FG072 Verantwortung in der Informatik

Ein Einführungskurs für Informatiker vermittelt unterschiedliche Denkweisen die gesellschaftliche Bedeutung des Fachs zu vermitteln

Peter Purgathofer
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Informatik – ein Fach nur für Nerds? Keinesfalls, denn der Code, den Programmierer schreiben, existiert ja nicht im luftleeren Raum. Software bezieht sich letzten Endes immer auf den Menschen, interagiert mit ihm, beeinflusst das soziale Leben. Und mittlerweile ist auch an technisch geprägten Fakultäten angekommen, dass Informatik eine hohe gesellschaftliche Relevanz besitzt.

Peter Purgathofer lehrt an der TU Wien am Institut für Visual Computing. Der 56-Jährige tritt dafür ein, dass Software-Entwickler sich der Verantwortung bewusst sind, die ihre Arbeit hat. Denn Informatik wird zunehmend zur zentralen Disziplin schlechthin, ja sogar zum Betriebssystem unserer Gesellschaft. Tracking und Werbenetzwerke fördern eine Mediennutzung, bei der aufmerksamkeitsheischendes Clickbate mehr zählt als inhaltliche Tiefe und Seriosität. Automatisierte Entscheidungen können katastrophale Folgen haben, wie etwa bei tödlichen Unfällen autonom fahrender Autos oder den Abstürzen der Boeing 737 Max. Algorithmen sind eben keine Lösung für alles, denn wie zuverlässig sind eigentlich die Datengrundlagen, auf denen sie aufsetzen?

Purgathofer hat deshalb an seiner Hochschule einen Einführungskurs für Studienanfänger entwickelt. Dabei geht es darum, der nächsten Informatikergeneration fundamentales Metawissen zu vermitteln und sie damit zu befähigen, mit einem tieferen Verständnis durch ihr Studium zu navigieren: Wie sieht die Wissenschaft auf die Welt, mit welchen Denkweisen wird Wissen geschaffen? Was sind die Konsequenzen und wo liegen die Grenzen? Es wird klar: Das Leben lässt sich nicht nur mit Einsen und Nullen erklären, es entzieht sich immer wieder der Berechenbarkeit. Informatik ist eng mit Sozialwissenschaften, Philosophie und Psychologie verwoben – und Problemlösung eben nicht nur eine technische Frage. Purgathofer kritisiert nebenbei auch die mangelnde Offenheit der vor allem unternehmensgetriebenen Forschung im Bereich Künstlicher Intelligenz. Diese Closed Science hat für die Wissenschaft als Ganzes schädliche Effekte, die verblüffend an die Zeit der Alchimisten erinnern.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Allgemein von Tim Pritlove. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

8 Gedanken zu „FG072 Verantwortung in der Informatik

  1. „Ich mag keinem Club angehören, der mich als Mitglied aufnimmt.“ – Groucho-Marx-Paradoxon; Telegramm an den Friars Club, in dem er seinen Austritt mitteilt.

    (Original engl.: „I don’t care to belong to any club that will have me as a member.“ – Arthur Sheekman, The Groucho Letters. New York Simon & Schuster 1967. Introduction. S. 8. Ähnlich in: Groucho Marx. Groucho and Mr. New York. New York Bernard Geis 1959. S. 321 und Arthur Marx. Life with Groucho. New York Simon & Schuster 1954. S. 45; vgl. Richard Raskin. Life is like a Glass of Tea. Studies of Classic Jewish Jokes. Philadelphia The Jewish Publication Society 1992. S. 124 ff.)

    Tim, Du hast das mal wieder sehr gut gemacht.

  2. Sehr schöne Sendung.

    Als ehemaliger Student der technischen Informatik an der HAW Hamburg, hätte ich mir so einen Kurs sehr gewünscht.

    Ist das Skript zu dem Kurs irgendwo öffentlich zugänglich?

  3. Pingback: Further reading (and hearing) – On the edge of the data knife

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