Forschergeist
Horizonte für Bildung und Forschung
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Ein Portrait des Philosophen, Mathematikers, Diplomaten, Historikers und Wegbereiters der Aufklärung
Ein weiteres Mal beschäftigen wir uns mit der Wissenschaftsgeschichte und richten den Blick auf einen wahren Forschergeist: Gottfried Wilhelm Leibniz. Leibniz - dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 300. Mal jährt - war als Universalgelehrter in seiner Zeit eine der herausragenden Persönlichkeiten und hat die moderne Wissenschaft in technischer, wissenschaftlicher, philosophischer und auch politischer Hinsicht stark geprägt.
Wir sprechen mit dem deutschen Mathematik- und Wissenschaftshistoriker Eberhard Knobloch, einem der führenden Kenner von Leibniz' Gesamtwerk, der für uns Werdegang, Schaffen und Bedeutung von Leibniz beleuchtet.
https://forschergeist.de/podcast/fg026-gottfried-wilhelm-leibniz/
Veröffentlicht am: 14. März 2016
Dauer: 1:21:46
Herzlich willkommen zu Forschergeist, dem Podcast des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft. Mein Name ist Tim Pritlove und ich begrüße alle hier zu einer neuen Runde, einer neuen Ausgabe, einem neuen Gespräch in unserer Serie, in der wir den Forschergeist ein wenig versuchen zu ergründen. Ein abstrakter Begriff, unter dem sich sicherlich jeder etwas anderes vorstellt, aber in gewisser Hinsicht hat man wahrscheinlich auch jemanden im Kopf, im Hinterkopf, der in gewisser Hinsicht auf eine vielfältige Art und Weise abstrahlt, die Dinge auf eine Art und Weise auch hinterfragt, zu ergründen versucht und dabei zu Lösungen kommt, die für andere vielleicht nicht ganz so offensichtlich sind. Und heute soll es auch tatsächlich mal um einen solchen Forschergeist ganz persönlich gehen. Eine Person aus der Geschichte, niemand weniger als Gottfried Wilhelm Leibniz. Und um darüber auch fachgerecht und kundig zu berichten zu können, begrüße ich Eberhard Knobloch, schönen guten Tag.
Also um das zu verdeutlichen: Mathematik war ein Bestandteil der philosophischen Fakultät. Also das ist aus der mittelalterlichen Tradition erwachsen. Die sieben freien Künste waren bekanntlich an der philosophischen Fakultät. Und vier davon, die Quadrilliarden, das waren mathematische Disziplinen. Geometrie, Arithmetik, Musiktheorie und Astronomie. Also so wie Sie sagen war es, man studierte nicht Mathematik in dem Sinne. An der Universität war das Niveau entsprechend gering. Das hat sich bei Leibniz dann so ausgewirkt, dass er guten Glaubens war, als er die Universität beendet hatte, dass er also auf der Höhe der Zeit war. Das war er natürlich nicht. Denn die Forschung in der Mathematik spielte sich eben nicht an der Universität, sondern etwa an den Akademien ab. Vor allen Dingen damals an der französischen Académie des sciences. Und er hat dadurch auch ein bisschen Probleme bekommen, weil er ja muss man schon so sagen, ein Stück weit sich überschätzt hat. Am Anfang, also weil er dachte, das habe ich doch schon alles drauf. Und er hat in Paris einen väterlichen Freund gefunden. Das ist also eine sehr positive Geschichte, Christian Heugens, also einer der ganz Großen, wahrscheinlich sogar de bedeutendste Physiker seiner Zeit. Denn er ist ja vor Newton tätig. Und Heugens hat gemerkt, der junge Mann Leibniz, der nach Paris kam, ist überaus begabt, aber hat also nicht wirklich die Kenntnisse, die er haben müsste, um sich als Mathematiker zu bezeichnen. Und dann kommt etwas merkwürdiges, aber es ging gut aus, Heugens stellte Leibniz eine Frage, die Summierung der reziproken Dreiecksahlen und Leibniz hat es lösen können. Wir können so sagen, hätte Leibniz diese Aufgabe nicht gelöst, hätte wahrscheinlich, also kann man wirklich voraussagen, hätte Heugens gedacht, nein also mit dem gebe ich mich nicht länger ab. Aber die Sache hatte also eine positive Wendung bezogen und er hat also Leibniz einschlägige Forschungsliteratur seiner Zeit in der Mathematik angeraten. Und Leibniz hat sich dann also mit Feuereifer reingestürzt. Hier ist also eine berühmte Geschichte. Als er nach Paris kommt war er – muss man so sagen – mathematischer Ignorant. Und als er Paris vier Jahre später wieder verließ war er einer der bedeutendsten Mathematiker seiner Zeit. Das zeigt also bereits, dass wir hier mit einem Ausnahmemenschen zu tun haben. Das ist also nicht ohne weiteres möglich. Ich meine innerhalb von vier Jahren von null sozusagen an die Spitze kommt.
Ja daraus wurde der gregorianische. Er hat mit 16 Jahren angefangen zu studieren, das war gar nicht mal so früh und mit 20 Jahren hat er promoviert mit Glanz und Glorie. Da war er sehr stolz drauf, aber das war auch so. Man konnte damals – und er eben besonders früh – Latein fließend. Man sprach ja Latein. Die Reden wurden auf Latein gehalten. Und er hat – wahrscheinlich stimmt es einigermaßen, man kann es ja nicht nachprüfen – er hat von sich berichtet, er hat also mit acht Jahren – überlegen Sie – Latein gelernt als Autodidakt. Hat also alte Autoren wie Livius, ein Historiker des römischen Altertums, gelesen mit Abbildungen und hat versucht anhand der Abbildungen zu verstehen, was der Text aussagt. Jedenfalls so schilderte er es. Und dann nach und nach hat er sich das also angeeignet. Aber klar ist, er konnte in jungen Jahren Latein perfekt. Und dann geht es aber so weiter. Da er so eine glorreiche Promotion hingelegt hat, wurde ihm eine Professur angeboten. Und da merkt man, Leibniz ist schon selbstbewusst, er war nicht von fehlendem Selbstbewusstsein angekränkelt. Also Professur war nicht das was er sich vorstellte. Er sah sich also für zu höherem berufen. Überlegen Sie, wie das heute wäre, wenn jemand die Gelegenheit hätte, Professor zu werden. Also er ging dann zunächst in die Dienste von Fürsten und wurde auf diese Weise auch nach Paris geschickt in einer politischen Mission. Das ist auch nicht uninteressant. Damals hatte ja Ludwig XIV. Die Deutschen geärgert, also etwa den Pfälzer Krieg herbeigeführt unter einem Vorwand. Und Leibniz sollte eine Audienz bei Ludwig XIV. Erreichen und ihm sozusagen klarmachen, er soll doch lieber seine militärischen Kräfte nach Ägypten lenken. Die Tragik ist, zu einer Audienz ist es nie gekommen. Leibniz wurde gar nicht vorgelassen, aber er blieb in Paris. Und das haben wir angesprochen, diese vier Pariser Jahre sind für ihn beliebig prägend. Also da hat er seine entscheidenden Einsichten in der Differenzial- und Integralrechnung, auch wenn er erst deutlich später – das war damals nicht unüblich – seine Ergebnisse zu veröffentlichen begann.
Also das was das Bild, was er von sich selbst hatte. Schon die Tatsache, dass er mit 20 promovieren wollte, brachte ihm ein Problem an der Universität Leipzig ein. Die haben gesagt, das ist uns hier zu jung, war natürlich ein Vorwand. Also ist er nach Altdorf gegangen, gibt es ja heute nicht mehr die Universität, aber das Gebäude gibt es noch. Und in Altdorf hat er dann promoviert. Das hat ihm natürlich die Leipziger Universität nicht besonders sympathisch gemacht. Aber er gehört – wir würden sagen – dem gehobenem Bürgertum an. Also Akademikerhaushalt. Und er sah seine Rolle – wir würden sagen – in der Politikberatung. Und das hat er gemacht. Also von Boyneburg, um mal einen Namen zu nennen, von Schönborn, der Mainzer Erzbischof. Und da fühlte er sich ein Stück weit wohl, sozusagen in der Nähe der Mächtigen. Und er hat darunter Zeit seines Lebens eigentlich gelitten, muss man schon so sagen. Er hat natürlich gewusst, dass er die meisten seiner Zeitgenossen geistig haushoch überragt, also das konnte nicht ausblieben. Aber wenn es um Hackordnung am Hofe ging, etwa in Hannover, dann war er ganz unten angesiedelt. Und die Hofschranzen, so muss man jetzt doch böse sagen, haben ihn das fühlen lassen. Die haben natürlich auch gemerkt, der Kerl ist intelligenter als wir, aber das spielte dann keine Rolle. Also er war Hofrat …
So ist das. Also er hat über sein Leben hinweg die Nähe der Mächtigen gesucht. Und er war in Wien, übrigens ohne sich abzumelden, nur um mal auch da aufzuzeigen, dass er also sich letztlich grenzwertig verhalten hat. Also er wurde ja bezahlt. Und sein Chef war also der Kurfürst in Hannover. Also es hätte sich wohl gehört, ihm mitzuteilen, dass er jetzt mal nach Wien geht. In Wien war aber der deutsche Kaiser, also Leopold I. Und dort blieb er jetzt volle zwei Jahre, Sie müssen sich das auf der Zunge zergehen lassen, vollbezahlt zwei Jahre. Und dann hat man ihm gesagt, du musst jetzt zurückkommen, dein Chef wird zunehmend böse. Ja ich kann nicht, ich bin gerade krank. Ein bisschen später, ja ich kann jetzt nicht, ich bin jetzt in der Rehabilitationsphase und so. Also das war schon merkwürdig. Er hatte versucht damals vergeblich, in Wien eine Akademie zu gründen. Und er wurde Reichshofrat, das schon, er bekam dafür auch Geld. Und er sollte eigentlich der Präsident der Reichsakademie in Wien werden, dazu kam es nicht zu Lebzeiten. Also die österreichische Akademie in Wien ist erst Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet worden, aber sie führen sich, das wird immer anerkannt, auf Leibniz zurück. Also am Hauptgebäude der österreichischen Akademie ist eine Tafel, wo diese Rolle von Leibniz gewürdigt wird.
Also erstens so ist es sicherlich, aber darüber hinaus war er eben auch universell gebildet. Also er hat sich ja auch als Historiker betätigt. Und es ist immer angesagt in der Politik, über historische Zusammenhänge Bescheid zu wissen. Er war sozusagen in diesem Sinn akzeptiert in Hannover, zunächst vom Herzog Johann Friedrich, später also die Nachfolger waren dann der Kurfürst oder König und die haben ihn dann auch mit geheimen Missionen betraut. Das hat dazu geführt, als er starb 1716, dass sofort sein Nachlass versiegelt wurde, weil das Herrscherhaus zurecht Sorge hatte, da gibt es möglicherweise Dokumente, die nicht an die Öffentlichkeit kommen sollten. Positiv gewendet hat das den Erfolg, dass der Leibniz Nachlass, bis auf geringe Ausnahmen, in London an der Royal Society gibt es was, in Paris und so, das sind gemessen am Gesamtnachlass aber nur wenige Blätter. Dass der Nachlass also zusammengeblieben ist, der ist zu 90-95% heute in einem feuersicheren Raum in der Leibniz-Bibliothek in Hannover.
Also das war mit Sicherheit was besonderes. Es war sein Ziel. Also in der Umgebung der Mächtigen Berater zu spielen. Und hat das ja auch gesagt. Er mahnte die Mächtigen, diejenigen anzuhören, die keine Macht aber Verstand haben. Und meinte damit natürlich in erster Linie sich selbst. Das ist ja auch oft gelungen, oft ist es allerdings auch nicht gelungen. Also um etwas kurioses zu berichten, er hatte den Auftrag nachzuweisen, dass ein bestimmter Kandidat der einzig mögliche und beste Kandidat für die polnische Königswahl ist. Das hat er gemäß dieser Idee von der Mathesis Universalis, also man kann sozusagen die Mathematik auf alles anwenden, indem man erst definiert und dann Sätze beweist. Er hat also das haarklein nachgewiesen, dass nur ein bestimmter Kandidat in Frage kommt. Das Problem war allerdings nur, die Wahl fand statt, bevor seine Schrift rauskam. Also das muss ihn auch etwas gefrustet haben. Aber an sich ist das natürlich ein Missbrauch der Mathematik. Das war eine politische Auftragsarbeit. Er sollte, da gab es bestimmte Verflechtungen zwischen den Herrscherhäusern, er sollte eben nachweisen, dass dieser Kandidat der einzig richtige ist. Seine Hausaufgaben hat er erledigt, aber er kam etwas zu spät.
Eindeutig. Also er war Rationalist und das bedeutet, es geht wesentlich über den Verstand. Und er formulierte entsprechend Prinzipien. Nichts ohne zureichenden Grund. Oder Prinzip der Identität oder Prinzip des Gleichen, was nicht unterscheidbar ist und dergleichen mehr. Also er war eindeutig theoriegeleitet. Was aber nicht bedeutet, dass er nicht auch einen deutlichen Bezug zur Praxis hergestellt hat. Das vielleicht berühmteste Motto, dass er von sich zurecht in Anspruch nahm, war, Theoria cum Praxi, Theorie zusammen mit Praxis. Also sein klares Anliegen war, auch wenn er in der Mathematik natürlich hochkomplexe reimtheoretische Sachverhalte studierte, sein Anliegen war klar, also Wissenschaft insbesondere auch mit einem sozialen Anliegen zu betreiben. Das finde ich also sehr sympathisch. Wenn es um die Gründung der Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften ging, die wurde 1700 bekanntlich gegründet im März, aus der dann nach vielen Umbenennungen die heutige Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften hervorgegangen ist. Wenn es also um die Gründung dieser Sozietät ging, dann hat er in die Denkschriften, von denen er viele verfasst hat, reingeschrieben, also es gehört zu den Aufgaben der Akademiker, also der Akademiemitglieder, sich um den Lebensstandard der Bevölkerung zu kümmern. Und den Handwerksmann von seinem elenden Lose zu befreien. Das finde ich schon bedeutsam.
Also ich sollte mal so sagen, er war kein Revolutionär. Die Gesellschaftsordnung stammt von Gott. Gott hat die Welt so eingerichtet, so ist jetzt so. Aber man kann die Welt verbessern. Dieses Wort von der besten aller möglichen Welten bedeutet ja eben nicht, dass es die beste ist und die beste aller möglichen. Und die Vollkommenheit der Welt besteht darin, dass sie vervollkommnet werden kann. Das finde ich schon ziemlich subtil. Also überlegen Sie. Und das hat der also auch massiv betrieben. Um mal ein schönes Beispiel zu geben, was mir auch hochaktuell zu sein scheint, er hat sich ja auch mit Finanz- und Versicherungsmathematik abgegeben. Und hat zu den Landesherren gesagt, also den Kurfürsten in Hannover, zum König in Berlin, zum Kaiser in Wien, also was die Leute nicht haben kann man von ihnen nicht pressen. Damit meinte er, wer also durch unverschuldetes Unglück vor dem Nichts steht, der wird sozusagen dem Staat zur Last fallen, verhungern lassen kann man ihn auch nicht. Also wird er Bettler und muss irgendwie unterstützt werden. Also Leibniz bemühte sich die Landesherren davon zu überzeugen, dass es auch in ihrem Interesse ist, öffentliche Versicherungsanstalten einzurichten. Denn wer eben nichts hat, der kann auch keine Steuern zahlen und das ist à la longue auch gelungen. Also er hat aber auch gesagt, Solidarität, das ist das ja hier, eine Risikogemeinschaft. Jeder zahlt einen kleinen Obolus, das kann er, und wenn es zum Schadensfall, zu einem nicht versuchten Schadensfall kommt, steht die Gemeinschaft für ihn ein. Das ist ja eine Solidargemeinschaft. Aber er hat explizit gesagt, dass die Solidarität eben keine Einbahnstraße ist. Er hat also, wenn wir jetzt von seinen sozialen Anliegen sprechen, er hat also explizit auch gesagt, niemand ist so lahm, dass er nicht zu einer Arbeit fähig sein könnte. Also wir haben hier heute etwas andere Vorstellungen, wenn ich das richtig sehe. Also die Vorstellung, dass man …
Also wir können ein paar Namen nennen, die ihn ein Stück weit mit geprägt haben. Ich nenne sie gleich, aber es bleibt dabei, dass er eben sehr für sehr unabhängig dachte. Das sehen wir ja an der bloßen Tatsache, dass er meint mit 20, Professur ist für ihn nicht der richtige Weg, er möchte Politikberatung in der Nähe der Mächtigen tun. Also er hat in Jena vorübergehend studiert bei Erhard Weigel und Weigel hat verschiedene Zahlensysteme betrachtet. Und das könnte eine Anregung für Leibniz gewesen sein, sich für das Dualsystem zu interessieren. Leibniz hat das sehr intensiv studiert, aber nicht erfunden. Und ja ein anderer Autor, der ihn im philosophischen Bereich stark geprägt hat, das ist ein antiker Autor, das ist Aristoteles, so komisch wie das klingt. Also Begriffe wie Entelechie, das ist also von Aristoteles übernommen und andere Dinge, dass eine Bewegung nicht ohne Beweger existiert, das sind klar aristotelische Einflüsse. Und wenn man so will ist Leibniz ein Stück weit auch Aristoteliker geworden und geblieben. Also natürlich nicht in Reinkultur. Aber einige zentrale Ideen stammen eindeutig von dort.
Ja. Er hat sich vor allen Dingen als Mathematiker gefühlt und selbst gesagt, dass seine Philosophie stark von der Mathematik beeinflusst ist. Wir können das auch noch ein bisschen ausführen. Also es ist keine Frage, dass er mit der Erfindung der Differential- und Integralrechnung eine überragende, alles überragende Erfindung gemacht hat, die für den Rest der Zeiten gar nicht zu überschätzen ist. Und das passierte eben in Paris. Er hatte da eine enorme Kreativphase. Und während er sonst, jedenfalls in den meisten Fällen, seine Handschriften nicht datierte, was ein Problem bei der Edition ist, hat er diese Handschriften datiert, weil er selbst merkte, hier habe ich etwas großartiges gefunden. Das geht in den Oktober/November 1675 und etwa neun Jahre später hat er dann diese Dinge auch veröffentlicht. Also was ist ein Differential? Dazu sollten wir auch noch was sagen. Das ist also sozusagen die Differenz zwischen zwei unendlich benachbarten Punkten. Das ist nicht wohl definiert, wie man merkt. Also bekanntlich gibt es topologisch gesprochen in dem Bereich der reellen Zahlen keine Nachbarn. Wir können nicht eine reelle Zahl nehmen und jetzt die nächstgrößere, das funktioniert nicht, weil das Kontinuum das nicht kennt.
So ist das, es gibt immer noch was dazwischen. Aber was mir jetzt doch wichtig ist, ist das folgende. Er hat verschiedenste Rechtfertigungen später vorgetragen, weil er ja auch kritisiert wurde. Das sei ja keine anständige Mathematik. War also mit unendlich klein zu arbeiten unendlich groß. Und er hat dazu mal bei einer Veröffentlichung gesagt, ich verwende nur andere Ausdrücke, aber im Prinzip mache ich das was Archimedes gemacht hat. Archimedes also der bedeutendste Mathematiker des Altertums. Der ja auch Integrationsaufgaben, also Flächenberechnungen, durchgeführt hat. Und nun kommt der eigentliche Witz, das stimmt sogar. Also es wurde bis in unsere Tage immer wieder angezweifelt. Und man liest dann auch weiter in verschiedensten Büchern, er wusste ja selbst nicht, womit er da umgeht und so, das stimmt eben nicht. Sondern Leibniz hat in Paris eine, nicht nur eine, die längste mathematische Abhandlung verfasst, mit deren Hilfe er Mitglied der Académie des sciences werden wollte. Diese bloße Tatsache ist Beweis genug, dass es sich hier um eine extrem wichtige Abhandlung handelt. 130 Seiten in der Erstedition. Die Erstedition kommt aber erst 1993 zustande. Also ich darf einfach mal sagen, das war ich dann. Aber dort findet man eine exakte Grundlegung der Infinitisimalgeometrie und das bedeutet, er hat eine Nominaldefinition gegeben von unendlich klein und übrigens von unendlich groß auch. Was ist unendlich klein, kleiner als jede gegebene Größe. Also diese Botschaft möchte rüberkommen. Kleiner als jede gegebene Größe. Das bedeutet, ich kann sozusagen jederzeit die Größe unterbieten, die Sie mir jetzt nennen. Kleiner als jede gegebene, das ist der Witz an der Gesichte und im 19. Jahrhundert hat das Karl Weierstraß sozusagen perfektioniert. Aber in Wirklichkeit ist das eine Nominaldefinition, es ist einfach umständlich zu sagen, kleiner als jede gegebene Größe, das ist jetzt unendlich klein. Und entsprechend, unendlich groß, größer als jede gegebene Größe. Sie bemerken, das ist jetzt nicht aktual unendlich. Es gibt kein Unendlich für Leibniz in der Mathematik, sondern das ist eine Variable. Geht ja nicht anders. Aber ich kann das erfüllen. Und was jetzt für mich, also ich denke für Jedermann, hochinteressant ist, ist, er hat das natürlich nicht sofort gefunden. Er hat also in den nachgelassenen Schriften nach einer geeigneten Definition von unendlich klein zunächst mal gesucht. Und hat unter anderem probiert, kleiner als jede angebbare Größe. Und dann hat er gemerkt, wenn ich so definiere, dann muss diese Größe zwingend gleich null sein. Kleiner als jede angebbare Größe das kann ich nur erfüllen, wenn ich null setze. Andernfalls kann ich das mit dem jede angebbare nicht erfüllen. Das hat er also über Bord geworfen und dann später eben dafür die völlig einwandfreie Definition genommen, kleiner als jede gegebene Größe. Das ist im Lateinischen nur der Unterschied von zwei Buchstaben.
Also wir sind im Bereich der reellen Zahlen. Und unendlich klein ist schon ziemlich klein, das ist ja klar. Aber die Frage ist, kann man das jetzt präzisieren, kann man definieren, was man darunter versteht? Also das soll ja nicht dem Gefühl überlassen werden, ich werde jetzt ganz klein, das ist ja nicht wohldefiniert. Und wenn ich jetzt sage, unendlich klein bedeutet, kleiner als jede angebbare Größe, wir sind nur im Bereich der positiven Zahlen, der positiven reellen Zahlen, dann ist das nur erfüllbar, wenn ich wirklich null setze. Da kann man sofort, angenommen es wäre nicht null, dann kann man doch sofort einen Widerspruch herbeiführen. Weil nicht null ist bedeutet, es ist eine Differenz zwischen null und dieser unendlich kleinen Größe. Diese unendlich kleine Größe sollte doch aber kleiner als jede angebbare sein und ist sie doch nicht mehr, wenn sie jetzt nicht null ist. Also Leonhard Euler hat eine Nullenrechnung entwickelt und ist nicht von dieser natürlich unsinnigen Definition abgegangen. Also kleiner als jede angebbare. Euler hat, das ist für mich merkwürdig, anders kann man es gar nicht sagen, dass er als herausragender Mathematiker nicht gemerkt hat, dass das ja ein Holzweg war. Also er hat Nullenrechnung betrieben und nachher zwischen großen und kleinen Nullen unterschieden. Das ist natürlich gehobener Unfug. Gut, also wir stellen fest, zwei der ganz großen Geistesgrößen haben zunächst, Leibniz zunächst, die gleiche Idee gehabt. Leibniz stellt fest, damit kann ich aber nichts anstellen in der Mathematik. Was soll ich denn mit der null? Ich brauche also etwas was ungleich null ist. Und diese Definition, kleiner als jede gegebene Größe, ist tadellos. Also bei Weierstraß heißt das Epsilon Delta. Sie geben eine Größe vor und ich kann kleiner werden, kein Problem. Ich brauche bloß eine 10 hoch minus andere Potenz zu nehmen. 10 hoch minus 100, wenn Ihnen das nicht klein genug ist, nehme ich eben 10 hoch minus 1000. Also das ist ja noch oben unbegrenzt. Und das ist wissenschaftsgeschichtlich schon hochinteressant.
Ja die Frage ist, so ist ja der newtonsche Ansatz, wie können wir Bewegungsvorgänge fassen? Die sind ja kontinuierlich und Newton hat das also anders als Leibniz gemacht. Newton hat ebenfalls unendlich kleine Größen verwendet, aber sie später nicht mehr benutzt oder jedenfalls weitgehend nicht mehr benutzt. Und was wir jetzt genannt haben, das ist ja vielleicht auch wichtig, ist sozusagen die herausragende, alles überstrahlende Erfindung. Wir sollten aber ausdrücklich erwähnen, dass Leibniz in vielen anderen mathematischen Disziplinen also Ergebnisse antizipiert hat, ohne dass die Mitwelt das merkte, weil er seine Ergebnisse zunehmend wenig bis gar nicht publiziert hat. Das ist ja der Grund, warum heute das Edieren seiner Schriften so schwierig ist. Es sind handgeschriebene, oft sehr krakelige Manuskripte und die müssen erst mal entziffert werden. Und dann sind sie eben noch in Latein. Und dazu gehört zum Beispiel die Determinantentheorie. Also Determinanten, Leute würden die als Abbildungen gekennzeichnet, damals war das ein bisschen anders. Man hat also ein Zahlenschema, damals nur ein Zahlenschema, ein quadratisches Zahlenschema, und ordnet diesem Zahlenschema eine Zahl zu. Und die Determinantentheorie spielt noch heute in der Physik eine große Rolle. Was er dort gemacht hat, er hat nicht nur eine Notation eingeführt, die völlig in Ordnung ist, er hat also sozusagen Indizes verwendet und er hat grundlegende Sätze der Determinantentheorie abgeleitet. Also zum Beispiel das Entwickeln einer Determinante nach den Elementen einer Zeile oder Spalte. Das ist der sogenannte lablacesche Entwicklungssatz. Laplace ist deutlich später. Ja und das trifft aber auch auf andere Bereiche zu. Also Determinantentheorie war für ihn eine Anwendung der Kombinatorik. Und die Kombinatorik war für ihn eine sehr allgemeine Wissenschaft. Also im besten Sinne sozusagen das Zusammenstellen, Kombinieren von Begriffen, von Elementen, von Zahlen und so weiter. Und in dem Zusammenhang hat er eben sich für symmetrische Funktionen interessiert. Symmetrische Funktionen sind Funktionen, deren Wert sich nicht ändert, wenn man zwei Variable austauscht. Und symmetrische Funktionen das ist natürlich mit einem stark kombinatorischen Element, spielten für ihn eine überragende Rolle bei dem Versuch, die Gleichung fünften Grades mit Algorithmen zu lösen. Er war wie alle seiner Zeit überzeugt, das geht, es ist zwar schwierig und umständlich, aber wenn man nur durchhält und hinreichend viel rechnet, müsste das möglich sein.
Also wir wissen, dass wir bis zur Gleichung vierten Grades die Lösung durch einen Wurzelausdruck darstellen können. Also Sie erinnern sich bei der quadratischen Gleichung, das ist noch elementar, bei der kubischen geht es auch, das ist eine Sache der Renaissance und auch die des vierten Grades ist also durch Radikale, sagen wir heute, lösbar. Und so lag jetzt doch die Überlegung nahe, na gut bis zum vierten Grad geht, es wird jetzt schwieriger, weil also irgendwie mehr zu rechnen ist, aber es müsste doch gehen. Dass es nicht geht ist also erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt, dank eines Norwegers Abel, Niels Henrik Abel und Évariste Galois. Die haben dann nachgewiesen, es geht grundsätzlich nicht. Aber Leibniz war eben überzeugt und er hat, wenn Sie so wollen, als Mittel zum Zweck, um die Gleichung fünften Grades sozusagen durch Radikale zu lösen, diese Theorie der symmetrischen Funktion ausgearbeitet. Und er kannte den Hauptsatz der Theorie der symmetrischen Funktion. Also der besagt, dass symmetrische Funktionen mit Hilfe von sogenannten elemtarsymmetrischen Funktionen dargestellt werden kann. Ja und damit einher geht sein Interesse für additive Zahlentheorie. Ich kann das vielleicht an einem Beispiel klar machen. Wir nehmen uns irgendeine natürliche Zahl, 4, 6, 7 oder so etwas und suchen nach der Anzahl der Möglichkeiten, diese natürlich Zahl 4, 6 oder 7 in Summanden zu zerlegen, meinetwegen in drei. Bei 4 ist das 1+1+2. Und mehr ist auch nicht. Es sollen ja drei Summanden sein. Also Sie können jetzt die Reihenfolge vertauschen, aber das ändert ja nichts am Befund. Bei 6 ist das schon ein bisschen mehr. Da müssen sie jetzt eben überlegen, also 3+2+1, 4+1+1 und so weiter. Also nur um den Kerngedanken zu vermitteln. Und das ist auch schwierig. Additive Zahlentheorie ist nicht so einfach. Und da hat er auch Teilergebnisse erzielt. Weil die Zahl der symmetrischen Funktion eines Grades darauf hinausläuft, dass man die Zerlegung des Grades in Summanden kennt. So gibt das eine das andere. Eigentlich will er die Algebra verbessern, indem er die Gleichung fünften Grades durch Radikale löst. Er meint, mit Hilfe der symmetrischen Funktion geht das. Geht nicht. Aber entwickelt tatsächlich wichtige Ergebnisse zu dieser Theorie. Und weil diese Anzahl der symmetrischen Funktionen eines bestimmten Grades durch Zerlegung des Grades in Summanden gelöst werden kann, interessiert er sich für additive Zahlentheorie. So hängt irgendwie übertrieben gesprochen alles mit allem zusammen.
Also zunächst, ich werde gleich ein paar Namen mal nennen, es gibt schon Mathematiker, das hat er auch gern bekannt, die ihn beeinflusst haben. Aber wir müssen eben bedenken, noch gibt es kaum wissenschaftliche Zeitschriften. Also es gibt die offizielle Zeitschrift der Royal Society und der Akademie de Science. Aber in Deutschland gibt es noch keine. Die Acta Eruditorum, die in Leipzig erscheinen, erscheinen ab 1682, also relativ spät. Und das heißt, man war eigentlich auf brieflichen Verkehr angewiesen und entsprechend trifft das auch auf Leibniz zu. Er hat mit über 1000 Briefpartnern korrespondiert und darunter waren entsprechend – also wir können jetzt ein bisschen vereinfacht sagen – fast alle Wissenschaftler von Rang und Namen seiner Zeit. Und mit Blick auf die Entstehungsgeschichte seiner Differential- und Integralrechnung hat er ja wiederholt dazu Stellung bezogen, wer ihn angeregt hat. Und dazu gehört Blaise Pascal. Es ist also jemand, der starb 1662, da war Leibniz noch sehr jung, 16 Jahre. Aber das ändert nichts daran, dass das, was der Pascal gemacht hatte mit einem infinitesimalen Dreieck, das hat bei ihm ein Licht angezündet. Er hat gemerkt, dass was der am Kreis macht, das kann ich an jeder Kurve machen. Und das war für ihn ein entscheidender Gedanke. Im Übrigen er hat auf der anderen Seite auch gesagt, der war dann aber schon tot bevor er geboren war, dass Galilei, was in meinen Augen auch wichtig ist, Galilei also der Autor ist, der ihn am meisten beeinflusst hat. Also es gibt schon, er war jetzt nicht mehr wirklich Zeitgenosse von Leibniz, er war dann inzwischen tot. Aber es gibt schon Personen, denen er einiges verdankt. Und ich sage das auch deshalb, weil er ja zu unrecht – das Thema ist heute denke ich ad acta gelegt – zu unrecht sozusagen beschuldigt wurde, unredlich gehandelt zu haben, indem er von anderen etwas übernommen hat. Also nach allem was wir heute wissen ist das nicht der Fall. Sondern was er von sich sagte, also nachher als der Streit mit Newton losging, das trifft zu, wir können es dadurch überprüfen, weil inzwischen die betreffenden Handschriften aus der Pariser Zeit, 6 Bände liegen ja vor, 30 sollen es mal werden. Überlegen Sie, so ein Band hat 800-900 Seiten Druckseiten. Weil die betreffenden Bände also inzwischen vorliegen mit den Aufzeichnungen aus der Pariser Zeit. Und da kann man genau nachvollziehen, ja was Leibniz sagte trifft zu.
Also Newton war früher dran, hat aber wesentlich später als er veröffentlicht. Ursprünglich waren die beiden sehr gut aufeinander zu sprechen. Wir sollten das festhalten, weil es später eben zu einem unerquicklichen Streit kam. Der Witz ist aber, die beiden haben schon gemerkt, dass sie in dem Anderen Geist vom gleichen Geiste hatten. Der Newton hatte von Leibniz gewusst und der Leibniz hat von Newton gewusst, gar keine Frage. Newton hat an Leibniz indirekt zwei Briefe geschickt, die gingen über den Sekretar der Royal Society, das war ein Deutscher, Oldenburg, und äußert sich in diesen beiden Briefen voller Hochachtung über Leibniz. Er hätte sicherlich etwas gleichwertiges, wenn nicht sogar etwas bedeutenderes als er selbst, Newton, gefunden. Überlegen Sie ja? Und dann 1693 schreibt Leibniz an Newton und Newton halbes Jahr später an Leibniz einen direkten Brief. Wenn Sie diese Briefe lesen, die sind natürlich ediert inzwischen, dann können Sie nur sagen, mehr Freundschaft geht gar nicht. Also Newton zu Leibniz, denn meine Freundschaft zu dir ist für mich wichtiger als meine mathematischen Resultate. Und ich möchte dir versichern, dass ich dich also auch trotz des langen Schweigens extrem schätze als Freund und so weiter. Und dann stellt sich die Frage, warum es dann zu diesem höchst unerquicklichen Streit kam. Ja das waren die Adlati, die Leute aus der dritten Reihe. Also es gab ein Fatue Duelliere, ein schweizer Hugenotte, der nach England ausgewandert war und in der Umgebung von Newton tätig war. Und der fing an, wir würden sagen zu stänkern. Er hat dem Newton gesagt, also nach meinem Dafürhalten hat der Leibniz von dir deine zentralen Ideen genommen. Sie müssen dazu wissen, 1684 hat Leibniz veröffentlicht, zu diesem Zeitpunkt, also das Differential, hat Newton noch nichts veröffentlicht von seinen Dingen, nochmal viel später erst 1705 und noch später nach seinem Tode. Also der Fatue Duelliere fängt damit an, so rumzupiken und Newton hat das zunächst nicht zu ernst genommen. Dann aber gibt es noch einen, einen Engländer John Keill und der sagt ziemlich unverblümt zu Newton, ich kann mir das nur so erklären, der hat dich plagiiert. Und das lief darauf hinaus, dass Leibniz es nicht für möglich hielt, das Newton das glaubt, was ihm da gesagt wird. Er hat die Situation falsch eingeschätzt. Sondern er hat also um eine Richtigstellung – er war ja Mitglied der Royal Society – der Royal Society gebeten. Und nun kommt das schlimme, das ist jetzt aber deutlich später, 1712. Newton war zu diesem Zeitpunkt schon beliebig verärgert und hat dieses Machwerk, muss man schon sagen, in Eigenregie redigiert und auch verfasst. Und das geht natürlich nicht. Sie können jetzt nicht Richter und Ankläger in einer Sache sein. Daran ist nichts zu beschönigen, aber es greift zu kurz. Wenn man sozusagen die Dinge vom Ende aufdröselt, man muss schon mal gucken, was vorher gelaufen ist. Also wir halten fest, es war ein völlig überflüssiger Streit, der sich allerdings Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte fast ausgewirkt hat und ursprünglich haben die beiden sich sehr einander geschätzt.
Also man kann sagen, es gab zwei. Wilhelm Schickard in Tübingen und von Blaise Pascal in Paris. Aber beide Maschinen waren keine vier-Spezies-Maschinen, das heißt die konnten nur addieren und subtrahieren. Also das ist ohne wenn und aber eine überragende Erfindungsleistung von Leibniz, dass er tatsächlich die erste vier-Spezies-Rechenmaschine hat bauen lassen. Er hat sie konzipiert und er war darauf angewiesen, dass er Feinmechaniker fand, die das umsetzen konnten. Und nun kommt eben so eine gewisse Tragik wieder ins Spiel. Er hatte damit schon früh begonnen und im Endeffekt hat ihn seine Rechenmaschine sein ganzes Leben lang begleitet. Er hat dann sehr viel Geld aus eigenem Vermögen ausgegeben, um das zu erzwingen. Er hat also mehrere Maschinen gebaut, heute gibt es nur noch eine, also das Original. Die ist natürlich in einem feuersicheren Raum in der Leibniz Bibliothek. Aber zurück zu sozusagen zu den Anfängen, als er das erste Mal nach London ging, hat er die Maschine dabei und es kam was kommen musste, sie ging nicht. Also das entscheidende war natürlich die Multiplikation und Division. Addieren und Subtrahieren das hatte man schon vorher drauf. Das war nicht so spannend. Er war immer noch recht jung. Er hatte sich unfreiwillig gerade als mathematischer Ignorant geoutet. Er meinte nämlich, er hat da Dinge gefunden, die sind doch interessant und da hat ihn ein John Pell, das ist ein englischer Mathematiker, wieso ist das hier neu, das hat doch der Gabriel Mouton längst veröffentlicht. Leibniz war völlig perplex und war gezwungen, so eine Art Ehrenerklärung abzugeben. Diese Dinge haben später eine Rolle gespielt, als der Streit zwischen ihm und Newton eskalierte. Dann erinnerte man sich, der junge Mann das war doch der Angeber, der damals mit einer nichtfunktionierenden Rechenmaschine bei uns hier antrat und sich doch unfreiwillig als Ignorant äußerte. Ja so war das halt. Aber das ändert nichts daran, dass er tatsächlich also kurzfristig – so müsste man vielleicht sagen – eine Maschine hatte, die wirklich ging, aber eben nur sehr kurzfristig. Man liest auch heute noch überwiegend, das stimmt so ganz nicht, dass die eigentlich nie ging. Also das wäre noch schlimmer. Aber Tatsache ist, sie ging fast nie. DAs ist also nun leider doch der Fall. Und das kann man natürlich jetzt auch erklären. Die Ganggenauigkeit war so präzise, dass die Feinmechaniker seiner Zeit eigentlich überfordert waren. Also sie mussten da Bruchteile eines Grades, also ein Grad jetzt 360° sind ein Kreis, da hinbekommen, damit die Maschine lief, also die Zahnräder ineinandergriffen, aber nicht sozusagen sich gar nicht treffen konnten. Und das war ein Kernproblem. Aber was wir erwähnen sollten …
Ja. Also wir wissen heute, dass das duale Zahlensystem, wenn Sie so wollen, essentielle für die Entwicklung der Computertechnik war, da geht es natürlich um Elektrotechnik. Wir haben eben nur zwei Zustände, an und aus, aber das kommt ja auf dasselbe hinaus, wenn Sie 0 und 1 sagen. Er hat sich für das duale Zahlensystem überaus stark interessiert, weil er der Hoffnung war, dass sich bestimmte Eigenschaften von Zahlen dadurch besser zeigen. Also zum Beispiel die Wiederholung von Ziffern. Das ist nicht mehr ganz einfach, wenn auch nicht wirklich schwierig, einen Dezimalbruch in ein duales System umzuschreiben. Er hat auch einen Zahlenwandler konzipiert. Das macht man heute auch an der Schule, weil das lehrreich ist. Was ist sozusagen eine Eigenschaft der Darstellung? Was ist eine Eigenschaft der Zahl? Das sind ja zwei verschiedene Dinge. Und die Eigenschaft der Zahl hängt natürlich nicht von der Darstellung ab. Also er hat große Hoffnung auf das duale Zahlensystem gesetzt. Wir müssen eigentlich sagen, die haben sich nicht bewahrheitet.
Ja. Vielleicht nicht uninteressant: Leibniz war ja eben immer alles zugleich. Philosoph und wenn Sie so wollen auch Theologe. Also die Religion hat für ihn eine extrem wichtige Rolle gespielt. DAs hat ja mit seiner Idee von der besten aller möglichen Welten zu tun. Also er hat die Idee nicht selbst in die Welt gesetzt, aber sie sehr schön gefunden, dass wir in 0 und 1 sozusagen ein Symbol der göttlichen Schöpfung haben. Um aus Nichts etwas zu schaffen reicht die 1. Und das ist der Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel gewesen, der hat das sozusagen gesagt und Leibniz ist da sofort auf den fahrenden Zug aufgesprungen und hat auch eine Medaille konzipiert, die dann allerdings zu seinen Lebzeiten gar nicht geprägt wurde. Die ist dann auch sehr viel später erst. Aber sagen wir mal diese Überhöhung eines, wenn Sie so wollen sogar trivialen, mathematischen Sachverhalts, also dass man mit der Basis zwei die Zahlen darstellen kann, das ist nun wirklich jedem Grundschüler schon zugänglich. Das ist aber typisch für ihn. Also wenn wir sagen nach Leibniz, es ist die beste aller möglichen Welten, dann ist das zwingend durch sein Gottesverständnis nötig. Denn es wäre sozusagen Blasphemie, Gotteslästerung, wenn wir Gott unterstellen, er wäre unter seinen Möglichkeiten geblieben. Wenn wir sagen, das ist nicht die beste aller möglichen, der Mann ist ja allmächtig, also dann hätten wir da ein echtes Problem. Also er musste sozusagen aufgrund des Gottesverständnisses lehren, die beste aller möglichen. Und natürlich sofort dieses Problem der Theodizee, die Rechtfertigung Gottes angesichts des Bösen in der Welt. Wir erleben das ja gerade heute ja jeden Tag neu. Also eine unfriedliche Welt. Wie kann man denn das jetzt erklären, wenn es doch ein gütiger Gott ist? Wenn Sie nicht gläubig sind werden Sie das alles nicht akzeptieren. Aber für den gläubigen Protestanten Leibniz war das nötig, denn damit der Mensch schuldig werden kann oder eben nicht schuldig werden kann, muss er die Entscheidungsfreiheit haben, ganz entscheidender Punkt für seine Philosophie. Wenn alles vorherbestimmt ist, das ist ja dann die Prädestination, dann können Sie nur sagen, ja dann bin ich erst recht nicht schuld, das war ja vorher klar, ich bring den da jetzt um, ich brauche Geld, kann mich also keiner belangen. Also es hängt also da auch alles wieder mit allem zusammen.
Also ich denke nicht. Er war eben alles zugleich. Also Sie wissen ja auch, der Vorwurf von uns Nachgeborenen gegen uns Nachgeborene, dass wir sozusagen parzellieren, das geht aber nicht anders, wenn man überhaupt dieses gigantische Material mal edieren will. Aber man darf eben nicht vergessen, dass die Dinge miteinander zusammenhängen. Also meinetwegen auch ein Prinzip – er nennt das das Kontinuitätsprinzip – also dahinter steckt die Überzeugung, die dann inzwischen als falsch nachgewiesen wurde. Die Natur macht keine Sprünge. Also es gibt immer nur gleitende Übergänge. Und in diesem Sinne ist die Ruhe eine unendlich kleine Bewegung. Also das sagt er explizit so, weil er andernfalls nicht den Übergang von Ruhe in Bewegung hinkriegt. Und Sie bemerken, dann braucht er natürlich auch einen vernünftigen Begriff von unendlich klein. Also das hatten wir ja vorhin besprochen, wir sagen, kleiner als die gegebene Größe, kommt das hin. Es muss nicht null sein, ist auch nicht null, aber es ist eben beliebig klein.
Ja genau das. Und wie so immer war auch hier der Anfang eher betröppelt. Die Akademie wurde auf dem Papier 17 … also jetzt die einzige, die zu seinen Lebzeiten gegründet wurde … 1700 gegründet, aber es passierte dann erst mal nicht viel. Natürlich brauchen Sie auch fähige Leute, die sich die Aufgabe zu eigen machen. Und Leibniz pendelte zwischen Hannover und Berlin, geriet in Spionageverdacht, weil das ja zwei Herrscherhäuser waren. Das eine waren die Welfen, das andere waren die Hohenzollern. Also irgendwann hat man in Berlin gesagt, was macht der denn hier in Berlin, und in Hannover sagte man, was macht denn der da in Hannover? Also er hat 1710 den ersten Band der sogenannte Miscellania Berolinensia herausgebracht, das wurde sehr gelobt, das war der erste Jahrgang der akademieeigenen Zeitschrift. Und Sie sehen darin auch wieder, noch gab es nur ganz wenige. Aber dann gab es eine lange Durstphase für die Sozietät nach 1711 kam Leibniz nicht mehr nach Berlin. Er war sehr verärgert, weil man – wir müssen so sagen – hinter seinem Rücken da allerhand Entscheidungen getroffen hatte, er war doch aber der Präsident.
Ja. Man möchte es nicht für möglich halten. Das ging bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Also auch der große Friedrich oder Friedrich II. Hat an diesem Finanzierungssystem nichts geändert. Zwar blühte die Akademie unter ihm auf, aber es ändert nichts daran, dass die Einnahmen aus dem Kalenderprivileg kamen. Das ändert sich wirklich erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Also wegen dieser Kalender, wo eben verschiedenste Interessen bedient werden sollten, für den Bauern, für den Städter, für den Astrologiegläubigen, die gab es zu allen Zeiten, waren dort Informationen sozusagen und die sollten dann auch der Wirklichkeit entsprechen. Und da brauchte man schon einen Astronom, der das beurteilen konnte. Also der beobachtete und gegebenenfalls wusste, wann denn nun eine Mondfinsternis oder Sonnenfinsternis oder was sonst da an Erscheinungen auftritt, zustande kommt. Wir sollten es noch ansprechen, er hat Forschungsprogramme projektiert und dazu gehört, dass er Peter dem Großen dem I. Dem russischen Zaren, den er ja dreimal getroffen hat, was auch interessant ist und er wurde russischer Justizrat, nahegelegt hat in mehreren Denkschriften, den Erdmagnetismus zu erforschen. Und hat ihm explizit aufgeschrieben in dem riesigen Reich Russland sind keine hindernden Grenzen. Er kann also jetzt sozusagen Erdmagnetismus beliebig genau erforschen. Dazu gehören drei Größen. DAs eine ist die Deklination, also die Abweichung von der Nordrichtung, das andere ist die Inklination, das ist die Abweichung von der Waagerechten und damals für ihn nur jedenfalls damals noch keine Rolle gespielt hat die Intensität, mit der der Magnetismus wirkt. Das war eine Sache später. Aber was vielleicht doch auch sehr interessant ist, eine andere Lichtgestalt der deutschen Geistesgeschichte Alexander von Humboldt hat bei seiner Durchreise durch Moskau sich die Denkschriften von Leibniz für den Zaren zeigen lassen. Und hat das in seinem berühmten Werk dem Kosmos auch thematisiert. Also er hat gesagt, ist ja unglaublich was der große Leibniz damals schon konzipiert hatte. Also man kann so sagen, was Leibniz dem Zaren vorgeschlagen hat, das hat Alexander von Humboldt eingelöst. Und zwar sehr erfolgreich, weil Alexander von Humboldt extrem renommiert war. Er ist in einer Gewaltreise, neun Monate, durch das russische Reich gereist und hat eben bei seiner Rede in der Petersburger Akademie der Wissenschaften dieses Thema nochmal aufgegriffen. Und das finde ich schon großartig. Also wir haben mit den beiden Leibniz und Alexander von Humboldt zwei Deutsche, die auch in finstersten Zeiten des kalten oberhalb aller Stänkereien waren. Also die Gründung der russischen Akademie ist maßgeblich von Leibniz beeinflusst. Und die Geschichten der russischen Akademien thematisieren das immer sehr positiv und Humboldt sowieso. Also Humboldt wurde Mitglied der russischen Akademie, das ging ja bei Leibniz nicht, weil er ja schon tot war. Also das ist irgendwie sehr erfreulich.
Also in der Philosophie ist nun einmal seine sogenannte Monadologie das mit Abstand berühmteste, was er dort geschaffen hat. Seine Lösung des Leib-Seele-Problems. Wie hängt der Leib mit der Seele zusammen? Und Monaden sind materielose Substanzen. Das Ganze wird jetzt beliebig theoretisch. Und bei der Schöpfung der Welt hat Gott die Monaden geschaffen, alle. Die können auch nicht untergehen. Und wenn man so will ist das wieder mal ein Überbleibsel der platonischen Unsterblichkeitslehre für die Seele. Also er hat sich da durchaus auch in der Antike bedient. Die Monadologie ist weiterhin heute ein ernstbenommenes philosophisches Angebot und ich kenne viele viele Philosophen, die noch immer nach den letzten Feinheiten dieser Theorie suchen. Etwas anderes ist die Theodizee, das ist natürlich nach wie vor auch von Bedeutung. Denn also für alle, die jetzt an Gott glauben, ist das eben schwer zu verstehen, warum Gott das Böse in der Welt zulässt. Aber natürlich überragend, das hatten wir ja schon gesagt, ist ganz eindeutig seine Erfindung der Differential- und Integralrechnung. Also er war relativ bald in Kontinentaleuropa der führende Mann. Und es heißt, ob nun, in der Regel, es gab da auch Ausnahmen, aber in der Regel hatte man sich der leibnizschen Symbolik bedient, also des Integralzeichens, hat jeder irgendwann mal von uns kennengelernt oder eben von Dx Dy. Und die Bedeutung dieser Erfindung kann man wirklich nicht überschätzen. Und der Newton …