Forschergeist
Horizonte für Bildung und Forschung
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Die Digitalisierung revolutioniert die Lehre schafft neue Chancen und Mehrwerte
Die Digitalisierung bietet weitreichende Möglichkeiten zur Verbesserung und Veränderung der Lehre, doch wird sie oft noch mehr als Bedrohung des Status Quo missverstanden. Dass die Lehre hier aber derzeit viel Wünschenswertes auf dem Tisch liegen lässt zeigt das Beispiel von Jürgen Handke, Professor für Anglistik und Linguistik an der Philipps-Universität Marburg, der die neuen Technologien optimistisch und experimentell in den Lehrbetrieb hat einfließen lassen und ihn dabei wortwörtlich auf den Kopf gestellt hat. Repetitive Lehrveranstaltungen werden durch Videoaufzeichnungen für die Studenten ersetzt und der Präsenzunterricht konzentriert sich auf die Vertiefung und Anwendung des Wissens und die individuelle Betreuung der Studierenden. Das kommt beiden Seiten zugute und schafft darüber hinaus ein wertvolles Archiv des Wissens und neue Chancen für die Ausbildung in Universitäten und Schulen.
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Veröffentlicht am: 14. Dezember 2015
Dauer: 1:46:22
Sie haben dann in der Folge das dann auch konkret getan und arbeiten heute mit einem verhältnismäßig großen Technologieeinsatz in der Lehre. Das heißt bei Ihnen ist sozusagen das digitale Element nicht nur ein Zusatz, sondern sozusagen steht auch im Mittelpunkt des Schaffens und alles – also nicht alles orientiert sich daran, aber – alles wird sozusagen auch mit diesen Mitteln und Wegen gedacht und haben zahlreiche ungewöhnliche oder zumindest nicht besonders populäre Methoden eingeführt. Da wollen wir auch gleich nochmal drüber sprechen. Für Ihre Arbeit sind Sie ja auch ausgezeichnet worden vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft, gemeinsam mit der Hochschullehrerkonferenz, den Ars Legendi Preis 2015 für exzellente Hochschullehre. Was hat Sie denn, ich meine als Sie begonnen haben, ich stelle mir das jetzt mal so vor, wenn man so neu ist auch in so einem System, da muss man da ja auch erst mal mit dem arbeiten was da ist beziehungsweise man ist ja dann auch umringt mit Leuten, die es quasi nie anders getan haben. Und man übernimmt ja dann erst mal zwangsläufig auch das und kriegt wahrscheinlich auch erst mal nicht sehr viel mehr Ratschläge als, das musst du so machen, das haben wir schon immer so getan. Von daher nehme ich an, dass Sie das auch erst mal einfach erst mal eine Weile auch so betrieben haben?
Ja das war aber nur in zwei Farben. Der Raum musste abgedunkelt werden. Ich weiß nicht, ob es überhaupt, die sind wahrscheinlich alle eingeschlafen, ich konnte die gar nicht mehr sehen. Aber ich hatte diese Folien an der Wand. Eine Innovation ohnegleichen. Ich weiß nicht, ob es wahrgenommen wurde überhaupt. Man hat mich vielleicht schwitzend über den Flur laufen sehen mit den vielen Geräten. Und das ging ja dann weiter, ein paar Jahre später gab es dann die ersten Datenprojektoren. Das Wort Beamer kannte man noch gar nicht. Ich hatte da mal einen, der war gefühlte 30kg schwer, der hatte die satte Kapazität von 200 Lumen. Wiederum musste der Raum verdunkelt werden und diesmal kam noch etwas dazu, ich weiß gar nicht, ob die Studierenden mich überhaupt gehört haben, weil das Lüftergeräusch war so groß, das hat alles übertönt. Aber ich hatte was neues wieder und konnte was machen, wovon ich überzeugt war, das würde etwas bringen im Vergleich zur klassischen Methode, zum Beispiel dem Tafelanschrieb. Das war die Idee. Und wieder ein paar Jahre später haben wir ja dann selbst CD-Roms entwickelt. Wir waren glaube ich die ersten auf dem Markt, die wissenschaftliche CDs hergestellt haben. Die waren auch kommerziell sogar recht erfolgreich und wurden viele viele tausend Male verkauft. Introduction to Linguistics, Introductions to Phonetics and Phonology und kamen gut an. Nur hatten wir eine wahnsinnige Idee, die Idee nämlich, wir könnten diese CDs einfach unseren Studierenden geben und sagen, nun lernt mal schön. Das war eine völlige Fehleinschätzung.
Nein. Ja es hat nur für mich einen Haken, ich will ein Beispiel nennen. Ich gebe hier an dieser Universität seit ich hier bin eine Lehrveranstaltung, die heißt the History of English. Seit 1991. Das ist eine Lehrveranstaltung, die Themen behandelt, wo sich so viel nicht verändert hat. Frühe Phasen der englischen Sprache sind so wie sie sind und die sind auch seit 20 Jahren so. Was hinzugekommen ist sind neue Forschungsergebnisse zum Bereich der Sprachentwicklung des Menschen im Allgemeinen, vom Homo Erectus über die frühe Menschwerdung. Was hinzu gekommen ist sind vielleicht einige neue Erkenntnisse über frühere Aussprachen, durch heutige technische Methoden, aber im wesentlichen ist die Lehrveranstaltung so geblieben. Das heißt ich habe seit 1991 50 mal, nein immer nur alle zwei Semester gebe ich die Veranstaltung, also 25 mal diese Lehrveranstaltung gehalten und nach etwa 15 mal ist mir bewusst geworden, ich erzähle jedes Jahr das gleiche. Und da habe ich gesagt, das ist doch eigentlich eine Verschwendung meiner Kapazität, wenn ich immer das gleiche im Hörsaal erzähle jahraus jahrein. Und ich musste zusätzlich feststellen, durch diese Vorlesung, bei der im Schnitt und die Studierendenzahlen stiegen, anfänglich saß ich mit 25 Studierenden da, heute sind es jetzt fast 200. Bei 200 Studierenden, da meldet sich keiner, da gibt es keine Rückfragen, da passiert überhaupt nicht viel im Hörsaal. Da tragen Sie vor, Sie reden wie gegen eine Wand, in den letzten Reihen bringt man heutzutage seinen Facebook-Account in Ordnung, man twittert, man sitzt einfach nur da. Und als ich das so merkte vor einigen Jahren, so zu Beginn des neuen Jahrtausends, da habe ich mir gedacht, das macht mich nicht gerade sehr glücklich. Das ist nicht eine Lehre, die ich mit Herzblut vertreten kann. Und so habe ich mir überlegt, wie ich diesen Hörsaal aktiver hinbekommen. Und das war sozusagen der Startschuss kurz nach der Jahrtausendwende, dass wir gesagt haben, wir wollen die Inhalte dieses Kurses und wir haben wirklich mit diesem Kurs begonnen, die wollen wir mal digital darstellen. Damals war das auf CD-Rom-Basis Multimedia. Sie kennen vielleicht diese CD-Rom-Produktionen mit viel viel Aufwand, mit Musik im Hintergrund, das haben wir dann etwas kleiner gemacht und wir hatten ja dann schon das Internet und haben entsprechende Lerneinheiten gebaut. Und nach einigen Jahren haben wir dann festgestellt, jetzt sind die eigentlich digital ganz gut. Haben wir unseren Studierenden diese Lerneinheiten angeboten.
... gucken wir mal 15 Minuten. Das war uns schon frühzeitig bewusst. Also haben wir erst folgendes versucht, wir haben gesagt, naja wenn wir dann Zeit haben, dann setzen wir mal richtig einen drauf und machen was neues noch, neue Inhalte. Das Ergebnis war, dass in der damaligen Evaluation, das war 2006, die Studierenden uns gesagt haben, also die sind wohl verrückt geworden, wir müssen hier doppelt so viel machen wie bisher und viel mehr als in anderen Kursen, das geht so nicht. Ein Jahr später haben wir das wieder gemacht und dann haben wir aber nicht viel drauf gesetzt, sondern haben einfach das gleiche was digital vorlag nochmal wiederholt in der Präsenzphase. Und da haben die Studierenden wieder über uns geurteilt nicht sehr positiv und haben gesagt, das hatten wir doch schon, warum kommen wir denn überhaupt? Und damals bestand Präsenzpflicht. Da waren wir wieder abgestraft. Und so kamen wir allmählich in so ein Modell hinein, wo wir sagten, naja was neues machen können wir nur in gewissen Rahmen und nur wiederholen können wir auch nur in gewissen Rahmen. Und so kamen wir in eine Präsenzphase hinein, die letztlich das realisiert, was man heute den Inverted Classroom nennt, nämlich diese Vertiefungsphase. Wo wir auf der Basis der digital vermittelten Inhalte die Inhalte vertiefen.
Genau. Also völlig richtig gesagt. Der Begriff Inverted Classroom oder umgedrehtes Klassenzimmer trifft ja so genau eigentlich nicht mittlerweile sage ich immer, wir verschieben die Lehr- und Lernaktivitäten auf einer Zeitachse, das ist ja was wir letztlich machen. Wir drehen ja nicht das Klassenzimmer auf den Kopf. Das bleibt ja nach wie vor, nur wir machen dort eine andere Aktivität heute. Also die zentrale Aktivität der Inhaltsvermittlung und Inhaltserschließung findet vorher statt. Dann wenn man das durch hat trifft man sich in einem Hörsaal und vertieft die Inhalte. Und früher hat man die Inhalte halt allein vertieft in Form von Hausaufgaben, in Form von Datenanalysen, die man allein oder auch in kleinen Lerngruppen ja gemacht hat, aber nachträglich. Heute macht man es im Klassenraum. Und dort ist in der Tat ein sehr sehr kreatives interaktives Szenario. Es ist dort zum Beispiel auch sehr laut. Das ist eine ganz andere Präsenzphase als früher. Man steht nicht mehr vorne und vermittelt etwas, ich bin Teil des Publikums geworden. Ein sehr schöner Begriff, den gestern ein Studierender geprägt hat, die Präsenzphase ist ein kreatives Gewusel. Finde ich sehr schön den Begriff, der trifft das total gut. Es ist anders, es ist lauter, es ist anstrengender, aber für die Studierenden ist es unglaublich kreativ und für die Lehrenden auch.
Also man muss natürlich zunächst mal die Präsenzphase zu Beginn muss man den Studierenden erst mal sagen worum es geht. Also das heißt, man stellt Lernziele vor, man stellt vor, was sie wissen müssen zu diesem Stadium und dann geht man in eine Übungsphase. Wir haben ja dieses spezielle Modell, dass wir vor der Präsenzphase, also zwischen Präsenzphase und digitaler Phase einen Test schalten, dieser Test, ein computergestützter Test, den absolvieren die Studierenden, die Testergebnisse liegen uns vor der Präsenzphase vor und wir wissen, mit welchem Vorbereitungsniveau die Studierenden in diese Präsenzphase kommen. Das ist ganz wichtig. Ich kann nicht einfach nur die digitalen Materialien bereitstellen und dann in die Präsenzphase gehen. Das war das, was wir damals auch mit den CDs ja gespürt haben, das reicht nicht allein. Sondern wir müssen irgendwas dazwischen schalten, einen Test oder weitere Abfragen oder irgend etwas. Bei uns ist das ein Test. Diese Testergebnisse, wir nennen das den Mastery Level, das ist der Vorbereitungslevel mit dem die Studierenden in die Präsenzphase kommen, der liegt übrigens im Schnitt zwischen 60 und 70%. Das heißt 60% der Studierenden, die kommen in die Präsenzphase, die heute nicht mehr verpflichtend ist, sind vorbereitet, 40% aber nicht. Darf man nie vergessen. Wenn Sie davon ausgehen, dass die Präsenzphase im Schnitt sowieso nur von etwa 70% der Studierenden besucht wird, und das ist ein hoher Wert in der heutigen Zeit der abgeschafften Präsenzpflicht, dann können Sie davon ausgehen, dass jeder 10. unvorbereitet da ist. Also von 10 Studierenden sind 9 vorbereitet und einer nicht. Diesen einen könnten wir theoretisch namentlich identifizieren, tun das aber nicht, aber wir merken es sofort, wenn wir durch die Reihen marschieren. Mit wir meine ich, meine Tutorinnen und Tutoren und ich. Wenn wir durch die Reihen marschieren und sehen, da hat einer Schwierigkeiten mit den gestellten Aufgaben. Und dem können wir dann individuell helfen und sagen, woran hat es gelegen, was können wir tun, und wo fehlt es, das spüren wir sehr schnell. Also es ist eine hochgradig interaktive Präsenzphase. Wenn ich früher vor 100 Studierenden eine Vorlesung gehalten habe, dann haben vielleicht drei eine Frage gestellt, wenn überhaupt und das waren immer die gleichen drei über das Semester gesehen. Heute rede ich im Schnitt pro Präsenzphase bei 100 Studierenden mit etwa 60 Studierenden persönlich.
Ja, der Hintergrund ist folgender, es gab zwischen 2000 und 2003 das große bundesweite Projekt, neue Medien in der Hochschullehre, damals unter Edelgard Bulmahn noch als Bildungsministerien, von den UMTS-Lizenzen finanziert. Es wurden 240 Millionen Euro in die Hand genommen, DM damals noch, 480 Millionen, und es wurden insgesamt 113 Projekte gefördert bundesweit. Ich weiß konkret nur von zweien, die überlebt haben. Das ist einmal die Fachhochschule Lübeck mit ihren verschiedenen Onlineprojekten und wir. Und wir hatten die vergleichsweise geringe Summe von 240.000 Euro bekommen. Und wir haben aber ein Ziel, das in den Ausschreibungen drin stand, realisiert, nämlich das Schaffen einer geeignete Lernumgebung. Das Wort Lernplattform kannte noch niemand. Also mussten wir eine Umgebung definieren. Und das ist seitdem der Virtual Lingustics Campus. Es ist heute eine funktionierende Lernplattform, die weit über das hinausgeht, was universitätseigene Plattformen können. Aber sie ist sehr spezialisiert auf ein einzelnes Fach. Und in dieser Lernplattform, da haben wir nun über die Jahre die ganzen Inhalte erzeugt. Und die Inhalte bestehen aus, sind im Prinzip das was manche Medienpädagogen die Krone der Digitalisierung nennen, es sind multimediale Inhalte. Das heißt die Studierenden haben, wenn sie ein Thema bearbeiten, immer die Wahl. Sie können einfach die Texte lesen, die da drin stehen. Sie können mit dem System interagieren, indem sie Mausklicks machen, Texteingaben machen, kleine Quizzes lösen. Sie können aber auch die dort drin verzahnten Videos gucken. Also es ist praktisch das ganze Arsenal der Möglichkeiten da. Und es gibt ja Studierende, die schauen lieber Videos. Es gibt Studierende, die lesen lieber Texte. Es gibt Studierende, die arbeiten gern mit Quizzes. Also diese Möglichkeiten hat man.
Genau. Und wir bieten zusätzlich gewisse Lernpfade an. Das sind Leitfragen, die einen durch diese Lerneinheit führen. Es gibt Material drumherum zum Vertiefen, schon vor der Präsenzphase. Es gibt das, was wir unseren Interactive Tutore nennen. Das geht zurück auf meine Erfahrungen mit Intelligent Tutoring aus den 80er Jahren. Das sind verschiedene Testszenarien, in denen man überprüfen kann, habe ich das verstanden ja oder nein. Es sind Verlinkungen in Google Translate hinein. Also gerade für Sprache ja auch wichtig. Also es sind ganz viele kleine, wir haben Online Lexika im Hintergrund, die mit semantischen Webs arbeiten. Da kommt die Computerlinguistik hinein. Wir haben Analyseprogramme, die Texteingaben in Quizzes analysieren. Also die nicht nur sagen, falsch oder richtig, sondern die auch bei Vertippern zum Beispiel durchaus Antworten als richtig akzeptieren. Also da steckt dieses Computerlinguistik Knowhow mit drin. Also es ist ganz viel in den einzelnen Lerneinheiten über die Jahre zusammen gekommen und ich denke, so mittlerweile haben wir ein Level erreicht, wo wir sagen können, so könnte es super und so funktioniert es zunächst mal recht gut.
Genau. Und aber die haben nicht viel Medienkompetenz, aber eine sehr hohe Medienbedienkompetenz. Und die kommen, für die ist das kein Thema und wenn sie dann die Nachricht bekommen, sie sollen ihre Geräte mitbringen, dann sind sie zunächst mal überrascht, weil sie es ja in der Schule nicht durften. Aber dann geht das sehr schnell und mittlerweile, das ist auch ein tolles Bild, wenn ich in meinem Hörsaal stehe und habe 140-150 Erstsemester da sitzen, die haben fein säuberlich aufgereiht die Smartphones vor sich liegen oder auch die Tabletts, Tabletts nicht, die Notebooks, Tabletts werden sehr überschätzt meiner Ansicht nach. Wir fragen das auch immer wieder ab, Notebooks oder Smartphones sind die Geräte, die sie einsetzen. Und dann kommen sie in die erste Sitzung und siehe da, sie sind vorbereitet. Das Vorbereitungsniveau bei Erstsemestern in der allerersten Sitzung liegt etwa um die 50-60%, das sind unsere Erfahrungen. Und das ist ein super Wert, dafür dass man die ja noch nie gesehen hat. Die kommen zum ersten Mal, sehen mich das erste Mal und ich sage ihnen gleich so, dann können wir anfangen zu üben. Ganz so drastisch ist es nicht, also ich stelle mich schon ein bisschen vor, und die Tutoren und wir erklären, wer wir sind und welchen Hintergrund wir haben. Aber im Prinzip kommen wir hinein in den Hörsaal und sie haben schon dieses Inverted Classroom ja noch nicht verinnerlicht, aber schon mal in einem ersten Schritt angewendet. Und danach ist es ein Selbstläufer.
Also in der allerersten Sitzung der Lehrveranstaltung Introduction to Linguistics lernen sie den Unterschied zwischen Sprache und Kommunikation. Sie lernen, warum sie überhaupt Linguistik studieren sollen. Was das soll, denn viele, die ein Fach wie Englisch studieren, die denken, sie setzen sich ausschließlich mit Shakespeare auseinander und mit Literatur ein bisschen über London. Und nun kommt jemand und sagt, ihr habt da Linguistik, die wissen ja gar nicht was das ist. Und wir schaffen eine Sensibilisierung durch, so hoffen wir, interessante Sprachbeispiele. Also Beispiele wie, wenn ich Ihnen eines meiner Lieblingsbeispiele ist immer, wenn ich vor einer 20-jährigen Studentin stehe und ihr sage, Sie haben vielleicht am Samstag eine Fete, wie würden Sie reagieren, wenn ich sage, ich komme zu Ihrer Fete? Ich Jürgen Hanke, 61 Jahre alt. Dann kommt sie sehr schnell drauf, dass das nicht unbedingt ein Versprechen ist, sondern auch eine Warnung sein kann. Und da schafft man Bewusstsein für in diesem Fall ein Gebiet der Linguistik, das man Pragmatik nennt. Und so können Sie viele Beispiele erst mal den Studierenden bringen, wo sie plötzlich feststellen, au backe das ist ja ganz interessant, aber in der Schule habe ich nie was drüber gehört. Also das passiert in dieser ersten Sitzung. Und dann geht es natürlich weiter in die einzelnen Teilgebiete der Linguistik.
Genau. Das ist also eine electronic Lecture, eine e-Lecture, die hat selten eine Länge von mehr als 15-20 Minuten. Also mehr ist auch nicht verkraftbar, weil die ja auch so kompakt gestaltet ist, dass sie in der Echtzeit etwa 40-45 Minuten sagt man im allgemeinen, durchaus abdecken könnte. Das heißt mit 2 e-Lectures könnte ich eine 90-minütige klassische Veranstaltung schon mal ersetzen. Wir machen das aber nicht so, wir haben meistens eine E-Lecture und dann eine Anzahl von 3-5 Microlectures dabei. Microlectures sind kleine Lehrvideos, die maximal eine Länge bei uns zumindest von 2 Minuten haben. Die punktuell in sehr dynamischen Präsentationen Themen vorstellen. die entweder wo eine Präsentation am Bildschirm erzeugt wird, das kann auch so eine Verschiebetechnik sein, eine Legetechnik, eine Animationstechnik, eine Schreibtechnik. Da gibt es verschiedene Techniken, solche kleinen Videovorlesungen zu machen. Wir haben auch dann noch eine Kooperation mit einem Kanal aus den vereinigten Staaten, die unsere Videoqualität sichern und wir sichern deren Videos gemäß einer guten Qualität. Und wir tauschen Videos aus. Das heißt wir benutzen auch von denen sehr tolle Videos, die wir auch anwerben, genauso wie dieser Kanal unsere Videos weltweit anwirbt. Das ist auch ein Novum, dass so was gemacht wird, dass man Kanalkooperationen trifft mit anderen YouTube-Kanälen.
Von uns? Also von uns werden sehr viel unsere Microlectures benutzt. also wir haben zum Beispiel - und das ist auch etwas, was jedes Fach eigentlich machen kann - wir haben unser gesamtes Glossar, Glossarbegriffe aus der Linguistik in kleine Microlectures umgewandelt und dadurch sind die viel dynamischer als eine einfache textuelle Erklärung.
Das war anfänglich hauptsächlich Multiple Choice. Das ist natürlich eine Testform, die uns selbst sehr gestört hat. In den Geisteswissenschaften Multiple Choice, das ist ein NoGo, das geht gar nicht. Und so hatte ich mir immer auch von Anfang an gesagt, ich muss es ja auch meinen Kolleginnen und Kollegen erklären. Die müssen ja auch wissen, die testen ab sofort elektronisch und habe dann natürlich gewusst, das wird schwierig. Weil wir oft Essay-Klausuren und Essay-Tests machen in unseren Fächern und habe dann in Kenntnis natürlich der Tatsache, dass der Computer das heute noch nicht kann, sie können kein Essay schreiben und den vom Computer bewerten lassen. Mittlerweile gibt es diese Peer-to-Peer-Möglichkeiten, das ist etwas anderes, aber der Computer selbst kann noch keinen Test auswerten. Also mussten wir Testverfahren entwickeln, wo ich meinen Kolleginnen und Kollegen nachweisen konnte, die haben einen Mehrwert gegenüber dem klassischen Test im Hörsaal, also in einem Klausurszenario. Und das sind in der Sprachwissenschaft Tests, wo Sie Soundunterstützung haben. Es gibt ja keine Klausur, wo Sie Sound hören können. Das ist ja Totenstille in einer Klausur. Und damit konnten wir Mehrwerte zeigen. Also eine Klausur, ein Test, wo Sie vor dem Computer sitzen, Sie hören etwas und werden danach gefragt zu dem was Sie gehört haben. Das geht ja klassisch gar nicht. Das war der Ansatzpunkt, Mehrwerte zu erzeugen. Das was dann abgefragt wurde, war in der Tat in vielen Fällen noch Multiple Choice, aber seit zwei Jahren, seit anderthalb haben wir diese Multiple Choice-Übungen sukzessive ersetzt durch das was wir Dynamic Multiple Choice nennen. Das funktioniert so, Sie bekommen eine Frage gestellt mit vier Antwortmöglichkeiten. Sie sehen aber nur eine dieser vier Antwortmöglichkeiten, die zufälligerweise generiert wird und müssen dann entscheiden, ist das schon die richtige, ohne die drei anderen zu kennen. Das ist ein viel höherer Anspruch.
Die wird immer wieder zufällig ausgewählt. Und diese Tests haben unsere Studierenden zum Beispiel zu dem Urteil bewogen, die finden sie aber blöd. Damit ist für uns das beste Qualitätsurteil erzielt worden, denn die Tests sind gut. Die kann man nicht mehr auswendig lernen. Man kann auch nicht mehr wild klicken. Und diese Tests haben noch einen Vorteil. Sie können den Fragenpool viel häufiger verwenden. Denn wenn eine Frage falsch beantwortet ist, kriegen Sie ja nicht den Rest noch gezeigt. Und wenn die Frage neu gestellt wird, kann sie mit einer ganz anderen Struktur gestellt werden. Also Sie haben eigentlich nur Vorteile und das ist ein Test, den haben wir hier wirklich erfunden und ich glaube, der dürfte bundesweit einzigartig sein, aber ist mittlerweile in die Thesen auch zum Prüfen in Hochschulforum Digitalisierung eingeflossen. Dass man sagt, wir müssen von diesem biederen Multiple Choice weg. Also wir sind nicht Günther Jauch und machen Wer wird Millionär, sondern wir haben hier anspruchsvollere Testszenarien. Wir sind aber noch nicht so weit, wir haben auch Textinput, allerdings nur auf der Basis von einfachen Satzteilen oder Wörtern. Aber da gehen wir weiter, irgendwann werden wir Sätze analysieren, die man eintippen kann.
Ja und wir untersuchen das seit zwei Jahren auch statistisch mit Auswertungen. Wir ermitteln die Präsenzanwesenheit. Wir lassen die Studierenden unterschreiben, um wirklich diese Daten auch zu bekommen. Und seit zwei Jahren machen wir das und wir haben festgestellt, dass die Studierenden, die in der Präsenzphase da sind, in den Klausuren im Schnitt um 5 Notenpunkte auf der 15er Skala besser abschneiden. Und das ist ein heftiger Wert. Und den teilen wir den Studierenden auch mit. Wir sagen also zu Semesterbeginn, wenn ihr kommt, dann werdet ihr keine Probleme haben, diesen Kurs zu bestehen. Wenn ihr nicht kommt, dann sackt ihr auf der Notenskala ab und das können wir nachweisen. Und ich denke, mehr kann man nicht tun, um diese Präsenzphase attraktiv zu machen, witzig. Mittlerweile gibt es ja auch Dinge wie Gamebased Learning, also dass man spielerisch Dinge macht. Wir machen zum Teil auch Hörsaalspiele für die Studierenden, die natürlich auf hohem Niveau in irgendeiner Form stattfinden. Gestern zum Beispiel hatte ich eine Lehrveranstaltung, the Evolution of human Language, da mussten die Studierenden eine potenzielle Ursprache für einen Film, einen fiktiven Film, herstellen, der vor 200.000 Jahren stattfand. Das müssen Sie sich mal überlegen, das ist ein hoch anspruchsvolles Thema, und am Ende hatten wir, wir haben in Gruppen gearbeitet, hatten die Gruppen 10 Urwörter der Menschheit erfunden, ganz verschiedene. Und ich habe den anderen gesagt und meinem Team, das ist eine Aufgabe, ich glaube da würden die meisten Hochschulen, die würden in die Knie gehen, die würden überhaupt das gar nicht wagen, so ein Thema zu stellen, weil – das waren Studierende im dritten Semester – weil das so anspruchsvoll ist, weil die gesamte Linguistik dort in dieser Thematik vertreten ist, von der Phonetik bis zur Semantik und das ein hoch intellektueller Anspruch ist, so etwas zu tun.
Genau. Also wie gesagt, es erschließt sich so auf den ersten Blick überhaupt kein Mehrwert, sondern nur erst mal nur ein Minderwert, der da heißt, viel viel Arbeit. Aber wenn man dann so ein gewisses MAß an Digitalisierung erreicht hat, nehmen wir mal an, Sie haben ein kleines Video erzeugt zu einem Inhalt, der Sie in der Präsenzphase vielleicht 5 Minuten kostet. Das kann ein begriff sein, den man in der Jura zu erklären hat. Das kann eine Grafik sein über die Koronargefäße in der Medizin. Das kann eine architektonische Sache sein in einem Architekturstudium oder eine Landkarte. Und wenn Sie das dann digitalisiert haben und sich selber fragen, was mache ich denn jetzt eigentlich in der Präsenzphase, wo ich das doch nun digital habe. Und dann kommen Sie sehr schnell zur Antwort, ach da habe ich eigentlich 10 Minuten gewonnen. Sie können früher nach Hause gehen. Können sagen, okay dann beträgt meine Vorlesung nur 80 Minuten. Kann man machen. Man kann aber auch ein Blatt mitbringen und sagen, ich habe hier eine kleine Aufgabe für euch. Und schon sind Sie in ein, ich nenne es mal, teilinvertierten Szenario gekommen, und merken plötzlich, oh ich gewinne gewisse Freiräume in der Lehre. Und wenn Sie das immer weiter treiben, dann kommen wir zu dem Effekt, den Sie angesprochen haben, nämlich die Lehrzufriedenheit. Und die Lehrzufriedenheit bei mir, die ist heute so ungleich höher als sie noch vor einigen Jahren war. Was auch hinzukommt ist die physikalische Erschöpfung, die ist auch da. Ich bin eigentlich immer ziemlich platt nach 90 Minuten.
Ja, weil es ist auf der einen Seite physikalisch anstrengend, man rennt hin und her. Dann ist man hinten, dann ruft einer vorne. Dann muss man plötzlich mal wieder nach vorne, eine kurze Zusammenfassung liefern, weil man merkt, es geht nicht weiter. Es gibt zwar Fernsteuerungsmöglichkeiten des zentralen Computers vom Publikum aus, aber die sind noch sehr wackelig, weil die WLAN-Verbindungen nicht überall so stabil sind, dass man das machen könnte. Ich habe es auch schon versucht, das klappt so ein bisschen, aber man muss sich viel bewegen. Man muss viel in die Knie gehen, um auf Augenhöhe zu kommen. Und vor allen Dingen, man wird mit Fragen bombardiert, die weit über die Inhalte hinausgehen. Die wirklich weit über die Inhalte der Lehrveranstaltung hinausgehen. Das sind Fragen zum Beispiel wie, Herr Hanke gestern hat der Kollege Meier gesagt, das wäre so und so, können Sie uns das nochmal erklären? Dann sage ich, das ist doch gar nicht meine Aufgabe, aber gut wir versuchen es mal. Und dann haben Sie plötzlich ganz andere Themen dabei, die die Studierenden sonst niemals aufs Tableau bringen würden, weil sie ja frontal einfach nur berieselt werden. Und das macht mich sehr zufrieden. Ich habe immer gesagt, ich war ja früher mal Musiker, Ziel meiner Lehre ist es, das zu erreichen, was ich als Musiker erreicht habe, nämlich dass die Leute freiwillig klatschen und nicht auf den Tischen klopfen, weil sie es immer machen. Sie sollen klopfen, wenn sie es gut finden, sie sollen auch nicht klopfen, wenn sie es nicht gut finden.
Und der Materialien. Wir haben festgestellt, dass einige der Materialien, von denen wir dachten, sie seien sehr gut geeignet zum Üben, sich überhaupt nicht eignen. Weil Zwischenschritte der Informationen fehlen, weil sie einfach viel zu einfach dargestellt wurden. So wie man es aus Büchern kennt, da ist eine Aufgabe gestellt und es gibt kaum Erklärungen dazu, welche Lösungsansätze man für die Aufgabe entwickeln kann. Also wir überarbeiten quasi nach jedem Semester, nach einem kompletten Durchlauf, unsere Präsenzmaterialien, weil wir feststellen, da gibt es Dinge, die eignen sich besonders gut, dann gibt es Dinge, die eignen ich gar nicht, weil sie einfach vom Ansatz her in die völlig falsche Richtung gingen. Fehlerhaft, natürlich haben unsere Materialien Fehler. Also wer glaubt, dass der Virtual Linguistic Campus fehlerfrei sei, bei geschätzten 250.000 Webseiten und vielen Elementen, also das geht gar nicht.
Ja es gab mal Bestrebungen auch an unserer Hochschule, zu sagen, der Virtual Linguistic Campus müsste in Ilias integriert werden. Das ist unsere Hochschulplattform. Wir haben dann einen Kostenvoranschlag gemacht und der hat uns einfach abgeschreckt, das wäre viel zu aufwendig gewesen. Und Ilias hätte sich massiv ändern müssen, um die Dinge tun zu können, die wir tun und wir hätten uns massiv ändern müssen, um das zu tun, was Ilias macht. Und es wäre nicht mehr so gewesen wie vorher. Wir haben dann die Finger davon gelassen. Es wäre natürlich toll, wenn wir offene Tools verwenden könnten, aber die können leider nicht das leisten, was wir so im Laufe der Jahre uns so zusammengestückelt haben. Das ist so ähnlich wie die Europäische Union verwendet ein Übersetzungssystem namens Systran, das wurde 1962 erstmalig entwickelt. Es wurde immer wieder was drangesetzt, drangesetzt, drangesetzt, irgendwann kam man nicht mehr davon weg. Heute würde man vielleicht sogar mit Google-Translate gewisse Dinge übersetzen können, aber irgendwann kommt man nicht mehr raus aus der Nummer. Das ist bei uns auch so, wir kommen einfach nicht mehr raus, es sei denn, man gibt uns Geld in die Hand und sagt, hier habt ihr zwei Jahre Zeit und nun überlegt euch andere Wege.
... das wäre ja dann auch der ideale Ausklang auch, dass man dann sozusagen über sein Vermächtnis sich darauf konzentriert und sagt, okay lehren könnt ihr selber, weil ich habe ja schon alles auf Video aufgenommen, mich bedarf es ja eigentlich ... also Sie haben sich ja im Prinzip auch, ich sage nicht abgeschafft, aber im Prinzip entbehrlicher gemacht, was für Sie ja in gewisser Hinsicht auch eine Befreiung sein kann, weil Sie sich ja im Prinzip ja dann auch auf so eine Tätigkeiten konzentrieren können, ohne dass die eigentliche Lehre darunter leidet und ohne dass man sich jetzt auch gleich einen neuen Professor suchen muss. Ich finde das trotzdem sehr interessant, weil ich auch selber die Erfahrung gemacht habe, Software, die von den Leuten erstellt wird, die sie auch selber benutzen, ganz andere Qualitäten hat in der Regel, tausend mal besser funktioniert, als alles was irgendwie von der Stange kommt und was so den Versuch dann macht, in die Breite zu gehen. Weil natürlich Software nur dann erfolgreich ist, wenn sie sich halt entweder sehr teuer verkauft wird oder sehr viel verkauft. Deswegen versucht man, es irgendwie jedem Recht zu machen, aber bei dem Versuch, es jedem Recht zu mache, macht man es halt eben eigentlich gar keinem mehr so Recht. Und es steckt ja dann auch sehr Erfahrung drin in den Prozessen. Das Beispiel mit der Dynamic Multiple Choice, was dann sozusagen ja auch so eine Erfindung ist, in gewisser Hinsicht aus der Not geboren, ja am Ende aber auch sagt, ja okay, das war dann aber auch mal wirklich ein super Ansatz und das können wir als Lehrmittel empfehlen und wir haben das sozusagen nicht nur als abstrakte Idee geschaffen, sondern wir haben es auch konkret in Code gegossen und hier wenn man das genauso vom Userinterface-Ablauf her, vom Prozedere her macht und auch von der statistischen Auswertung, dann erfüllt es eben auch wirklich alle Ziele und funktioniert gut. Um vielleicht nochmal auch so einen Blick … - also jetzt ist es natürlich schwer, einem beliebigen anderen Lehrstuhl erst mal so zu kommen mit, also erstes müsst ihr euch eure eigene Software bauen. Obwohl das ja in gewisser Hinsicht, ich habe es ja gerade gesagt, auch zu empfehlen wäre. Nur dass es natürlich nicht jeder selber machen kann. Worauf ich hinaus will ist, wäre es nicht sehr angeraten, grundsätzlich nach Modellen zu suchen, wie ein Lehrstuhl auch seine eigene Software entwickeln lassen kann? Also dass man quasi sagt, so wie wir hier ein Sekretariat haben und Leute, die sich um die Gebäudereinigung kümmern, braucht eigentlich die Universität auch lehrstuhlbezogen, institutbezogen, auf welcher Ebene man das auch immer aufhängt, quasi ein Softwareentwicklungsteam oder man braucht technische Wissenschaftler, die quasi an der Stelle wirken?
Also ich glaube das nicht. Ich glaube, jetzt mal abgesehen von der Entwicklung einer Plattform mit Benutzerdaten und mit Authentifizierungsdingen und Urkundengenerierung, das sind natürlich Spezialaufgaben, die sehr komplex sind, da gehören erhebliche Programmierkenntnisse dazu, Datenbanken im Hintergrund. Ich glaube mal, wenn man das mal nicht betrachtet, sollten die Grundlagen zum Beispiel für die Digitalisierung von Lehre und Lerninhalten, Videoerstellung, Erstellung einfacher Webseiten mit Kontaktformularen, die Nutzung der sozialen Netzwerke, die bei uns auch eine große Rolle spielen. Alle unsere Lehrveranstaltungen sind mit Facebook-Gruppen vernetzt. Das sollte doch eigentlich heute zum Standardrepertoire eines Lehrenden gehören. Vor 30 Jahren war die Medienkompetenz begrenzt darauf, dass man Kreide in der Hand halten konnte und dass man die drei Schalterstellungen eines Overhead-Projektors bedienen konnte. Das ist heute nun mal mehr geworden. Und das muss ein Lehrender einfach, sonst eignet er sich nicht zum Lehrenden, das muss er einfach können. Mit der Plattform würde ich sagen, das ist ein Schritt zu weit, wir haben ja hier auch Kurse bei uns, die wir selber betreuen, neue Medien im Fremdsprachenunterricht zum Beispiel. Medienproduktion für Lehrkräfte. Da empfehlen wir einfach, nehmt doch Dinge wie Weebly oder WordPress, damit könnt ihr hervorragende Webseiten erstellen und könnt Video integrieren. Ihr könnt alles machen was ihr wollt, nur ihr habt keine Benutzerverwaltung da drin. Und wenn man dieses Thema Benutzerverwaltung vielleicht außen vor lässt, dann müsste eigentlich jeder in der Lage sein, mit einem kleinen bisschen technischen Knowhow und mit einer geringen Ausbildung vielleicht, einer zusätzlichen Ausbildung, das zu schaffen.
Ja genau. Ja aber wenn ich sehe, was wir so im Laufe der Jahre programmiert haben, von Passwortschutz und die Authentifizierung und nehmen Sie allein, jede Woche vergessen 5 Studierende ihr Passwort, das ist so Standard. Jetzt kann man natürlich nachgucken in der Datenbank und denen das sagen, aber es wäre doch besser und das haben wir dann entwickelt, eine automatische Passwortwiederherstellung, die ja bei Amazon und überall existiert, aber wir mussten sie entwickeln.
Zum Nulltarif gibt es das ja nicht. Also es muss beschafft werden. Allerdings kann ich sagen, ich habe dafür so gut wie nichts bezahlt, weil ich es irgendwie geschafft habe, über Sponsoren und Spenden mir diese Materialien ohne Unterstützung von außen zusammenzustellen. Und ich denke, mit ein bisschen innovativen Ideen können das auch andere Hochschullehrer schaffen. Also ich setze eine Software ein, die Softwarefirma unterstützt mich. Ich setze ein interaktives Whitboard ein und die interaktive Whiteboardfirma, die Herstellerfirma unterstützt mich. Dafür trage ich auch schon mal ein T-Shirt, wo der Aufdruck der jeweiligen Firma im Video zu sehen ist. Und auch im Video selbst prankt das Logo dieser Firma im Abspann mit drin. Ob der Abspann gesehen wird weiß ich nicht. Es ist nie vorher. Also wir würden niemals einem wissenschaftlichen Video eine Nutella-Werbung voranschalten. Das kommt für uns nicht in Frage. Also keine Werbung in wissenschaftlichen Videos. Aber man kann glaube ich, indem man die Firmen promoted, indem man ihnen Angebote macht, indem man sagt, ich bin demnächst an der Universität sowieso, schickt bitte eure Prospekte schon mal dahin, wenn ich dann komme und dann sage ich auch ein paar Worte dazu. Dann kann man von den Firmen auch Unterstützung bekommen, so dass das für beide Seiten eine win-win-Situation ist.
Ja es gibt noch welche, ich will jetzt niemandem zu nahe treten. Aber so richtig berühmt wird man als Linguist nicht notwendigerweise. Und mittlerweile muss ich sagen, kennen mich wahrscheinlich viel mehr Leute, als mich in der Linguistik jemals Leute hätten kennenlernen können, weil ich ja fächerübergreifend jetzt tätig bin. Aber in die Forschung wird halt deswegen ja von Anfang an gefördert, weil das ja die Eintrittskarten in die Karriere sind. Dissertation, Habilitation. Habilitation hat ja mit Lehre nicht viel zu tun, das ist ja eine zweite Forschungsarbeit. Und wenn Sie sich heute um eine Professorenstelle bewerben, dann ist ja die Forschungsleistung im Vordergrund. Dann werden Gutachten eingeholt worüber? Über die Publikationen. Es guckt ja keiner und stellt sich rein in den Hörsaal und sagt, wie lehrt dieser Mensch eigentlich? Und der Habilitationsvortrag, um die Venia Legendi zu bekommen, der ist ja ein schlechter Witz. Das ist ein Forschungsvortrag. Es gibt Bestrebungen, ich will jetzt einigen Hochschulen nicht zu nahe treten, also ich kenne einige, die machen das sehr gut und die haben auch didaktische Begleitszenarien für die Habilitation, aber das sind viel zu wenige, die das machen. In vielen ist noch die klassische Forschungsleistung, die steht im Vordergrund und die Lehre wird eigentlich kaum wertgeschätzt. Schauen Sie sich mal die Homepages der deutschen Hochschulen an, welche Homepage enthält ein Link zur Lehre. Zur Forschung alle. Alle Hochschulen sprechen immer von Forschung und Lehre, aber einen Link zur Lehre haben sie nicht. Also ich habe mal ganz viele angeguckt, das können Sie an zwei Händen abzählen, die Hochschulen, die wirklich einen Link zur Lehre haben auf ihrer Homepage.
Nein, es kommt keiner vorbei und sagt, toll gelehrt. Den Studierenden ist es eigentlich auch egal, die wollen nur ihre Credit-Points und das bleibt dann immer unter Verschluss. Und plötzlich kriegen Sie im YouTube-Kanal Lob aus der ganzen Welt. Tolle e-Lecture, ich habe gelernt, ich habe gestern meine Prüfung bestanden, Sie haben mir sehr geholfen. Und tausende, zigtausende Kommentare, die Sie einfach umhauen. Und ich weiß von den Kollegen, die ähnliches auf YouTube oder anderen öffentlichen Szenarien machen, die sind auch sehr sehr angetan von dieser Art von Lobpreisung, die sie sonst nie erfahren würden. Also das ist wirklich ein Mehrwert, auf den sind wir sehr sehr stolz. Wie es weitergeht im Bereich der Digitalisierung. Also Sie sprechen vielleicht auch das Hochschulforum Digitalisierung an, das ja eine ganz tolle Einrichtung ist aus meiner Sicht, das zu einer unglaublichen Vernetzung in Deutschland geführt hat, von Akteuren, die trotz unterschiedlichen Dienststandes vom Unipräsidenten bis zum kleinen Mitarbeiter auf Augenhöhe über die Digitalisierung reden. Also ich finde das eine ganz tolle Sache. Man hat sich kennengelernt, man weiß plötzlich, was in Freiburg, in München, in Flensburg, in Stralsund vor sich geht, nein Stralsund nicht, aber in .. ja doch. Und man kennt die Szenerie, und das hat zu einer Vernetzung geführt, die jetzt überall Aktivitäten sichtbar macht und bei denen wir uns unterhalten können, was macht ihr, wo habt ihr Probleme? Wir haben gemerkt, bei uns funktioniert das nicht und so weiter. Und das ist glaube ich ein erster Ansatz, der einfach fantastisch ist. Wir haben neue Ideen entwickelt gemeinsam. Auch entwickelt im Bereich des Hochschulbaus, der Architekturen. Denn, wenn Sie zum Beispiel so was nehmen wie den Inverted Classroom, die klassische Sitzreihenarchitektur funktioniert nicht mehr gut in einer solchen Präsenzphase. Da wären Lerninseln viel hilfreicher und das geht mittlerweile in die Hochschulen hinein. Und die überlegen in der Tat, es gibt Hochschulen, die Hochschule Coburg, die beginnt ab 2017 mit Neubauten, die so strukturiert werden. Oder in Österreich, Fachhochschule Krems, Smartworking nennt man das. Also überall gibt es kleine Pflänzchen, die sich entwickeln. Mittlerweile die Präsidien werden aufmerksam auf diese, ... wie nennt das Hochschulforum Digitalisierung diese ... diese Subsysteme. Also wir sind hier ein Subsystem. Und dass diese Subsysteme immer weiter nach oben kommen, immer mehr angezapft werden. Ich selbst kriege Anfragen. Da kann jetzt natürlich auch der Preis eine Rolle spielen, wir wollen ein Mooc entwickeln, können Sie uns helfen, haben Sie vielleicht Ideen, was wir tun können?
Sie sprechen die Pädagogik an. Das ist sowieso eine etwas heikle Geschichte. Diese neuen Formen des Lehrens. Ob das Inverted Classroom ist, ob das Digitalisierung, Gamebased Learning, Learner Analytics, all das was man da so verwendet an Begriffen, kommt ja interessanterweise nicht aus der Pädagogik, sondern kommt aus interessierten Fachwissenschaftlern. Ich hatte es schon gesagt, Mathematiker, Informatiker, Mediziner, wir Linguisten. Die Pädagogik hat erstaunlicherweise in den vergangenen Jahren recht wenig zu diesen Themen gesagt. Und möglicherweise müssen die sich erst mal selbst auf neu positionieren, um in diesen Bereichen tätig zu werden. Alle Entwicklungen kommen aus Fachwissenschaften oder sie kommen aus den USA oben drüber gestülpt. Die Mooc-Bewegung stammt von einem Menschen, Sebastian Thrun, Artificial Intelligence, ein Informatiker. Und die Pädagogen haben eigentlich nie was dazu zu sagen gehabt zu diesem Thema. Also das heißt, das ist auch etwas was ich propagiere, die Hochschule müssen ihre didaktischen Einheiten, die sie ja haben, didaktische Kompetenzteams, wie immer man die nennt, die müssen sie erst mal selber in diesen Bereich Digitalisierung hineinführen. Und das passiert an einigen Hochschulen, das weiß ich, ich war auch dort, die kann ich auch lobend sogar erwähnen, Uni Würzburg ein ganz tolles Beispiel, die positionieren sich da jetzt gerade in dem Bereich. Technische Universität München, ganz toll was die da machen. Aber andere eben sind noch nicht so weit. Und die müssen ihre Didaktikteams erst mal entsprechend neu ausrichten.
Ja aber viele Schüler haben das erkannt. Ich kann ein Beispiel von meinem Sohn, der hat vor kurzem Abitur gemacht, berichten. Der hat fast seine ganze Abiturvorbereitung über Lehrvideos gemacht. Und auf YouTube hat der alle Beispiele gefunden, die er brauchte und hat mit tollen Zensuren abgeschnitten. Das ist heute Gang und Gäbe. Und das Problem ist, die Lehrer wissen das zum Teil ja gar nicht, dass es diese tollen Materialien gibt. Und die stellen sich dann in antiquierter Weise vor die Schüler, übrigens genau auch wie viele Hochschullehrer, die keine Ahnung davon haben, dass es irgendwo Kurse gibt zu den Themen, die sie selbst machen und diese Kurse sind frei und offen, Moocs, da sind wir wieder bei diesem Thema. Und dann stellen die sich in den Hörsaal oder in den Klassenraum und unterrichten etwas in antiquierter Weise etwas, was die Schüler oder die Studierenden schon längst wissen. Kein Wunder, dass die dann keine Lust mehr haben, in die Präsenzphase zu kommen. In der Schule sitzen sie gelangweilt rum, weil sie müssen. In der Hochschule gehen sie gar nicht erst mehr hin. Und das ist nämlich die zukünftige Entwicklung, die stattfinden wird, wenn wir nicht aufpassen, wenn wir nicht kluge Präsenzphasenkonzepte entwickeln, die die Schülerinnen und Schüler und Studentinnen und Studenten wieder zu uns bringen.
Ja. Also mein Credo ist, dass die Hochschulen – die Digitalisierung aller möglichen Lehrszenarien und Lehrmaterialien kommt. Entweder ist sie schon da in einigen Fächern oder sie kommt in absehbarer naher oder ferner Zukunft und die Frage ist dann, braucht man dann überhaupt noch Hochschulen und Lehrende? Und ich meine, ja, man braucht sie, wenn man kluge Präsenzphasenkonzepte bereithält. Und damit müssen die Hochschulen punkten, mit ihren Präsenzszenarien. Die können nicht mit ihren digitalen Szenarien punkten, dazu brauchen sie keine Hörsäle mehr. Aber mit klugen Präsenzphasen, mit top Lehrenden, zu denen man gern hingeht. Das kann ein Mediziner sein, der eine Show abliefert a la Dr. House. Das kann ein Harald Lesch sein, der toll im ZDF seine Dinge vorträgt. Solche Lehrende braucht man. Die begeistern und die in ihren Präsenzphasen die Studenten mitreißen. Und das können eben nur diese 20%. Viele werden das einfach nicht erreichen. Die müssen nicht arbeitslos werden, aber die sollen dann eben mehr in die Forschung hineingehen und andere eben mehr in die Lehre. ich glaube, es wird so kommen müssen. Also man spricht immer von Lehr- und Forschungsprofessur. Ich bin nicht für eine Trennung, aber es wird in die Richtungen mehr gehen.
Auch das ja. Bestimmt. Also das ist der eine Punkt, Open Education Ressources und all die Konsequenzen. Und der andere Punkt, den man in diesem Zusammenhang ansprechen kann ist, dass die Politik sich möglicherweise mehr um den Mittelbau kümmert. Denn es ist ja letztlich so, wenn man überlegt, die Digitalisierung der Lehre muss ja gemacht werden. Es müssen Webseiten erstellt werden, es müssen Videos erzeugt werden, es müssen Audiodateien gemacht werden und geschnitten werden und harmonisiert werden mit Präsentationen. Die Präsentationen müssen erstellt werden und da reicht es nicht, wenn man nur PowerPoint kennt. Da muss viel mehr her. Da sind interaktive Grafikpakete werden da eingesetzt. Die Frage ist, muss das ein Hochschullehrer machen? Ich habe gesagt, zum Teil ja, aber alles kann er oder sie ja auch nicht schaffen. Also braucht man Mitarbeiter. Und die Mitarbeiter in deutschen Hochschulen sind maximal auf 6 Jahre im eigenen Team zu halten. Es sei denn, man hat Drittmittel, dann kann man noch weitergehen, aber irgendwann wird die Hochschule sagen, jetzt ist Schluss, weil wir das Teilzeitgesetz haben und die Mitarbeiter dann nicht mehr weiter beschäftigt werden können. Und hinzukommt, dass es ja keine Drittmittel für die Lehre gibt. Es gibt immer nur Forschungsmittel. Und Drittmittel für die Lehre, wenn man sie hat, dann werden das meistens kurzfristige Sachen, die über ein Jahr an Landespakete gekoppelt werden, die ihren Haushalt immer nur ein Jahr behandeln können. Und dann muss man Ausschreibungen machen, eine halbe Mitarbeiterstelle für ein Jahr. Wer möchte eine solche Stelle gern bekleiden? Ich habe solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die machen das. Ich bewundere sie, dass sie das tun.