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FG081 Wissenschaftskommunikation in Krisen

Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus im Wettbewerb um die Öffentlichkeit und Deutungshoheit

Als die Corona-Pandemie ihren Lauf nahm, schlug die Stunde der Wissenschaftskommunikation. Virologen und Epidemiologen standen auf einmal im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Und ihr Wort hatte Gewicht in der Politik. Dabei war anfangs eine Ausnahmesituation: Im Grunde stimmten alle dieselbe Erzählung an, dass man die Infektionswelle brechen müsse, bevor sie unbeherrschbar in die Höhe schießt. In dieser Phase wuchs auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft. Bis sich dann die kritischen Stimmen mehrten und der kurze Burgfrieden schon wieder vorbei war.

Stefanie Molthagen-Schnöring, Professorin für Wirtschaftskommunikation an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, hat diese Entwicklung aus der Forscherinnenperspektive beobachtet. Im Gespräch berichtet sie über ihre Wahrnehmung der Krisenkommunikation und auch grundsätzlich darüber, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heutzutage in der Öffentlichkeit sichtbar werden. Dabei sind die klassischen Publikumsmedien mit ihrer eigenen Logik nicht immer die erste Wahl, neigen sie doch gerne dazu, Sachthemen als persönliche Geschichten zu erzählen. Auch die Corona-Krise hat „Stars“ wider Willen hervorgebracht und einen wissenschaftlichen Disput als Hahnenkampf unter Forschern skandalisiert.

Aber nun gibt es inzwischen ja auch viele Möglichkeiten, Medien selbst zu gestalten. Spätestens mit der Pandemie ist das Wissen, was ein Podcast ist, nun wirklich in der Allgemeinheit angekommen. Stefanie Molthagen-Schnöring ermuntert andere Forscherinnen und Forscher darin, ihre Vermittlungsformate selbst zu wählen. Oder auch mal zu verzichten, wenn man zum Beispiel mit Social Media fremdelt oder den Kopf nicht ständig in die Kamera halten mag. Entscheidend sei es, authentisch zu bleiben und wahrhaftig, wie eben die Wissenschaft selbst auch.

https://forschergeist.de/podcast/fg081-wissenschaftskommunikation-in-krisen/
Veröffentlicht am: 5. Juni 2020
Dauer: 1:16:28


Kapitel

  1. Begrüßung 00:00:43.050
  2. Wissenschaft vs. Wirtschaft 00:11:28.591
  3. Bedürfnisse der Wissenschaftskommunikation 00:19:37.326
  4. Krisenkommunikation 00:27:18.490
  5. Wissenschaft und Corona-Kommunikation 00:30:36.453
  6. Wissenschaft und Politik 00:34:55.708
  7. Eigene Kanäle und Dialoge 00:41:28.636
  8. Meinungen 00:55:44.548
  9. Wissenschaftsjournalismus 00:59:52.723
  10. Kommunikation nach der Krise 01:04:26.938
  11. Ausklang 01:13:31.109

Transkript

Tim Pritlove
0:00:42
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:01:25
Tim Pritlove
0:01:26
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:01:50
Tim Pritlove
0:01:59
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:02:06
Tim Pritlove
0:02:57
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:03:00
Tim Pritlove
0:03:42
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:03:58
Tim Pritlove
0:05:00
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:05:03
Tim Pritlove
0:05:16
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:05:22
Tim Pritlove
0:06:14
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:06:25
Tim Pritlove
0:06:27
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:06:31
Tim Pritlove
0:06:37

Ja.

Stefanie Molthagen-Schnöring
0:06:38
Tim Pritlove
0:07:28
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:08:02

Also wenn Sie das positiv wahrnehmen, freut mich das und das ist natürlich total berechtigt. In der Tat finde ich, dass wir eine sehr gute offensive Kommunikation machen, sicherlich auch an der Stelle sich bemerkbar macht, dass wir eben nicht nur eine technische Hochschule sind, sondern auch Kreativ- und Kulturstudiengänge bei uns haben, so dass die Kommunikation eben auch teilweise mit entwickelt wurde von den entsprechenden Kolleginnen, also auch die Außenkommunikation und auch Studierende bei uns sehr aktiv sind, die Projekte machen, um eben beispielsweise mal zu lernen, wie macht man denn eine Webseite oder ein Magazin oder eine Kampagne und das spiegelt sich auch in unserer Kommunikation wieder. Und in der Tat ist es das, was ich eigentlich so faszinierend an dieser Hochschule finde, dass wir, wenn ich dieses ja doch sehr strapazierte Wort gebrauchen darf, interdisziplinäre, transdisziplinär aufgestellt sind. Ich bin jetzt seit einem Jahr Vizepräsidentin für Forschung und Transfer in der Hochschule und lerne immer mehr die verschiedenen Studiengänge, wir haben um die 70 Studiengänge, kennen und merke, wie spannend das ist, wenn jetzt eben beispielsweise die regenerativen Energien gemeinsame Projekte mit den Kommunikationsdesignern machen oder wenn es Projekte gibt zwischen BWL und Informatik, also da gibt es ganz viele gemeinsame Themen, die ja heute quasi auf der Hand liegen, wenn man sich anschaut, was wir für große Herausforderungen in unserer Gesellschaft haben. Digitalisierung, Klimawandel etc., die glaube ich keine Disziplin allein wird lösen können. Und da sehe ich einfach das große Potential der Hochschule und das macht mir persönlich auch wahnsinnig viel Spaß und da sind wir wieder beim Thema Schnittstellen und Grenzgänger.

Tim Pritlove
0:09:42
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:10:14
Tim Pritlove
0:11:28
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:12:54

Also ich glaube, in den Methoden und in den Prozessen gibt es keine großen Unterschiede. Also wenn ich als Unternehmen kommunizieren will, muss ich mir genauso darüber Gedanken machen, wer sind eigentlich meine Zielgruppen, als wenn ich das Ganze als Hochschule oder als Wissenschaftler tue. Das heißt, so bestimmte Fragestellungen Richtung Ziele, Richtung Zielgruppen, was sind die Botschaften, mit denen ich nach außen treten möchte und mit welchen Maßnahmen möchte ich dann eben mein Publica überzeugen, das sind im Prinzip ja mehr oder weniger universelle Standards. Das ist sicherlich, wenn man mit viel Geld hantieren kann, hat man da vielleicht andere Möglichkeiten, aber auf der anderen Seite glaube ich, ist alleine so das im Kopf zu haben, dass es eben diese verschiedenen Fragestellungen gibt, auch für Wissenschaftler unglaublich hilfreich, weil sie dann nämlich plötzlich erkennen, ah okay, ich muss jetzt auch nicht immer die Öffentlichkeit überzeugen, sondern ich habe vielleicht jetzt gerade, wie Sie schon selber sagten, vielleicht eher ein bestimmtes Lobbying-Interesse. Ich möchte vielleicht an bestimmte Unternehmen ran, mit denn ich gemeinsam Projekte machen möchte. Also dass man sozusagen sich da auch entscheiden muss, mit wem möchte ich eigentlich kommunizieren? Abgesehen davon, da haben Sie natürlich völlig recht, dass die Wissenschaft schon auch nochmal in einer anderen Verantwortung ist, erst recht, wenn sie stabil finanziert ist. Und ich glaube, die Verantwortung, die wir als Wissenschaft jetzt heute haben in diesen Zeiten, auch in Bezug auf die Förderung eines demokratischen Diskurses, das sehe ich als eine Aufgabe, die jetzt doch nochmal stärker bei der Wissenschaft als bei der Wirtschaft liegt, auch wenn sich die Wirtschaft in den letzten Monaten und Jahren ja auch zunehmend zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen geäußert hat.

Tim Pritlove
0:14:33
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:14:35
Tim Pritlove
0:15:17
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:16:39

Also ich glaube, generell kann man das nicht unterscheiden. Man muss halt eben darüber klar nachdenken, in welchem Feld bewege ich mich und was will ich eben erreichen? Und natürlich, wenn ich in den sozialen Medien unterwegs bin, dann habe ich ein stärkeres Grundrauschen immer dabei und habe natürlich auch eine andere Öffentlichkeit, als wenn ich in spezifische Fachöffentlichkeiten gehe. Aber auch das kann ich natürlich über soziale Medien machen, wenn ich in bestimmte Fachgruppen reingehe, die es ja auch auf sozialen Medien gibt und mich dort dann öfter zu Wort melde. Insofern ist es immer noch eine Entscheidung, welches Ziel will ich mit meiner Kommunikation erreichen? Möchte ich mich als Wissenschaftler profilieren und eine Marke aufbauen, dann ist es vielleicht für mich wichtig, dass ich in Twitter oder anderen sozialen Medien auch unterwegs bin. Möchte ich mit Journalistinnen ins Gespräch kommen oder sage ich, nein das ist alles irgendwie nicht meins, aber ich habe ein hohes Interesse daran, in meinem spezifischen Forschungsfeld diese Reputation zu haben, dann werde ich eben andere Medien bedienen und andere Wege gehen. Und auch das ist natürlich trotzdem immer noch auch Wissenschaftskommunikation. Insofern wir müssen uns diese Frage immer stellen, wen wollen wir von etwas überzeugen? Wenn ich jetzt einfach nur Kommunikation in den Raum hinein mache und mich dann aber ärgere, dass irgendwie komische Reaktionen zurückkommen, dann ist das nicht großartig verwunderlich.

Tim Pritlove
0:18:03
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:18:15
Tim Pritlove
0:19:36
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:20:26
Tim Pritlove
0:20:29
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:21:01

Also ich glaube, da haben Sie was ganz richtiges gesagt, sich bloß nicht anbiedern. Also jetzt nicht meinen, dass man jetzt irgendwie in Jugendsprech abdriften muss, weil man jetzt mit Jugendlichen kommuniziert, das um Gottes Willen nicht. Es muss schon authentisch sein und von daher muss man eben und ich meine, wenn man als Professorin oder als Professor tätig ist, hat man es ja eigentlich ständig mit dieser Generation junger Menschen zu tun und weiß schon relativ gut wie die ticken und was die mögen und wird auch schnell feststellen, dass dabei eben eine gewisse Authentizität schon sehr wichtig ist. Und das muss man vielleicht für sich selber feststellen, dass man auch nicht der Typ ist, der vielleicht irgendwie in einem YouTube-Video etwas erklären möchte und das dann gleich eben in einen breiteren Verteiler hineingibt. Vielfach ist es so, da geht es schon so Richtung Professionalisierung jetzt auch von Wissenschaftskommunikation, dass es natürlich an den Hochschulen selber, aber auch von unabhängigen oder mehr oder weniger unabhängigen Beratungen auch Angebote gibt, die man in diesem Bereich nutzen kann, um sich eben da auch schlau zu machen, dass man eben Tagungen besuchen kann, Workshops mitmachen kann und wie gesagt jetzt auch die Hochschulkommunikation als organisationsunterstützend mit- und wahrnehmen kann, denn dort sitzen ja auch Leute, die sich jeden Tag mit Wissenschaftskommunikation beschäftigen, die das dann eben vermittelnd tun und die ja auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermitteln an Journalisten etc. pp.

Tim Pritlove
0:22:25
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:22:34

Also wir haben auf jeden Fall da Möglichkeiten, die könnten immer noch ausgebaut werden, aber in der Tat gibt es da Angebote, genau. Also beispielsweise zum Thema Umgang mit sozialen Medien, da gibt es dann eben entsprechend gemeinsame Workshops, wo dann auch die Mitarbeiterinnen aus der Hochschulkommunikation sich mit den Kolleginnen dann auch zusammensetzen und in so einem Workshop eben auch gemeinsam darüber nachdenken, was ist ein gutes Bild, was da auch ein Studiengang oder ein einzelner Professor nach außen halt abgeben möchte? Das ist natürlich bei einer Hochschule, die jetzt auch knapp 300 Professorinnen hat und dann auch viele wissenschaftliche Mitarbeiterinnen dann am Ende des Tages auch eine Frage begrenzter Ressourcen, dass man jetzt da nicht jede individuelle Anfrage vielleicht so bedienen kann, aber grundsätzlich gibt es das Angebot. Und es gibt natürlich auch viele andere Träger, das Berliner Zentrum für Hochschullehre etc., die solche Sachen auch inzwischen im Angebot haben. Also diese Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es und die würde ich auch als jemand, der jetzt nicht vielleicht vom Fach kommt, auf jeden Fall mal wahrnehmen, also einen Workshop mitmachen und dadurch einerseits nimmt einem das vielleicht auch Sorgen, die man hat, in Bezug auf die Nutzung von beispielsweise sozialen Medien und auf der anderen Seite zeigt es einem aber auch auf, dass es auch keine Rocket Science ist, also dass es auch etwas ist, was man in der Tat lernen kann, wenn man möchte.

Tim Pritlove
0:23:59
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:25:02

Ich meine, die Frage wurde ja auch schon vielen Politikern gestellt, die jetzt in social media dann gegangen sind und wo man sich gefragt hat, ist das jetzt gut, dass derjenige dort ist oder merkt man nicht, dass der das gar nicht selber macht, sondern dass das irgendwie jemand ganz anderes macht? Und das merkt man relativ schnell. Ich glaube, dass wir jetzt heutzutage eigentlich fast alle einen Umgang mit diesen Medien gewohnt sind, aber dass wir nicht erwarten können, dass jetzt jeder auch jeder Wissenschaftler sich dort äußert. Das wäre auch, muss man ja auch ganz ehrlich sagen, wo würde das hinführen? Also es gibt eh schon so viel Kommunikation und einen wahnsinnigen Überschuss an Informationen und ich glaube, man muss dann eben in der Tat so etwas dann aufbauen und dann vielleicht auch eben überlegen und das fand ich zum Beispiel sehr gut auch bei den Scientists for Future, die dann quasi auch eine Gruppe gebildet haben, dass jetzt auch nicht jeder immer zu allem was sagen muss, sondern die sich halt auch mal abwechseln, die sich auch gegenseitig die Bälle zuspielen. Und ich glaube, das ist ein sehr kluger, sehr guter Umgang, dass auch deutlich wird, es geht eben nicht nur um die Interessen eines einzelnen, es ist nicht nur das einzelne Marketing, sondern es geht in der Tat auch um das Thema. Und das, würde ich sagen, ist natürlich bei der Wissenschaftskommunikation nach wie vor ganz wichtig, dass es nämlich Themen gibt, die ein Wissenschaftler, eine Wissenschaftlerin besetzt, die sie vermitteln wollen, wo sie auch eine gewisse Mission sozusagen damit verbinden, dass sie zu diesem Thema sprechfähig sind und kompetent sind und das ist so die Grundvoraussetzung. Und das muss man den Wissenschaftlerinnen auch abnehmen. Das ist genau das, was dann eben auch authentisch wirkt. Wenn also jemand nicht nachweisen kann, dass er eben auch schon in einem gewissen Bereich publiziert hat und in dem gewissen Bereich dann eben auch auf wissenschaftlichen Tagungen war etc., dann wäre es eben auch nicht authentisch, wenn der sich nach außen stellen würde und sagen würde, ich bin jetzt der große Experte für das Thema X oder Y. Also dieses eng bei den Themen bleiben, gucken, ob man sich eben mit anderen abstimmen kann und dann in dem Maße eben authentisch sein, dass man sich eben nicht verstellt. Das kann ich gar nicht genauer beschreiben jetzt, das ist natürlich auch sehr abhängig von den einzelnen Personen, mit denen Sie es da zu tun haben.

Tim Pritlove
0:27:18
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:27:27
Tim Pritlove
0:27:30
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:28:02
Tim Pritlove
0:28:03
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:28:30
Tim Pritlove
0:28:55
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:29:01
Tim Pritlove
0:29:05
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:29:10
Tim Pritlove
0:29:53
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:30:00
Tim Pritlove
0:30:33
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:31:19
Tim Pritlove
0:31:20

Ja.

Stefanie Molthagen-Schnöring
0:31:23
Tim Pritlove
0:31:24
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:31:30

Also zunächst mal war es ja in der Tat so, dass es eine ziemlich einheitliche Erzählung, wie man so schön sagt, gab, mit diesem Thema flatten the curve, dass im Prinzip da alle irgendwie sich hinter gestellt haben und man doch eine hohe, hohe Einheit sehen konnte in den ersten gut vier Wochen. Jetzt sagen schon die ersten, na das war irgendwie fast gleichgeschaltet, das war kein demokratischer Diskurs. In der Tat ist in dieser Phase wenig Diskurs gewesen. Also irgendwann gab es natürlich diejenigen, die ersten, die gesagt haben, man darf jetzt nicht nur an die Gesundheit denken, sondern man muss auch an die Wirtschaft denken. Aber trotz allem war es doch eine Kommunikation, die so in die gleiche Richtung ging. Das ist, glaube ich, aber eine Ausnahmesituation und lässt sich in einer demokratischen Gesellschaft, wie wir gerade sehen, auch nicht lange durchhalten, weil dann kommen doch die anderen Meinungen. Und dann ist natürlich schon jetzt sehr interessant zu beobachten, wie das auch schnell umgeschlagen ist und wie auch die Wissenschaft immer mehr in die Kritik geraten ist und ja auch sich sehr viel rechtfertigen musste, wie überhaupt Wissenschaft funktioniert. Also das finde ich einerseits sehr positiv, dass das auch so oft betont werden musste, dass hoffentlich auch mehr Menschen verstehen, dass Wissenschaft eben nicht die endgültigen Wahrheiten hat, sondern per Definition einen Prozess darstellt, in dem sich dann eben auch Erkenntnisse verändern können. Das ist erst mal eine, finde ich, richtige und gute Botschaft, aber da muss man natürlich dann jetzt auch sagen, wenn Menschen das Gefühl haben, ach naja gut, so schlimm war das ja jetzt hier alles irgendwie nicht, dann auch wieder sehr schnell Kritik auch aufkommt, dass es zu langsam geht, dass die Menschen sich da irgendwie schnellere Lockerungen wünschen etc.. So dass plötzlich jetzt wieder ein Pluralismus von Meinungen da ist, vor allen Dingen auch an den harten Rändern, sage ich mal, Befürworter gegen Gegner von Lockerungen etc.. Ich sage immer gerne, es gibt wenig dazwischen. Also diese argumentative Auseinandersetzung würde meiner Meinung nach eigentlich dazwischen stattfinden müssen, dass man wirklich mal Dinge gegeneinander abwägt, das wäre auch das, was ich eigentlich auch als die Verantwortung von Wissenschaft sehe und ich finde, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das auch hier in Deutschland gar nicht schlecht machen. Dass man natürlich immer noch mehr auch in den Diskurs einbinden könnte, dass sich dann in so einem Diskurs auch Menschen äußern, die eigentlich keine wirklich ernstzunehmenden Wissenschaftler sind, aber gerade in so einem Moment jetzt auch Oberwasser haben, das merkt man schon auch. Also insofern hat sich das verlagert, die Öffentlichkeit ist kritischer geworden und das bezieht sich damit durchaus auch auf die Wissenschaft oder die Art und Weise, wie man die Kommunikation von Wissenschaft aber auch Politik wahrnimmt. Aber grundsätzlich würde ich so mal sagen, war es schon interessant zu sehen, wie schnell auch die Wissenschaft in der Öffentlichkeit eine sehr hohe Resonanz hatte und man ja auch in Umfragen beispielsweise beim Wissenschaftsbarometer gesehen hat, dass das Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft in den anfänglichen Wochen sogar noch gewachsen ist.

Tim Pritlove
0:34:37
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:35:19

Also ich glaube, man hat schon gemerkt, dass wir eine Kanzlerin haben, die sehr wissenschaftsnah ist, die selber auch aus einem naturwissenschaftlichen Umfeld kommt und die in der Tat auch die Wissenschaft sehr schnell mit an Bord geholt hat, um entsprechende Entscheidungen auch vorbereiten zu lassen. Dass die Entscheidung dann doch von der Politik getroffen werden muss, ist systemimmanent und das kann man definitiv nicht der Wissenschaft dann sozusagen vorwerfen, sondern die Wissenschaft hat hier in der Tat eine beratende und begleitende Funktion gehabt, wie sie das auch an anderen Stellen hat, aber hier in dieser Form natürlich einmalig, weil es eben so eine neue unglaublich ungewohnte Situation ist, also eigentlich wirklich das Paradigma einer Krise, die also überraschend auftritt. Das ist ja auch ein Definitionsmerkmal von Krisen, dass sie eben überraschend auftreten. Und es gibt natürlich auch Krisen, die sich so anschleichen, wo man schon über Jahre eigentlich wahrnehmen kann, da ist was nicht in Ordnung, wenn wir an die Klimathematik denken. Aber in diesem Fall hatten wir es wirklich mal mit einer Krise par excellence zu tun, sehr überraschender Eintritt und da ist meine Wahrnehmung, dass in der Tat die Politik die Wissenschaft sehr schnell mit ins Boot geholt hat und auch für die richtigen Themen sozusagen genutzt hat, denn neben den Virologen, die ja von vornherein gefragt waren, wurde dann ja auch die Leopoldina gefragt, die ja eben auch ein Spektrum verschiedenster Wissenschaftlerinnen abbildet, weniger Frauen, aber Wissenschaftler. So dass man an der Stelle zumindest ja auch wieder gesehen hat, man versucht hier auch verschiedene wissenschaftliche Stimmen mit zu hören und in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen.

Tim Pritlove
0:37:04
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:37:16
Tim Pritlove
0:38:00
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:39:19
Tim Pritlove
0:39:19
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:39:25

Also ich würde denken, dass ja viele der Medien das dann auch aufgegriffen haben und eben auch in dieser Form weiter reflektiert haben. Da muss man jetzt natürlich auch differenzieren, mit welchen Medien wir es zu tun haben, sind es die sozialen Medien oder sind es die Online-Medien, die auf sehr schnelles Klicken aus sind, wo man eben eher eine effekthaschende Überschrift braucht oder sind es eben die Medien und da hat man es dann aber gesehen in der Zeit, in der Süddeutschen, in der FAZ, dass auch die Rolle der Wissenschaft sehr stark mit reflektiert wurde und ich glaube, darüber das schon angekommen ist. Ob das jetzt die Öffentlichkeit per se so wahrgenommen hat, müsste man in der Tat mal schauen, was Studien dazu sagen werden. Es gibt jetzt ja gerade sehr viele Studien, die sich mit der Wahrnehmung von Corona oder mit den Auswirkungen von Corona auf die verschiedensten Lebensbereiche beschäftigen, da wird sicherlich dazu auch mal etwas kommuniziert werden. Aber in der Tat hatte ich so das Gefühl, dass die klassischen, die seriösen Medien auch in irgendeiner Form das mit reflektieren und damit auch in die Öffentlichkeit zu tragen, wie Sie es gerade beschrieben hatten. Übrigens ist das trotzdem nochmal ganz interessant, weil wir gerade so darüber geredet hatte, welche Systeme sind es irgendwie, die in dieser Corona-Krise eine Rolle gespielt haben? Wir hatten jetzt die Wissenschaft, die Wirtschaft und die Politik, aber ich finde so ein ganz entscheidendes System sind im Prinzip die Medien. Und natürlich sind die auch von wirtschaftlichen Interessen geprägt, zum Teil jedenfalls und da glaube ich, die Rolle der Medien in dieser Konstellation, die lohnt es auf jeden Fall sich auch nochmal genauer anzuschauen, um eben genau das auch feststellen zu können, inwiefern Wissenschaftskommunikation sich in Zukunft verändern wird, inwiefern Wissenschaftlerinnen vielleicht sagen werden, ich möchte nicht, dass mir so was passiert wie dem Drosten, ich möchte eigentlich forschen und jetzt nicht jeden Tag da draußen stehen müssen und irgendwie mein Gesicht in die Kamera halten, so dass das durchaus einen Effekt haben wird.

Tim Pritlove
0:41:29
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:42:15
Tim Pritlove
0:42:18
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:42:22
Tim Pritlove
0:42:22

Aber ich habe damit eh gerechnet, dass das irgendwann passieren wird, vielleicht aber nicht unbedingt auf diese Art und Weise. Aber das Interessante daran ist ja, dass das eben, obwohl es ein Projekt war, was vom NDR durchgeführt wurde, sie es ja jetzt gar nicht so sehr primär da in so ein klassisches Format gedrängt haben, sondern eigentlich bewusst ein neues Format gewählt haben, in dem eben eine andere Kommunikation auch möglich ist. Klar, insbesondere Hörerinnen und Hörer dieses Podcasts werden das schon lange wissen, dass eben diese Ausführlichkeit und dieses Abwägende und dieses doch etwas Meinungslastigere, was man in Podcasts häufig findet oder zumindest finden kann und sollte, eine andere Qualität auch in der Kommunikation hat. Und da wir jetzt vielleicht auch über diese Top-Hype auch dieses Podcasts schon ein bisschen hinaus sind und die Leute sich so ein bisschen dran gewöhnt haben, dass da jetzt nicht jeden Tag neue bahnbrechende Informationen kommen und ich glaube, Herr Drosten auch so ein bisschen gegengesteuert hat und einfach so, ich mache jetzt hier mal so weiter hardcore meine Wissenschaft und jetzt quatschen wir mal so intensiv hier über Studien, bis wirklich alle die, die nicht hierher gehören auch wieder abgeschaltet haben, man eben in seinen eigenen Formaten und darauf wollte ich jetzt so ein bisschen hinaus, doch ganz andere Steuerungsmöglichkeiten hat, als wenn man sich eben ausschließlich immer auf diese Formate der totalen Verkürzung, die die Leute gewohnt sind und permanent kommunizieren, einlässt. Worauf ich hinaus will ist, diese Erkenntnisse, dass man eigentlich mit einem Medium auch die eigene Zielgruppe sehr viel mehr steuern kann, das ist doch etwas, was ich jetzt langsam rumsprechen sollte. Tut es das?

Stefanie Molthagen-Schnöring
0:44:10

Ja genau und da sind wir jetzt bei dem professionellen Kommunikationsmanagement wieder, also die Überlegung, wen will ich ansprechen und dann, was sind die Kanäle, mit denen ich diese Menschen erreichen kann. Das ist in der Tat ja eine entscheidende Frage, vor der ich stehe, wenn ich jede Art von Kommunikation plane und sie nicht nur einfach passieren lasse. Und dass es in der Tat natürlich jetzt heute eine größere Vielfalt da vielleicht gibt an öffentlichen Medien oder zumindest auch an den verschiedensten Online-Medien. Auf der anderen Seite, was ich ganz interessant finde, jetzt kommen wir mal vom Podcast kurz mal weg, dass Wissenschaftlerinnen auch signalisieren, was sie eigentlich vor allen Dingen in den letzten Jahren als sehr gewinnbringend erlebt haben in Bezug auf Wissenschaftskommunikation ist, zu den Leuten zu gehen, und zwar in persönliche Dialoge. Das ist anstrengend, das ist auch nicht immer nett und einfach und das bedeutet, dass man sich dann halt eben auch mal aus der Hochschule irgendwie wegbewegen muss, aber dieses auch mal bewusst die Zentren verlassen, wo wir eh immer in unseren Filterblasen sind. Also als Sie mich gerade gefragt haben, wie ich das wahrgenommen hätte, wie die Öffentlichkeit das wahrgenommen hat, da habe ich auch wieder gedacht, naja ich kann Ihnen das aus meiner Filterblase heraus beantworten, aber die ist eben auch begrenzt, weil ich eben auch natürlich bestimmte Medien rezipiere und andere wiederum nicht. Und das ist ganz interessant, weil damit hat natürlich Drosten auf eine gewisse Art und Weise jetzt mit diesem Podcast dann auch mal gebrochen, weil darüber natürlich jetzt schon auch die Möglichkeit war, nochmal an ein anderes Publikum heranzukommen, wird man das sicherlich auch auswerten. Das ist jetzt natürlich auch ein super bekannter Podcast, ob das jetzt bei anderen so funktionieren würde, ist jetzt nochmal eine andere Frage. Aber um nochmal darauf zurückzukommen, die Maßnahmen, die wir zur Verfügung haben, auch im Bereich Wissenschaftskommunikation, sind wirklich vielfältig. Und es kann auch sein, dass ich mal irgendwo in eine Volkshochschule gehe auf dem Land und da mal einen Vortrag halte und das für mich als total gewinnbringend empfinde, weil ich merke, ich habe da irgendwie Leute erreicht, die ich jetzt über Twitter gar nicht erreiche. Also insofern glaube ich, ist das für mich ganz wichtig, dass wir bei Wissenschaftskommunikation auch nicht immer nur über die reichweitenstarken Medien reden, also über irgendwie wieviele Follower hat jemand jetzt bei Twitter oder wieviele Zuhörer gibt es in dem Podcast. Das sind natürlich quantitativ interessante Zahlen, die auch was aussagen und natürlich möchte jeder irgendwie möglichst viele Follower haben, aber auf der anderen Seite kann das eben unter dem Gesichtspunkt, wie vermittele ich eigentlich das was ich tue und sorge auch dafür, dass Wissenschaft eben auch andere Menschen erreicht als diejenigen, die eh schon damit zu tun haben, kann das sehr viel erfüllender sein, da auch auf andere Formate zu setzen.

Tim Pritlove
0:47:04
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:47:08
Tim Pritlove
0:48:07
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:48:11
Tim Pritlove
0:48:11
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:48:51
Tim Pritlove
0:50:04

Hat es mit Sicherheit, andererseits die Corona-Krise hat ja noch so einen anderen interessanten Fallout, dass man eben sich jetzt nicht mehr so auf Konferenzen treffen kann und das ist ja so ein bisschen die Urvorstellung der wissenschaftlichen Debatte. Ich stelle meine Paper hin, ich hänge da mein Poster auf, ich stelle mich da zehn Minuten davor und quatsche mit den Leuten und man freut sich, wenn man dann im Laufe von drei-vier Tagen in so einer relativ aufwendigen Reise mit zehn Leuten gesprochen hat. Jetzt stellen alle fest so, aha digital kann man sich ja auch ganz interessant unterhalten, Videokonferenzen sind jetzt so Standard und auch die Totalverweigerer müssen jetzt mitmachen und merken, dass es dann vielleicht doch nicht so schlimm ist, vielleicht merken sie auch, dass es schon immer so schlimm war wie sie immer dachten. Aber man merkt mindestens eine gewisse Gewöhnung oder vielleicht eben auch eine Akzeptanz macht sich auf jeden Fall in vielen Bereichen breit. Worauf ich hinaus will ist, dass ja Kommunikation auch Debatte ist. Dass ja der Diskurs in der Kommunikation ja eigentlich ein fester Bestandteil ist. Und die Wissenschaft, die immer so für sich selbst ja so hoch aufhängt, ja wir sind die, die Erkenntnisse durch eine offene Debatte über Informationen haben, in Form von Papers, die dann auf Konferenzen vorgestellt und diskutiert werden, müssten sich ja dann eigentlich in dieser tatsächlichen unmittelbaren direkten Kommunikation eigentlich gleich zu Hause fühlen oder?

Stefanie Molthagen-Schnöring
0:51:36
Tim Pritlove
0:51:39
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:51:44
Tim Pritlove
0:52:04

Ja.

Stefanie Molthagen-Schnöring
0:52:04

Also der Austausch ist manchmal schon auch ein bisschen was bekanntes, also manchmal fehlt mir da auch durchaus die Querperspektive oder habe das Gefühl, die ist gar nicht so unbedingt gewünscht. Die Fachgesellschaften, es gibt auch immer spezifischere, immer kleinere Gruppierungen, ob da irgendwie immer noch so viel Debatte wirklich stattfindet, ich weiß es nicht. Aber in der Tat sollte das eigentlich diesem Prinzip nahekommen, nur ist es wie gesagt so, bei der Konferenz habe ich da irgendwie einen Austausch auf Augenhöhe mit Menschen, deren Argumentation auch sich auf einer fachlichen Ebene bewegt, das ist was anderes, als wenn ich jetzt eine Debatte auf Twitter oder Facebook führe, wo mir dann vielleicht auch mit … ja wo ich auch mit Aussagen konfrontiert bin, die wirklich überhaupt gar keine fachliche Qualität mehr haben, wie gehe ich denn damit um? Wie gehe ich damit um, wenn ich irgendwie angegriffen werden plötzlich als Person? Wir hatten diese verschiedenen Ebenen von Kommunikation ganz am Anfang. Bei einer Fachkonferenz gehe ich ja davon aus, dass wir alle auf einer fachlichen Ebene miteinander diskutieren. Das kann ich aber in diesem medialen Raum nicht so einfach tun, es sei denn ich habe irgendwie ein sehr spezifisches fachliches Online-Magazin oder ein Online-Blog, wo ich eben weiß, da ist eine bestimmte Fachcommunity zu Hause. Aber insofern glaube ich schon, dass es nochmal eine andere Qualität hat und dass man sich dessen auch bewusst sein muss, wenn man sagt, naja gut, Diskurs ist ja meins, kenne ich doch aus der Wissenschaft nicht anders, führe ich dann einfach genauso in den sozialen Medien weiter, das funktioniert nicht.

Tim Pritlove
0:53:36
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:53:47
Tim Pritlove
0:54:03
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:54:54
Tim Pritlove
0:55:45
Stefanie Molthagen-Schnöring
0:57:09

Also zunächst mal, ich bin geprägt von der Schule des Konstruktivismus. In Münster haben wir Kommunikationswissenschaften mit diesem sehr stark konstruktivistischen Ansatz studiert damals. Und da war irgendwie immer schon klar, naja es ist eine konstruierte Wirklichkeit und Menschen haben auch ihre eigene Wirklichkeit und schaffen sich auch ihre eigenen Fakten. Und selbst wenn ich Fakten präsentiere, schon die Art und Weise wie ich Fakten interpretiere, ist ja auch schon wiederum eine Form von Interpretation. Also insofern würde ich sagen, die Wahrheit und damit auch sozusagen die Fakten alleine gibt es irgendwie nicht. Die Objektivität, sondern das ist ja auch was, was man in den Wissenschaften, deswegen ist man da so trainiert drauf, dass man das immer wieder betont, dass es eben jetzt gerade vielleicht nicht faktisch abgesichert ist oder dass es in dem Fall eben noch keine zweite Studie gibt, die das auch bestätigt hat, das finde ich aber eigentlich sehr … also ich würde mir wünschen, dass wir Menschen öfter uns daran erinnern und damit das quasi auch in der Kommunikation mit reflektieren, auch wenn wir miteinander kommunizieren, jetzt gar nicht mehr nur über wissenschaftliche Themen. Und ich glaube, es ist wichtig, dass Wissenschaftler und das haben wir ja in dieser Klimadebatte gesehen, auch durchaus eine Meinung mit vertreten können. Das sind Menschen und die beschäftigen sich mit Themen und wenn die sich mit diesen Themen beschäftigen und irgendwie erkennen, da geht gerade irgendwas richtig schief, weil eben die Politik bestimmte Dinge nicht sieht oder weil in der Wirtschaft eben bestimmte Entwicklungen ignoriert werden, dass ich da auch als Wissenschaftler eine Meinung zu haben darf. Da würde ich sagen, ja auf jeden Fall. Dann aber bitte auch eine Meinung, die ich in irgendeiner Form nach wie vor begründen kann und wenn sozusagen die Meinung, also wenn andere eine andere Meinung vertreten, dass ich dann auch in der Lage sein muss, darauf in der Diskussion einzugehen. Und dann zumindest vielleicht sagen zu können, gut das ist nicht meine Meinung, aber ich kann das irgendwie verstehen, nachvollziehen oder man kann sich auch irgendwie näher kommen, argumentativ austauschen, das ist natürlich auch wieder so ein Idealbild, was es dann gibt, aber wie gesagt, ich glaube, Wissenschaftlerinnen sind Menschen und es gibt nicht die Wahrheit, insofern ist es auch eigentlich ganz gut, wenn so ein Bild vielleicht auch ein bisschen entzaubert wird. Der große weiße Gott, der da steht, der Arzt, das ist auch ein Mensch und insofern ja, warum sollen Menschen, also auch andere Menschen das auch nicht so wahrnehmen können? Wird da vielleicht auch einer gewissen Verletzlichkeit, die Menschen da auch mitbringen.

Tim Pritlove
0:59:52
Stefanie Molthagen-Schnöring
1:01:27

Naja, auf jeden Fall. Also ich glaube schon, der Wissenschaftsjournalismus war immer wichtig, aber er war immer so ein Nischenthema und wurde ja dann auch eben eher in die späten Abendstunden verdrängt oder auf die letzten Seiten der Zeitungen. Und da sehen wir, glaube ich, jetzt, dass diese Verschränkung von Themen, also Politik und Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, dass diese Verschränkungen auch mehr als eine Berechtigung dafür sind, dass der Wissenschaftsjournalismus gestärkt wird und da auch Wissenschaftsjournalistinnen weiter ausgebildet werden, das, glaube ich, ist schon etwas, was wir hoffentlich aus dieser Krise mitnehmen. Es geht um das Einordnen, es geht darum, komplexe Zusammenhänge darzustellen. Dafür braucht man wahrscheinlich auch mal mehr Zeit, was sicherlich auch im Journalismus in den letzten Jahren, daran hat es gemangelt an dieser Ressource. Dass man aber jetzt eben auch feststellt, wie wichtig es ist, solche Themen zu begleiten, auch die Politik dabei zu begleiten, wie sie mit wissenschaftlichen Entscheidungen umgeht etc.. Das sind alles Themen, mit denen sich der Wissenschaftsjournalismus auseinandersetzen kann und soll. Insofern hoffe ich sehr, dass das sich positiv auswirkt für diesen Berufszweig. Denn Wissenschaftskommunikation in der Tat kann nicht nur die selbst vermittelte Kommunikation aus den Forschungseinrichtungen oder von den Wissenschaftlerinnen sein, sondern Wissenschaftskommunikation braucht auch die Fremddarstellung durch den Journalismus.

Tim Pritlove
1:02:53
Stefanie Molthagen-Schnöring
1:03:06

Also ich glaube auf jeden Fall, Wissenschaftskommunikation, ich weiß nicht, ob gleich Wissenschaftsjournalismus, aber ich würde sagen, in der Wissenschaftskommunikation ist der Wissenschaftsjournalismus dann ja auch mit aufgehoben und ich glaube, ja, das Thema braucht es auf jeden Fall, wie Sie schon sagten, Wissenschaftsgeschichte oder überhaupt auch Wissenschaftsphilosophie finde ich unglaublich wichtig. Versuche ich auch mit meinen Studierenden immer zu machen, in jeden Kurs irgendwie einzubinden am Anfang des Studiums. Und so könnte man mit Sicherheit das Thema Wissenschaftskommunikation auch noch als so ein Querschnittsthema, vielleicht gerade auch interdisziplinär fände ich das sehr sehr spannend, dass auch Studierender verschiedener Disziplinen das dann mal miteinander reflektieren. Was heißt das den für Ingenieure, für Naturwissenschaftler, vielleicht dann aber auch für die Geisteswissenschaftler da auch ein gemeinsames, also auch dieses Verständnis dafür zu haben. Denn das muss man auch sagen, wir haben jetzt immer so über die Wissenschaftskommunikation gesprochen, wir haben diese verschiedenen Disziplinen, die näher dran sind oder nicht so nahe dran sind, die teilweise auch vielleicht eine unterschiedliche Vorstellung haben davon, was das denn eigentlich ist Wissenschaftskommunikation. Und ich glaube, dieses Verständnis, wenn man das schon bei Studierenden, erst recht aber dann auch bei Nachwuchswissenschaftlerinnen, die übrigens da sehr sehr offen für sind, wenn man das als ein quasi Weiterbildungselement oder auch curriculare Inhalte berücksichtigt, fände ich sehr sehr gut und wichtig auch in der Tat.

Tim Pritlove
1:04:27

An dieser Stelle ist es, glaube ich, mal ganz angemessen zu sagen, wann wir uns hier unterhalten, weil sich die Dinge ja dann doch immer noch relativ schnell ändern, bevor wir hier im falschen Kontext landen, also heute ist der 18. Mai, wo wir sprechen. Gefühlt ist Deutschland so ein bisschen in dem Modus mit Krise, ja okay, jetzt machen wir aber mal wieder was anderes. Das heißt, wir wechseln gerade so gefühlt von Akutfall, Notalarm, alle bringen sich in Sicherheit und man achtet halt jetzt mal ganz konkret auf das, was die Wissenschaftler in Anführungsstrichen einem jetzt sozusagen mitgegeben haben, weil man das unmittelbar auch annimmt in diesem grundalarmierten Zustand, vermittelt durch die Politik etc. ganz klar. Wir haben ja auch schon angedeutet so, ändert sich jetzt so ein bisschen. Jetzt wird das alles relativiert. Man merkt auch, eine Gesellschaft lässt sich nicht beliebig lange einfach in so einem Notmodus halten, zumindest solange man nicht das Gefühl hat, dass die Krise nach wie vor existiert. Und jetzt haben wir ja dann auch den nächsten Brückenschlag gemacht, weil so was, so eine über einem schwebenden Damokles-Krise, die keiner so richtig sehen will, weil keiner schaut nach oben, haben wir ja mit dem Klimawandel nun schon lange. Und die Wissenschaft tut sich extrem schwer oder vielleicht tut sie sich nicht schwer, aber die Öffentlichkeit ist sehr schwer zu erreichen und damit auch die Politik, ist sehr schwer zu erreichen, diese nicht unmittelbar wahrnehmbare Krisenlage als solche auch anzunehmen und dementsprechend auch zu handeln. Ähnlich ist es ja jetzt überhaupt auch mit dieser zweiten Phase, in der wir uns jetzt offensichtlich befinden, nämlich dass wir nach wie vor die Bedrohung haben durch das Virus, die aber nicht akut ist, weil wir es irgendwie eingedämmt haben, trotzdem aber Maßnahmen ergreifen müssen, im Idealfall die richtigen Maßnahmen, um eben nicht wieder da zu landen, wo wir schon mal waren. Und das alles macht es natürlich jetzt schwer. Wie nehmen Sie das wahr? Also was könnte jetzt eine richtige Kommunikation sein der Wissenschaft in die Öffentlichkeit, aber natürlich auch in die Politik, die beides entsprechend befeuern kann? Also was müsste sich in der Kommunikation ändern, damit diese Themen eine andere Wahrnehmung erhalten?

Stefanie Molthagen-Schnöring
1:07:01
Tim Pritlove
1:07:08
Stefanie Molthagen-Schnöring
1:07:11

Nein, in der Tat stelle ich mir die Frage auch, weil man sich ja gefragt hat, was kann man jetzt lernen aus diesen ersten Wochen und Monaten der Corona-Krise für das Thema Klima? Oder anders gesagt, sind das zwei völlig unterschiedliche Themen? Und ich sehe das ähnlich wie Sie, sobald dieses Thema von mir persönlich wieder ein bisschen weiter weggerückt ist, nehme ich das vielleicht nicht mehr so ernst oder so wahr. Und das ist, glaube ich, bei dem Klimathema das unglaublich schwierige, weil es a) unglaublich komplex ist und weil ich b) einfach für mein eigenes unmittelbares Leben diese Gefahr eben noch nicht so wahrnehmen kann oder noch nicht sehe, also jetzt irgendwie, das Wasser steht hier schon vor Berlin, also sehe ich, da ist irgendwie was schlimmes da. Das ist, glaube ich, in so Krisen in der Tat ein Problem. Man sagt ja auch, man hat so diese latenten Krisen und das scheint jetzt auch bei Corona ja der Fall zu sein, eine Krise, die irgendwie weiter da bleibt, die latent da bleibt und ich glaube, was man nur machen kann oder was heißt nur, aber was man machen kann und sollte natürlich ist, dass man weiterhin gerade jetzt als Wissenschaftlerin und Wissenschaftler sich Gehör verschafft, die Scientist for Future machen das ja sehr beständig, auch jetzt während der Corona-Krise haben die auch nicht von ihrem Thema abgelassen und haben auch gesagt, Mensch guckt euch doch jetzt mal an, plötzlich fliegen so viel weniger Flugzeuge, man sieht, das CO2 in der Luft wird alles irgendwie, die Luft wird besser etc. pp., guckt mal, es sind direkte Auswirkungen. Ich glaube, das ist halt eben so dieser Punkt, diese direkten Auswirkungen auf das Leben der Menschen irgendwo zu finden, das hilft natürlich unglaublich bei der Kommunikation. Ob es am Ende des Tages dabei hilft, dass jetzt die Politik die Entscheidungen so trifft, weiß man nicht, weil das haben wir ja jetzt auch gelernt, Politik ist eben ein Abwägen von Interessen und von verschiedenen Interessen und das hat die Politik in der Klimadiskussion natürlich auch immer schon gesagt, dass es eben auch andere Interesse da abzuwägen gibt und das sehen wir jetzt in der Corona-Krise auch wieder. Also insofern ich kann Ihnen da leider jetzt keine glasklare Antwort geben, was man machen muss, damit das sozusagen alles gut wird, wenn man so will. Aber ich glaube, im Gespräch zu bleiben, immer wieder auch zu gucken, was sind jetzt gerade aktuelle Erkenntnisse, die wir haben, die darstellen, was passiert da gerade auf dieser Welt, und das Ganze dann auch durchaus in Bilder zu bringen, die Menschen aufrütteln, die Menschen wahrnehmen, das ist dann natürlich so der nächste Schritt. Da sind wir vielleicht auch wieder beim Wissenschaftsjournalismus, der solche Themen ja auch über eine gewisse Zeit mal begleiten kann.

Tim Pritlove
1:09:47
Stefanie Molthagen-Schnöring
1:10:06
Tim Pritlove
1:10:07
Stefanie Molthagen-Schnöring
1:10:43

Also in der Tat glaube ich, dass die Wissenschaft, gerade jetzt die Scientist for Future, da schon wirklich sehr sehr gut unterwegs waren und dass die uns schon Bilder gezeigt haben, die eigentlich uns genug aufrütteln müssten. Warum das dann doch nicht passiert, hat wie gesagt meines Erachtens einfach damit zu tun, das es für uns immer noch zu weit ist und wir nicht das Gefühl haben, dass es uns wirklich betrifft. Das ist ja eben genau der Punkt. Wenn jetzt diese ganzen Lockerungen, solange bin ich dafür, also nicht ich, sondern ich als Mensch bin ich dafür, wie in meinem Umfeld nichts passiert ist. Sobald in meinem Umfeld was passiert, werde ich meine Meinung ändern. Das ist, glaube ich, recht menschlich und insofern dieses Dranbleiben, klar darüber nachdenken, wie kann man Dinge vielleicht nochmal anders darstellen. Das würde ich jetzt aber nicht alleine nur als wissenschaftliche Aufgabe, sondern in der Tat als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sehen. Da gibt es ja auch andere Akteurinnen und Akteure und da brauchen wir, glaube ich, auch so einen Zusammenschluss, dass eben die Wissenschaft, dass NGOs, dass im Prinzip auch diejenigen, die in diesem Themenfeld aktiv sind, da auch gemeinsam Lösungen entwickeln. Allein wird das die Wissenschaft nicht schaffen, aber ich glaube, dass sie da unglaublich wichtige Impulse in den letzten Jahren schon gegeben hat und da ein wichtiger Player geworden ist, der auch wahrgenommen wird, der auch ernst genommen wird, der auch in den Medien auftritt. Ich glaube, da muss man so weitermachen und darf sich nicht entmutigen lassen. Das sind halt Themen, die offenbar lange oder länger brauchen, die Debatte haben wir ja auch schon länger und werden wahrscheinlich nicht von einem Tag auf den anderen die Einstellungen verändern, aber ich glaube schon, dass sich in den letzten Jahren auch, natürlich gerade auch durch die jungen Menschen, die auf die Straße gegangen sind, und die eigentlich auch erst den Anstoß gegeben haben, dass sich dadurch schon einiges verändert hat in den Köpfen.

Tim Pritlove
1:12:31
Stefanie Molthagen-Schnöring
1:12:34
Tim Pritlove
1:13:30
Stefanie Molthagen-Schnöring
1:13:47
Tim Pritlove
1:15:02
Stefanie Molthagen-Schnöring
1:15:12
Tim Pritlove
1:15:14
Stefanie Molthagen-Schnöring
1:15:18

Ja.

Tim Pritlove
1:15:19
Stefanie Molthagen-Schnöring
1:15:22
Tim Pritlove
1:15:26