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FG008 Wirtschaftskriminalität

Der White Collar Hacking Contest erforscht, wie Unternehmen von innen bedroht sind

Die Erforschung von Methoden von Wirtschaftskriminalität, aber auch die damit verbundenen ethischen Fragen, sind die Ziele des Projekts von Michael Schermann und Matthias Uhl, das im Rahmen des Programms "Fellowship Hochschullehre" durch den Stifterverband gefördert wird. Im Gespräch mit Tim Pritlove erläutert Michael Schermann, wie er auf die Idee gekommen ist, diesen interessanten Bereich zu erforschen und welche Rolle dabei insbesondere der "White Collar Hacking Contest" spielt.

https://forschergeist.de/podcast/fg008-wirtschaftskriminalitaet/
Veröffentlicht am: 2. März 2015
Dauer: 1:18:16


Kapitel

  1. Intro 00:00:00.000
  2. Begrüßung 00:00:41.861
  3. Vorstellung 00:01:54.620
  4. Wirtschaftskriminalität 00:06:21.031
  5. Analyse der Wirtschaftskriminalität 00:18:15.362
  6. Wirtschaftsethik 00:24:27.277
  7. White Collar Hacking Contest 00:33:51.068
  8. MOOCs 00:59:39.463
  9. Wissenschaftliche Ausarbeitung 01:08:46.034
  10. Spielerisch Lernen 01:10:46.652

Transkript

Tim Pritlove
0:00:43
Michael Schermann
0:01:47
Tim Pritlove
0:01:47
Michael Schermann
0:01:51
Tim Pritlove
0:01:53
Michael Schermann
0:02:04
Tim Pritlove
0:02:19
Michael Schermann
0:02:25
Tim Pritlove
0:02:52
Michael Schermann
0:02:55
Tim Pritlove
0:02:56
Michael Schermann
0:02:56
Tim Pritlove
0:03:12
Michael Schermann
0:03:37
Tim Pritlove
0:04:03

Ja.

Michael Schermann
0:04:05
Tim Pritlove
0:04:29
Michael Schermann
0:04:32
Tim Pritlove
0:05:31
Michael Schermann
0:05:34
Tim Pritlove
0:05:40
Michael Schermann
0:05:44
Tim Pritlove
0:06:21
Michael Schermann
0:06:27
Tim Pritlove
0:06:28
Michael Schermann
0:06:47
Tim Pritlove
0:08:02
Michael Schermann
0:08:20
Tim Pritlove
0:08:28

Ja.

Michael Schermann
0:08:29
Tim Pritlove
0:09:13
Michael Schermann
0:09:14
Tim Pritlove
0:10:02
Michael Schermann
0:10:46
Tim Pritlove
0:11:58
Michael Schermann
0:12:03
Tim Pritlove
0:12:29

Ja.

Michael Schermann
0:12:30
Tim Pritlove
0:13:45
Michael Schermann
0:13:51
Tim Pritlove
0:14:25
Michael Schermann
0:14:29
Tim Pritlove
0:15:07
Michael Schermann
0:15:09
Tim Pritlove
0:16:35
Michael Schermann
0:16:43
Tim Pritlove
0:18:16
Michael Schermann
0:18:54

Also was ich schon gemeint habe, also die Wirtschaftskriminalität ist halt ein sehr breites Feld, da geht es von den großen Bilanzfälschungsskandalen, also World Com, Enron, die sozusagen da publik geworden sind. Überfälle, wo ich sage mal Korruption eher eine Rolle war. Deutsche Konzerne sind da ja auch nicht ganz unbeteiligt gewesen. Bis hin zu dem Feld, was sich typischerweise Occupational Fraud nennt, das ist dann tatsächlich der Fraud von Mitarbeitern und uns interessieren die ersten beiden, also die großen Skandale und auf die Korruption interessiert uns jetzt eher nicht so sehr, weil das häufig aus anderen Motiven gemacht wird. Das ist unsere Vermutung. Und es passiert überhaupt nicht in IT-Systemen. Also da spielt IT eigentlich keine Rolle, sondern das wird dann woanders gemacht. Was uns tatsächlich interessiert ist dieser Mitarbeiter-Fraud, weil natürlich in Workflow-Systemen usw. dort dann tatsächlich diese Sachen abgebildet werden. Es gibt da alle möglichen Klassifikationen von solchem Fraud, aber ein ganz einfaches Beispiel, damit man sich das mal vorstellen kann, ist, man hat ein IT-System da ist halt ein Lieferant hinterlegt, die Firma Müller und ich möchte jetzt die Rechnung, die ich der Firma Müller bezahlen möchte, aber nicht der Firma Müller zahlen, sondern in mein eigenes Konto. D.h. ich gehe in den Stammdatensatz der Firma Müller, ändere die Kontonummer auf meine eigene, überweise das Geld und ändere das danach wieder zurück. Das ist jetzt so der ganz triviale Fall, den kann mittlerweile jedes System ausfiltern. Nichtsdestotrotz passiert das noch häufig genug. Also auch dafür, dass es eigentlich technisch möglich ist, das ist so ein Flipflop. Man sieht also wenn man in die Datenanalyse guckt sieht man, da wurde eine Kontonummer geändert, eine Rechnung, und wieder zurück geändert. Ist manchmal nicht ganz einfach, weil es natürlich auch ein Fehler gewesen sein kann. Also das ist sozusagen, was es aus technischer Sicht spannend macht, ist von den Dingen, können halt auch nur Fehler gewesen sein. Wenn man sich so einen klassischen Datensatz aus einem Unternehmen anguckt, dann passiert das ja nie so, wie man es sich vorher gedacht hat, sondern es ist immer Flexibilität da mit drin, da sind irgendwelche Prozessabweichungen mit drin. Ein gutes Beispiel ist, wir schauen uns eigentlich immer nur Einkaufsprozesse an, also d.h. ein Unternehmen kauft das Teil dann am Ende. Und da gibt es eigentlich in den Systemen sozusagen ganz formale Schritte, die abgelaufen werden. Also zuerst muss irgendeiner sagen, ich möchte irgendetwas bestellen. Dann muss das jemand genehmigen, dann wird es bestellt, dann wird es bezahlt, gibt es einen Wareneingang usw. und sofort. So ganz viele Schritte. Ganz oft passiert es aber nicht so in dieser Reihenfolge. Das beste Beispiel ist, man ist auf einer Messe, man möchte irgendetwas ausstellen und man hat sozusagen – man braucht vor Ort einen Handwerker, weil irgendetwas kaputt gegangen ist, der muss das fixen. Wenn wir jetzt sozusagen diesen Prozess durchgehen würden, sind zwei Wochen rum, die Messe ist vorbei, kein Mensch kann das mehr machen. Also dann wird sozusagen der Prozess umgangen und man holt einfach den Handwerker um die Ecke, obwohl der nicht ausgeschrieben war und was auch immer, alle diese Sachen. Und wenn man jetzt als Datenanalyst auf diesen Datensatz drauf gucken würde, würde man sagen, da ist doch etwas schief gelaufen, da hat doch jemand den Prozess verletzt. Sodass da also diese sehr feine Grenze ist, was ist tatsächlich normales Geschäftsverhalten, weil man irgendwie flexibel handhaben musste oder unvorhergesehene Sachen passiert sind und was ist dann tatsächlich kriminell. Also was ist dann wirklich eine Unterschlagung gewesen oder so etwas.

Tim Pritlove
0:22:59
Michael Schermann
0:23:31
Tim Pritlove
0:24:47
Michael Schermann
0:24:54
Tim Pritlove
0:24:55
Michael Schermann
0:24:58
Tim Pritlove
0:25:04
Michael Schermann
0:25:08

Genau. Ob der jetzt tatsächlich, ich glaube schon der heißt Lehrstuhl für Wirtschaftsethik. Und ich habe das erste Mal den White Collar Hacking Contest mitgemacht und habe von der Uni den Tipp bekommen, dass wir da einen Wirtschaftsethiker haben, der da mal einen Vortrag halten soll, damit sozusagen die Studenten nicht nur die Fraud-Seite kennen. Und dadurch sind wir in Kontakt gekommen und haben uns sofort interessante Forschung an den Kopf geworfen und da ist eine Kooperation daraus entstanden, die jetzt eigentlich ganz spannend ist. Und mit dem Konzept jetzt auch so ein bisschen Hand und Fuß bekommt. Im Prinzip ist das ja, wenn ein Mitarbeiter oder irgendjemand, eine wirtschaftskriminelle Handlung begeht, hat er natürlich vorher bewusst oder unbewusst eine moralische Entscheidung getroffen. Also o. k. ich mach das jetzt. Die Leute sind sich immer über die Konsequenzen bewusst und jeder weiß, dass wenn ich etwas klaue, dann kann ich dafür bestraft werden. Die Frage ist halt, wann senken sich irgendwelche Hemmungen, Hemmschwellen so weit ab, dass es tatsächlich dann passiert. Und das sind halt diese ethischen Fragestellungen, die insbesondere den Matthias interessieren, aber mich entsprechend auch in diesem Kontext. Und es gibt da schon eine ganze Reihe Forschungen, die zum Beispiel durchaus zeigt, dass Technik auch einen Einfluss auf ethisches Urteilsvermögen hat. Und das macht dann ein sehr interessantes Dreieck. Also aus dem Thema Wirtschaftskriminalität, aus dem Thema IT, und aus dem Thema Ethik, in dem man sich dann ein bisschen bewegen kann.

Tim Pritlove
0:26:50
Michael Schermann
0:26:56
Tim Pritlove
0:27:12
Michael Schermann
0:27:22

Genau, also was vielleicht die Spezialität von dem Lehrstuhl und von dem Matthias insbesondere ist, ist die sogenannte experimentelle Ethik. D.h. also, Ethik ist ein Zweig der Philosophie, jetzt lehne ich mich ein bisschen aus dem, jetzt erzähle ich über etwas, was eigentlich gar nicht mein Themengebiet ist. Aber soweit ich das verstehe, Ethik ist ein Teil der Philosophie, d.h. es ist nicht unbedingt, es gehört nicht unbedingt zu den empirischen Wissenschaften. Und die experimentelle Ethik geht jetzt aber genau da hin und untersucht tatsächlich mal ethische Fragestellungen, also was ist gut, wann entscheiden sich Leute darum, ob etwas gut ist in der Realität. D.h. also man macht Experimente mit Menschen. Man gibt denen irgendwelche, also man beeinflusst die in gewisser Weise und schaut dann, wie sie sich am Ende des Tages verhalten. Und ein Forschungsthema, was so ein bisschen aus dem White Collar Hacking Contest heraus geboren ist, ist halt, wann betrügen Menschen denn? Also ab welchem Zeitpunkt und welche Motivlage muss herrschen, damit jemand tatsächlich betrügt? Und wir haben das jetzt zwar noch nicht veröffentlicht, aber in einem kleinen Experiment haben wir zum Beispiel mal gesagt, o. k. wir haben Studenten in einen Hörsaal gesetzt und haben die sozusagen Bingo spielen lassen und sie konnten im Prinzip auf einem Extrablatt eintragen, was sie denn gewonnen haben. Und wir konnten nicht direkt überprüfen, ob sie das tatsächlich gewonnen haben. Und haben die unter verschiedene Konstellationen gesetzt. Also die einen mussten das Geld, was sie da eintragen unten für sich konnten sie am Ende einen Zettel abgeben und haben genau das Geld bekommen, was auf dem Zettel stand. Die anderen haben sozusagen für eine Spendenorganisation, die sich aussuchen durfte, also das Geld, das haben sie gar nicht immer bekommen, sondern es hat eine Spendenorganisation bekommen. Und die dritte Gruppe war so ein Mischmasch aus den ersten beiden. Die konnten selbst entscheiden, wie viel Geld sie eintragen konnten und wie viel sie selber behalten wollen, und wie viel sie spenden. Und ganz interessant, die Ergebnisse, also erste Analysen, die wir mal gemacht haben aus den Ergebnissen, sind halt der nach, das eigentlich überhaupt gar keine Kriminalität besteht in dem Setting, was jetzt eigentlich auch gar nicht so verwunderlich ist, weil die saßen alle in einem großen Hörsaal, man konnte sozusagen sehen, was der andere macht, es ist also relativ wenig Anonymität.

Tim Pritlove
0:29:51
Michael Schermann
0:29:52

Genau. Und also wir hatten auch auf den Bögen waren so Nummern drauf, die im Prinzip natürlich so den Anschein erwecken konnten, dass es getrackt werden konnte. Die einzige Gruppe, in der sich tatsächlich, sagen wir mal, messbar etwas anderes getan hat, ist die, die sozusagen rein für jemand anderes Bingo gespielt haben. Also die sozusagen nur für eine Spendenorganisation Bingo gemacht hat. Die hatten selbst von dem Geld gar nichts, sondern es hat alles die Spendenorganisation bekommen. Und die haben, also wir haben im Prinzip nur geschaut, das Bingo hat sozusagen im Schnitt einen gewissen Auszahlungswert, und alle beiden Gruppen waren nicht signifikant unterschiedlich von diesen durchschnittlichen Auszahlungswert, bis auf diese dritte Gruppe, die hatte halt einen viel höheren Auszahlungswert. Und da haben wir dann halt, die Interpretation, die wir jetzt momentan weiter untersuchen ist die, wenn im Prinzip Leute, wenn nicht ihre eigene Motivlage, ich habe nicht geklaut für mich, sondern ich habe geklaut für einen guten Zweck, für jemand anderen, dann ist sozusagen dieses eher abschreckende Setting spielt es keine Rolle mehr. Und das ist jetzt etwas, was natürlich, wenn man es wieder in ein Unternehmen zurück tragen möchte, äußerst interessant ist, weil natürlich viele Unternehmen sagen, für die Firma, wir wollen sozusagen den Erfolg der Firma verteidigen und ausbauen usw. und so fort. D.h. also ich persönlich habe da ja gar nichts daran. Ich kriege mein Gehalt, egal ob es der Firma gut oder schlecht geht, zumindest mal kurzfristig gesehen. Aber genau die Motive, die ich verfolge, haben sozusagen mit meinen eigenen moralischen Vorstellungen nichts mehr tun. Das hat offensichtlich eine Auswirkung. Und das macht es dann sozusagen, das ist eigentlich ein ganz interessantes Feld, wo man dann sieht, o. k. Dinge die man eigentlich, also wie man in der Managementlehre sah, man muss den gemeinsamen Erfolg immer das gemeinsame Ziel voranstellen, könnte natürlich dann sagen wir mal moralische oder ethische Konsequenzen haben.

Tim Pritlove
0:32:06
Michael Schermann
0:32:18
Tim Pritlove
0:32:22
Michael Schermann
0:32:27
Tim Pritlove
0:33:54
Michael Schermann
0:34:22
Tim Pritlove
0:34:24
Michael Schermann
0:34:55
Tim Pritlove
0:35:48
Michael Schermann
0:35:49
Tim Pritlove
0:36:17
Michael Schermann
0:36:17
Tim Pritlove
0:36:22
Michael Schermann
0:36:25
Tim Pritlove
0:37:04
Michael Schermann
0:37:12
Tim Pritlove
0:38:10
Michael Schermann
0:38:28
Tim Pritlove
0:39:42

Ja.

Michael Schermann
0:39:42
Tim Pritlove
0:40:24
Michael Schermann
0:40:26
Tim Pritlove
0:41:25
Michael Schermann
0:41:57
Tim Pritlove
0:42:23
Michael Schermann
0:42:28
Tim Pritlove
0:43:58
Michael Schermann
0:44:00
Tim Pritlove
0:44:16
Michael Schermann
0:44:23
Tim Pritlove
0:44:31
Michael Schermann
0:44:34
Tim Pritlove
0:44:57
Michael Schermann
0:44:58
Tim Pritlove
0:45:07
Michael Schermann
0:45:09

Naja, also so Kunst hat ja immer einen sehr subjektiven Wert, d.h. also wenn ich irgendjemand ein Bild verkaufe, was 10.000 € Wert hat und ich verkaufe es für 100.000 €, dann kann ich das natürlich irgendwie rechtfertigen, weil ich sage, für mich ist das 100.000 € wert, aber damit ist das Geld erst einmal aus der Firma heraus bei einem befreundeten Künstler oder was auch immer. Und dann wird das Geld sozusagen geteilt. Heißt also wir wollen ja nicht, das Seminar geht nicht darum, jetzt irgendwie die tollsten Fraud-Fälle der Welt zu begründen. Aber die Studenten lernen dadurch natürlich unglaublich viel darüber. Ich meine schon allein die müssen das präsentieren und es präsentieren immer zuerst die Detektive, also die sagen was haben sie gefundenen Daten, wie würden sie das interpretieren und dann präsentieren die Fraudster. Die sagen dann, was tatsächlich gemacht wurde. Und da gibt es dazwischen, versuchen wir das immer so wie so eine Investigation, wie man sich das im Fernsehen vorstellt, die sitzen sich gegenüber und sagen, da ist doch etwas schief gelaufen. Und wenn ich dann sage, naja, da gibt es Piraten und der andere hat die Karte nicht und legt es dann nicht hin und weiß nicht, dass es da keine Piraten gibt, dann kann er in dem Moment halt nicht sagen. Und auch diese Situation mal zu erzeugen, dass man im Prinzip solche Sachen rechtfertigen muss, nachweisen muss, über das hinausgehen, was man tatsächlich findet, das ist glaube ich unglaublich interessant und unheimlich wertvoll für die Studenten.

Tim Pritlove
0:46:42
Michael Schermann
0:46:44
Tim Pritlove
0:47:26
Michael Schermann
0:47:39
Tim Pritlove
0:47:48
Michael Schermann
0:47:54
Tim Pritlove
0:48:23
Michael Schermann
0:48:36
Tim Pritlove
0:50:07
Michael Schermann
0:50:10
Tim Pritlove
0:51:20
Michael Schermann
0:51:25
Tim Pritlove
0:51:29
Michael Schermann
0:51:29
Tim Pritlove
0:51:45
Michael Schermann
0:51:48
Tim Pritlove
0:51:49
Michael Schermann
0:51:51
Tim Pritlove
0:52:15
Michael Schermann
0:53:36

Doch schon. Es gibt, also die großen Wirtschaftsprüfer die haben da alle auch ihre Tools. Und die haben auch Spezialisten dafür und das sind natürlich auch Leute, mit denen wir in dem Lehrformat dann auch zusammenarbeiten, die wir an Bord holen und die wir dabei haben. Was aber durchaus ein Punkt ist, dass natürlich so bisher findet der Kampf gegen Wirtschaftskriminalität oder in dem Fall immer Expost??? statt. Das heißt es ist passiert, und man so im Schnitt 18 Monate später stellt man fest, da ist irgendwas passiert, jetzt müssen wir da mal rein gucken. Und eigentlich der spannende Punkt ist natürlich, das so nahe wie möglich an den eigentlichen Fraud-Fall ran zu bekommen. Und deswegen ist zum Beispiel Process-Mining eine Sache, da kann man sozusagen relativ schnell, relativ nah an den Zeitpunkt ran gucken und feststellen, was da so ist. Das ganze Thema In-Memory-Datenbanken, also Datenbanken, die schneller gehen. Man kann sozusagen während das Unternehmen normal arbeitet kann man sozusagen gleichzeitig forensische Analysen machen auf dem System. Das geht bisher typischerweise nicht, weil die Systeme ausgelastet sind durch den Betrieb. Und man jetzt natürlich nicht da mal eben eine Datenbank abziehen kann mit 25 Millionen Einträgen, dann geht das Produktivsystem in die Knie und dann hat man das eigentliche Geschäft lahmgelegt. Und das sind natürlich jetzt technische – Stichwort Big-Data – natürlich technische Verfahren, die jetzt aufkommen, die man dafür nutzen kann und das macht es natürlich wieder spannend. Weil ich meine, es gibt natürlich auch so was wie Firewalls, irgendwelche internen Kontrollen, die natürlich versuchen, solche Dinge zu machen. Aber wie gesagt, der interne Mensch weiß natürlich ab einem gewissen Zeitpunkt, wie man so was umgehen kann. So dass solche Datenanalysen durchaus einen Effekt haben. Und umso näher man die an den Punkt ran kriegt, wo der Fraud tatsächlich passiert ist, möglicherweise sogar über den Punkt hinaus, also man kann es tatsächlich verhindern, das ist eigentlich sagen wir mal auf einer technischen Ebene, auf einer datenanalytischen Ebene die Forschung, das sozusagen so nahe wie möglich an den Punkt ran zu kriegen.

Tim Pritlove
0:55:46
Michael Schermann
0:55:47
Tim Pritlove
0:55:50
Michael Schermann
0:55:57
Tim Pritlove
0:56:13
Michael Schermann
0:56:14
Tim Pritlove
0:56:25
Michael Schermann
0:56:29
Tim Pritlove
0:56:42
Michael Schermann
0:57:50

Es gibt da schon jede Menge Standards. Ob die jetzt gesetzlich vorgeschrieben sind oder das in irgendeinem Unternehmenskremien entworfen wurden ist glaube ich unerheblich. Das Problem dabei, das Problem an dem Standard ist natürlich, dass dafür Standardsituationen geschaffen wurden. Und selten gibt es halt Standardsituationen in der freien Wirtschaft. Und das ist genau das, was es eigentlich sehr schwierig macht, ist eben genau den notwendigen Workaround, den man machen musste, damit jetzt irgendwas klappt, von einem Fraud zu unterscheiden. Aus einer datentechnischen Ebene sehen die nahezu identisch aus. Wenn nicht sogar identisch. Es geht halt tatsächlich um die Interpretation, um das drumherum, um besser zu verstehen, was da ist. Und das ist eine Sache, da hilft kein Standard. Und ich meine, ganz ganz viele Fraud-Fälle werden nur aufgedeckt, weil irgendjemand einen Tipp gibt. Oder auch nur durch Zufall. Man ist über irgendwas gestolpert und stellt fest, huch. Ich meine das klassische Beispiel ist ja auch so eins, was man – Buchhalter müssen bestimmte Urlaubsfristen nehmen. Also die müssen dann da Urlaub nehmen. Und dann guckt man, ob sozusagen in er Urlaubszeit sich das Unternehmen anders verhält als nicht in der Urlaubszeit. Das sind so Sachen, die man einführt, die werden auch in solchen Standards vorgeschrieben. Aber jetzt hat der sozusagen, macht der immer irgendwas anderes, weil das gerade das Geschäft so erfordert. Und vieles davon ist halt nicht nach dem Standard.

Tim Pritlove
0:59:40
Michael Schermann
0:59:47
Tim Pritlove
0:59:55
Michael Schermann
1:00:11
Tim Pritlove
1:01:27
Michael Schermann
1:01:31
Tim Pritlove
1:02:33
Michael Schermann
1:02:37
Tim Pritlove
1:02:39
Michael Schermann
1:02:39
Tim Pritlove
1:03:01
Michael Schermann
1:03:03
Tim Pritlove
1:03:10
Michael Schermann
1:03:12

Wirtschaftsinformatiker, aber auch BWL-er, aber durchaus auch in anderen Spezialveranstaltungen. Also wenn jetzt zum Beispiel einer, ich sage mal, der macht einen Kurs zu Supplied-Chain-Management, also wo sozusagen Lieferkettenmanagement behandelt wird. Dann kann er natürlich jetzt so einen Fraud-Case nehmen, da interessiert ihn der Fraud jetzt erst mal nicht, sondern ihn interessant einfach sozusagen, wie läuft so eine Lieferkette ab. Die kann er dann einfach da auch nehmen und kann natürlich den Fraud als ein Beispiel nehmen, was da schiefgehen kann und was nicht schiefgehen kann usw. Also eigentlich ist das dann am Ende relativ flexibel einsetzbar. Wir werden uns jetzt natürlich erst mal für den ersten Schritt darauf fokussieren, dass man genau diese Analysephase aus einer interdisziplinären Sicht unterstützt. Das heißt also um diese Fälle rum soll es dann natürlich auch irgendwie so eine Plattform geben, auf der man sich sozusagen als Team zusammenfindet und dann gemeinsam so einen Fall bearbeitet. Gemeinsam die Daten durchforstet. Und da wäre dann natürlich schon unser Wunsch, dass dann da, ich sage mal, BWL-Studenten und Informatik-Studenten, da gemeinsam in so einem Team drin arbeiten. Der eigentliche Witz an der Geschichte ist, man könnte natürlich jetzt auch wieder einen Contest daraus machen und sagen, man lädt Praxispartner ein, die solche Fälle neu stellen. Also die im Prinzip die Situation beschreiben oder synthetische Daten rausgeben, die jetzt einen Fall beschreiben. Das heißt wir selber wissen gar nicht mehr, was für ein Fraud-Fall da drin ist. Man gibt das sozusagen als einen Wettbewerb nach draußen und sagt, hier gibt es einen Datensatz, hier gibt es eine Fallbeschreibung dazu, löst das mal. Und dann können sozusagen Studenten aus der ganzen Welt dahin kommen und sagen, okay, das wäre unser Vorschlag. Wir hätten gedacht, dass dort dort und dort das drin ist. Und dann kann man es irgendwann auflösen oder so.

Tim Pritlove
1:05:02
Michael Schermann
1:05:10
Tim Pritlove
1:05:10
Michael Schermann
1:05:16
Tim Pritlove
1:05:17
Michael Schermann
1:05:19
Tim Pritlove
1:05:25
Michael Schermann
1:05:27
Tim Pritlove
1:05:45
Michael Schermann
1:05:48
Tim Pritlove
1:06:06
Michael Schermann
1:06:17
Tim Pritlove
1:06:52
Michael Schermann
1:06:55

Erstmal den Detektivbereich genommen. Der ist auch schon spannend genug und man kann da auch ordentlich kreativ werden. Genau. Und wenn man das mal draußen hat, dann gibt es natürlich sozusagen den ethischen spannenden Teil, weil man natürlich sagt, okay, wenn man das so ein bisschen in eine Lehrveranstaltung einbindet, kann man natürlich sagen, okay, das ist ja jetzt kein Fraudster unter uns. Also es wird ja niemand zugeben, dass er jetzt Fraudster wäre oder gern sein möchte oder was auch immer. Das heißt also diese ganzen ethischen Fragestellungen sind immer sehr abstrakt. Wenn man das in der Vorlesung hat, dann redet man immer über Themen, die sozusagen unglaublich abstrakt sind. Die Philosophen haben da natürlich auch ein Faible dafür, so was möglichst abstrakt zu formulieren. So dass wir natürlich da jetzt schauen wollen, ob man anhand mit diesem Thema jetzt nicht das ein bisschen „erden“ kann. Und innerhalb dieses Themas tatsächlich Leute dazu bringen kann, in Situationen zu geraten, in die sie eigentlich ursprünglich gar nicht hätten geraten wollen. Und das sind so ein bisschen Szenarios, die wir uns jetzt so ein bisschen überlegen. Da wissen wir ehrlich gesagt noch nicht, wie wir dahin gehen sollen. Deswegen gibt es ja zum Glück das geförderte Programm, dass wir das halt ein bisschen plastischer machen und dass dann die Leute/die Studis verstehen, dass wir eigentlich tagtäglich irgendwelche moralische Entscheidungen machen. Oder relativ von dem, was wir machen, ist moralisch getrieben. Und wenn ich jetzt, um auf unsere Studie da zurück zu kommen, wenn ich jetzt plötzlich feststelle, dass sobald meine eigenen moralischen Levels nicht betroffen sind, werde ich plötzlich kriminell, ist das natürlich wichtig, zu wissen. Und auch wichtig, zu vermitteln.

Tim Pritlove
1:08:47
Michael Schermann
1:08:54

Genau, also einerseits sind wir natürlich sozusagen auf der technischen Ebene unterwegs. Gerade in Richtung Echtzeit-Datenanalysen. Das wird aber sozusagen der technische Bereich sein. Wo wir sagen, okay, da gibt es neue Architekturvorschläge, neue Verfahren, wie man so was machen könnte. Und im Ethikbereich wird es tatsächlich darum gehen, dass wir sozusagen Experimente machen, also innerhalb diesen Kontextes wollen wir wirklich versuchen, Experimente zu machen. Und das gute daran ist ja, dass Studenten durchaus an der Uni als Subjekte für solche Experimente genommen werden können und auch genommen werden und genutzt werden, weil, ich sage mal, moralische Grundprinzipien sind halt an den Menschen gekoppelt und nicht so sehr an seine Situation. Und das ist eigentlich das spannende, also das wäre so der Wunschtraum, dass wir eigentlich das Thema Forschung mit dem Thema Lehre verbinden können. Das heißt man kann also das gute von beiden Welten nutzen. Und eine Idee wäre tatsächlich, dass wir so eine ethische Fragestellungen irgendwie in Form einer App verfügbar machen, dass die Studenten sich diese runterladen können. In der Vorlesung kann man diese App dazu nutzen, um irgendwelche ethischen Fragestellungen zu visualisieren und man kann es aber gleichzeitig dafür nutzen, um irgendwie tatsächlich große Experimente damit zu machen, wo man zufällig ausgewählten Leuten bestimmte Aufgaben gibt und dann guckt, wie sie reagieren. Und das ist eigentlich, ich sage mal, so ein Dual-Use Gut, wo man sagt, man kann es für die Lehre verwenden, aber eben auch für die Forschung. Und wenn uns das gelingen sollte, dann haben wir glaube ich da ein ganz interessantes Setup.

Tim Pritlove
1:10:46
Michael Schermann
1:10:58
Tim Pritlove
1:10:59
Michael Schermann
1:12:18

Ja definitiv. Ich glaube, was mich wirklich begeistert an diesem ganzen Konzept, deswegen mache ich da auch die ganze Zeit dran rum, die Studis machen Dinge oder machen eigentlich alles, ohne dass ich es ihnen sage. Also ich muss nicht großartig Vorlesungen halten oder irgendwelche Sachen, die dann dröge irgendwie herkommen, sondern die gehen selber suchen. Also wir haben dann halt, die mussten sich halt mit den Systemen auseinandersetzen und dann fangen sie halt automatisch an, zu googlen und finden sich irgendwelche Webseiten, Foren und was auch immer, in denen über die Tabellenstrukturen, was auch immer, wo man was findet, raus finden. Und dann haben wir einen Blog, also alles, was sozusagen die Studenten machen, müssen sie da reinschreiben und über den Teil diskutieren die dann auch. Sie diskutieren nicht über was für einen Fraud sie machen und was sie gefunden haben, aber sie helfen sich sozusagen untereinander mit den einzelnen Methoden und Techniken. Und das finde ich super faszinierend, dass ich eigentlich als „Lehrer“ gar nicht sagen muss, was jetzt gelernt wird, sondern mehr oder weniger nur so ein bisschen Grenzen aufgebe. Okay, also man muss sich innerhalb des Einkaufsprozesses bewegen. Und wenn jetzt ein Studententeam ankommt und sagt, ja wir wollen aber ein neues Werk gründen und in dem ist dann der Fraud drin, dann muss ich sagen, okay, das wird jetzt ein bisschen komplex und ufert aus. Aber also die Studis fangen halt an, sich sozusagen selbst mit dem Thema zu beschäftigen und das ist das eigentlich, das finde ich unglaublich cool, das zu sehen. Na klar, also Kreativität und so weiter, aber dass die wirklich von sich aus über das Ziel hinausstoßen, was wir eigentlich geben und sich mit Dingen beschäftigen, die wir selber auch gar nicht vorhergesehen haben, wo wir dann auch reagieren müssen, wo wir dann auch erst mal die Unterlagen dazu lesen müssen und was auch immer. Das finde ich total cool.

Tim Pritlove
1:14:14
Michael Schermann
1:14:59

Ich meine klar, was mich halt, das ist das, was mich fasziniert, und das muss man irgendwie in die Onlinewelt übertragen oder wenn man so einen Onlinekurs machen will. Die Frage wie kann ich ehrlich gesagt noch gar nicht genau beantworten. Natürlich es gibt Plattformen, in denen das sozusagen auf einer Codingebene schon ganz gut passiert. Also es gibt relativ viele Plattformen, wo sozusagen Coding-Competitions ausgeschrieben werden, wo dann irgendwelche Algorithmen entwickelt werden müssen. Da hat man dann auch ein relativ gutes Maß, an dem man sagen kann, okay 99% Qualität oder so was und da kann man sich dann wirklich messen und kann dann Ranking machen usw. Soweit sind wir in dem Fall jetzt noch nicht, das müssen wir erst mal raus finden, was dann sozusagen gute Maße sind. Aber klar, da muss es hingehen, weil erst dann kriegt man diesen, hey ich muss jetzt zwar eigentlich was anderes machen, aber ich will jetzt noch eine halbe Stunde lang dran rumfrickeln bis ich das jetzt endlich so hab, dass ich da sozusagen den anderen aus den USA da überholt habe oder so was. Und eine Idee, die da ist, in diesem ganzen Wirtschaftskriminilitätsthema wird immer über sogenannten Red Flags geredet. Also das heißt das sind irgendwelche Datenkontrollen, die halt anschlagen. Also Datensätze werden getauscht zurück und vorwärts und wieder zurück getauscht. Und eine Sache, die man natürlich machen könnte, man könnte sagen, okay, ihr müsst – also Qualitätsmaß – ihr müsst einen Fraud-Fall implementieren, der mit so wenig wie möglich Red Flags anstößt. Also gebt so wenig wie möglich Alarm. Oder genau andersherum. Also man findet sozusagen in der Analyse genau, man findet halt neue Red Flags, auf die vorher noch keiner gekommen ist. Die aber super gut genau auf so einen bestimmten Fraud-Fall hinweisen. Da gibt es schon so ein paar Sachen, aber man muss auch ehrlich zugeben, da muss man glaube ich ein bisschen rum experimentieren, bis man so was tatsächlich dann gefunden hat und das dann dahin macht. Aber ich meine, dazu sind wir ja da.

Tim Pritlove
1:17:02
Michael Schermann
1:17:04
Tim Pritlove
1:17:07
Michael Schermann
1:17:08
Tim Pritlove
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Michael Schermann
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Tim Pritlove
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