FG076 Mobilität und Gesellschaft

Über unseren Bedarf an Mobilität und ihre Transformation durch Digitalisierung

Stephan Rammler
Stephan Rammler

Mobilität ist weit mehr als nur die vordergründige Frage, ob man das Auto, das Rad oder die Bahn nimmt, um von A nach B zu gelangen. Mobilität definiert die Freiräume in unserem Leben – also ob man die Orte und auch die Menschen erreichen kann, die einem wichtig sind. Und diese Chance der Fortbewegung und Welterfahrung ist eine Errungenschaft, die noch gar nicht so alt ist. Die fossilen Energieträger, das Auto und das Flugzeug haben in den letzten hundert Jahren der individuellen Bewegungsfreiheit einen immensen Schub verliehen. Doch die Epoche der Verbrennungsmotoren scheint abzulaufen. Wie kann in Zukunft unsere Mobilität aussehen?

Dazu forscht der Politik- und Sozialwissenschaftler Stephan Rammler. Neben seiner Professur für Transportation Design & Social Sciences an der an der TU Braunschweig ist er wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in Berlin. Dort richtet er sein Augenmerk speziell darauf, wie sich die Megatrends Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Individualisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit auf die Mobilität auswirken.

Auch wenn die Zeichen auf Veränderung stehen: In die westliche Gesellschaft ist ein Mindset eingefräst, bei dem die Automobilität Freiheit verheißt, und ihr ökonomischer Wohlstand fußt zu einem beachtlichen Teil auf den dazugehörigen Industrien. Einerseits wächst die Einsicht, dass unser Verkehrssystem tatsächlich viele Schattenseiten besitzt. Umweltprobleme und hoher Flächenverbrauch bedeuten Einschnitte in die Lebensqualität. Andererseits ist der Käfig, in dem wir gefangen sind, noch immer ein goldener. Denn ein dickes Auto und Fernreisen gelten nach wie vor als Statussymbole, auch wenn ihre Strahlkraft vielleicht nachlassen. Es bleibt ein ganz dickes Brett, das zu bohren wäre, um Mobilität grundlegend neu zu definieren – und es wird darauf ankommen, wie transformierbar und wie transformierwillig unsere Gesellschaft überhaupt ist.

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4 Gedanken zu „FG076 Mobilität und Gesellschaft

  1. Was die Leute mMn wahnsinnig unterschätzen ist dass durch Elektromobilität Mobilität im PKW Bereich wahnsinnig billig wird. Wir sind noch ganz am Anfang der Lernkurfe beim Batteriebau, die E-Autos haben viel weniger bewegliche Teile als Verbrenner, werden deshalb kaum kaputt. Wenn dazu noch die selbstfahrenden Autos wahr werden sollten will ich die Opfer sehen die da noch freiwillig Öffis fahren.

  2. Was mich bei allen Verkehrsplanern und Mobilitätsexperten furchtbar stört, ist dass bei den ganzen Visionen und Diskussionen über den Modal-Split eine Gruppe von Verkehrsteilnehmern immer völlig ignoriert wird: die motorisierten Zweiräder – vor allem in Form der Roller. Diese haben in den südlichen Staaten immer schon einen großen Anteil am städtischen Verkehr und sind auch bei uns deutlich im Vormarsch.
    Sie sind auch meiner Meinung nach allen anderen Verkehrsmitteln deutlich überlegen: höhere Reichweite als ein Fahrrad, mehr Transportkapazität (inkl. zwei Personen), besserer Wetterschutz dabei viel weniger Platzbedarf als selbst das kleinste Auto.
    Und gerade hier sind Elektrokonzepte sehr brauchbar. Geschwindikeiten bis 80-90 mit vernünftiger Reichweite machbar, so dass auch das Einpendeln aus den Speckgürtelgemeinden kein Problem darstellen würde; ein Mitfahren auf der Stadtautobahn kein Problem. Aufladen ist bei den meisten auch kein Thema, herausnehmbare Akkus sind fast Standard.

    Leider sehe ich hier, wenn sie nicht extra behandelt werden, sie den Autos zugeschlagen zu werden und damit den gleichen Verkehrsbeschränkungen unterliegen werden anstatt eigentlich in die Klasse der Pedelecs zu fallen.

    Bitte Herr Professor Rammler, denken Sie auch an diese Fahrzeugklasse in Ihren Konzepten.

  3. Danke speziell für diese Episode. Ich halte diesen Gesprächspartner und seine Aussagen für einen der klügsten und wichtigsten hier in Forschergeist. Definitiv werde ich dieses Gespräch zum Material machen in meinem Modul „Systemisches Denken“ der nächsten Studierendengruppe im „MSc Digital Transformation & Sustainabiltiy“ der HSBA

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