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FG024 Nachhaltige Chemie und das Wasser

Über die Belastung des Wassers und wie eine nachhaltige Chemie das Problem an der Wurzel bekämpft

Wasser ist die wichtigste Ressource dieses Planeten, doch ist es durch die rücksichtslose Verschmutzung der Umwelt zum Problemfall geworden. Während in den Industriestaaten durch neue Techniken in Kläranlagen und eine Umstellung der Produktionen schon Erfolge erzielt werden konnten, ist das Problem auf globaler Ebene dringender denn je. Die Forschung in der Chemie konzentriert sich daher zunehmend auf nachhaltige Konzepte, die das Problem bereits bei Schöpfung von Prozessen und Produkten mitdenkt und viele Belastungen von vornherein vermeidet.

Wir sprechen mit Professor Klaus Kümmerer von der Leuphana Universität in Lüneburg, dessen Institut für Nachhaltigkeit einen stark interdisziplinären Ansatz verfolgt und sich bei seiner Forschung auf die Erkenntnisse und Forschung mehrerer wissenschaftlicher Linien stützt, um Lösungen zu finden, die die gesellschaftlichen Realitäten und politischen Probleme mit in die Arbeit einbezieht. Klaus Kümmerer hat 2015 für seine Forschung den Wasser-Ressourcenpreis der Rüdiger Kurt Bode-Stiftung erhalten.

https://forschergeist.de/podcast/fg024-nachhaltige-chemie-und-das-wasser/
Veröffentlicht am: 28. Januar 2016
Dauer: 1:33:01


Kapitel

  1. Intro 00:00:00.000
  2. Vorstellung 00:00:43.571
  3. Persönlicher Hintergrund 00:04:40.071
  4. Interdisziplinäre Forschung in Lüneburg 00:14:44.619
  5. Probleme mit der Süßwasserversorgung 00:28:24.112
  6. Das Meer 00:44:10.966
  7. Erforschung von chemischen Abbauprozessen 00:48:34.262
  8. Benign by design 01:12:19.469
  9. Kommunikation der wissenschaftlichen Arbeit 01:17:21.508
  10. Erfahrungen der Universität mit Interdisziplinarität 01:25:26.831
  11. Auswirkungen der Interdisziplinarität auf die Lehre 01:28:22.253
  12. Ausklang 01:31:48.278

Transkript

Tim Pritlove
0:00:43
Klaus Kümmerer
0:02:18
Tim Pritlove
0:02:18
Klaus Kümmerer
0:02:51

Ja, Wasser ist einerseits spezielles Thema, Ausgangspunkt, so mein Interesse, hängt vielleicht damit zusammen, ich bin auf dem Land aufgewachsen und ich habe nie einen Kindergarten von Innen gesehen, ich war aber viel draußen, auch an Bächen gespielt und da war Wasser eigentlich schon immer ein Faszinosum. Und ja immer wieder darauf zurückkommend im Lauf der Zeit. Verschmutzung von Wasser durch chemische Stoffe, das zu lernen, da beizutragen, was drüber zu wissen. Und irgendwann hat sich die Frage gestellt, wie kann man das verhindern? Darüber gearbeitet ganz klassisch im Umfeld von Abwasserreinigung und ähnlichen Dingen. Und später dann auch die Frage, was gibt es eigentlich für andere Ansätze, außer Abwasserreinigung? Auch getrieben davon, dass wir zwar hier in der Regel relativ wasserreiches Land sind, aber auch bei uns gibt es ??? trockene Sommerbereiche, wo es nicht so viel Wasser gibt. Denken Sie an das Umfeld von Frankfurt oder denken Sie an Teile von Brandenburg. Oder jetzt nach dem wasserarmen Herbst, wo man ja an verschiedenen Teilen, Bereichen sieht, dass Wasser doch knapp werden könnte. Bis hin zu, dass man einzelne Gehöfte im Schwarzwald mit Wasser versorgen musste. Daraus folgen dann auch ein weiterer Blick, wie sieht es eigentlich in der Welt aus, wo man ja auch wasserreiche, aber gleichzeitig wasserarme Gebiete haben, wo viel diskutiert wird und wurde. Muss nur an die Entwicklungsziele denken. Der Nachhaltigkeit, Development-Goals, UN die kürzlich verabschiedet wurden, da ist Wasser ein wesentlicher Punkt. Aber nicht nur die Menge, sondern eben auch die Qualität.

Tim Pritlove
0:04:41
Klaus Kümmerer
0:04:56
Tim Pritlove
0:06:33
Klaus Kümmerer
0:06:34
Tim Pritlove
0:06:36
Klaus Kümmerer
0:07:13

Ich habe das wahrgenommen schon im Sinne, da muss man was tun, da ist vielleicht eine Gefahr. Das kann so nicht weitergehen. Aber ich habe es auch wahrgenommen im Sinne von, es nützt nichts, das alles zu verteufeln, sondern wir müssen es verstehen, wir müssen genau hinschauen. Ich bin dann deshalb auch dann nach dem Studium, auch während des Studiums habe ich mich ein bisschen engagiert, im Sinne von Bürgerwissenschaft und nach dem Studium dann erst mal aus der Hochschule raus, aus der Universität nach der Promotion. Habe auch während dem oder vor dem Studium, während dem Studium auch verschiedene Praktika gemacht, in die Industrie zu gucken, wie denken die Leute und was wird auch konkret an Chemie gemacht und nicht nur an der Hochschule, aber auch. Wie denken die Leute, weil die sind ja auch nicht dumm und überlegen sich was, bei dem was sie machen. Und bin dann nach der Promotion eben erst mal weg von Universität, was für viele nicht so ganz verständlich war. Aber mir war es wichtig, auch noch etwas anderes zu sehen und war dann beim Öko-Institut in Freiburg. Bin dort aber auch hin – und das war damals noch nicht selbstverständlich in dem Bereich Chemie – wo ich gesagt habe, wenn ich zu euch komme, dann will ich aber auch, dass man den Kontakt und die Diskussion auf einer sachlichen Ebene beispielsweise mit der chemischen Industrie sucht. Und da hat sich dann auch raus gestellt, dass ich da auch nicht alleine war. Und dann haben wir in der Richtung habe ich da einige Projekte gemacht, einige Arbeiten gemacht. Chemiepolitischer Dialog. Wo unter anderem auch in diesem Kontext es verschiedene Tagungen gab, unter anderem in Tutzingen. Und bei einer dieser Tagungen, wo man eigentlich eher über die Folgen der Umweltverschmutzung gesprochen hat durch Abwässer, durch Abluft, worum es hauptsächlich ja damals ging. Und damals war dann ein Herr, Herr Weise aus dem Vorstand der Bayer AG mit dabei. Und der hat dann damals gesagt – und ich fand das ziemlich mutig einerseits und revolutionär, vielleicht hing es damit zusammen, weil er bald in den Ruhestand ging – ja wir können hier viel über Abfallstoffe und Abwasser und Abluft diskutieren, aber die eigentlichen Produkte, die eigentlichen Emissionen der chemischen Industrie sind ja die Produkte. Und da liegt das Problem. Und das hat vieles vorweggenommen und das hat mich nicht mehr losgelassen, darüber nachzudenken, was das eigentlich heißt und wie man damit umgehen kann.

Tim Pritlove
0:09:45
Klaus Kümmerer
0:09:50

Ja ich wollte dann wieder an die Hochschule, an die Universität zurück, war dann an der Universität Freiburg auch nochmal. Nicht in die Chemie, sondern ich war dann in der Medizin. Weil mich beschäftigt hat, ja Zufälle spielen eben häufig eine Rolle, jemand kennengelernt aus der Uniklinik, den Leiter des Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene damals und da sind wir im Gespräch drauf gekommen, was passiert eigentlich mit all den Arzneimitteln, die die Menschen ausscheiden und damals noch viel mehr interessiert, welche Rolle spielen da eigentlich die Kliniken? Also auch da war ich sozusagen nicht ganz typisch wieder. Ich habe nochmal einen Bereich gesucht, wo man eigentlich als Chemiker nicht so hingeht und man ist dann fachfremd. Und wenn man als Chemiker in die Medizin geht, dann eigentlich eher in die biochemische Forschung. Und insofern Ihre Frage vorhin, wann das Interesse für die Wissenschaft, immer, aber noch nicht ausgeprägt für eine wissenschaftliche Karriere. Ich habe mich eher davon leiten lassen, Dinge zu machen, die mich interessieren, die ich spannend finde. Spannend auch im Sinne von herausfordernd, oder die ich besser verstehen wollte. Und da ging es dann unter anderem drum, mal zu überlegen. War ich da in der Uniklinik relativ lange dann und habe mich dann auch damit beschäftigt, wo werden welche Mengen an Arzneimitteln eigentlich eingesetzt, wo verbleiben sie? Eben es wird ein Großteil zum Teil unverändert ausgeschieden, dessen war ich mir vorher auch nicht so bewusst. Die gehen dann ins Abwasser und was passiert dann? Dann haben wir angefangen, Abbaubarkeit von diesen Stoffen zu untersuchen und so kam eins zum anderem. Dann haben wir festgestellt, viele sind nicht abbaubar und dann zwischenzeitlich ist das auch ein größeres Thema geworden, das an anderen Stellen entstanden ist, aber auch zum Teil durch unsere Arbeiten mit angestoßen. Dann gab es Nachweise von Arzneimitteln in der Umwelt. Eine Sache, von der wir lange Zeit gar nicht wussten, parallel in Berlin hatte eine Gruppe einen Arzneimittelwirkstoff im Grundwasser entdeckt aus einer Altlast. Wo sie zuerst gedacht haben, das sei der Überrest eines Pflanzenschutzmittels und so ging dann die ganze Diskussion los und war dann nach 10 Jahren ein weltweites Thema. Ein Hype-Thema, was mich dann unter anderem dazu veranlasst hat, zu sagen, also gut das ist jetzt ein Thema, das machen jetzt viele und dann war es für mich aber – ich sage das mal so – nicht mehr so ganz interessant. Und die Dinge, die mich interessiert haben, nämlich und deshalb war ich damals auch in der Uniklinik genau richtig, was kann ich an der Quelle machen? Es gab viele Veröffentlichungen, die dann Arzneimittel in der Umwelt nachgewiesen haben. Ja ist schön und erreicht viel Öffentlichkeit, viel mehr als so komische Bilanzierungen und Fragen an der Quelle. Aber letztlich war ich interessiert, ja wie können wir das Problem angehen? Und dann ist auch losgegangen irgendwann, das brauchte eine Weile, dass man gesagt hat, ja wir müssen uns mit Abwasserreinigung beschäftigen. Dann kam die Diskussion, wir brauchen erweiterte Abwasserreinigung. Also wir haben bei uns hier drei Stufen in normalen Abwasserreinigungen. Die mechanische Stufe und dann die biologische Stufe. Der Hauptteil, wo Bakterien Stoffe abbauen, Schadstoffe abbauen. Wobei die ursprüngliche Konzeption der Kläranlage ja ist, dass sie menschliche Ausscheidungen entfernt und nicht irgendwelche synthetischen Chemikalien. Und dann muss man sich auch nicht wundern, dass das nicht so einfach geht und die Bakterien dort eben nicht alles abbauen zu Kohlendioxid und Wasser, sprich vollständig mineralisieren. Man hatte ja auch vorher schon gewusst von Schadstoffen, die sozusagen unbeabsichtigt entstanden sind, wie Dioxine oder polizyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, dass wir die im Klärschlamm finden. Dass wir zum Teil auch manche chemischen Produkte im Klärschlamm finden, die Moleküle und dann kamen die Arzneimittel noch dazu und die endokrin wirksamen Stoffe, also die hormonartig wirkenden Stoffe. Und dann hat man gemerkt, und all dieses kriegen wir ja gar nicht raus vollständig. Müssen wir also mehr machen, also eine vierte Stufe wurde dann erforscht und da ist man dann mit verschiedenen Mitteln dran, aber auch chemischer Sicht war mir relativ schnell klar, das kann eigentlich nicht funktionieren. Und das ist zwischenzeitlich der Stand der Diskussion. Und deshalb hat mich schon relativ früh interessiert, wenn man jetzt von dieser End of the Pipe, die Behandlung am Ende des Rohres, weggehen, was können wir eigentlich am Anfang des Rohres machen oder wie Albert Einstein mal so schön gesagt hat, wenn es denn wirklich von ihm ist, ein schlauer Mensch löst ein Problem, ein weiser vermeidet es.

Tim Pritlove
0:14:34
Klaus Kümmerer
0:14:37
Tim Pritlove
0:14:40
Klaus Kümmerer
0:14:43

In Freiburg ja. Und zu der Zeit stellte sich dann auch die Frage, oder war für mich klar, ich will eigentlich auch von dieser umweltchemischen Sichtweise weg und dann kam an anderer Stelle, ausgehend von Produktionsverbesserungen, Abfälle sparen, Energiesparen, die grüne Chemie als Diskussionspunkt und in Deutschland auch eine Diskussion über aus politischen Gründen nicht grüne, sondern nachhaltige Chemie auf und das war dann genau der Bereich, der mich da beschäftigt, wo ich mich dann ein Stück weit wiedergefunden habe. Allerdings war und ist zum großen Teil der Fokus da immer noch auf, wie kann ich bessere Synthesen machen und dadurch Ressourcen sparen, weniger Abfälle erzeugen, ist natürlich auch ökonomisch getrieben. Ich habe dann während der Zeit im Ökoinstitut auch noch so Dinge gemacht wie Ökobilanzen und Produktlinienanalysen. Haben mich mit Risiko und Zeit beschäftigt, alles Dinge, die man eigentlich dann nicht so einfach machen sollte, wenn man eine klare akademische Karriere plant. Und all dieses zusammengenommen hat dann dazu geführt, dass die Frage einfach im Raum stand, ja wie jetzt weiter, jetzt wissen wir, die Stoffe sind in der Umwelt und dann ergab sich die Möglichkeit, hierher zu kommen nach Lüneburg. Da wurde aus verschiedenen Gründen heraus eine Fakultät Nachhaltigkeit gegründet. Eine interdisziplinäre, das heißt ich arbeite hier nicht nur mit Chemikern zusammen, sondern auch mit Biologien, aber vor allen Dingen auch haben wir Ökonomen, wir haben Umweltrechtler, wir haben Politikwissenschaften in einer Fakultät unter der Überschrift Nachhaltigkeitsforschung.

Tim Pritlove
0:16:20
Klaus Kümmerer
0:16:25

So ist es ja. Weil sonst als Techniker oder Chemiker bleibe ich dann nur sozusagen bei den chemischen Lösungen stehen und kann vielleicht Stoffe verbessern. Aber wenn diese Stoffe dann im Sinne der nachhaltigen Chemie so gemacht sind, dass sie zwar eine gute Synthese haben und vielleicht Ressourcenaspekte auch noch beachtet werden, aber ich nicht im Blick habe, dass sie vielleicht für einen Zweck eingesetzt sind, der mit Nachhaltigkeit gar nichts zu tun hat, dann ist das eigentlich messerscharf am Ziel vorbeigeschossen. Und alles für die Katz. Und deshalb ist auch mein Verständnis von nachhaltiger Chemie, also grüne Chemie, green Chemistry, dass man sagt, wie kann ich Chemie insgesamt nachhaltiger machen? Von der Rohstoffgewinnung – und da geht es ja schon los, da gibt es jede Menge ökonomische Aspekte, da gibt es aber auch soziale Aspekte, geopolitische Aspekte - über die Herstellung der Produkte, über den Vertrieb, ihre Anwendung bis zu ihrem Verbleib. Seien das jetzt Arzneimittel als einzelne Moleküle oder Flammschutzmittel, die unbeabsichtigt ins Abwasser gehen. Denken Sie an Kosmetika, Shampoo, wenn Sie heute morgen geduscht haben, machen Sie ja nichts falsches. Das geht quasi bestimmungsgemäß in die Umwelt. Oder wenn wir komplexe Materialien machen. Denken wir an Solarzellen, wie können wir die hinterher wiedergewinnen? Was steckt da an Stoffen drin? Und da habe ich immer entlang es gesamten Lebenswegs habe ich immer auch die ökonomischen Aspekte, habe politische Aspekte. Und das führt dann zu der Frage sozusagen, wie kann Chemie mit guten Produkten zur Nachhaltigkeit beitragen? Und das ist dann erst nachhaltige Chemie.

Tim Pritlove
0:18:05
Klaus Kümmerer
0:18:31

Ja also ich habe vorhin über die Fakultät gesprochen, aber Sie haben Recht, ein Stück weit spiegelt sich das auch im Institut oder in meiner Arbeitsgruppe. Das heißt ich habe jetzt im Moment zwar nicht all die Disziplinen, aber im Laufe der Zeit, es waren Ingenieure, es sind zum Teil auch noch Physiker, Biologen, Limnologen, Pharmazeuten. Ich habe Kooperationen mit Kollegen hier dann an der Fakultät, wo es um Bildung geht, Ausbildung geht, wie vermittle ich Wissen. Wir haben immer Praxispartner gehabt, mit denen wir das zusammen gemacht haben, aber ja das verändert sehr stark. Weil man gucken muss, wie definiere ich mich? Wissenschaftler definieren sich ja gern über eine ganz spezifische Expertise. Und der erste Punkt, aber das ging schon früh los zu Beginn meiner Habilitation, habe ich Biologen, Mikrobiologen gehabt, um die biologische Abbaubarkeit von Stoffen besser zu verstehen, ich habe von denen viel gelernt. Also mein Selbstverständnis war dann nicht mehr, ich als der Leiter der Arbeitsgruppe bin der, der in allem der Experte ist und von allem am besten Bescheid weiß. Sondern ich habe mein eigenes Spezialgebiet, aber und ich muss dafür sorgen, dass wenn ich verschiedene Disziplinen in meiner Arbeitsgruppe habe, dass die miteinander sprechen und sich austauschen und zusammenarbeiten. Und dass ich das auch verstehe. Und ich habe das dann irgendwann als Chance begriffen, vieles zu lernen. Wie schon gesagt, wer nur von Chemie was versteht, versteht auch die nicht. Es gibt so viele spannende Dinge auf dieser Welt. Und das dann eben auch in die Arbeitsgruppe reintragen. Aber klar sind wir jetzt nicht diejenigen, die im Bereich der Analytik diejenigen sind, die da die besten Publikationen machen. Die fortgeschrittenste Analytik haben oder die ausgefuchstesten Methoden. Sondern wir kommen immer erst ein bisschen später, wenn das sozusagen läuft und gucken, was brauchen wir. Also auch in meiner Arbeitsgruppe gibt es eine Gruppe, die beschäftigt sich mit Abbau, biologischem Abbau, aber durch Licht von Stoffen und dann gibt es Analytik, um zu gucken, was bleibt da übrig, was kann man daraus lernen. Und dann gibt es eine Gruppe, die sich mit Toxikologie auskennt, die sich damit beschäftigt, welche Eigenschaften haben denn diese Stoffe im Sinne von Wirkung. Wenn ein Stoff unvollständig abgebaut wird, wie bei der erweiterten Abwasserreinigung oder bei der Zersetzung in der Umwelt. Und es gibt eine Gruppe, die sich beschäftigt mit, jetzt haben wir Stoffe, die wir eigentlich gar nicht kaufen können, diese Abbauprodukte. Wie kann ich da Eigenschaften erheben? Und da gibt es Chemieinformatik. Also man kann heutzutage, wenn man eine Strukturformel hat, Eigenschaften von Stoffen rechnen, mehr oder weniger gut, hängt davon ab, welche Eigenschaft das ist. Sei es Wasserlöslichkeit, Verteilung in der Umwelt, aber auch Toxizität, ist der Stoff kanzerogen? Löst der Krebs aus? Und das haben wir auch in der Gruppe. Und das kommt alles zusammen. Das heißt auf eine Art und Weise mache ich immer noch Umweltchemie. Aber die Schlussfolgerungen, die ich daraus ziehe sind andere und wie ich das Wissen anwende. Nämlich genau der Frage ganz am Anfang des Rohres sind die Moleküle, wie kann ich sie so, bevor ich sie überhaupt synthetisiere, gestalten, dass sie bestimmte Eigenschaften haben, Anwendungseigenschaften, Funktionalität nennen wir das, die vielleicht sogar besser ist, als das Molekül sie hat, das ersetzt werden soll, aber gleichzeitig andere Eigenschaften, die für die Nachhaltigkeit wichtig sind. Beispielsweise wenn sie in die Umwelt gelangen, dass sie da schnell und vollständig abbaubar sind. Dass ich gar keine Kläranlage brauche oder keine vierte Stufe. Und dann haben wir den weiteren Bereich der Nachhaltigkeit. Nämlich, dass das weltweit anwendbar ist sozusagen.

Tim Pritlove
0:22:06
Klaus Kümmerer
0:22:45
Tim Pritlove
0:23:11
Klaus Kümmerer
0:23:12
Tim Pritlove
0:24:19
Klaus Kümmerer
0:24:29

Ja Lüneburg ist ja jetzt nicht die bekannte Exzellenzuniversität. Sondern Lüneburg ist nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet worden, zur Lehrerausbildung hauptsächlich. Und war dann bis Mitte der 80er noch gar keine Universität und war auch danach eine regionale Universität und gehört auch so ein bisschen in den Reigen der Neugründungen von kleinen neuen Universitäten auch in Niedersachsen. Und man stand dann, soweit ich das verstanden habe, Anfang der 2000er Jahre vor dem Problem, wollen wir wirklich so viele Universitäten haben kleine, relativ unbedeutende oder wollen wir was anderes haben? Müssen wir vielleicht welche schließen? Klar, es ging sicher auch um finanzielle Überlegungen. Und da hat sich die Universität Lüneburg unter anderem auch ja neu erfunden, im Sinne von, dass damals schon Umweltnachhaltigkeit, Nachhaltigkeit ist ja schon länger ein Thema, wenn man den Brundtland-Bericht denkt, Ende der 80er. Dass man gesagt hat, ja wir müssen uns neu aufstellen, wenn wir überleben wollen. Wir brauchen vielleicht auch eine Nische oder einen neuen Ansatzpunkt. Und da gab es hier ein Stück weit schon ein bisschen Tradition und dann war Nachhaltigkeit ist ein Thema. Eine der Folgen ist die Gründung dieser Fakultät. Das andere ist aber auch, dass Nachhaltigkeit ein Leitbild der ganzen Universität ist und auch Zivilgesellschaft als Leitbild. Wo man sagt, also eine Ausbildung von Studierenden, oder Bildung von Studierenden ist fachlich wichtig und muss gut sein, aber wir wollen nicht nur Studierende, die nachher abschließen, exzellent in ihrem Fach sind, aber kein Interesse dafür haben oder nicht wissen, was im Moment die aktuellen politischen Diskussionen sind und was das vielleicht für sie bedeutet oder wie sie sich vielleicht als Bürger vor Ort, da wo sie wohnen, einbringen können oder an der Institution, in denen sie arbeiten.

Tim Pritlove
0:26:21
Klaus Kümmerer
0:26:57

Ich denke schon, also da war ich noch nicht da zu der Zeit, aber ich denke schon, dass das eine Rolle gespielt hat, die Nähe von Gorleben hat sicher auch eine Rolle gespielt. Könnte ich mir auch vorstellen auf dem Gelände, wo wir jetzt hier sind beispielsweise das war eine Kaserne der Briten bis glaube ich 91/92, die Universität gab es schon vorher, aber dann ist sie hierher gezogen. Also Schwerter zu Pflugscharen und ähnliche Dinge, das spielt sicher alles mit rein, ist nicht auszuschließen. Lüneburger Heide ist ein ganz spannendes Beispiel insofern, als die Lüneburger Heide, was wir heute schützen, ja das Ergebnis eines Raubbaues aus früheren Jahrhunderten ist. Lüneburg als Hansestadt war ja lange Zeit der Salzlieferant für die anderen Hansestädte, um beispielsweise Lebensmittel zu konservieren. Das hat dann irgendwann im 17. Jahrhundert aufgehört und von da ab war Lüneburg auch arm. Und dann nochmal mit der Zonengrenze nochmal arm. Und insofern ist das ein ganz interessantes Beispiel. Wo ich noch gar nicht sagen soll, mit glücklichem Ausgang, aber zumindest mit überraschendem Ausgang. Weil vorher war das ja eigentlich alles Waldgebiet und nachher war es abgeholzt und kahl. Und jetzt schützen wir es und empfinden es als wertvoll. Die Frage ist sozusagen, brauchen wir, sollten wir immer diesen Umweg gehen und gibt es immer diesen glücklichen Zufall oder gibt es vielleicht auch systematischere Ansätze und kann man manche Dinge oder muss man manche Dinge nicht im Vorfeld einfach schon vermeiden.

Tim Pritlove
0:28:24
Klaus Kümmerer
0:29:04
Tim Pritlove
0:29:17
Klaus Kümmerer
0:29:18

Wir gebrauchen immer mehr Wasser. Und was uns jetzt hier anbelangt stellen wir auch fest, dass es immer häufiger auch mal zu Wasserknappheiten kommt, anscheinend über den Klimawandel. Weltweit stellen wir auch fest, dass es eine immer ungleichmäßigere Verteilung gibt. Ich habe einen Mitarbeiter aus Indien beispielsweise, der hat mir erst gestern erzählt, da gibt es jetzt Bereiche und das habe ich auch mitbekommen, weil in den Medien da gab es sintflutartige Überschwemmungen und gleichzeitig gibt es in diesem Land gar nicht so weit weg Bereiche, wo es seit drei Jahren nicht mehr geregnet hat. Was früher wohl häufiger der Fall war. Also diese Ungleichverteilung einfach mal geografisch und dann auch die Ungleichverteilung, wer kann sich wie viel Wasser leisten. Und was wesentlich auch mit rein spielt ist die Qualität des Wassers. Die Qualität des Wassers, hygienischer Zustand, also Krankheitserreger, was kann als Trinkwasser direkt benutzt werden? Das sieht bei uns relativ gut aus, bei uns wenn man Wasser trinkt, selbst aus dem Bach, wird es häufig nicht so sein, dass man sofort umkippt, sondern wenn man Pech hat gibt es Bauchschmerzen, weil man ein paar Keime mit aufgenommen hat. In anderen Ländern sieht das ja ganz anders aus. Da wohnt der eine am Fluss und macht sein tägliches Geschäft und der nächste weiter unten wäscht 100-200 Meter weiter sein Geschirr. Die Bilder kennen wir alle. Da geht es gleich um hygienische Aspekte. Was wir aber bei uns auch feststellen, wenn wir zurückgehen vor 30-40 Jahren da hatten wir relativ wenige Stoffe. Relativ wenige in relativ hoher Konzentration in unseren Flüssen.

Tim Pritlove
0:31:04
Klaus Kümmerer
0:31:05
Tim Pritlove
0:31:18
Klaus Kümmerer
0:31:21

Überdüngung von Gewässern, was dann letzten Endes zu dem führt, was man so als Flusssterben oder Umkippen des Flusses kennt, wo es damals auch Bilder gab, alle Fische schwimmen oben, es ist eine stinkende Brühe. Solche Dinge, das haben wir alles nicht mehr. Dank der Fortschritte, der großen Fortschritte des technischen Umweltschutzes, des nachsorgenden Umweltschutzes. Mit dem wir ja jetzt an die Grenzen kommen, was wir unter anderem daran sehen, wir haben einerseits sehr viel mehr verschiedene chemische Stoffe, die in die Umwelt gelangen können. Wir haben etwa 100.000 verschiedene Stoffe in der Europäischen Union auf dem Markt. Es wird geschätzt, dass 30.000 davon in die Umwelt gelangen davon normalerweise und messen können wir vielleicht 500. Also wir haben sehr viel mehr und die Konzentrationen sind dank dessen, dass wir diesen technischen Umweltschutz haben, auch deutlich niedriger. Also wir sprechen nicht mehr über Milligramm pro Liter, also 1000tel Gramm pro Liter, wir sprechen um einen Faktor Tausend oder Million weniger. Mikrogramm pro Liter oder Nanogramm pro Liter. Und da sind wir bei deutlich weniger. Also Milligramm pro Liter, das wäre ppm, Milligramm pro Kilogramm, part per million oder Preuße pro München, da kann man sich das etwa vorstellen. Und da sind wir jetzt nochmal und den Faktor Tausend oder noch mehr drunter. Also wir sprechen jetzt von Chinese pro China sozusagen oder Inder pro Indien. Das können wir heute gut messen. Also es geht nicht um akute Bedrohung oder Toxizität bei uns. Bei uns geht es vielleicht eher drum, und da haben wir vielleicht zunehmende Allergie, in manchen Bereichen zunehmende Krebshäufigkeit, weil wir zunehmend mit mehr Stoffen in Kontakt kommen, über längere Zeit in Kontakt kommen, das können wir aber nicht abschätzen. Wir haben keine Daten drüber, was bedeutet eine lebenslange Aufnahme von einem bestimmten Stoff in ganz niederer Konzentration. Werden wir wahrscheinlich auch nie haben, wir können und wollen keine Menschenversuche machen. Aber all diese Abschätzungen der Risiken ist immer nur für einen Stoff. Wir haben keine oder nur ganz wenige Kenntnisse drüber, was bedeutet es, wenn wir mehreren Stoffen gleichzeitig ausgesetzt sind. Wir sehen es ein bisschen bei älteren Menschen, die häufig mehrere Medikamente gleichzeitig bekommen, dass da häufig oder immer häufiger unerwartete Nebenwirkungen auftreten. In extremen Fällen bis zum Tod.

Tim Pritlove
0:33:46

Ja.

Klaus Kümmerer
0:33:47
Tim Pritlove
0:34:28
Klaus Kümmerer
0:34:30
Tim Pritlove
0:34:59
Klaus Kümmerer
0:35:03

Ja, also die Rinder sind dann verendet und man weiß, dass Diclofenak auch beim Menschen nierentoxisch ist. Jetzt kenne ich mich mit der Geierphysiologie nicht so gut aus, aber man weiß, dass diese geringen Mengen genau dazu geführt haben, dass die da ein Problem hatten und immer mehr gestorben sind. Das noch viel spannendere an diesem Beispiel ist einerseits, dass der Wirkstoff jetzt in Spanien wohl wieder zugelassen wurde und andererseits und das ist mir der viel wichtigere Punkt, dass sogenannte Neuweltgeier, also in Indien, Asien haben wir die sogenannten Altweltgeier. Die Neuweltgeier, der Kondor in Südamerika anscheinend völlig unempfindlich ist gegenüber diesem Stoff. Und das führt dann auf die Frage, können wir denn, werden wir wirklich in der Lage sein, für jede Chemikalien alle möglichen Risiken zu prüfen? Und meine Schlussfolgerung ist nein. Denn wenn wir überlegen, wir nehmen einen Stoff, dieser Stoff hat vielleicht fünf oder zehn Abbauprodukte in der Umwelt oder in der Kläranlage, dann haben wir allein für Mutagenität, ein ganz wichtiger Toxizitätsendpunkt, einen Test, der heißt Ames-Test. Allein da gibt es schon mindestens acht verschiedene Varianten, wie ich diese Mutagenität bestimmen kann oder bestimmen muss. Dann haben wir haben wir aber noch ganz viel mehr Toxizitätsendpunkte, Gentoxizität, Zelltoxizität. Da gibt es jeweils wieder die ganze Palette von Tests, die alle ihren Sinn machen, weil jeder Test nur ganz bestimmte Dinge abbildet. Das heißt wir sind ganz schnell bei sehr großen Zahlen, allein für einen Stoff. Wenn wir dann denken, wie viele chemische Stoffe haben wir denn auf dem Markt, dann werden wir das Risiko nie abschätzen können und es wird immer wieder Überraschungen geben. Und auch die Kombinationswirkungen sind ja damit noch lange nicht erfasst. Das heißt für mich und da komme ich jetzt wieder zurück auf meine früheren Dinge mit Zeit und Vorsorge und ähnliches und Risiko, was ich mal gemacht habe auch, stellt sich die Frage, was machen wir damit? Und was ist unser klassisches Weltbild und darin liegt für mich eigentlich die Begründung des Vorsorgeprinzips. Und damit liegt auch drin die Frage, wie kann ich verhindern, das bestimmte Stoffe entweder in die Umwelt gelangen, durch geschicktes Handhaben, durch weniger Stoffe nutzen. Manche werden wir aber weiterhin nutzen müssen und auch sollen, denn sie sind wesentlich für das Funktionieren der Welt, für die Gesundheit für unseren Lebensstandard, darum geht es nicht. Aber dass wenn sie in die Umwelt gelangen beispielsweise sie schnell und vollständig abbaubar sind.

Tim Pritlove
0:37:39
Klaus Kümmerer
0:38:24
Tim Pritlove
0:39:50
Klaus Kümmerer
0:39:52
Tim Pritlove
0:40:14
Klaus Kümmerer
0:40:27

Also der Planet Erde verliert ja kein Wasser oder kaum Wasser in die Atmosphäre. Es ist die übermäßige Beanspruchung, also Mengen immer mehr, auch an bestimmten Orten immer mehr, zum Teil auch bei uns, wo der Grundwasserspiegel absinkt, weil wir einfach mehr Wasser entnehmen als reinkommt, dann spielt sicher der Klimawandel mit rein. Und eben aber auch die Qualität, dass wir immer mehr Wasser in höherer Qualität brauchen, dass wir immer mehr Menschen werden. Also wenn die Fäkalien von zehn Menschen in einen großen Fluss gehen, ist das kein Problem. Nur wenn da eine Millionenstadt nach der anderen dran ist, dann ist das ein Problem. Und da auch nochmal an der Stelle, ich habe keine grundsätzliche Kritik an Kläranlagen. Der größte medizinische Fortschritt sozusagen war die Erfindung der Kläranlagen. Nämlich die menschlichen Ausscheidungen aus dem Wasser und damit die Krankheitserreger aus dem Wasser rauszunehmen und die Stoffe, die zu dieser Überdüngung führen können zum Teil. Wir stoßen nur jetzt an die Grenzen, wo wir sagen, die jetzigen Probleme mit den Stoffen, mit den Spurenstoffen, die wir dort drin haben, können wir auch auf diesem Weg lösen. Das wird eine Sackgasse sein, nach meiner Überzeugung oder nach meiner Erfahrung. Also da spielen ganz viele Dinge miteinander rein und wenn ich überall Kläranlagen wollte, habe ich wieder einen entsprechend höheren Energiebedarf. Die Energie ist nicht zur Verfügung. Manchmal auch in manchen Bereichen nicht entsprechend qualifiziertes Personal und wenn ich da eine Hightechanlage habe, braucht die nochmal mehr Energie, macht Folgeprobleme und ich brauche zusätzliche Chemikalien, und ich brauche vielleicht Ersatzteile. Das haben wir ja auch gelernt aus der Entwicklungspolitik der 70/80/90er Jahre. Toll wir bohren einen Brunnen in Afrika und stellen einen Pumpe hin. Nur die läuft vielleicht nach zwei Jahren nicht mehr, weil zu viel Sand reingekommen ist und wer weiß dann, wie man die Pumpe zerlegt? Das Ersatzteil, wenn es denn verfügbar ist, aus- oder einbaut. Und von daher braucht man auch da ganz andere Zugänge. Da geht es jetzt vielleicht eher um Bildung und sonstige Dinge und um Selbstbefähigung. Aber wir brauchen auch genau deshalb so Ansätze, die am Beginn des Problems ansetzen und nicht nachbehandeln.

Tim Pritlove
0:42:39
Klaus Kümmerer
0:43:08
Tim Pritlove
0:44:13
Klaus Kümmerer
0:44:32

Das Meer ist nur insofern eine Antwort, als wir natürlich das Salzwasser technisch reinigen können, aber diese technische Reinigung dadurch wieder jede Menge Energieaufwand braucht. Und jetzt kann natürlich sagen, und das trifft jetzt für viele Bereiche, das trifft für Ressourcengewinnung, das trifft für Recycling, das trifft für Abwasserbehandlung zu, ja wenn wir alles solar machen haben wir genügend Energie. Aber wir haben nicht unendlich viel Energie. Und solange wir nicht unendlich viel Energie haben, wird vielleicht an einer Stelle die Situation verbessert, aber an anderer Stelle wird sie schlimmer. Beispielsweise indem Abfälle entstehen. Wir kriegen unsere seltenen Erdmetalle, mit denen wir schön nachhaltige Energie machen können, aus China. Der Dreck entsteht in China, den sehen wir gar nicht mehr. Aber es wird immer Entropie entstehen, Unordnung, Verunreinigung, gegen die wir ankämpfen müssen, brauchen wir noch mehr Energie. Was dazu führt, dass ich woanders wieder. Also meine Solarzelle wächst ja auch nicht auf dem Baum, die muss hergestellt werden. Da gibt es Abfallstoffe, Abwärme etc.. Ja und das scheint mir glaube ich ein zentraler Punkt, den wir viel besser verstehen müssen und das gilt für Wasser auch. Ja wir können Wasser reinigen mit Umkehrosmose, geht technologisch, gar kein Problem, aber wir müssen die Energie haben, wir müssen das KnowHow haben, wir müssen die Materialien und Einrichtungen dafür haben. Und wenn wir das an im großtechnischen Maßstab machen, im globalen, dann brauchen wir da eben nicht nur ein paar Solarzellen dafür.

Tim Pritlove
0:45:59
Klaus Kümmerer
0:46:08
Tim Pritlove
0:47:33
Klaus Kümmerer
0:47:34
Tim Pritlove
0:47:45
Klaus Kümmerer
0:47:48
Tim Pritlove
0:48:37
Klaus Kümmerer
0:48:54
Tim Pritlove
0:50:06
Klaus Kümmerer
0:50:09
Tim Pritlove
0:50:32
Klaus Kümmerer
0:50:37
Tim Pritlove
0:50:37
Klaus Kümmerer
0:50:42
Tim Pritlove
0:51:22
Klaus Kümmerer
0:51:24
Tim Pritlove
0:51:24
Klaus Kümmerer
0:51:24
Tim Pritlove
0:52:27
Klaus Kümmerer
0:52:41
Tim Pritlove
0:52:45
Klaus Kümmerer
0:52:50
Tim Pritlove
0:52:54
Klaus Kümmerer
0:53:22
Tim Pritlove
0:53:33
Klaus Kümmerer
0:53:40
Tim Pritlove
0:54:05
Klaus Kümmerer
0:54:09
Tim Pritlove
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Klaus Kümmerer
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Tim Pritlove
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Klaus Kümmerer
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Tim Pritlove
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Klaus Kümmerer
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Tim Pritlove
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Klaus Kümmerer
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Tim Pritlove
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Klaus Kümmerer
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Tim Pritlove
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Klaus Kümmerer
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Tim Pritlove
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Klaus Kümmerer
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Nicht wenn ich das Arzneimittel anders herstelle, sondern wenn ich den Wirkstoff so modifizieren, den aktiven Stoff, der die Wirkung macht, so verändere, dass er weiterhin aktiv ist. Die Wirkung, die ich haben will, und gleichzeitig wenn er in die Kläranlage kommt oder in die Umwelt, schnell und vollständig abbaubar ist. Und das war, ich habe vor 10 Jahren mit dem Konzept angefangen, darüber nachzudenken. Und das waren viele Diskussionen, ja das geht ja gar nicht. Entweder er ist wirksam, dann kamen so Argumente, muss ja eine Haltbarkeit haben oder er ist biologisch abbaubar, das ist ein Widerspruch und da Arzneimittel unbestrittenerweise einen hohen Wert haben, also für uns wichtig sind, können wir da auf die biologische Abbaubarkeit keine Rücksicht nehmen. Das war eines der ersten Argumente. Und wenn wir das machen würden, dann würden wir ja vielen Menschen der Zukunft vielleicht neue Wirkstoffe vorenthalten, können wir ethisch nicht vertreten. Ist in der Tat ein wichtiges ethisches Problem, wurde ich auch mit konfrontiert. Nur dann fiel mir auf, hoppla, wie viele Wirkstoffe werden eigentlich gar nicht entwickelt, weil der Markt zu klein ist? Ökonomisch zu klein. Denken Sie an Malaria, denken Sie an Lepra, was ja nicht wenige Menschen betrifft. Denken Sie an Aids, die ganzen Diskussionen, kriegen die Menschen jetzt die Arzneimittel zum vernünftigen Preis oder umsonst oder nicht? Also letztlich haben wir gar keine ethische Diskussion, sondern wir haben eine ökonomische Diskussion. Und dann wäre das nächste Argument, ja wir haben sowieso schon zu wenig Wirkstoffe, wenn wir das jetzt auch noch als Kriterium haben, jetzt soll es auch noch in der Umwelt biologisch abbaubar sein. Und wenn man sich die Geschichte der Pharmazie anguckt, dann war es immer so, dass im Lauf der Zeit die Kriterien, die ein Stoff erfüllen muss, also was nicht da sein darf, was da sein muss an Eigenschaften, immer mehr wurden. Wir haben seitdem nicht weniger Wirkstoffe. Ganz klassisches Beispiel Contergan. Nachdem Contergan war, gab es ganz viele neue …

Tim Pritlove
1:00:40
Klaus Kümmerer
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Tim Pritlove
1:00:43
Klaus Kümmerer
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Tim Pritlove
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Klaus Kümmerer
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Tim Pritlove
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Klaus Kümmerer
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Tim Pritlove
1:01:08
Klaus Kümmerer
1:01:10

Ja gut, man wusste das damals noch nicht. Man hat es vielleicht in dem speziellen Fall, schwer zu sagen, was in Kauf genommen wurde und was wirklich an Wissen da war, noch nicht da war, da bin ich nicht der Experte. Der entscheidende Punkt, auf den es mir ankommt, ist, danach musste man neue Eigenschaften zeigen, dass beispielsweise neuer Wirkstoff keine solche Missbildungen macht. Also das Argument, wenn wir das jetzt berücksichtigen, haben wir ja weniger Wirkstoffe. Wir haben aber seitdem sehr viel mehr Wirkstoffe. Und es gibt viele Studien, die zeigen, wenn solche neue Anforderungen kommen, das häufig ein Innovationstreiber ist. Weil es entsteht eine neue Möglichkeit, zugegebenermaßen vielleicht für andere Spieler auf dem Feld, in diesen Raum zu gehen und zu sagen, ja die die klassischen Arzneimittel machen bisher, die sind einfach zu träge oder zu groß oder was auch immer, klassisches Denken, wir hatten da bisher mit Erfolg. Da sind wir alle so gestrickt, also machen wir so weiter. Und dann können aber andere kommen und sagen, ja wir trauen uns das zu, dieses Problem oder diese erhöhten Anforderungen auch einzubauen. Und nachdem ich jetzt mal diesen Blick hatte, dann sind mir ganz viele Beispiele aufgefallen. Man lebt manchmal auch vom Zufall. Die älteren Hörer wissen vielleicht noch, Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre gab es Schaumberge auf den Kläranlagen. Warum? Damals wurde ein synthetisches Tensid, also ein Stoff, der die Waschreinigung vom Wasser besser macht als Seife, eingeführt und der war nicht biologisch abbaubar. Und da hat er das gemacht, was er machen soll, nämlich er hat Schaum gemacht. Aber das hat damals jeder gesehen. Und damals kam der Gesetzgeber und hat gesagt, liebe Anwender, liebe Hersteller, in fünf Jahren ist das verschwunden oder der Stoff wird verboten. Und dann kamen die mit einem neuen Stoff. Geänderte chemische Struktur, viel besser biologisch abbaubar, wird heute noch 400.000 Tonnen pro Jahr in Deutschland eingesetzt. Sogar gegenüber Wasserorganismen, toxischer giftiger als der Stoff, den er ersetzt hat, aber hervorragend abbaubar. Tolles Beispiel. War einer der Anfänge der Umweltschutzgesetzgebung in Deutschland im Bereich Wasser.

Tim Pritlove
1:03:16
Klaus Kümmerer
1:03:34
Tim Pritlove
1:03:40
Klaus Kümmerer
1:03:42
Tim Pritlove
1:04:24
Klaus Kümmerer
1:04:34
Tim Pritlove
1:05:40
Klaus Kümmerer
1:05:42

Es gibt Möglichkeiten, es gibt Möglichkeiten, diese Molekülstrukturen zu variieren. Es gibt Möglichkeiten für die Varianten. Wo das nachher dann wirklich geht oder nicht, das wird sich zeigen. Aber auch hier ist mir nochmal wichtig, ich hatte das gesagt mit dem veränderten Blick auf diese Waschmittelinhaltsstoffe, Zufall spielt manchmal eine Rolle. Ich habe mich beschäftigt mit Zytostatika in der Umwelt und wurde deshalb eingeladen, beim Krebsforschungszentrum in Heidelberg einen Vortrag zu halten über Zytostatika in der Umwelt. Also Mittel zur Krebsbehandlung. Habe ich gemacht und am Ende des Vortrags sind die auf mich zugekommen und haben gesagt, Sie haben da ein Molekül gezeigt, da haben wir eine Variante. Die haben wir entwickelt, um die Nebenwirkungen zu reduzieren. Was glauben Sie denn, ist das auch biologisch abbaubar in der Umwelt? Da sage ich, ja so wie Sie das verändert haben nach meiner Erfahrung, könnte sein, da ist ein Zucker dran, ein bestimmter Zucker, wahrscheinlich geht es, aber wir müssen das gesamte Molekül anschauen. Haben die mir ein paar Milligramm mitgegeben, wir haben unseren Test gemacht und es ist wunderbar abbaubar. Und dann hat es aber nochmal eine Weile gedauert, um genau auf die Idee zu kommen, hoppla, weil ich war ja vorher auch so ausgebildet und sozialisiert, ein Stoff hat stabil zu sein, dass er auf den Markt kommt und erfolgreich ist. Aber ich muss fragen, wann und wo in seinem Lebensweg – wir kommen wir zurück auf die Lebenswegbetrachtung. Auf dem Regal, wo kein Licht hinkommt, oder wo Licht hinkommt, aber keine Feuchtigkeit ist, da sind andere Bedingungen. Und wenn das Licht stört, dann kommt es in Braunglas. Sie können ja mal schauen, wie viele Arzneimittel in der braunen Flasche oder im braunen Blister auf dem Markt sind. Oder ich kann mich noch erinnern, bei unseren Kindern, die hatten mal Amoxicillin, ein Antibiotikum bekommen als Pulver. Und da Kinder, kleine Kinder sich ja noch schwer tun, so was zu schlucken, gibt es das als Pulver und da hieß es, aufschlämmen im Wasser. Habe ich gemacht oder haben wir auch gemacht und dann in den Kühlschrank stellen. Ja warum in den Kühlschrank stellen? Damit sich es nicht so schnell zersetzt. Und da haben wir auch da nochmal geguckt und haben festgestellt, hoppla es gibt ja schon 10-12 Beispiele und wir haben noch nicht alle Wirkstoffe angeguckt, die ohne Absicht gut biologisch abbaubar sind. Also da stimmt es nicht, Stabilität und biologische Abbaubarkeit in der Umwelt ist grundsätzlich ein Widerspruch, sondern es ist eine Frage, wie schaue ich darauf.

Tim Pritlove
1:08:04
Klaus Kümmerer
1:08:30
Tim Pritlove
1:08:49
Klaus Kümmerer
1:08:53

Zytostatika für die Krebsbehandlung. Aber Röntgenkontrastmittel, also wenn Sie zum Arzt gehen und die Blutgefäße sollen sichtbar gemacht werden, dann müssen Sie was schlucken, so wie Sie für den Darm, da nimmt man ein anorganisches Salz, Bariumsulfat, Schwerspat und da braucht man organische Moleküle. Die sind sogar darauf optimiert, dass sie im Körper nicht abgebaut werden, und unverändert ausgeschieden werden. Die sind auch von der Menge nicht so bedeutend, aber sind ganz persistent, stabil in der Umwelt. Also das wäre ein Kriterium. Und dann, wenn wir uns beispielsweise Antibiotika anschauen, Stichwort Resistenz, wir wissen nicht, ich sage bewusst, wir wissen nicht, es geht wieder um Vorsorge im Moment, welche Rolle hat eigentlich die Gegenwart von Antibiotika in der Umwelt. Antibiotika wirken auf Bakterien. Die Hauptreinigungsstufe in Kläranlagen geschieht durch Bakterien. Resistenz kann übertragen werden. Im Moment sieht es so aus, als ob ein großer Teil dessen, was ich an resistenten Bakterien in der Kläranlage finde, aus der Anwendung herrührt, aber auch wenn sich bestimmte Antibiotika in der Umwelt anreichern und das kann passieren bei manchen aufgrund ihrer Eigenschaften, kriege ich auch da unter Umständen eine Konzentration, die so hoch ist, dass resistente Bakterien selektiert werden. Also würde ich sagen, Antibiotika ist eine wichtige Gruppe. Und dann alle Stoffe, ja Psychopharmaka, da gab es letztes Jahr eine interessante Studie aus Schweden. Die haben praktisch das Wasser eines Flusses genommen, ins Labor umgeleitet durch ein Aquarium, wo sie Fische hatten, war ein größeres Aquarium und haben dann festgestellt, hoppla, das Schwarmverhalten ändert sich. Und dann haben sie auch noch ein bisschen zudosiert, in umweltrelevanter Konzentration, ein Psychopharmakon und was ist passiert? Die Fische, die einen wurden viel – wie soll man sagen – mutiger. Da es aber keine Raubfische waren, heißt die Gefahr, dass sie gefressen werden, ist viel größer. Auch das sind Effekte, die wir langfristig nicht feststellen können und sagen, wegen den Arzneimitteln ist jetzt da der Fischbestand zurückgegangen. Aber es kann und wird dazu beitragen. Also deshalb das ist auch nochmal wichtig, wenn wir drauf warten, bis wir exakt den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang haben, wie im klassischen wissenschaftlichen Verständnis, werden wir an der Stelle nicht weiterkommen. Und auch da gibt es Beispiele. Bei Krebs haben wir einerseits Zusammenhänge, über Epidemiologie, statistische Verfahren, aber auch in vielen anderen Bereichen sagen wir ja auch, wir wissen, der Stoff ist krebserregend, wir wissen nicht, wie viele Menschen das mal betreffen wird, aber wir sorgen dafür, dass dieser Stoff nicht in den Nahrungsmittelkreislauf kommt oder dass im Arbeitsleben die Menschen damit in Kontakt kommen etc.. Und so müssen wir da auch vorgehen. Und dann Gruppe für Gruppe. Also Menge, Toxizität und spezielle Eigenschaften, wie hormonartig wirkende Stoffe oder synthetische Hormone und Antibiotika wären für mich mal Psychopharmaka die Hauptgruppen.

Tim Pritlove
1:11:47
Klaus Kümmerer
1:12:03
Tim Pritlove
1:12:29
Klaus Kümmerer
1:12:34
Tim Pritlove
1:12:35
Klaus Kümmerer
1:12:44
Tim Pritlove
1:13:44
Klaus Kümmerer
1:13:54

Da gibt es schon ein relativ breites Verständnis, das haben die letzten 30 Jahre Umweltchemie gezeigt. Und da gibt es ja sogar internationale Konventionen für die ganz persistenten, die sogenannten POPs, Persistent Organic Pollutants, persistente organische Verbindungen. Die da auf einer Liste stehen, Stockholm-Konvention heißt das Ganze, die dann auch kaum mehr oder nicht mehr verwendet werden dürfen. Aber es gibt viele Stoffe, die diese ganz strengen Kriterien nicht erfüllen und an die müssen wir auch dran. Und das Ziel muss, wir brauchen eigentlich eine Positivliste, dass wir sagen, die die schnell, das heißt innerhalb von Stunden, in der Kläranlage und sagen wir mal innerhalb von Tagen in der Umwelt vollständig abbaubar sind, die dürfen verwendet werden. Und wir denken zur Zeit eher an Zeiträume wie ein Monat oder zwei. Das hängt davon ab, ob Wasser oder Boden. Und vor allem selbst wenn sie abbaubar sind, heißt das meistens nur, wir nennen das Primärabbaubarkeit. Also die Muttersubstanz ist nicht mehr da, aber die Folgeprodukte, über die wir schon die ganze Zeit sprechen, sind immer noch da. Und dann geht es weiter mit diesem Konzept Denied by Design, wie mache ich eigentlich Produkte insgesamt? Wie muss ich Produkte gestalten, damit sie überhaupt recyclebar sind? Im Moment haben wir ja die große Diskussion über Recycling und Circular Economy, alles im Kreislauf führen. Erstens muss ich mir die Frage stellen, wie kriege ich eigentlich die gefährlichen Stoffe da raus, die wir im Umlauf haben. Die zweite Frage ist, wenn ich das alles im Kreislauf führe, das geht auch nicht ohne Energie. Und wo ich Energie brauche, habe ich irgendwo immer Auswirkungen, die wir in der Chemie Entropie nennen oder in der Physik. Also entsteht Unordnung oder entstehen Probleme. Also von daher wird es nicht funktionieren. Der wahre Kern dran ist, dass ich dadurch manche Produkte doch recyclen kann, vorausgesetzt ich kann sie gut und vollständig einsammeln. Und dann muss ich sie aber auch gezielt so machen, damit ich sie überhaupt zerlegen kann. Beispielsweise mechanisch und da sind wir schon wieder einen Schritt weiter vorne. Wenn ich sie gut zerlegen kann, früher war im Kühlschrank vieles geschraubt. Heutzutage ist alles geklebt. Im Auto auch. Was geklebt ist, kriege ich häufig gar nicht mehr auseinander. Was geschraubt ist, da kann ich auch mal ein Ersatzteil leichter austauschen. Gehen wir eine Ebene tiefer. Funktionswerkstoffe, Hochleistungskunststoffe beispielsweise, die man unter anderem nimmt, um Sprit zu sparen, weil das Auto leichter wird. Aber das ist häufig nicht der reine sozusagen Kunststoff, da ist nicht nur eine Molekülsorte drin, sondern mehrere. Wenn ich die auf molekularer Ebene durchmische, ist es ganz schwierig, die auseinanderzukriegen. Manche kann ich recyclen, manche kann ich nicht recyclen. Immer vorausgesetzt, ich kann sie einsammeln. Was ja auch Energie kostet und Aufwand, auch sozial organisiert sein muss. Es muss sich rechnen ökonomisch. Und all das ist eigentlich, wie gestalte ich Stoffströme in ihrer Zusammensetzung, ist Denied by Design. Beispielsweise möglichst geringe Materialvielfalt. Und wir wissen auch, wenn wir die Thermodynamik zu Ende denken, je größer die Stoffströme sind, also je mehr Megatonnen pro Jahr sozusagen durch die Welt gehen, desto mehr werde ich verlieren. Desto mehr Energie muss ich aufwenden, um das überhaupt vernünftig zu managen, zu steuern. Sei es elektrische Energie, Transportenergie, aber auch Energie im Sinne von Management. Dass Leute danach gucken, dass man Konzepte entwickelt. Und wir werden nicht alles recyclen können und für umsonst schon gar nicht.

Tim Pritlove
1:17:22
Klaus Kümmerer
1:18:04

Sie haben ja sicher gemerkt, oder ich merke es dann immer hinterher und nehme mir dann beim nächsten Interview bist du aber mehr der Wissenschaftler, nicht so engagiert. Aber es gelingt mir nicht, es ist mir auch ein Herzensanliegen. Aber ich glaube, das ist vielleicht ein wichtiger Punkt, zumindest wird mir das dann manchmal zurückgespielt, ja das ist authentisch, da scheint jemand ein Anliegen zu haben. Wichtig ist natürlich, dass man fair und offen mit den Gruppen umgeht, mit denen man zu tun hat. Also wir hatten auch Projekte, wo wir sogenannte Stakeholder-Prozesse drin hatten, ich hatte auch mit Sozialwissenschaftlern zusammengearbeitet. Also welche, die von solchen Maßnahmen betroffen sind, dann versucht, an den Tisch zu holen und offen und fair miteinander diskutiert. Und ich glaube, das werden wir auch weiterhin brauchen. Die Herausforderung ist einerseits fachlich, nach wie vor gut und exzellent zu sein. Klar einerseits hängt da das Renommee in den Fachwissenschaften ab, aber einfach auch, dass man gute und tragfähige Lösungen macht und nicht nur irgendwas blumiges daherkommt. Gleichzeitig aber auch offen ist für anderes und ein Gefühl dafür hat, zumindest in dem Bereich, wo ich bin, zu sagen, hier das findet ja in einem Kontext statt. Und auch das, was wir jetzt hier machen, finde ich ganz interessant und auch wichtig. Wir werden ja zum allergrößten Teil von öffentlichen Geldern bezahlt und dann sollen die Leute auch wissen, was wir machen einerseits und andererseits verbreiten sich Ideen ja sonst, gerade heutzutage ist das immer schwieriger, ja nicht weiter. Heißt gar nicht, dass alle das ganz toll finden sollen, am meisten habe ich gelernt, wenn es Widerspruch gab. Das sind glaube ich so ganz wichtige Punkte, dass man da offen ist dafür und auch gedanklich wie auch immer rausgeht. Ich komme nochmal drauf zurück, wer nur was von Chemie versteht, versteht auch die nicht. Also das heißt gar nicht, dass ich die Welt draußen alles verstehe, ich bin kein Psychologe. Aber dass ich offen bin dafür, und was sagen die mir. Oder versuche, wenn ich mit anderen zu tun habe, aus denen ihrer Sicht zu verstehen, was die meinen oder was denen wichtig ist. Was nicht heißt, dass ich verstecken muss, was mir wichtig ist. Weil letztlich geht es ja in den Bereichen, wo ich dann tätig bin, dass man vielleicht auch zu einer Umsetzung kommt. Aber auch da wieder zwiespältig. Ich glaube wir sind heute ein bisschen in der Gefahr, dass wir zu sehr nur an Umsetzung denken. Kaum habe ich eine Idee muss ich ja schon belegen, wenn ich Fördergeld will, ich übertreibe, dass das auch in 5 Jahren oder in Jahren dann in der Praxis ist. Kommt ich auch nochmal auf Albert Einstein zurück, der hat ja seinen Nobelpreis nicht für die Relativitätstheorie bekommen, sondern für die Entdeckung oder Erläuterung, Erklärung des fotoelektrischen Effekts. Ohne diese Erklärung hätten wir keine Elektronik, kein gar nichts heutzutage. Aber der hat sich nicht primär dafür interessiert, was wird da mal anwendbar sein, oder werde ich in 3 Jahren eine Firma gründen. Und gleichzeitig, ohne mich jetzt damit vergleichen zu wollen, da sind nochmal Welten dazwischen, hat er das was ihm wichtig war entgegen aller Konventionen ein Stück weit nachverfolgt. Er war an einer Institution, die nicht groß bekannt war. Das Berner Patentamt. Hatte aber Freiraum, seinen Ideen nachzuhängen und eben nicht gleich getrieben, was kommt da jetzt raus, was ist verwertbar. Ich sehe da zunehmend ein Problem, weil die Gefahr ist, dass wir uns da zunehmend im Kreis drehen und nur noch sozusagen more of the same und Detailverbesserungen haben, anstatt völlig neue Ansätze, zumindest wagen zu denken. Wissenschaft funktioniert ja nicht so, dass ich morgens aufstehe, eine Idee habe und abends weiß ich, die ist gut, sondern da muss man ja zum Teil ganz dicke Bretter bohren. Und die dicken Bretter muss man manchmal auch bohren oder musste ich bohren im Bereich von dem was ich mach. Weil es relativ unkonventionell war. Und das wäre jetzt auch nochmal was …

Tim Pritlove
1:22:04
Klaus Kümmerer
1:22:06

Im chemischen Bereich ja, dass man sagt, also Moleküle oder Arzneimittel und wir haben uns bewusst, zum einen weil wir da viele Erkenntnisse erworben haben im Laufe der Zeit, aber auch weil ich gesagt habe, wenn wir zeigen können, dass es bei den kompliziertesten Stoffen funktioniert, wo die Anforderungen am höchsten sind, dann kann keiner sagen, es funktioniert woanders nicht. Also Anforderungen an sich selber haben, wohl wissend man kann da auch scheitern. Und wird sich dann zeigen, wie weit wir kommen. Aber sozusagen den Mut zu haben – das erzähle ich natürlich jetzt retrospektiv, da gab es immer wieder Anfechtungen, ja geht das, kannst du das machen, sowohl in mir selber als auch von Kolleginnen und Kollegen. Ja was macht denn der da, das kann ja nicht funktionieren - den Mut zu haben, wenn man davon überzeugt ist, dran zu bleiben. Nicht im Sinne von verbohrt oder verbiestert, sondern gucken, Argumente sammeln, andere Blickwinkel einnehmen, gibt es da vielleicht Bestätigungen, Widersprüche. Ich habe so ein paar Beispiele genannt, wo man dann manchmal auch vom Zufall lebt. Und für die jungen Leute würde ich eher sagen, nicht alles einer Karriereplanung unterwerfen. So kommt es ja heute häufig daher. schon bei der ersten Klausur in der Schule oder dann in der Universität und wenn die schief geht, dann fehlen mir nachher 1/10, der den Knick in der Karriere machen kann. Ich habe häufig aus meiner Sicht, ich kann nur für mich sprechen, vielleicht ist die Welt heute eine andere, ich habe häufig das gemacht, was mich interessiert hat. Und hinterher manchmal auch gedacht, oh. Insbesondere später, wenn du jetzt eine akademische Karriere machst ist das nicht förderlich. du gehst zu den Medizinern, du bist kein richtiger Mediziner. Du bist aber auch von den Chemikern aus betrachtet kein richtiger Chemiker mehr, wahrscheinlich keine Chance auf eine Professur auf Dauer oder wie auch immer oder mal Institutsleitung. Gut die Wirklichkeit ist jetzt eine andere klar, weil der Zufall eine Rolle gespielt hat, aber der spielt auch eine Rolle, wenn Sie die Karriere exakt planen.

Tim Pritlove
1:24:00
Klaus Kümmerer
1:24:20
Tim Pritlove
1:25:26
Klaus Kümmerer
1:25:56

Auch da wieder, wahrscheinlich braucht es beides. Also einerseits, da wo die Zeit reif ist und der Boden fruchtbar ist, dass es aus den Spezialbereichen rauskommen kann, ja. Und gleichzeitig gibt es natürlich auch den Zugang von Außen, wo man sagt, aha also nicht aus einer Disziplin heraus, sondern aus mehreren heraus, die sagen, hoppla, wir müssen da zusammen oder wir wollen da zusammen was tun. Das war der Ansatz hier, vielleicht auch ein bisschen aus der Not geboren. Aber ich denke, soweit ich das wahrnehme und was ich zurückgespielt bekomme, sowohl innerhalb der Universität als auch nach außen wird das durchaus wahrgenommen, dass wir hier ein bisschen einen anderen Zugang haben. Wird ganz unterschiedlich wahrgenommen, an manchen Stellen mit viel Skepsis, an manchen Stellen ganz toll. Beides macht mich nachdenklich. Weil es gibt nichts, was nur toll ist und es gibt aber auch nichts, wo man nur skeptisch sein muss, sondern man braucht eine gute Auseinandersetzung damit. Und dann muss man sehen, wo macht das Sinn und wo macht es keinen Sinn. Wenn ich einen neuen Transistor konstruiere, reicht es vielleicht, wenn ich weiß, es gibt ein paar Punkte, die ich beachten, dass hinterher dieses Produkt kein Problem macht beim Recycling. Also werde ich mir vielleicht Gedanken machen über das Recycling. Da muss ich nicht unbedingt der breite Nachhaltigkeitswissenschaftler sein oder mit Ökonomen zusammenarbeiten. Und in anderen Bereichen kann es vielleicht sein, dass es viel wichtiger ist, nehmen wir Textilien, ein Textildesigner ist mein Beispiel immer, eigentlich müsste der, der die Textilien designed, die hinterher auch zurücknehmen und gucken, wie er die wieder recycled kriegt oder weiter verwendet kriegt, dann würde er das ganz anders machen. Insofern typische Wissenschaftler Antwort, jain, insofern es gibt nicht die eine beste Lösung, sondern es gibt wahrscheinlich mehrere und bisher sind wir allerdings in vielen Bereichen noch ganz streng, ganz streng disziplinär ausgerichtet und es ist ganz schwierig für die, die in den Disziplinen sind, da vielleicht auch rauszukommen. Weil sie ja nach den disziplinären Kriterien ganz eng beurteilt werden. Manchmal auch nichts anderes sehen wollen aus guten Gründen. Geht uns ja allen so. Ich denke, da kann sicher und muss sicher noch mehr passieren. Aber wir sollten nicht versuchen, das eine gegen das andere auszuspielen. Wir brauchen wirklich beides. Zum Teil in den einzelnen Personen. Was natürlich ein gewisser Mehraufwand sein kann. Aber wie ich zu Beginn gesagt habe, auch eine Bereicherung.

Tim Pritlove
1:28:24
Klaus Kümmerer
1:28:58
Tim Pritlove
1:29:55
Klaus Kümmerer
1:30:00

Aber natürlich ist auch für einen Analytiker oder Synthetiker wichtig, dass er Dinge drumherum kennt. Also wenn es um Synthese geht, dass er was gehört hat von den Konzepten der grünen Chemie, die es da gibt. Wie kann ich die Nachhaltigkeit oder Umweltfreundlichkeit einer Synthese beurteilen, jenseits von Begriffen wie Ausbeute. Da gibt es einige Konzepte. Und das müssen wir auch in den normalen Chemiestudiengang mehr reinbringen. Wir brauchen das hier nicht so, weil wir keine Synthese machen, aber dafür sind bei uns andere Konzepte wichtig in der Chemie. Aber wir machen eben nicht nur Chemie, sondern die hören auch was in Ökologie, die hören was in Umweltrecht, die können unterschiedlich vertiefen. Es gibt welche, die bis zum Schluss diese Balance Naturwissenschaften, Humanwissenschaften haben, das sind ideale Leute, die dann an Schnittstellen arbeiten in Unternehmen beispielsweise in der Nachhaltigkeitskommunikation. Und die können mit einem Grundwissen an Chemie mit dem Chemiker sprechen, aber gleichzeitig auch mit dem Juristen oder dem Ökonomen. Und das ist das Modell, was wir hier haben. Und ich glaube, da stoßen wir in neue Bereiche vor. Gleichzeitig innerhalb der Chemie eben nicht klassische Chemie, sondern nachhaltige Chemie. Und da braucht man bestimmte Kenntnisse aus der Chemie. Andere braucht man vielleicht nicht, aber wir brauchen auch Kenntnisse beispielsweise zur Toxikologie. Wir wollen ja toxische Moleküle vermeiden. Und insofern verschwimmen da ein bisschen die Grenzen, was aber nicht heißen muss, dass die solide fachliche Ausbildung schlechter wird. Sondern der Wissenskanon ist vielleicht schmaler, aber das was noch da ist, muss genauso gut und genauso tragfähig sein.

Tim Pritlove
1:31:36
Klaus Kümmerer
1:31:44
Tim Pritlove
1:31:45
Klaus Kümmerer
1:31:51
Tim Pritlove
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