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FG098 Philosophie kommunizieren

Über die Bedeutung der Philosophie für die Gesellschaft und wie man sie vermittelt

Was ist eigentlich Wissen? Was auf den ersten Blick wie eine ganz triviale Frage wirkt, berührt den Kern menschlicher Erkenntnis. Die Philosophie, die diesen Begriff seit Jahrtausenden auslotet, bewegt sich keineswegs nur in akademischen Sphären, sondern ist ganz aktuell, wenn man das Problem anders formuliert und die Frage stellt: Was sind Fake News?

„Philosophie kann lebensfern wirken, ist es aber nicht“, sagt Markus Schrenk, seit 2014 Professor für Theoretische Philosophie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Gemeinsam mit einem Team aus Lehrenden und Studierenden hat er das Projekt denXte ins Leben gerufen. Die Idee: Bürgerinnen und Bürger ohne Vorkenntnisse für philosophische Zusammenhänge zu begeistern. Das Mittel dazu ist ein ganzes Bündel an Aktivitäten, von klassischen Abendveranstaltungen über Videos bis hin zu sozialen Medien und Livechats.

Philosophie, so kristallisiert sich heraus, ist eine Art Universallehre, die – ähnlich wie die Mathematik – verspricht, Klarheit über die Welt zu verschaffen. Bei der Beschäftigung mit Fragen von Wahrheit, Überzeugung und Handeln wird deutlich: Philosophie steckt im täglichen Leben. Ethik etwa ist für politische Entscheidungen und in der Rechtsprechung bedeutsam. Oder die Entwicklung von Computern wäre ohne das philosophische Konzept von Logik undenkbar gewesen.

Der Stifterverband und die Deutsche Forschungsgemeinschaft haben das Projekt denXte im Jahr 2022 mit dem Communicator-Preis für herausragende Wissenschaftsvermittlung ausgezeichnet.

https://forschergeist.de/podcast/fg098-philosophie-kommunizieren/
Veröffentlicht am: 21. Oktober 2022
Dauer: 1:28:49


Kapitel

  1. Intro 00:00:00.000
  2. Begrüßung 00:00:46.900
  3. Markus Schrenk 00:01:15.300
  4. Communicator-Preis 00:05:44.168
  5. Persönlicher Hintergrund 00:06:29.803
  6. Philosophie-Methoden 00:11:23.658
  7. Entstehung von denXte 00:15:21.717
  8. Gedankenexperimente 00:22:53.778
  9. Metaphysik und Ontologie 00:38:36.102
  10. Glauben, Wissen und Wahrheit 00:51:15.160
  11. Philosophie und Religion 00:58:29.465
  12. Interdisziplinäre Forschung 01:10:55.921
  13. Philosophische Zukunft 01:17:09.067
  14. Ausklang 01:27:32.245

Transkript

Tim Pritlove
0:00:47
Markus Schrenk
0:01:14
Tim Pritlove
0:01:16
Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
0:01:31
Tim Pritlove
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Markus Schrenk
0:02:02
Tim Pritlove
0:02:03
Markus Schrenk
0:02:05
Tim Pritlove
0:02:12
Markus Schrenk
0:02:13
Tim Pritlove
0:02:34
Markus Schrenk
0:03:12
Tim Pritlove
0:03:30

Oh.

Markus Schrenk
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Tim Pritlove
0:04:22
Markus Schrenk
0:04:24
Tim Pritlove
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Markus Schrenk
0:05:12
Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
0:06:06
Tim Pritlove
0:06:27
Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
0:09:08
Markus Schrenk
0:09:18
Tim Pritlove
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Markus Schrenk
0:09:48
Tim Pritlove
0:09:53
Markus Schrenk
0:09:54
Tim Pritlove
0:10:04

Ja.

Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
0:10:28
Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Ja.

Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
0:24:07

Ja.

Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
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Tim Pritlove
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Markus Schrenk
0:28:36
Tim Pritlove
0:29:14
Markus Schrenk
0:29:32

Einen aktuellen Anstrich hat das auf jeden Fall. Wenn wir das Gedankenexperiment, was ich ja gerade gezeigt habe, das ist die uralte Frage nach moralischer Verantwortlichkeit. Nach einerseits Willensfreiheit, war das mein freier Wille zu bleiben, ja oder nein, obwohl ich nicht anders hätte handeln können, ich hätte ja nicht gehen können, war das trotzdem eine freie Willensentscheidung. Und in dem Falle, denke ich, hat man die Intuition, dass es so ist. Und solche Fragen nach moralischer Verantwortlichkeit und dem freien Willen sind ja juristisch sehr relevant. Ob jemand hätte anders handeln können oder nicht. Weswegen da für eine Handlung eben juristisch auch verantwortlich machen. Nicht nur moralisch, sondern auch juristisch verantwortlich machen. Deswegen sind wir da auch gleich in der Lebenswelt angekommen. Aber es gibt andere Sachen. Sie kennen vielleicht den Trolley-Case, wo eine Eisenbahn auf einem Gleis auf eine Gruppe von fünf Leuen zufährt und Sie beobachten das und Sie wissen, der Zug ist nicht mehr zu bremsen, der ist zu massiv, zu schnell, der schafft das nicht, der Bremsweg ist viel zu lang. Bremsen geht nicht mehr. Und Sie können die Leute auch nicht warnen, weil die zu weit wegstehen, Sie erreichen die nicht, können die nicht rufen. Sie haben eine Möglichkeit, Sie können eine Weiche umstellen, dann fährt der Zug auf ein anderes Gleis, dort steht aber eine andere Person, eine Einzelperson und die können Sie auch nicht warnen, die würde also von dem Zug überrollt, wenn Sie die Weiche umstellen. Wenn Sie nichts tun, dann werden die fünf Personen überrollt. Was machen Sie jetzt in diesem Beispiel? Welche moralische sehr schwierige Entscheidung treffen Sie hier? Retten Sie die fünf, dadurch wird allerdings eine Person getötet durch den Zug. Oder lassen Sie dem Zug seinen Lauf.

Tim Pritlove
0:31:27
Markus Schrenk
0:31:28
Tim Pritlove
0:31:30
Markus Schrenk
0:31:40

Da wurde es auch schon mal genutzt, ganz genau. Und jetzt sind solche Züge und solche Terroranschläge, die könnten passieren, aber es ist ja doch glücklicherweise relativ unwahrscheinlich. Ich sage nicht, dass das nicht passieren kann, aber es passiert halt nicht sehr häufig. Und so ein Zugbeispiel scheint ja im luftleeren Raum zu passieren. Und was ich aber eigentlich zeigen wollte ist, ganz und gar nicht. Denken Sie an autonom fahrende Fahrzeuge, Autos. Die können ja in die Situation kommen, dass ein Kind auf die Straße rennt, das Auto errechnet blitzschnell, weil diese Rechenkapazität hat es, rechnet blitzschnell, der Bremsweg ist zu lang, ich muss also ausweichen, ich, das Auto, muss ausweichen, jetzt sind wir wieder beim Ich-Bewusstsein, das das Auto bestimmt nicht hat, aber es muss ausweichen. Wenn jetzt aber auf dem Bürgersteig, die einzige Möglichkeit, wo es hin ausweichen könnte, zwei ältere Menschen spazieren gehen, was soll das Auto machen? Und jetzt sind wir im echten Leben im Trolley-Beispiel. Und bei dem Trolley-Beispiel können wir irgendwie noch die Augen verschließen und sagen, ach damit will ich mich nicht beschäftigen, das interessiert mich nicht oder mit solchen moralischen Fragen möchte ich nichts zu tun haben. Aber im Autofall muss es ja programmiert werden. Wenn wir es nicht programmieren, dann überlassen wir auch wieder dem Schicksal seinen Lauf, dann kann das Auto tun was es will, ich mache jetzt so Anführungszeichen in die Luft, weil es natürlich keinen Wille hat. Aber wenn wir das nicht einprogrammieren, dann passiert ja auch irgendwas in solchen Situationen. Das heißt, hier haben wir eine direkte moralische Verantwortung, uns Gedanken darüber zu machen, was diese Autos in solchen Fällen tun sollen und wie das dann einprogrammiert wird. Gegeben natürlich, das ist vielleicht noch ein bisschen Zukunftsmusik, dass das Auto das Szenario auch genauso erkennt, wie ich das eben beschrieben habe. Das muss ja in der Lage sein, eine Person und zwei andere zu erkennen, deren Alter einzuschätzen und so fort. Das muss natürlich gegeben sein. Aber davon sind wir, glaube ich, nicht so weit entfernt.

Tim Pritlove
0:34:01
Markus Schrenk
0:34:05

Wie häufig, gibt es natürlich verschiedene Antwortmöglichkeiten. Es gibt verschiedene Ethiken, die dann unterschiedlich auf das Trolley-Problem reagieren. Die an sich natürlich auch wieder ihre Schwierigkeiten haben. Ich will Ihnen zwei Antwortmöglichkeiten geben. Es gibt den sogenannten Konsequentialismus, da steckt das Wort Konsequenz drin und diese Ethik sagt, eine Handlung ist dann gut, oder besser als eine andere, wenn die Konsequenzen für die meisten Menschen die besseren sind bei dieser Handlungsalternative. Eine Konsequentialistin würde also im Trolley-Beispiel antworten müssen, welche Handlung ist die moralisch richtige, gute Handlung. Ja die, die die meisten rettet oder am wenigsten Schaden zufügt. Das Glück der meisten hervorruft. Also Weiche umstellen. Es gibt auch Ethiken, die ontologischen Ethiken, die sich beispielsweise auf einen Kanon verlassen, die 10 Gebote, das wäre so ein paradigmatisches Beispiel einer solchen Ethik. Die sagt, hier gibt es Grundsätze, an denen wir nicht rütteln wollen. Zum Beispiel du sollst nicht töten. Und wenn man selbst die Weiche umstellt, ist man ja mindestens kausal verantwortlich für den Tod des einen auf dem anderen Gleis. Und wenn du das nicht tun sollst, dann darfst du da nicht einschreiten. Oder eben eine Ethik die sagt, Menschenleben, auch die Anzahl von Menschenleben dürfen nicht gegeneinander abgewogen werden. Das heißt, ob fünf oder eins, hier sind wir blind dieser Zahl gegenüber und deswegen kann die Weiche auch so stehen bleiben wie sie ist. Das sind verschiedene Optionen, die man hat, hier zu antworten.

Tim Pritlove
0:36:04
Markus Schrenk
0:36:33

Ja.

Tim Pritlove
0:36:33
Markus Schrenk
0:36:38

Ja.

Tim Pritlove
0:36:39
Markus Schrenk
0:37:32

Ja.

Tim Pritlove
0:37:33
Markus Schrenk
0:37:35
Tim Pritlove
0:38:33
Markus Schrenk
0:38:58

Da würden die praktischen Philosophinnen widersprechen. Es ist jedenfalls ein wichtiges Fachgebiet innerhalb der Philosophie. Die Metaphysik, die sich eben damit beschäftigt, was gibt es und wie hängt das miteinander zusammen. Aber andere wichtige Gebiete gibt es genau gleichberechtigt daneben. Beispielweise die Erkenntnistheorie. Wir wollen ja auch wissen, was ist Wissen überhaupt, wann können wir von einer Person gerechtfertigterweise sagen, dass sie etwas weiß, wie erlangen wir überhaupt Wissen, welche Wissenswege, welche Wissensquellen stehen uns denn eigentlich offen? Das sind ja neben den moralischen Fragen ebenso wichtige philosophische Fragen. Und insofern ist die Metaphysik eine dieser großen Bereiche. Es wird in der Philosophie oft gestritten, was denn die erste Philosophie ist. Ja und da wurde die Metaphysik oft genannt als die ersten, die vielleicht auch historisch als erstes philosophisches Fachgebiet ins Leben gerufen wurde. Durch Thales beispielsweise, nennt man oft so als einen der ersten Philosophen und Mathematiker, kennen wir wahrscheinlich vom Thales-Kreis noch aus der Schulzeit her. Er hat auch eine Sonnenfinsternis vorhergesagt. Aber da stehen die ersten philosophischen Fragen, die stehen, sind eben die, woraus besteht die Welt. Und erst im Nachhinein kommen dann lebenspraktische Fragen dazu, die in den philosophischen Kanon aufgenommen sind. Also historisch, was zumindest die westliche Philosophie betrifft, die ihren Ursprung in Griechenland hat, hat die Metaphysik so schon ihren, kann die Ansprüche stellen, da die erste Philosophie gewesen zu sein.

Tim Pritlove
0:40:54
Markus Schrenk
0:41:05
Tim Pritlove
0:41:06
Markus Schrenk
0:41:39
Tim Pritlove
0:41:40
Markus Schrenk
0:41:46

Das ist natürlich keine schlechte Definition. Ein erster Anhaltspunkt kann natürlich die Etymologie sein oder dass man so einen Begriff mal auseinandernimmt. Und Meta als hinter und Physis die Natur hinter der Natur, das ist gar nicht so übel. Es gibt eine Anekdote. Es gibt die Anekdote, dass der erste Bibliothekar, der die aristotelischen Schriftengeordnet hat, Andronikos von Rhodos, der hat ein Buch von Aristoteles hinter die Schriften, die Aristoteles „Die Physik“ genannt hat, dieses Werk hat er hinter diese Bücher gestellt und daher kam die Metaphysik, hinter der Physik. Ob diese Anekdote jetzt wahr ist, das sei mal dahingestellt. Es würde aber auch inhaltlich ganz gut passen. Nur was soll das heißen, hinter dem Natürlichen? Beschäftigt sich die Metaphysik mit Spekulativem, mit Esoterik oder das scheint ja so darauf hinauszulaufen. Und das ist es dezidiert nicht. Es geht nicht um Spekulationen, es geht auch nicht um Esoterik. Ich gebe Ihnen ein Beispiel dafür, wo man sehen kann, dass wir über das, was Physikerinnen und Physiker machen, hinausgehen. Was machen die denn in ihren Labors? Naja unter anderem wollen die die Naturgesetze rausfinden. Die wollen wissen, ah E=mc2 oder F=M*A. Das erste ist das newtonsche Energie- und Masseäquivalenz, das andere ist das newtonsche Kraftgesetz. Und solche Gesetze wollen ja Physikerinnen und Physiker rausfinden in ihren Laboratorien. Und jetzt kann man aber die Frage stellen, was macht denn eigentlich ein Naturgesetz aus? Was ist das denn eigentlich, ein Naturgesetz, was haben die denn alle gemeinsam? Dieses E=mc2 oder dieses F=M*A. Und da fragt man eben nach Kriterien dafür, wann etwas unter diesen Begriff Naturgesetz fallen kann. Und vielleicht ist das erste, was einem so einfallen kann, naja das muss irgendwie ein allgemeiner Satz sein. Also wenn ich jetzt sage, hier auf dem Tisch vor uns steht ein Glas. Ist das ein Naturgesetz? Nein, das handelt ja nur von dem Glas. Naturgesetz muss irgendwie von allen Massen handeln. Es muss von allen Elektronen irgendwie die Rede sein, also es muss ein ganz allgemeiner Satz sein.

Tim Pritlove
0:44:23
Markus Schrenk
0:44:25
Tim Pritlove
0:44:55
Markus Schrenk
0:44:55

Es kann auch sein, dass er nicht klingelt. Genau, und da kommen wir jetzt zu einem weiteren Kriterium von Naturgesetzlichkeit, die gelten irgendwie mit Notwendigkeit, da gibt es kein Drumherum, das können wir nicht vermeiden. C, die Lichtgeschwindigkeit, ist die höchste Geschwindigkeit, sie können nichts höher als das Licht beschleunigen. Das geht nicht. Das heißt, die Naturgesetze sind irgendwie auch Dinger, Regeln, die unumstößlich sind. Die können wir nicht verhindern. Und damit zusammen hängt noch etwas. Also die sind auch dafür verantwortlich, dass verschiedene wenn-dann-Sätze wahr sind. Also noch mal um auf das Glas hier zurückzukommen, ließe ich das jetzt hier auf den Boden fallen, dann würde das zersplittern. Und das ist wohl wahr, ich werde es nicht machen, aber trotzdem, also das ist ja ein Satz, der ist wahr, obwohl er faktisch gerade, jedenfalls sein erstes Satz, der Antezedens, der Vordersatz des Satzes, wenn ich es runterfallen ließe, der ist faktisch falsch, ich tue es ja nicht. Also der ist nicht gegeben. Und trotzdem scheine ich ja etwas richtiges über die Welt zu sagen, obwohl ich nichts faktisches über die Welt sage, nicht wie es faktisch ist, sondern ich mache eine was-wäre-wenn-Aussage. Und solche was-wäre-wenn-Aussagen sind gestützt, wenn sie wahr sind, sind sie gestützt durch Naturgesetze auch. Naja, warum ist dieser wenn-dann-Satz war? Ja, weil das Glas eine bestimmte Molekülstruktur hat und die zerbricht, die reißt, die ist nicht, die molekularen Bindungen sind eben nicht so stark, dass sie bei so einem Aufprall, bei so einem Impuls, der auf das Glas einwirkt, dass sie dann nicht zerreißen würden, die zerreißen bei dieser Art von Impuls. Das heißt, das ist naturgesetzlich abgedeckt, dass dieser Satz wahr ist. Und deswegen haben Naturgesetze auch so eine was-wäre-wenn-Kraft. Die sagen uns auch, nicht nur was faktisch ist, sondern die erstrecken sich auch über den Möglichkeitsraum, was passieren könnte oder was passieren muss. Nicht einfach nur passiert, sondern passieren muss. Sondern all das, was wir jetzt gemeinsam erdacht haben hier über die Naturgesetze, ist nicht die Kernaufgabe der Physik. Die findet nämlich raus, welche Naturgesetze gibt es, aber nicht, was ist eigentlich ein Naturgesetz? Welche Eigenschaften hat denn so ein Naturgesetz? Das ist eine philosophische Frage. Und deswegen geht diese philosophische Frage über die Physik hinaus. Bedeutet natürlich nicht, dass die einen oder der andere Physiker nicht auch daran sehr interessiert ist an solchen Fragen und das betreibt, aber jedenfalls nicht im Labor. Welches Experiment wollten Sie denn anstellen, um zeigen zu können, was ein Naturgesetz ist, statt welches gibt es hier gerade zu untersuchen.

Tim Pritlove
0:48:06
Markus Schrenk
0:48:59
Tim Pritlove
0:49:34
Markus Schrenk
0:49:50
Tim Pritlove
0:50:05
Markus Schrenk
0:50:07
Tim Pritlove
0:51:16
Markus Schrenk
0:52:32

Also es ist schon richtig, das verschiedene philosophische Fragen über die Jahrhunderte hinweg immer wieder aufkamen und anders beantwortet wurden. Ein Philosoph zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Whitehead hat einmal gesagt, dass alle Philosophie eigentlich nur Fußnoten zu Platon ist. Und von daher ist es schon richtig, dass viele philosophische Fragen immer wieder aufkommen und neue Antworten finden. Es ist aber trotzdem so, dass es auf eine gewisse Weise auch philosophischen Fortschritt gibt. Wir loten nämlich den Raum der möglichen Antworten aus. Sie haben es eben so schön beschrieben, man versucht mit einer Flüssigkeit zu handhaben, sobald das Gefäß weg ist, dann zerfließt das wieder alles. Aber wir stellen in der Philosophie, um in der Metapher zu bleiben, eine ganze Menge zur Verfügung, mit denen man diese Flüssigkeit auffangen kann. Und da gibt es dann durchaus auch Fortschritt und sei es auch nur manchmal ein Negativfortschritt im Sinne von, man weiß halt wie es nicht geht. Wir hatten bei denXte beispielsweise die Frage, was ist Wissen? Wann ist es richtig von jemanden zu sagen, dass er oder sie etwas weiß und stimmt das? Und dazu hat Platon auch schon Definitionsversuche gegeben und wir wissen, dass verschiedene einfach falsch sind oder dass die nicht ganz zum Ziel führen, nur so halb zum Ziel führen. Das Beispiel ist das folgende: Was könnte das denn sein? Wann könnte es denn richtig sein, von einer Person zu sagen, dass sie etwas weiß? Naja, ein Punkt ist doch der, dass sie selbst daran glauben muss, muss selbst diese Meinung haben. Man kann schlecht sagen, ich weiß, dass wir hier in Berlin sind, aber ich glaube das nicht. Dann denkt man, wie was meinst du jetzt, du weißt, dass du in Berlin bist, aber du glaubst es nicht, was soll denn das heißen? Also irgendwie muss es doch so sein, dass eine Person, die etwas weiß, die glaubt auch in erster Linie daran, dass es so ist. Also Wissen hat schon mal irgendwas mit einer Meinung zu tun und man hat eine Meinung. Aber man hat mehr als Meinungen.

Tim Pritlove
0:55:11
Markus Schrenk
0:55:13
Tim Pritlove
0:55:30
Markus Schrenk
0:55:33
Tim Pritlove
0:55:33
Markus Schrenk
0:55:35
Tim Pritlove
0:56:06
Markus Schrenk
0:56:08

Genau, also wenn ich weiß, dass das Glas, wenn ich behaupten will, ich weiß, dass das Glas zerbricht, wenn ich das runterfallen lasse, dann muss ich schon Gründe geben. So was wie, naja ich kenne mich mit Glas aus, das ist halt so eine amorphe Molekülgeschichte und dann habe ich eben meine Begründung. So und letztlich reicht das aber auch noch nicht, also die Begründung kann noch so gut sein, und man kann noch so stark daran glauben, es muss auch noch wahr sein. Ich kann ja schlecht sagen, ich weiß, dass wir hier in Köln sind, ich habe auch gute Gründe ich gucke nämlich raus und sehe auch einen Fernsehturm, das ist mein Grund dafür, sehe ich in Köln auch, habe also begründete Meinung, aber das kann ja wohl kein Wissen sein, denn das ist einfach falsch, wir sind hier nicht in Köln, sondern wir sind in Berlin. Also zu Wissen gehört es wohl doch auch noch, dass die gerechtfertigte Meinung wahr ist. Wenn es nicht wahr ist, was ich glaube, kann ich ja wohl kaum sagen, ich weiß es. So und jetzt haben wir /unverständlich/ Und daran zweifelt man kaum, an Wahrheit und Meinung wird niemand zweifeln, dass das Grundelemente von Wissen sind. Das Wissen das mit sich bringen muss, sonst kann man nicht von Wissen sprechen. Und so hat die Philosophie eben auch für Definitionen von Naturgesetz, für Definition von Kausalität sich so einen Grundstamm erarbeitet von Möglichkeiten, wie es denn explizierbar ist, auf den sich alle immer wieder erneut beziehen und davon ausgehen und vielleicht die ein oder andere These verneinen und andere anbieten. Aber dieser Grundstamm des Argumentierens bleibt dann bestehen. Wer sich mit der Frage beschäftigt, was ist wissen, muss dazu Stellung nehmen, wie sieht es mit Meinungen aus, wie sieht es mit Wahrheit aus, wie sieht es mit Rechtfertigung aus? Sind das Elemente für deinen Begriff von Wissen oder sind das keine, und wenn nicht, warum nicht? Also jede, die sich damit beschäftigt, wird diese Grundelemente wieder mit verwenden. Und das hat sich die Philosophie erarbeitet.

Tim Pritlove
0:58:31
Markus Schrenk
0:58:51
Tim Pritlove
0:58:52
Markus Schrenk
1:00:03
Tim Pritlove
1:01:00
Markus Schrenk
1:01:02
Tim Pritlove
1:01:38
Markus Schrenk
1:02:14

Ja, was bei Fragen zur Religion natürlich mitschwingt ist, dass wir alle, auch die rationalsten Philosophinnen und Philosophen ein Bedürfnis nach Spiritualität haben. Die Frage, warum sind wir überhaupt hier, warum ist nicht etwa einfach nur nichts und warum bin ich in dieses Leben geworfen? Das ist eine Frage, die manchmal von Philosophen zur Seite geschoben wird und als nicht beantwortbar oder als falsch gestellt markiert wird, aber ich glaube, die wenigsten von uns können sich davon freisprechen, dass solche Fragen aufkommen. Und wenn es der Moment ist, wo man einen lieben Menschen verliert, im Angesicht des Todes stellt man sich diese Fragen. Und da versucht ja Religion, versuchen Religionen eben Antworten darauf zu geben. Und deswegen ist das Anliegen ja ein durch und durch legitimes und für uns alle nachvollziehbares. Wenn ich wieder auf die Metaphysik und Philosophie zurückkommen kann, Metaphysik könnte man auch mal definieren als den Versuch, das Leben und die Welt im Gesamten zu begreifen, zu ordnen, verstehbar zu machen. Und idealerweise gelingt das kohärent, nämlich so, dass wir unser wissenschaftliches Wissen, unser Alltagswissen und aber auch eventuell dieses Streben nach Spiritualität vereinbar machen. So dass sich diese verschiedenen Bereiche eben nicht widersprechen. So dass ich durchaus sagen kann, naturwissenschaftlich sieht es so und so aus, und das tut meiner Lebenspraxis aber keine Abbruch. Wenn man da eine Interpretation der Welt, der Wissenschaft, der Lebenswelt findet, die es kohärent macht, dann ist das eine große Errungenschaft.

Tim Pritlove
1:04:29

Als ich vorhin so ein bisschen nach der Zielgruppe gefragt habe, was, glaube ich, ein bisschen, also von dem denXte-Projekt, was da so ein bisschen bei mir mitschwang war auch so, dass ich das Gefühl habe, es gibt halt einen Teil der Gesellschaft, der ist in seiner Wissbegier aktiv und beantwortete Fragen werden als eine Lücke angesehen, die man gerne füllen möchte. Im Religionsbereich mag es ähnlich sein, nur dass dort die Bereitschaft ist, mit sehr einfachen Antworten zu füllen, vielleicht etwas höher ist. Man gibt sich mit etwas zufrieden, was irgendwie insgesamt gut klingt und irgendwie was hermacht, sage ich mal, was einen aber auch auf eine gewisse Art und Weise fasziniert oder eine gewisse Respekthaltung abverlangt, in der man sich auch wohlfühlt. Bis hin zu einem Teil, und das haben wir ja in den letzten Jahren ja auch wieder verstärkt gesehen, der eigentlich überhaupt gar keinen Wunsch zu haben scheint, wirkliche Erklärungen, die in irgendeiner Form nachvollziehbar sind und die man so mit Logik sich irgendwie herleiten könnte, für sich zu akzeptieren, weil es nicht ins Weltbild passt. Finde ich an der Stelle auch einen schönen Begriff, Weltbild so, ich mache mir von der Welt ein Bild. Projiziere quasi meine eigene Lebenssituation und wie ich sie gerne hätte oder vielleicht auch die eigene Lebenssituation, wie ich sie eigentlich gar nicht so gerne habe, aber die mich sozusagen bedrückt, schick das durch einen Spiegel und sage, es ist alles anders und daran glaube ich jetzt und daraus beziehe ich eine gewisse Festigkeit. Jetzt habe ich ein bisschen ausgeholt, ich frage mich halt natürlich wie alle, die auf dieses Fakenews-Syndrom und Verschwörungserzählungen und so weiter, diese Bewegungen schauen so, was ist denn da eigentlich das, was zu fehlen scheint? Dass man die Leute mit einem philosophischen Gesamtmodell und einem Wissensbegriff nicht mehr so richtig überzeugen kann, nicht mehr ins Boot geholt bekommt? Ist es zu weit weg, setzt es zu viel voraus, ist es zu kompliziert, übersteigt es die Fähigkeit zur intellektuellen Schlussfolgerung? Was fehlt da und was lässt sich davon reparieren?

Markus Schrenk
1:07:20
Tim Pritlove
1:08:07
Markus Schrenk
1:08:11
Tim Pritlove
1:09:11
Markus Schrenk
1:09:13
Tim Pritlove
1:09:44
Markus Schrenk
1:09:56

Ja.

Tim Pritlove
1:09:57
Markus Schrenk
1:10:09
Tim Pritlove
1:10:55
Markus Schrenk
1:11:35
Tim Pritlove
1:12:27
Markus Schrenk
1:12:33
Tim Pritlove
1:13:04
Markus Schrenk
1:13:05
Tim Pritlove
1:14:37
Markus Schrenk
1:14:41
Tim Pritlove
1:14:47
Markus Schrenk
1:14:47
Tim Pritlove
1:14:48
Markus Schrenk
1:15:16
Tim Pritlove
1:15:49
Markus Schrenk
1:15:51
Tim Pritlove
1:15:53
Markus Schrenk
1:16:03
Tim Pritlove
1:16:16
Markus Schrenk
1:16:22
Tim Pritlove
1:17:05
Markus Schrenk
1:17:05
Tim Pritlove
1:17:08
Markus Schrenk
1:18:17

Selbstfahrende Autos, da haben wir eben schon drüber gesprochen. Und dahinter steckt natürlich die künstliche Intelligenz. Das ist ein großes Thema, mit dem sich Philosophinnen und Philosophen auch beschäftigen. Und zwar auf verschiedene Weise, die praktische wie die theoretische Philosophie involvierend. Die praktische Philosophie dafür haben wir eben schon ein Beispiel genannt, künstliche Intelligenzen müssen Regeln, Handlungsanweisungen bekommen. Regeln, wie sie denn in moralisch aufgeladenen Situationen zu reagieren haben. Das ist die eine Seite, die die praktische Philosophie betrachtet. Die theoretische Philosophie kann hier mehrere Fragen stellen. Zum Beispiel die, ist es so, dass diese Systeme oder ab wann würden wir sagen, dass diese Systeme ihr eigenes Bewusstsein entwickeln, was muss dafür der Fall sein, dass wir denen das zusprechen können? Unser Tablet und Mobiltelefon hat das sicher noch nicht, auch wenn wir machmal mit den Dingern fast so umgehen, als wären es Gesprächspartner, aber denen würde man nicht zuschreiben, dass sie ein Selbstbild beispielsweise von sich haben. Aber da ist die Frage, ist das möglich oder wann würden wir von einem solchen Gerät das denn sagen wollen, dass es so ist? Ein genuin philosophische Frage. Ein weiteres Thema ist, dass diese künstlichen Intelligenzen ja auch jetzt schon in der Wissenschaft eingesetzt werden. Es gibt Programme, die Moleküle viel besser erkennen können als Menschen das können. Oder Programme, die auch vorhersagen in einer bestimmten Wissenschaft viel schneller treffen können und korrekter, verlässlicher treffen können als wir das können.

Tim Pritlove
1:20:10
Markus Schrenk
1:20:18

Ja.

Tim Pritlove
1:20:19
Markus Schrenk
1:20:33
Tim Pritlove
1:20:37
Markus Schrenk
1:20:38
Tim Pritlove
1:20:39
Markus Schrenk
1:21:45

Nein, nein, also es gibt maschinelles Lernen, was auf dem besten Wege ist, genau das zu tun. Diese neuesten Maschinen sind ja nicht so, dass man denen nur etwas einprogrammiert oder dass die nur eine vorgegebene Reihe lernen und diese Reihe dann fortsetzen können, sondern die sind dergestalt, dass sie ihre eigenen Begrifflichkeiten beispielsweise entwickeln, um damit dann vorhersagen zu treffen, also die sind hochkreativ in dem was sie tun. Ich bin kein Experte, deswegen kann ich das nicht tiefer erklären. Aber es ist so, dass die manchmal deswegen so viel bessere Vorhersagen treffen als Menschen das tun, weil die die Welt andres einteilen und anders begrifflich in Begriffe eben einteilen. Und da sind wir an einem interessanten philosophischen Punkt, dann haben wir es mit Systemen zu tun, die uns überlegen sind in ihren Vorhersagen, die wir aber nicht verstehen, weil sie anders denken, eine andere Sprache sprechen. Das heißt, wir haben manchmal keine Überprüfungsmechanismen. Wenn so ein System eine Vorhersage trifft, im schlimmsten Fall so was wie, übermorgen gibt es den totalen Börsencrash, jetzt nicht mehr verkaufen oder so etwas oder jetzt unbedingt das und das millionenfach verkaufen. Wenn das System das rät, dann können wir es nicht nachvollziehen, warum das System das getan hat. Diese Rechtfertigung, von der eben die Rede war, menschliches Wissen ist ungefähr wahre gerechtfertigte Meinung, aber dieses Wissen oder jedenfalls korrekte Vorhersagen, die diese Systeme treffen, da kennen wir die Rechtfertigung nicht, wir können die nicht nachvollziehen, weil die anders begrifflich unterwegs sind, aber sie waren in der Vergangenheit wahnsinnig verlässlich. Was machen wir jetzt in so einer Situation? Verlassen wir uns dann darauf oder nicht? Wir kommen an die Rechtfertigung nicht ran. Im zwischenmenschlichen Umgang ist es gut, nach Rechtfertigungen zu fragen, hier können wir es plötzlich nicht. Und da stehen wir vor dem nächsten philosophischen Problem. Als welche Art kognitiven Agenten betrachten wir denn diese künstlichen Intelligenzen? Nehmen Sie ein anderes Wort, wenn Ihnen das Wort Intelligenz nicht gefällt. Diese Systeme, System ist vielleicht ein neutralerer Begriff, wie gehen wir damit um?

Tim Pritlove
1:24:31
Markus Schrenk
1:24:41

Ja.

Tim Pritlove
1:24:41
Markus Schrenk
1:24:58
Tim Pritlove
1:24:59
Markus Schrenk
1:24:59
Tim Pritlove
1:26:27
Markus Schrenk
1:27:19
Tim Pritlove
1:27:21
Markus Schrenk
1:27:23
Tim Pritlove
1:27:25
Markus Schrenk
1:27:31

Ja.

Tim Pritlove
1:27:33
Markus Schrenk
1:27:48
Tim Pritlove
1:27:50