die ökologisch soziale Regulierung voraus. Die soziale Regulierung beinhaltet so etwas wie ein Weltsozialsystem, in das alle irgendwo über irgendwelche Mechanismen hineinbezahlen, so dass keiner mehr hungert, keiner mehr Not leidet. Dafür gibt es im Moment überhaupt keine Bereitschaft.

Tim Pritlove
0:42:38
Franz Josef Radermacher
0:42:40

Es funktioniert nicht einmal innerhalb Europas und es gibt ein dauerndes Rummosern in Deutschland über den Länderfinanzausgleich. Aber es ist wichtig, aus unserer Analyse folgt, es geht nur mit Länderfinanzausgleich. Es geht in Europa nur mit mehr Staatenfinanzausgleich und wir brauchen weltweit auch so etwas wie Staatenfinanzausgleich und unser Umweltminister Dr. Müller benutzt jetzt den Begriff Klimafinanzausgleich, ein sehr schöner Begriff, für die 100 Milliarden, die wir jetzt zahlen müssen als Voraussetzung dafür, dass es überhaupt den Paris-Vertrag hat geben können. Und das ist richtig so. Das ist der entscheidende Teil. Also man kann zwischen reich und arm bestimmte Probleme nur lösen, wenn Mittel von reich nach arm gehen. Und wenn reich dazu nicht Willens ist, dann muss es sozusagen mit dem Desaster leben, dass daraus folgt, dass die Verhältnisse bei arm nicht funktionieren und das gibt dann Migration oder andere Schwierigkeiten. Und dann muss man auf die reagieren. Also wir zahlen jetzt plötzlich an die Türkei, wir zahlen jetzt plötzlich an afrikanische Staaten, plötzlich machen wir Dinge, die vorher undenkbar waren. Jetzt überlegen wir uns, wie stützen wir Griechenland, wie stützen wir Italien, damit die da diese Flüchtlingsfrage lösen können. Weil wir das Problem der Migration bei uns spüren. Aber wir handeln eben immer viel zu spät, immer erst wenn der Bagger im Wohnzimmer ist, immer erst wenn es schmerzt. Was wir aber brauchen sind proaktive Überlegungen in diese Richtung. Wir müssen zum Beispiel überlegen, wie sähen denn die Mechanismen aus, um die 1500 Milliarden Dollar pro Jahr zu aktivieren, um die SDGs durchzusetzen. Also ja, kommen wir also wieder zurück, es ist absolut nicht klar, dass das richtig ausgehen wird. Und die Voraussetzungen dafür, dass es richtig ausgeht, wenn es denn klappen sollte, ist eine viel bessere Global Governance. Was ja nichts anderes bedeutet als, wir haben politische Strukturen in der Welt, die handlungsfähig sind für das Richtige. Das ist was uns bisher fehlt. Positiv ist, dass wir nach der Weltfinanzkrise an einer ganzen Reihe von Stellen supranational aktiv wurden, die bis dahin sakrosant waren. Also in Bezug auf Steuerparadiese. Grenzüberschreitende ökonomische Prozesse und ihre Besteuerung. Transparenz von Eigentum. Verhinderung eines Steuersubventionswettlaufs innerhalb der EU. In all diesen Punkten haben wir enorme Fortschritte auf G20 und OECD-Ebene in den letzten paar Jahren gemacht. Der Höhepunkt ist, dass etwa 100 Staaten jetzt automatischen Datenaustausch in Bezug auf Kontodaten zwischen den Banken in diesen 100 Staaten und den Finanzämtern in diesen 100 Staaten je bezogen auf die Individuen, um die es geht, verabredet haben. Das ist ein unglaublicher Fortschritt in Global Governance. Da ist die globale Koordinierung ein Stück weit gelungen. Resultierend aus der Not, vor allen Dingen resultierend aus der Not, die wiederum aus der Finanzkrise erwuchs. Und die Erkenntnis, dass das Weltfinanzsystem nicht das Gehirn der Menschheit ist, wie die Marktfundamentalisten immer behauptet haben, sondern das ist eine unheimlich gut organisierte Plündertruppe. Die wenn man sie lässt uns alle ausplündert. Und deshalb muss der Sektor genauso reguliert werden, wie jeder andere Sektor und da haben wir heute ein viel besseres Verständnis als damals. Also auf der positiven Seite dieser großen Governance Herausforderung sind Erfahrungen aus Krisen. Und große Krisen, die alle Staaten gleichzeitig betreffen, die geben eine Chance für ein Handeln, das fast schon so etwas hat wie ein global-demokratischen Charakter. Aber der resultiert dann aus der Gleichzeitigkeit des Problems bei allen und der daraus resultierenden koordinierten Vorgehensweise, die außerdem in der Sache dann erforderlich ist.

Tim Pritlove
0:47:12
Franz Josef Radermacher
0:48:02
Tim Pritlove
0:49:05
Franz Josef Radermacher
0:49:11
Tim Pritlove
0:49:19
Franz Josef Radermacher
0:49:20

Das schließt die Politik mit ein. Ich nehme jetzt mal zwei Beispiele. Bevor wir den Angriff auf die beiden Türme in den USA hatten, gab es praktisch niemanden, der den Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten bei uns kannte. Das war gar kein Thema. Indem wir jetzt in diese Konflikte hineinkamen, indem wir im Irak die Probleme haben, in Afghanistan, startet aber gleichzeitig ein Ausbildungsprozess, in dem nun plötzlich viele viele Leute vieles über diese Themen wissen, was sie vorher nicht wussten. Und das hält sich ja jetzt bis zum Syrien-Konflikt, der ja irgendwo auch ein Konflikt zwischen der schiitischen und der sunnitischen Seite ist. Wenn man jetzt die Weltfinanzkrise nimmt, dann hatten wir ja das erstaunliche Phänomen, dass selbst die meisten Ökonomen kein tieferes Verständnis von Geld hatten. Geld war eine neutrale Commodity. Aber eigentlich war da nichts zu tun, außer für die Geldwertstabilität zu sorgen. Dass Geld in sehr komplizierter Weise mit Kreditierung zusammenhängt und die Kreditierung wieder mit der Verfügbarkeit von Sicherheiten und Versicherungen und so weiter, das war den meisten Leuten nicht bewusst. Den meisten Leuten war auch nicht bewusst, dass das Geld im wesentlichen dann entsteht, wenn Banken Kredite geben. Also die meisten haben immer gedacht, das Geld ist das Geld, was die Zentralbank oder jemand da druckt, das sind die Scheine, aber das ist ja nicht mal im Prozentbereich. Also wir haben jetzt ein ganz anderes Verständnis dafür, wie Finanzsysteme funktionieren. Wir haben ein anderes Verständnis dafür, was Investmentbanken machen. Wir haben ein anderes Verständnis dafür, was ein Credit Default Swap ist und was er nicht ist. Und diese ganz veränderte Diskussion, die natürlich nur Leute erreicht, die sich irgendwie dafür interessieren. Also es muss im weitesten Sinne müssen die Leute neugierig sein und eine intellektuelle Dimension haben. Aber diese doch sehr große Gruppe von interessierten, irgendwo intellektuellen Leuten hat heute ein ganz anderes Verständnis der Zusammenhänge, als noch vor 10 Jahren. Und wenn ein Minister, wie Dr. Müller jetzt daran geht und sagt, wir müssen in der textilen Kette entlang der Zulieferstruktur bestimmte Standards durchsetzen, dann haben eben diese aufgeklärten Bürger längst verstanden, dass es uns überhaupt nichts nutzt, wenn uns hier eine deutsche Firma im Textilbereich sagt, bei uns ist alles in Ordnung, denn wir wissen, die kaufen wieder irgendwo und die kaufen wieder irgendwo, und die kaufen wieder irgendwo. Und in der Folge des Kaufens kann irgendwo entlang der Kette alles das passieren, was nicht passieren soll. Und dieses Verständnis für die ganze Kette, das ist auch etwas, was es erst seit 10-15 Jahren gibt. Das baut sich auf, das heißt wir verstehen alle miteinander die Globalisierung besser, die Tricks besser, mit denen die Akteure, die im System sind, operieren. Wir verstehen besser, was die Politik tun kann und nicht tun kann. Und da sind wir intellektuell also sehr viel besser aufgestellt.

Tim Pritlove
0:52:46
Franz Josef Radermacher
0:53:46

Ich glaube, wir müssen uns jetzt mit einer bestimmten Disziplin beschäftigen, nämlich mit den Wirtschaftswissenschaften. Für das Verständnis der Welt ist ja die Wirtschaft von zentraler Bedeutung und auf den ersten Blick sind dafür die Wirtschaftswissenschaften zuständig. Natürlich sind das auch andere. Es gibt eine Menge Mathematikern auch unter den Nobelpreisträgern für Wirtschaftswissenschaft. Und die Juristen spielen eine große Rolle und die Juristen verstehen die Dinge manchmal besser als die Ökonomen, weil sie die Sache vom Eigentum und vom Recht her sehen. Aber man würde ja primär erwarten, der Wirtschaftswissenschaftler ist zuständig. Nun sind die Wirtschaftswissenschaften grob einmal in zwei Teile geteilt, da gibt es die mehr betriebswirtschaftlichen Dinge und die volkswirtschaftlichen Dinge. Und die volkswirtschaftlichen Dinge, die müssen eigentlich mittlerweile weltwirtschaftlich gedacht werden. Und wir haben mittlerweile eine Weltökonomie, in der die einzelnen Volkswirtschaften teilweise gegeneinander konkurrieren, so dass wir so was haben wie eine Betriebswirtschaftslehre der Volkswirtschaften im Ringen gegeneinander unter den Regulierungsbedingungen der Globalisierung. Aber das wird so nicht thematisiert. Der normale Akteur im Bereich BWL, gut der eine macht Marketing, der andere mach Controlling, der dritte macht Innovation, ein vierter macht Buchführung, also das sind alles sehr spezielle Themen, die eigentlich den Kern des ökonomischen nur sehr peripher betreffen. Es gibt Leute, die machen Mitarbeiterführung und die machen Employer Branding. Die Volkswirtschaft ist ebenfalls mit ganz vielen Fragen beschäftigt. Also mit er sozialen Frage, mit der Finanzierung der Sozialsysteme, wie machen wir das mit den Renten, was sind die Anreizsysteme im Gesundheitssektor, wie sollen wir die Bildungspolitik machen? Wir machen wir internationale Zusammenarbeit, was ist die richtige Strategie gegen den Hunger? Da gibt es tausend Spezialfragen, die man als Volkswirt angehen kann. Womit man sich insgesamt sehr wenig beschäftigt ist der Kern des Themas. Nämlich wie organisiert man Märkte und was ist die Wechselwirkung von Wettbewerb und Regulierung. Und welche Aufgabe hat der Wettbewerb und welche Aufgabe hat die Regulierung. Und ich nehme jetzt mal eine Analogie, Sport. Wenn Sie Sport haben und nehmen Fußball oder Sie nehmen Tour de France fahren oder Sie nehmen Skirennen oder Thaiboxen, immer haben Sie den Wettbewerb. Aber wenn Sie den Unterschied zwischen Fußball und Thaiboxen verstehen wollen, dann müssen Sie die Regeln des Fußballs anschauen und die von Thaiboxen. Also Fußball ist bestimmt durch die Regeln des Fußballs und nur sehr nachgeordnet durch den Wettbewerb. Und Thaiboxen ist bestimmt durch die Regeln des Thaiboxens und nur sehr begrenzt durch Wettbewerb. Also wenn man sich für die Unterschiede interessiert, dann sind die Regeln entscheidend. Wenn man sich für die Performance interessiert, ist der Wettbewerb entscheidend. Der Wettbewerb ist immer und überall derselbe Wettbewerb. Aber was rauskommt als Sportart das sind die Regeln. Und so ist das in Märkten auch. Aber es gibt Leute, die nicht wollen, dass die anderen das wissen. Das heißt wenn man in den Bereich der Ökonomie kommt, kommt man immer in den Bereich der Machtfragen. Und auch in den Bereich der Machtfragen von Demokratien. Und diese Machtfragen in den Demokratien standen schon am Anfang der frühesten Demokratien, die es gab, also der Revolution in Amerika und in Frankreich. Und immer war eine große Frage, wer hat ein Stimmrecht? Ist das an Eigentum gekoppelt? In welcher Form ist Eigentum mit Stimmrecht verkoppelt? Man merkt das besonders gut bei Leuten, die im Gefängnis sitzen und dann nicht abstimmen dürfen. Also in der Demokratie war immer Voraussetzung dafür, dass es überhaupt eine gab, dass wesentliche Eigentumsfragen gelöst waren in einer Weise, dass keine einfache Mehrheit die Eigentumssituation verändern können darf. Das war Voraussetzung für die Gründung der jeweiligen Demokratie. Oder man kann auch so sagen, die kleine Gruppe, die den Großteil des Eigentums besitzt, hat eine grundsätzliche Angst davor, dass eine Mehrheit der Nichtbesitzenden per Mehrheit sich den Besitz aneignet. Und das heißt es müssen vielfältigste Vorkehrungen getroffen werden, damit das nicht passiert. Das ist ein Grundproblem aller Demokratie. Nun an dieser Stelle ist natürlich die Ökonomie mittendrin in der Machtfrage. Denn irgendwann stellt sich ja die Frage, sollen wir jetzt als Demokratie zum Beispiel wollen, dass sich ganz viel Eigentum bei 5% der Menschen akkumuliert? Ist das eigentlich gut für alle oder schlecht? Soll Eigentum sich über alle verteilen oder soll Eigentum hochgradig konzentriert sein? Und die Wirtschaftswissenschaften sind vor allen Dingen seit dem zweiten Weltkrieg sehr stark von den USA herkommend, letztlich instrumentalisiert worden, um Argumentationsstrukturen für hohe Niveaus sozialer Ungleichheit zu produzieren und dieses als produktiv darzustellen. Und mit dem Freihandelstheorem von Ricardo, das inhaltlich missbraucht wird bis zur unsichtbaren Hand von Adam Smith, hat der heilige Gral der Wirtschaftswissenschaften eine Position popularisiert, nachdem der freie Markt gut ist, die Quelle allen Wohlstands ist und dass alle was davon haben und dass es gar nicht um Verteilungsfragen geht, sondern höchstens um Chancengleichheit usw. Da ist eine ganze politische Philosophie unter den Mantel einer Wissenschaft gepackt worden.

Tim Pritlove
1:01:01
Franz Josef Radermacher
1:01:04

Die Behauptung, es gäbe da all diese Trickle Down Effekte und all diesen Unsinn, das alles ist aber sagen wir mal systematisiert mit ganz viel Geld, mit ganz viel Preisen, mit ganz viel Instituten honoriert. Letztlich in einen Prozess überführt worden, wo Wissenschaftler das mit der Muttermilch aufnehmen und ihre Lebensaufgabe darin sehen, der Welt zu beweisen, dass es so ist und dafür mit Preisen und Instituten und allem ausgestattet werden und dann fast im Sinne einer Self-fulfilling Prophecy ein solches System propagieren, das immer sagt, ja Grenzen öffnen und noch mehr freier Markt und regulieren und der Staat weg und die Steuern weg und das stört alles nur und Wettbewerb ist die Lösung und Wettbewerb und Wettbewerb und der bessere muss sich durchsetzen usw. und so fort. Einen vollkommen absurde, in Teilen brutal-darwinistische Sicht auf die Welt. Die auch mit den realen Bedingungen gar nichts zu tun hat, weil die Staaten, die das propagieren, haben hochgradige Regulierungen zugunsten ihrer Kapitalbesitzer. Haben aber durchaus auch extrem komplexe Regulierungen zugunsten ihrer Professoren. Also mit anderen Worten, wir haben hier sozusagen Insiderkartelle, die durchaus auch im eigenen Interessen bestimmte Philosophien produzieren. Und diese Philosophien sind das eigentliche Problem, weshalb es so schwer ist, Dinge zu verändern. Das heißt letzten Endes hat eine bestimmte Sicht der Welt die Gehirne gekapert. Und hat es bis in die Mechanik der Berufungsverfahren, die weder daran hängen, dass man zitiert wird in irgendwelchen Zeitungen, die aber wiederum kontrolliert sind von bestimmten Akteuren, die wiederum nur bestimmte Philosophien überhaupt zulassen, also letztlich fast wie eine Religion, die sich in Priesterseminaren selber immer wieder verjüngt und aufbaut, eine bestimmte Sicht auf die Welt durchgesetzt. Und für die, die anders dachten, die so dachten wie klassische Nationalökonomen, die auch geprägt waren durchaus von der Freiburger Schule, einer ordoliberalen Sicht auf die Welt, ist das ein sehr schweres Umfeld gewesen. Das heißt den rheinischen Kapitalismus zu verteidigen, die soziale Marktwirtschaft, die ökologisch soziale Marktwirtschaft zu verteidigen gegen einen Washington-Konsensus und gegen alle diese Themen, das war eine lange harte Zeit, ich habe das Jahrzehnte gemacht. Der Club of Rome hat das auch gemacht. Aber aus der Sicht einer bestimmten Lehre, einer bestimmten Religion war das ohnehin alles daneben. Und wenn an heute einen Nobelpreisträger für Ökonomie wie Stiglitz nimmt, der alle diese Positionen genauso vertritt, wie wir das schon immer tun, wobei Nebenbemerkung, Stiglitz ist seit einiger Zeit auch im Club of Rome Mitglied, aber wenn Sie an die Hardcoregegner in den USA kommen, dann ist deren Aussage, ach Stiglitz the Communist. Also Sozialdemokratie ist sozialistisch, Klimathematik ist kommunistisch, ein Stiglitz ist kommunistisch, das ist die kommunistische Ideologie, das sind die Gleichmacher und das hat überhaupt nichts mehr mit dem richtigen Markt zu tun, das ist alles schon durch sozial-demokratisiert. Und der richtige Markt der ist knallhart, das ist Thatcher und Ronald Reagan und dann gehen wir zu Friedman und das ist die reine Lehre.

Tim Pritlove
1:05:22
Franz Josef Radermacher
1:05:42
Tim Pritlove
1:06:57
Franz Josef Radermacher
1:06:58

Ja aber eine Verschärfung davon. Und wenn ich dann das Argument höre, dass einzige was interessiert ist ja die Chancengleichheit, dann sagt der einfache mathematische Verstand, aha machen wir es doch so, alle sind Sklaven bis auf einen, den losen wir aus. Dann ist die Chancengleichheit maximal gegeben. Man merkt sofort, alle Milliardäre wollen das nicht. So eine Chancengleichheit wollen sie nicht. Sie wollen eine ganz andere Chancengleichheit. Sie wollen nämlich über Chancengleichheit reden in einer Struktur, wo sie und ihre Kinder sowieso immer oben sind. Also wenn man sich die Extreme anguckt, dann fallen sofort bestimmte Argumente in sich zusammen, qui bono, wer hat den Vorteil, aber mathematisch ist auch klar, irgendwie muss das beste in der Mitte sein. Und diese Mitte die ergibt sich aus zwei großen Kräften. Die eine große Kraft ist, ich muss differenzieren aus motivationalen Gründen, um unterschiedliche Leistungsfähigkeiten und Leistungswillen zu honorieren, aber auch um Risiken und andere Themen adäquat zu behandeln und auch Akkumulation von Kapital zu ermöglichen, weil ohne Akkumulation von Kapital kann ich Innovation nicht machen. Also ich muss differenzieren. Auf der anderen Seite darf die Differenzierung nicht so weit gehen, dass ein Großteil der Bevölkerung nur noch Sklavenjobs macht. Das heißt in der Differenzierung muss trotzdem jeder gut ausgebildet sein, da muss also schwer drin investiert werden, weil man darin investiert, muss man investieren, dass die Leute gesund bleiben, weil die Leute gesund bleiben, werden sie dann auch noch alt. Also gut ausgebildete gesunde Leute werden alt. Also muss ich eine Welt organisieren von gut ausgebildeten gesunden alten Leuten. Und da bin ich voll in der sozialen Thematik und das ist alles teuer. Und das gibt jetzt mathematisch bestimmte Restriktionen an die Form der Ungleichheit, die für eine Gesellschaft produktiv ist. Man nennt es den productive inequality range. Das ist die Größe, die der Club of Rome in seinen ursprünglichen Analysen vergessen hat. Es ist eine Größe, die in der Politik kaum vorkommt, weil die Spitze der Eigentumspyramide man nicht will, dass man darüber redet. Bei uns ist da Thema der Verteilung weitgehend tabuisiert gewesen. Man galt als Verschwörungstheoretiker und Neiddebattler, wenn man über dieses Thema redete. Ich habe aber Jahrzehnte nichts anderes gemacht, als über dieses Thema geredet und mich mit der Mathematik dieses Themas beschäftigt, weil es die absolute Schlüsselfrage ist. Und es geht, um es nochmal zu sagen, nicht darum, dass wir alles gleichmachen, es geht darum, dass wir genügend Ungleichheit haben, aber nicht zu viel.

Tim Pritlove
1:09:57
Franz Josef Radermacher
1:09:59
Tim Pritlove
1:11:25
Franz Josef Radermacher
1:11:26

Das ist jetzt seit ein paar Jahren. Und vielleicht haben Sie mal gehört von dem Denkwerk Zukunft von Herrn Miegel und der hat ein Wohlstandsquintett, der verfolgt fünf Parameter und einer davon betrifft die Einkommensverteilung. Und für die ökosoziale Bewegung und für die Global Marshall Plan Initiative und für den Club of Rome ist vollkommen klar, dass man diesen Parameter verfolgen muss. Also wenn man die Welt verstehen will, dann muss man sich beschäftigen mit der Bevölkerungszahl, mit dem Wohlstand, mit den Ressourcen, mit den Technologien und mit der Verteilung des Einkommens und der Verteilung des Vermögens. Und es gibt einen Bezug zwischen beiden. Die Verteilung des Vermögens ist immer sehr viel ungleicher als die Verteilung des Einkommens. Aber wenn die Verteilung des Vermögens zu ungleich ist, erzwingt sie eine sehr ungleiche Verteilung des Einkommens, die nicht mehr in diesem Productive Range liegt. Das heißt auch das Vermögen darf nicht zu ungleich verteilt sein. Und da sind wir bei einer zentralen Thematik nach der Finanzkrise. Und da haben wir den Bezug zu einem Wissenschaftler aus Frankreich, der für die Wirtschaftswissenschaften sensationelle ist und das ist Piketty. Und sein Buch „Capital in the 21. Century“. Und an diesem Buch kann man viel lernen über die Wirtschaftswissenschaften. Man kann sich fragen, warum das nicht seit 50 Jahren Allgemeingut ist. Und man kann sich fragen, wie hat es einer geschafft, das hinzukriegen. Es ist ein Segen, dass es dieses Buch gibt.

Tim Pritlove
1:13:15
Franz Josef Radermacher
1:14:21

Werden es sein. Also wenn ich mich dem Thema mehr von der abstrakten Seite her nähere, dann kann ich erst mal fragen, was ist die Aufgabe des Wissenschaftlers? Meiner Ansicht nach ist die Aufgabe des Wissenschaftlers, die Wahrheit besser hervorzubringen, als sie bisher da ist. Das heißt die Arbeit an der Wahrheit, an dem was in irgendeinem Sinne objektiv richtig ist, und das weitestgehend frei von persönlichen oder anderen Interessen, das ist die Aufgabe der Wissenschaft. Und da kann die Wissenschaft ganz abstrakte Probleme lösen, wie beispielsweise in der Mathematik die Arbeit an der Goldbach-Hypothese, rein abstrakte Fragen, die man bearbeiten kann. Oder man kann sich mit der Frage beschäftigen, wie ökonomische Systeme funktionieren und kann versuchen, mit empirischen und mathematischen oder anderen Methoden der Wahrheit über diese Systeme näherzukommen. Das ist die eigentliche Aufgabe des Wissenschaftlers. Jetzt übernehmen viele Menschen im Leben viele Rollen. Also der rein in seiner Welt lebende Wissenschaftler kann die auch verlassen und kann zum Beispiel Politiker oder NGOs beraten oder er kann die Vereinten Nationen beraten. Er kann als Berater versuchen, mit anderen in ihren Fragen Wechselwirkung zu suchen. Und natürlich kann er auch über die öffentliche Rede wirken, und er kann über Bücher wirken. Und natürlich kann er auch selber Politiker werden. Aber der Punkt ist nicht, jedem Wissenschaftler zu sagen, werde auch Politiker, sondern es gibt unter den Leuten, die sich mit der Wissenschaft beschäftigen und mit dem Versuch, die Wahrheit besser zu verstehen, Leute, die dann irgendwann sagen, okay ich will jetzt in die Politik, ich will in der Politik was machen. Ich will mein Wissen in der Politik selber einsetzen. Es gibt auch Leute, die bleiben in beiden Welten. Ich finde Professor Töpfer ist so ein wunderbares Beispiel für jemanden, der einerseits voll in der Wissenschaft ist, der in der Politik operiert national, dann in der Politik operiert international, dann wieder ein wissenschaftliches Institut leitet, dabei aber Politikberatung macht. Es heißt es gibt da sehr vielfältige Formen, wie man operieren kann.

Tim Pritlove
1:17:05
Franz Josef Radermacher
1:17:08

Von Klaus Töpfer ja, den ich sehr bewundere. Also es gibt Menschen, die viele Dinge unter ihren Hut bringen, aber das sind Ausnahmeerscheinungen. Normalerweise ist Politiker ein Fulltimeberuf und Professor ist ein Fulltimeberuf und normalerweise verkoppelt man das nicht, aber wenn Sie unseren heutigen Club of Rome Co-Präsidenten Ernst Ulrich von Weizsäcker, dann war der auch mal Mitglied im deutschen Bundestag. Hat dort die Enquetekommission Globalisierung geleitet. War aber auch Rektor an einer Universität in den USA. Hat bei uns eine Hochschule gegründet in Kassel. Hat aber auch ein großes Institut in Wuppertal gegründet. Berät ganz viele Organisationen weltweit. Hält ganz viele Vorträge. Schreibt ganz viele Bücher. Also es gibt eben Leute, die sehr viele Dinge tun können, die sich dann auch noch alle gegenseitig ergänzen, aber das ist nicht das normale. Der normale Wissenschaftler arbeitet in einem überschaubaren Feld und versucht, die Wahrheit zu finden. Das ist meiner Ansicht nach aber auch der Anspruch. Die Wahrheit finden und dabei nie den Kontakt zur Realität und zum gesunden Menschenverstand verlieren. Also das was wir in der künstlichen Intelligenz Ground Truth nennen. Die letzte Wahrheit ist in der Welt selber. Oder wie das der Nobelpreisträger Muhammad Yunus ausdrückte. Er kam als Ökonom von einer amerikanischen Eliteuni und dann marschierte er durch die Slums von Dakar und sah da Leute liegen, die fast tot waren und nichts zu essen hatten und kein Zuhause hatten. Und dann hat er sich gefragt, was hat diese ökonomische Theorie mit meinem Problem hier zu tun. Im wesentlichen nichts. Ich muss mich mit der Situation dieser Leute hier beschäftigen und ich brauche eine ökonomische Theorie, die diesen Leuten in irgendeiner Weise hilft und das ist meine Aufgabe. Dafür bin ich ausgebildet, das hier ist die Wahrheit und zum besseren Verständnis der Wahrheit trage ich bei. Und dann hat er irgendwann auch noch zu unternehmerischen Lösungen beigetragen, aber das hätte nicht sein müssen. Das ist eine Zusatzfähigkeit von ihm gewesen, dass er auch noch das was er als Theorie entwickelte sofort ausprobierte und aus dem Erfolg, den er sah, letztlich so etwas wie die Grameen Bank entwickelt hat. Also es reicht nicht, in einem Elfenturm zu verbleiben mit der Behauptung, man arbeite an Probleme, die in der Welt sind, wenn es die in der Welt so nicht gibt. Das kann der Mathematiker machen. Der kann in irgendeinem abstrakten Axiomensystem arbeiten. Wer aber eine Wissenschaft hat, die sich mit einer Frage beschäftigt, die eine Frage der Welt ist. Also eine Wissenschaft, die sich mit Menschen beschäftigt, die sich mit Gruppen beschäftigt, mit Ökonomischen beschäftigt oder mit dem Finanzsystem. Der muss sich dann auch mit dem wirklichen Finanzsystem beschäftigen und der muss sicherstellen, dass seine Theorien irgendwas mit der Realität zu tun haben, nach dem Motto, the proof of Pudding lies in the eating. Also man muss mit den ganzen Möglichkeiten der Wissenschaft, und seines Gehirns und in der Suche nach der Wahrheit sich mit der Realität beschäftigen und man muss einen Blick für die realen Verhältnisse behalten. Das ist meiner Ansicht nach ein entscheidender Leitgedanke. Und in allem was man tut, immer den gesunden Menschenverstand al Probe heranziehen. In ganz vielen Fällen sagt einem eine einfache Analyse mit dem gesunden Menschenverstand, dass eine bestimmte Position nicht richtig sein kann. Gesunder Menschenverstand in Kombination mit abstrakten Geschützen, wie die Differentialgleichungen oder was man sich sonst aus der Mathematik dann für die konkreten Modelle holt.

Tim Pritlove
1:21:33
Franz Josef Radermacher
1:21:41
Tim Pritlove
1:22:10
Franz Josef Radermacher
1:22:12
Tim Pritlove
1:22:12
Franz Josef Radermacher
1:22:34
Tim Pritlove
1:23:27