Forschergeist
Horizonte für Bildung und Forschung
https://forschergeist.de


FG070 Nachhaltigkeit und die Stadt

Praktische Anwendung wissenschaftlicher Vorgehensweise bei der nachhaltigen Gestaltung des Zusammenlebens

Der Begriff Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Doch was heißt das eigentlich konkret? Bedeutet Rücksicht auf die Umwelt und Nachwelt zu nehmen, grundsätzlich Verzicht? In jedem Fall sind dicke Bretter zu bohren, denn es geht um nichts weniger als einen Kulturwandel, der sich in vielen kleinen Schritten vollzieht. Einen umfassenden Ansatz probiert man nun im Maßstab eines Karlsruher Stadtteils ganz praktisch aus.

Dazu weiß Oliver Parodi mehr. Am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), das zum Karlsruher Institut für Technologie KIT gehört, beschäftigt er sich vor allem mit Fragen nachhaltiger Stadtentwicklung. In einem „Reallabor“ wollen Wissenschaftler und Stadtentwickler gemeinsam mit Bürgern eine umfassende nachhaltige Entwicklung der Karlsruher Oststadt auf den Weg bringen, und zwar für die Themen Energie, Mobilität, sozialer Raum und Konsum.

In dem von Parodi geleiteten Reallabor werden also Praktiker aus Kommunen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft von Anfang an in den Forschungsprozess einbezogen und arbeiten miteinander auf Augenhöhe, um konkret die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern. Das Projekt erhielt 2019 den Forschungspreis Transformative Wissenschaft, den das Wuppertal Institut gemeinsam mit der Zempelin-Stiftung im Stifterverband verleiht.

Oliver Parodi vereint selbst verschiedene wissenschaftliche Welten in seiner Person. Ursprünglich hat er Bauingenieurwesen studiert und sollte eine der Familie gehörende Baufirma übernehmen. Doch dann schloss er lieber ein Studium der Angewandten Kulturwissenschaft an. Heute will er an der zum KIT gehörenden Karlsruher Schule der Nachhaltigkeit durch transdisziplinäre Ausbildung die Ansprüche von Mensch, Technik und Umwelt zusammenführen.

https://forschergeist.de/podcast/fg070-nachhaltigkeit-und-die-stadt/
Veröffentlicht am: 29. Juli 2019
Dauer: 1:28:03


Kapitel

  1. Intro 00:00:00.000
  2. Begrüßung 00:00:29.648
  3. KIT und ITAS 00:01:17.909
  4. Persönliche Ausbildung 00:06:11.450
  5. Einstieg in die Forschung 00:13:04.065
  6. Nachhaltigkeit 00:17:25.109
  7. Reallabor 131: KIT findet Stadt 00:22:16.346
  8. Kulturwandel 00:42:56.565
  9. Transformative Wissenschaft 00:48:49.768
  10. Karlsruher Schule der Nachhaltigkeit 01:01:59.702
  11. Die nachhaltige Stadt 01:11:49.696
  12. Personale Nachhaltigkeit 01:22:45.339
  13. Ausklang 01:26:35.791

Transkript

Tim Pritlove
0:00:30
Oliver Parodi
0:01:16
Tim Pritlove
0:01:17
Oliver Parodi
0:01:39
Tim Pritlove
0:03:15
Oliver Parodi
0:03:18
Tim Pritlove
0:03:40
Oliver Parodi
0:03:43
Tim Pritlove
0:04:11
Oliver Parodi
0:04:13
Tim Pritlove
0:04:44
Oliver Parodi
0:05:01
Tim Pritlove
0:06:10
Oliver Parodi
0:06:32

Ja.

Tim Pritlove
0:06:33
Oliver Parodi
0:06:35
Tim Pritlove
0:06:40
Oliver Parodi
0:06:41
Tim Pritlove
0:07:57
Oliver Parodi
0:08:03
Tim Pritlove
0:08:42
Oliver Parodi
0:08:45
Tim Pritlove
0:09:12
Oliver Parodi
0:09:22
Tim Pritlove
0:10:36
Oliver Parodi
0:10:48
Tim Pritlove
0:11:39
Oliver Parodi
0:11:43
Tim Pritlove
0:11:44
Oliver Parodi
0:11:49
Tim Pritlove
0:13:03
Oliver Parodi
0:13:11
Tim Pritlove
0:13:15
Oliver Parodi
0:13:43
Tim Pritlove
0:14:45
Oliver Parodi
0:14:47
Tim Pritlove
0:14:52
Oliver Parodi
0:14:54
Tim Pritlove
0:15:14
Oliver Parodi
0:15:18
Tim Pritlove
0:15:23
Oliver Parodi
0:15:27
Tim Pritlove
0:16:44
Oliver Parodi
0:16:46

Ja.

Tim Pritlove
0:16:47
Oliver Parodi
0:16:54
Tim Pritlove
0:17:25
Oliver Parodi
0:17:32

Ja, da gibt es natürlich viele Antworten darauf. Ich habe mal nach 15 Jahren Nachhaltigkeitsforschung versucht, das auf so einen allgemeinverständlichen Satz, der nicht allzu verkürzt ist, runterzubrechen und bin so bei dem Satz gelandet, nachhaltige Entwicklung bedeutet, heute gut leben und dabei auf die Mitwelt, Umwelt und Nachwelt achten. Damit ist man schon nicht schlecht unterwegs, wobei das natürlich noch relativ abstrakt ist. Letztlich geht das Thema auf die Sustainable Development Debatten zurück, die Ende des letzten Jahrtausend, sagen wir mal konkret seit den 1970er Jahren, dann auch auf Ebene der Vereinten Nationen groß wurden, dann eben Sustainable Development als Programm, als Leitbild. Da gibt es immer noch einen sehr breiten wissenschaftlichen Diskurs dazu, der sich darum kümmert. Es gab einen Bericht in den 80er Jahren, der sogenannte Brundtland-Bericht, wo diese globalen Problematiken zunächst mal zusammengefasst wurden und der dann auch so ein bisschen die Definition oder so ein bisschen die Begriffserläuterung geliefert hat, wo es darum geht, dass man genau heute so lebt, dass eben die nachfolgenden Generationen auch noch gut leben können. So also das geht es zentral um Gerechtigkeit. Genau, dieser Brundtland-Bericht war so ein bisschen Ausgangspunkt dann für viele wissenschaftliche und dann letztlich auch politische Debatten natürlich und daran orientiert habe ich mich und hier auch am Institut nähert man sich diesem Thema nachhaltige Entwicklung.

Tim Pritlove
0:19:31
Oliver Parodi
0:20:52
Tim Pritlove
0:20:59
Oliver Parodi
0:21:07
Tim Pritlove
0:22:15
Oliver Parodi
0:23:02
Tim Pritlove
0:23:07
Oliver Parodi
0:23:09
Tim Pritlove
0:24:14
Oliver Parodi
0:24:23

Der Ansatz war jener, wir stehen hier vor massiven globalen Problemen, die spiegeln sich auch in der Stadt und in unserem persönlichen Leben wider. Die betreffen uns. Und wir versuchen, diese Nachhaltigkeitsthemen runterzubrechen, zu konkretisieren und dann in der Stadt mit unterschiedlichen Akteuren anzusprechen. Sprich, unser Ansatz war, wir versuchen ganz konkret, einen Stadtteil von Karlsruhe mal rauszunehmen, die Karlsruher Oststadt und versuchen, von dort aus in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen, und zwar in enger Kooperation von Wissenschaft, also wir liefern hier quasi wissenschaftliches Knowhow und auch Arbeitskraft und Stadtgesellschaft. Und dort wieder unterschiedliche Akteure mitzunehmen, die Stadtverwaltung, die Stadtpolitik wäre sozusagen ein wichtiger, die Bürgerschaft ein anderer wichtiger großer oder vielleicht sogar der zentrale, weil was ist eine Stadt ohne seine Bürger und Bürgerinnen. Genau, das heißt, hier wollten wir dann konkret werden und sagen, wir haben Probleme global gesehen, aber auch ganz lokal in Karlsruhe und wir möchten unsere Stadt, unseren Stadtteil einfach zukunftsgerecht, zukunftsfest machen, macht mit, wir versuchen das zusammen anzuschieben. Und zwar eher sozusagen von unten raus, also mit Graswurzeln, aber von der Straße aus, wie jetzt von oben über die Stadtverwaltung und große politische Instrumente, sondern eher sozusagen partizipativ mit Bürgerinnen und Bürgern, mit anderen Akteuren zu sagen, was können wir tun, damit Karlsruhe nachhaltiger wird?

Tim Pritlove
0:26:21
Oliver Parodi
0:26:24
Tim Pritlove
0:26:29
Oliver Parodi
0:26:40
Tim Pritlove
0:26:52
Oliver Parodi
0:26:54
Tim Pritlove
0:26:57
Oliver Parodi
0:26:58
Tim Pritlove
0:27:03
Oliver Parodi
0:27:14
Tim Pritlove
0:28:00
Oliver Parodi
0:28:10
Tim Pritlove
0:28:58
Oliver Parodi
0:29:06
Tim Pritlove
0:29:29
Oliver Parodi
0:29:34
Tim Pritlove
0:30:06
Oliver Parodi
0:30:08
Tim Pritlove
0:30:10
Oliver Parodi
0:30:13
Tim Pritlove
0:30:35
Oliver Parodi
0:30:40
Tim Pritlove
0:31:05
Oliver Parodi
0:31:09
Tim Pritlove
0:31:10
Oliver Parodi
0:31:20
Tim Pritlove
0:31:26
Oliver Parodi
0:31:28
Tim Pritlove
0:31:32
Oliver Parodi
0:31:34
Tim Pritlove
0:32:17
Oliver Parodi
0:32:55

Also es gibt so unterschiedliche Ebenen. Also auf einer Ebene machen wir Forschung im klassischen Sinne, dass wir so was wie eine Bestandsaufnahme machen. Wie nachhaltig ist denn die Karlsruher Oststadt? Wie steht es um den Gebäudebestnad? Was muss dabei energetisch saniert werden, damit wir in Zukunft einigermaßen im Energie… oder erneuerbarer energetisch und energieeffizient dort leben können? Also da gibt es so grundständige wissenschaftliche Aufgaben, die erfüllt man. Wie steht es um Akteursnetze? Welche Personen sind Schlüsselpersonen im Sprengel, im Quartier? Also solche klassischen von technischen bis sozialwissenschaftlichen Fragestellungen, die laufen quasi durch. Also auch mit unserer Bestandsaufnahme, wie nachhaltig ist denn die Karlsruher Oststadt, sind wir immer noch nicht fertig so. Also das ist auch sozusagen eine Daueraufgabe. Dann gibt es aber eine andere Ebene, wo anders vorgegangen wird. Und zwar hatte ich schon angesprochen, wir versuchen diese Themen dialogisch zu entwickeln. Das heißt, wir gehen raus, wo sind die Themen, die euch ansprechen? Da haben wir zum Beispiel zwei große Bürgerversammlungen durchgeführt, wo 200 und das andere mal 300 Personen teilgenommen haben aus dem Quartier, wo es dann darum ging ganz konkret auch, wo sind denn im Themenfeld nachhaltige Mobilität, wo drückt da der Schuh, wo soll es hingehen? Oder in anderen Themenfeldern, wo dann sozusagen zunächst mal von den Beteiligten, von den Bürgerinnen und Bürgern die Themen erarbeitet wurde. Sozusagen da waren wir nur moderierend tätig, aber die Themensetzung kam dann zunächst dort raus. Und wir haben dann auf Basis dieses Quartier Zukunft Projektes diese Themen dann zum einen weiter verfolgt in die Politik und in die Stadtverwaltung rein. Quasi dort sozusagen dann auch als Scharnier fungiert zwischen Bürgerschaft und Stadtpolitik, Stadtverwaltung und andererseits aber auch diese Themen dann wissenschaftlich aufgegriffen und versucht in wissenschaftliche Projekte zu übersetzen, bzw. in transdisziplinäre Projekte. Wir haben dann immer auch versucht, gleich diese Bearbeitung der Projekte an Bürgerinnen und Bürger, dann waren es die engagierten, die auch längerfristig an diesem Thema dran bleiben wollten, dann weiter zu verfolgen.

Tim Pritlove
0:35:50
Oliver Parodi
0:36:10

Nein, es ist nicht nur Papier, allerdings muss ich sagen, wir arbeiten auf so einem, ich sage mal, auf einem kulturellen Level. Also uns geht es jetzt nicht darum, dass wir jetzt die energieeffizienten Gebäude in den nächsten zehn Jahren, oder weniger darum, sicherstellen, sondern uns geht es darum, wir haben so ein bisschen auch einen Bildungsauftrag, also so ein bisschen das Thema Nachhaltigkeit eben in den Alltag reinzubringen. Und da sind dann eher so Verhaltensänderungen vielleicht passiert. Also ein konkretes Beispiel, wir haben ein Reparaturcafé in Karlsruhe angestoßen vor einigen Jahren. Die Idee kam damals von uns, so wir machen jetzt auch in Karlsruhe ein Reparaturcafé, das Konzept gab es schon, es gab auch schon in anderen Städten Reparaturcafés, aber in Karlsruhe nicht. Und wir so, das ist was, was sozusagen mit dem Nachhaltigkeitsgedanken übereinstimmt, Ressourcenschonung, Wiederverwertung, Lebenszeit erhöhen von Produkten und so weiter. Also da konnten wir dann sagen, das ist was sinnvolles, wir haben das dann initiiert. Dazu brauchten wir dann aber quasi auch die Reparateure, da haben sich dann spontan 30 Reparateure in Karlsruhe gefunden aus der Bürgerschaft, die sagen, ja klar, Reparaturcafé wollten wir eigentlich schon immer machen, aber jetzt machen wir es mit euch zusammen. Das haben wir dann quasi organisiert angeschoben und das hat sich auch etabliert. Also das ist jetzt seit Jahren unterwegs, da gibt es regelmäßige Reparaturcafés in Karlsruhe, wo man hingehen kann und seine Sachen reparieren lassen kann. Da ist inzwischen ein Verein draus entstanden, der sich jetzt selbstständig drum kümmert, wir haben uns ein Stück weit zurückgezogen, zumindest aus dem Organisatorischen und haben das aber von Anfang an quasi wissenschaftlich begleitet. Also wir haben Fragebögen ausgelegt, wir haben Interviews gemacht, um sozusagen auch Erkenntnisse dann wiederum in die Wissenschaft zurück zu spielen. Also es gibt jetzt eben beides, es gibt sozusagen die Erkenntnisse zu diesem Reparaturcafé und zu denjenigen, die es nutzen und es gibt das Reparaturcafé als Verein, das beständig einfach in Karlsruhe dann vor sich hin arbeitet. Und sozusagen auf dieser Ebene sind viele Sachen entstanden, wo es um Kleidertausch geht, Pflanzentausch, regionale Ernährung, da wurden Sachen angestoßen und die haben sich quasi so im Stadtgefüge dann institutionalisiert und wir begleiten sie wissenschaftlich oder hören vielleicht irgendwann dann auch auf damit, wenn sozusagen der Wissenschaft genüge getan ist.

Tim Pritlove
0:39:07
Oliver Parodi
0:39:27

Ja.

Tim Pritlove
0:39:28
Oliver Parodi
0:39:37

Also wir haben es uns selber ein Stück weit schwergemacht, dadurch dass wir dieses Thema nachhaltige Entwicklung ernst nehmen und in seiner vollen Breite und Tiefe eigentlich hier ins Stadtgefüge bringen möchten so. Da kann man es sich einfacher machen, sozusagen indem man diesen Nachhaltigkeitsbegriff einfach nur sehr oberflächlich interpretiert, dann wird es sehr viel einfacher. Wir haben es uns insofern schwer gemacht, es ist aber auch unsere Überzeugung, dass dieses Thema, nachhaltige Entwicklung, kein leichtes ist und einfach ein dickes Brett zu bohren. Also unsere Gesellschaft ist einfach nicht nachhaltig aufgestellt und der Schwenk dahin ist eine Transformation, die fundamental sein muss, wenn es gelingen soll. Das heißt, wir stehen da nicht vor einem kleinen Problem hier in Karlsruhe oder in Deutschland, sondern von einem wirklichen fundamentalen Kulturwandel und der lässt sich natürlich nicht so einfach und nicht so schnell herstellen oder wie auch immer und auch nicht beobachten, muss man auch sagen. Also von dem her, wenn Sie jetzt mit fragen, bin ich zufrieden mit dem, was wir erreicht haben, dann sage ich auf der anderen Seite, ja, soweit wir, wir haben vieles erreicht, vieles angeschoben, viele Erkenntnisse rausgezogen. Ich kann Ihnen aber mit genauso gutem Gewissen sagen, nein, wir sind nicht zufrieden, weil letztlich eigentlich noch viel mehr in der Richtung passieren müsste, so. Also von dem her werden wir auch weitermachen, also wir machen auch weiter hier mit den Themen, mit der Stadt, mit Nachhaltigkeit und ich empfehle es dringend, jeden anderen willigen das auch zu tun. Es gibt dann natürlich schon aus unserer Erfahrung raus Punkte, wo man drauf achten kann, also wir können hier ja auch sozusagen beratend tätig werden, auf was man achten kann, was nicht funktioniert. Wir haben das aus der …

Tim Pritlove
0:41:46
Oliver Parodi
0:41:49
Tim Pritlove
0:42:15
Oliver Parodi
0:42:17
Tim Pritlove
0:42:58
Oliver Parodi
0:44:01

Ja.

Tim Pritlove
0:44:02
Oliver Parodi
0:44:05

Ja. Also ich gehe nochmal auf Ihren ersten Teil der Frage ein, das Thema Verzicht ist natürlich eins, das in einer wohlhabenden Wohlstandsgesellschaft ungern thematisiert wird. Ich frage mich da immer nur so ein bisschen, oder wir versuchen auch, da ein bisschen einen Kontrapunkt zu setzen und zu sagen, also für viele von uns heute ist Verzicht nicht etwas, das irgendwie beschränkt, sondern es befreit. Also in einer überbordenden total gestressten Gesellschaft mit auch relativ wohlhabenden oder großen wohlhabenden Anteil, wenn man es jetzt zumindest mal an der Weltbevölkerung spiegelt, da ist Verzicht teilweise auch ein Befreiungsschlag. Und da ging es dann eher, um wieder auf die Sprache zu kommen, da geht es dann tatsächlich darum, sozusagen das in den Vordergrund zu stellen. Also was man durch Verzicht auch gewinnen kann so ein Stück weit und wie man auch anders gut leben kann, jetzt ohne diesen überbordenden materiellen Wohlstand. Also was da eine Rolle spielt, ist, warum dieses Nachhaltigkeitsthema oft nicht gut ankommt, ist, weil es eben zunächst mal ganz festen Interessen widerspricht. Also eine Automobilindustrie hat einfach die Produktion von Autos sozusagen als Ziel sich eingeschrieben und beharrt da so ein Stück weit auf drauf. Also es wären Interessen betroffen, die teilweise dann die beteiligten auch vor große Änderungen stellen. Und insgesamt, also dieses Thema Nachhaltigkeit, wenn man es ernst nimmt und in der Tiefe sozusagen durchdenkt und angehen möchte, dann ist eben dieser Kulturwandel am Ende und da werden ganz fundamentale Gewissheiten auch von uns selber infrage gestellt, also letztlich wer bin ich? Bin ich noch jemand, wenn ich ein Grundeinkommen habe und kein Auto mehr besitze? Oder noch viel mehr, bin ich noch jemand als Wissenschaftler, wenn ich sehe, dass mein wissenschaftliches Weltbild auch nur ein Teilaspekt oder eine Perspektive auf die Welt ist? Also mit dem wird übrigens allein nicht den Wandel in eine nachhaltige Gesellschaft leisten können. Also dieser Kulturwandel ruft dann oft auch wirklich Ängste hervor, teilweise auch Existenzängste, was dann wiederum so eine Abwehrreaktion produziert, dass man eben sich mit diesem Thema vielleicht dann doch lieber nicht auseinandersetzt.

Tim Pritlove
0:47:02
Oliver Parodi
0:47:31
Tim Pritlove
0:48:52
Oliver Parodi
0:49:39

Ja genau, also wir haben sie indirekt schon die ganze Zeit benannt. Also während Uwe Schneidewind den Diskurs über Reallabore eröffnet hat, haben wir quasi gleichzeitig unser Quartier Zukunft hier auf die Straße gebracht und das Ganze in der Praxis, sozusagen von der Praxis her, uns dem genähert. Und transformativ bedeutet jetzt von der Wissenschaft aus gesehen, dass man Dinge nicht nur beforscht, sondern auch Dinge verändert, Impulse setzt, also gesellschaftlich wirksam wird. Und da vielleicht kleine Nebenbemerkung schon mal, es ist allen, die vorhaben, ein Reallabor zu erstellen und es auch ernst meinen, damit gesellschaftlich wirksam zu werden, geraten, im Vorfeld sich im Klaren zu sein, dass sie damit keine neutrale Wissenschaft mehr machen, das heißt, das können sie auch, aber im Stadtgefüge oder wo sie auch wirken, wirken diese Reallabore einfach politisch. Also die sind in einem Machtgefüge unterwegs, die wollen gestalten, das heißt, sie sind entweder von vornherein politisch oder sie werden politisiert. Also man kommt sozusagen nicht drumherum. Und transformativ von Seiten der Wissenschaft bedeutet jetzt eben quasi einzugreifen, selber aktiv zu werden und, und das ist auch wichtig, in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung zu wirken. Also diese Transformation ist nicht eine beliebige, zumindest in diesem Sinne transformative Wissenschaft, sondern es ist eine, die uns in eine nachhaltige Zukunft trägt. Und das ist wiederum eine andere Postion für Forscherinnen und Forscher, die oftmals einfach nur auf Die Welt gucken und aufschreiben, was dort passiert. Und im Zuge einer transformativen Wissenschaft gehen sie rein in die Welt und gestalten auch wirklich mit.

Tim Pritlove
0:51:38
Oliver Parodi
0:51:59
Tim Pritlove
0:52:38
Oliver Parodi
0:52:41
Tim Pritlove
0:53:33
Oliver Parodi
0:53:37

Genau, ja, so ist es, also auch da folgt die Logik einer nicht nachhaltigen Wissenschaftsförderung bzw. transformativen Wissenschaftsförderung. Das heißt, die sind in drei bis fünf Jahren ausgelaufen, damit hat man mehrere Probleme. Zum einen, wenn man wirklich zum Wandel beitragen möchte, passiert der eben oft nicht so schnell, sondern nur behäbig oder langfristig. Das heißt, man kann den weder begleiten, noch kann man ihn dann ex post, also sozusagen in die Vergangenheit gucken und bewerten, was dann wirklich passiert ist. Also dazu braucht man lange Zeiten, also longitudinal Studien, langfristige Forschungsprogramme dann, ich verwende den Projektbegriff nicht, weil er eben auf so kurzfristige ist. Das heißt, man bräuchte da Laufzeiten von dutzenden von Jahren, nicht von Jahren, sondern von dutzenden von Jahren. Und das liegt eigentlich schon in dem Begriff drin, aber das hat lange Zeit niemand erkannt, wir haben das relativ früh in die Debatte eingeworfen. Dieses Labor gibt es ja eben in den naturwissenschaftlichen und auch in den technischen Fächern schon lange, da gibt es Labore. Und die sind aber wiederum oft Jahrzehnte, teilweise auch über hundert Jahre tätig, also die Labore stehen dann dutzende Jahre und darin werden Experimente gefahren. Und dieses Setting sozusagen das Labor zu institutionalisieren und dann auch zeitlich befristete Experimente darin zu fahren, die gibt es momentan noch nicht wirklich. Und wir möchten mit unserem Karlsruher Transformationszentrum sagen, wir machen ein Reallabor auf Dauer und haben damit die Möglichkeit, Experimente reinzufahren und auch einen Wandel langfristig zu begleiten und auch zu bewerten letztlich.

Tim Pritlove
0:55:38
Oliver Parodi
0:55:41
Tim Pritlove
0:57:10
Oliver Parodi
0:57:10
Tim Pritlove
0:57:34
Oliver Parodi
0:57:39
Tim Pritlove
0:58:02
Oliver Parodi
0:58:07
Tim Pritlove
0:58:19
Oliver Parodi
0:58:26
Tim Pritlove
0:58:45
Oliver Parodi
0:58:45
Tim Pritlove
0:58:55
Oliver Parodi
0:59:03
Tim Pritlove
0:59:06
Oliver Parodi
0:59:07
Tim Pritlove
1:00:14
Oliver Parodi
1:00:32
Tim Pritlove
1:01:39
Oliver Parodi
1:01:45
Tim Pritlove
1:02:00
Oliver Parodi
1:02:15
Tim Pritlove
1:02:19
Oliver Parodi
1:02:20

Ja.

Tim Pritlove
1:02:21
Oliver Parodi
1:02:30
Tim Pritlove
1:03:58
Oliver Parodi
1:04:00
Tim Pritlove
1:04:08
Oliver Parodi
1:04:11
Tim Pritlove
1:04:17
Oliver Parodi
1:04:24
Tim Pritlove
1:04:45
Oliver Parodi
1:04:51
Tim Pritlove
1:04:56
Oliver Parodi
1:04:57
Tim Pritlove
1:04:58
Oliver Parodi
1:05:05
Tim Pritlove
1:05:18
Oliver Parodi
1:05:30
Tim Pritlove
1:05:39
Oliver Parodi
1:06:13
Tim Pritlove
1:06:49
Oliver Parodi
1:06:51

Ja, im Wasser, das ist ein sehr spannendes Thema, da kann ich Ihnen „Technik am Fluss“ ein Buch von mir empfehlen. Genau, also ja, oder im KIT gibt es viel Energieforschung, auch viel, was sozusagen Bildung in dem Bereich auf dem energetischen Sektor anbelangt, also Lehrveranstaltungen und dort mal nachhaltige Energieversorgung durchzudiskutieren mit Studierenden, auch ein bisschen im breiteren Horizont, wie sie das hier ansonsten machen würden, das ist ein weiteres Thema. Ein spezielles Format ist auch, wir haben transdisziplinäre Forschungsseminare, wo dann die Studierenden gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Praxisakteuren Themen bearbeiten. Und dann eben ganz konkret draußen im Alltag, so wie wir das mit dem Quartier Zukunft quasi ohne Studierende machen, machen wir es im kleinen Rahmen dann mit Studierenden und sagen, macht mit ein Semester, ein Jahr lang, ein Projekt mit einem Praxisakteur. Da hatten wir welche, die Karlsruher Tafel zum Beispiel oder die Gemeinwohlökonomie, auch das Reparaturcafé, der Verein war mal Praxispartner. Wo es dann darum geht, mit den Studierenden hier Lösungen zu erarbeiten. Die bringen dann quasi ihr Fachwissen aus ihren Studiengängen, die sie eigentlich studieren, mit ein und können dann sozusagen Projekte mit den Praxisakteuren machen, wo dann letztlich die Studierenden was lernen und die Praxisakteure aber auch was davon haben. Also bei der Gemeinwohlöknomie, bei diesem transdisziplinären Seminar ist dann zum Beispiel ein Begleitvideo oder ein Erklärvideo zur Gemeinwohlökonomie entstanden, das jetzt auch in den Gemeinwohlökonomiekreisen kursiert und so weiter. Also da kommen auch so kleine Produkte raus bei diesen Seminaren.

Tim Pritlove
1:09:00
Oliver Parodi
1:09:04
Tim Pritlove
1:10:13
Oliver Parodi
1:10:17
Tim Pritlove
1:10:18
Oliver Parodi
1:10:30
Tim Pritlove
1:11:13
Oliver Parodi
1:11:17
Tim Pritlove
1:11:49
Oliver Parodi
1:13:05
Tim Pritlove
1:14:42
Oliver Parodi
1:14:44
Tim Pritlove
1:16:13
Oliver Parodi
1:16:46
Tim Pritlove
1:16:54
Oliver Parodi
1:16:55
Tim Pritlove
1:18:38
Oliver Parodi
1:18:47
Tim Pritlove
1:18:49

Kann ich mir vorstellen. Ja, also ich denke, das ist ja so ein gutes Beispiel, finde ich, für eine aktuelle Debatte, wo ich so den Eindruck habe, die kommt gerade hoch. Dass man sich so darüber im Klaren ist, okay, alle beklagen die ganze Zeit, wieviel Platz nicht da ist, Grünflächen, Wohnflächen, Flächen eigentlich für alles andere, auch für Kreative, es gibt da Verdrängung, der Wohnungsbau wiederum nimmt dann die Freiflächen für die kulturellen Aktivitäten, was natürlich die Städte dann auch gleich wieder ärmer macht etc.. Und dann stellt man irgendwie fest, dass gefühlt irgendwie 10-20 Prozent der öffentlichen Fläche, die einfach da ist, schlicht und ergreifend dafür verwendet wird, dass Privatleute dort ihre Autos abstellen. Also wenn man sich mal hochrechnet, was man für einen Quadratmeter Wohnraum bezahlt, im Vergleich zu einem Quadratmeter Parkraum, der einem ja dann sozusagen auch noch gebaut worden ist, kann man sich nicht vorstellen, dass das eben mit einer Autosteuer alleine schon abgeglichen ist. Und ich denke, das ist eben auch so ein Gedankenprozess, der vielleicht überhaupt erst mal in die Öffentlichkeit reinwirken muss, aus dem sich dann sehr viel anderes dann auch in der Konsequenz ableiten lässt. So ja okay, wie ist denn das eigentlich mit dem ganzen Raum, könnten wir ja mal für was anderes verwenden? Ja, was machen wir denn dann mit dem Auto? Ja, vielleicht sollten wir dann a) weniger Bedarf haben, was machen wir dann da für Angebote? Das hat dann wieder Auswirkungen auf den Nahverkehr. Ja, aber ich brauche ja mein Auto, weil behindert, Familie, warum auch immer, es gibt ja auch gute Gründe dafür, so ist es jetzt auch nicht. Dann könnte man ja wiederum auch sagen, okay dann bauen wir vielleicht mal ein Parkhaus anstatt eines Wohnhauses, aber dafür ist der öffentliche Raum wieder da. Also da kommt so eine ganze Kaskade von Ideen auf einmal so in Bewegung, wenn man das über die Schiene überhaupt erst mal anstößt.

Oliver Parodi
1:20:34

Ja. In der Tat, also naja da gäbe es jetzt aber viel dazu zu sagen. Vielleicht nochmal zu dem Parkraum oder sozusagen zu der Dominanz von Autos im Stadtbild, ich meine, prägend für unsere Besiedlungen sind die Gebäude und dann die Verkehrsflächen so vielfach. Also dann gibt es auch Grünflächen so, aber die gibt es nur punktuell, aber so strukturbildend ist natürlich diese Verkehrsfläche und inklusive dem Parkraum nimmt einen hohen Anteil ein und ist auch sehr vom Eindruck her sehr präsent, wenn man draußen sich bewegt, dann sieht man überall Autos. Und da hilft es dann aber auch mal, nochmal so quasi den Blick in die Vergangenheit zu richten und zu gucken, also vor den Autos gab es doch auch Städte und da waren die nicht zugeparkt. Also es gibt auf jeden Fall ein anderes menschliches Leben auch ohne Auto, es ist zumindest mal möglich, also es war mal möglich, und vielleicht ist es ja auch in Zukunft möglich. Oder mit einem sehr reduzierten Individualverkehr mit Automobilen. Also von daher, da hilft schon mal so ein bisschen, so ein Gedankenspiel zu machen und dann helfen aber die Experimente eben auch, also mit diesem Parking Day, wenn man dann mal hundert Meter freiräumt von diesem Blech und dann guckt, wie sich das Stadtbild da ändert und was es da für Möglichkeitsräume gibt, das ist schon eindrücklich. Und so was auch ganz konkret hier mit jüngeren Bürgern hier durchzuspielen und in der Stadt mal kenntlich zu machen, das hat enorme Effekte. Also da gibt es gerade in den Niederlanden und in Belgien Städte, die das noch auf größerem Niveau machen, die wirklich ganze Straßenzüge dann mal temporär freigeräumt haben für einen Monat, die ganzen Autos verbannt haben, da Kunstrasen ausgelegt, damit man mal sieht, was da noch passieren könnte. Und das ist wichtig, solche Experimente durchzuführen und eben auch ein Stück weit zu irritieren und auch so Denk- und Wahrnehmungsmuster zu brechen.

Tim Pritlove
1:22:46
Oliver Parodi
1:23:18
Tim Pritlove
1:23:22

Ja.

Oliver Parodi
1:23:23
Tim Pritlove
1:24:32
Oliver Parodi
1:24:42

Ja, ein Stück weit beides. Also es geht zunächst mal darum, den einzelnen mit an Bord zu nehmen. Also dass man Nachhaltigkeit nicht nur als Thema behandelt, dass sich da draußen in der Welt, in der Welt der Politik, der Technik, in der Stadt abspielt, sondern als ein Thema auch, das sozusagen auch mich betrifft und das sich auch sozusagen in mir fortsetzt. Also das ist zunächst mal der erste Schritt, dieses Thema zu sich zu holen und dann kann man anfangen bei Lebensstilfragen, soll ich Bio, Regio oder Fair einkaufen oder alles zusammen? WAs mach ich mit meinem Auto und kann ich es nicht mit jemand anders teilen? Also solche Fragen kommen dann an der Oberfläche. Und es geht dann aber auch schon noch tiefer sozusagen auch in die eigene psychische Struktur, was denke ich, wie nehme ich wahr, wie gehe ich auf die Welt zu? Was habe ich für Beziehungen zu meiner Umwelt, Mitwelt und Nachwelt? Und da mal genauer hinzugucken und was das wiederum sozusagen für eine Rolle spielt in einem nicht nachhaltigen oder für ein nachhaltiges Verhalten, das sind sehr spannende Fragen, die in der Psychologie noch völlig unterbelichtet sind, da gibt es noch ganz ganz wenig dazu, die aber auch weit über die Psychologie hinaus noch sozusagen Relevanz haben und wo wir uns damit beschäftigen müssen. Allerdings hier geht es ja um Wissenschaft, da dann der Hinweis auch, dass da irgendwann die Wissenschaft sagen muss, da ist Schluss für uns bzw. so wie wir Wissenschaft heute betreiben, kann es zwar Forschung sein, aber es ist nicht mehr Wissenschaft.

Tim Pritlove
1:26:36
Oliver Parodi
1:26:41
Tim Pritlove
1:26:42