FG078 Angst und Zukunft

Psychisch gesund und handlungsfähig bleiben in einer sich ändernden Welt

Jan Kalbitzer
Jan Kalbitzer
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Längst nicht erst seit dem Ausbruch der Corona-Krise gilt: Wir leben in einer Zeit, die von Unsicherheiten geprägt ist. Eine Zeit, in der gewaltige Herausforderungen auf eine Antwort warten – während sich unsere Gesellschaft grundlegend wandelt. Und Ungewissheit befeuert Ängste, die keineswegs nur verborgen im Privaten gedeihen. Wenn die Furcht zu mächtig wird, kann auf einmal ein System zu kippen drohen.

Dr. Jan Kalbitzer (Jahrgang 1978), Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, hat sich während seiner Forschungslaufbahn in Kopenhagen, Oxford und an der Berliner Charité mit Fragen der psychischen Gesundheit auch in gesellschaftlichen Zusammenhängen auseinandergesetzt. Da ging es etwa um die Frage, ob es so etwas wie Internetsucht überhaupt gibt. Immer wieder nutzen Wissenschaftler ihre Reputation, um das, was sie für moralisch richtig halten, durchzusetzen.

Ein anderes Beispiel ist die Diskussionskultur auf Online-Plattformen: Viele Menschen haben sich aus dem öffentlichen Diskurs ausgeklinkt, aus Sorge vor Überwachung oder Hassattacken. Der Rückzug aus einer unangenehmen oder bedrohlichen Situation hat durchaus eine Schutzfunktion, um wieder Energie zu tanken. Doch wenn man sich zu lange der Möglichkeit entzieht, auch positive Rückmeldungen zu erhalten, kann man leicht in eine Depression abrutschen.

Wir brauchen also Nischen, in denen sich Menschen geschützt fühlen, damit sie sich engagieren und ihre Kompetenzen einbringen können. Wenn gerade in der eigenen Umgebung Spielräume offen stehen, um etwas zu verändern, lässt sich die Lähmung überwinden. Angst bietet immer auch die Chance, die Zukunft anzupacken.

Das Gespräch wurde Ende Februar 2020 in Berlin aufgezeichnet.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Allgemein von Tim Pritlove. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

7 Gedanken zu „FG078 Angst und Zukunft

  1. Pingback: Angst und Zukunft – Jan Kalbitzer

  2. Bin grade erst bei Minute 18, ist jetzt aber schon sehr interessant!
    Aber ich finde zum Thema Internetsucht ja, dass das irgendwie so ist, also ob man sagen würde wir sind alle Verkehrsüchtig (Auto, Öffis). „Internet“ ist nicht ein Ding. Internet sind so viele unterschiedliche Sachen. Internet ist mein Beruf, meine Kommunikation, meine Spiele, mein Fernsehen, mein Radio, meine Nachrichten, meine Lehrmaterialien etc. Nicht das Internet verwenden würde mich stärker von der Welt abschneiden als nicht Straßen und Bahn zu verwenden. Nicht das Internet verwenden wäre sozialer Rückzug. Es ist einfach keine Option. Kann man in so einer Situation von Sucht reden? Wie erkennt man in so einem Kontext eine Sucht?

  3. Sehr schönes Gespräch, danke.
    Beim Umgang mit den „Spackos“ bin ich jedoch eher bei jenen, die eben nicht mit den Rechten reden wollen. Entweder sind sie von ihrem Handeln überzeugt, dann bringt eine Diskussion nichts. Oder sie sind in diese Ecke abgerutscht, weil sie vernünftigen Argumenten nicht zuhören wollen. Auch dann ist das Gespräch nur enttäuschend.
    Und zu den Journalisten und ihren Meinungen: Ich finde Journalisten dürfen und müssen auch ihre eigene Meinung kommunizieren. Das ist nichts schlimmes. Sie sollten es nur klar von der Berichterstattung trennen. Aber dass ein Redakteur der taz nun eine andere Meinung vertritt als jemand von der Welt ist wohl allen klar.

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