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FG007 Die deutsche Sprache und die Wissenschaften

Sprache formt das Denken und legt die Basis für das Verständnis von Technologie und Fortschritt

Immer wieder liest und hört man von Unmut über den Zustand der deutschen Sprache: Neue Rechtschreibregeln wurden eingeführt – und gleich wieder zurückgenommen. Das Deutsche verliere an internationaler Bedeutung. Englische Wörter überschwemmten den täglichen Sprachgebrauch. Kurz: das Selbstbild unserer Sprache scheint unschöne Risse bekommen zu haben. Peter Eisenberg sieht sprachliche Entwicklung jedoch ganz entspannt, Anglizismen machen ihm keine Angst. Er ist ganz und gar nicht der Meinung, dass unsere Sprache verfällt, wie so oft behauptet wird. Im Gespräch mit Tim Pritlove gibt Eisenberg einen Überblick über die Stellung, die das Deutsche unter den Sprachen der Erde einnimmt. Außerdem geht es um Deutsch als Wissenschaftssprache und darum, wie Sprache das Denken formt und welche Bedeutung Sprachwissenschaften erlangt haben, weil man sich von ihnen erhofft, moderne Technologien zu verstehen.

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Veröffentlicht am: 9. Februar 2015
Dauer: 1:44:01


Kapitel

  1. Intro 00:00:00.000
  2. Vorstellung und frühe Ausbildung 00:00:42.698
  3. Sprachwissenschaft als Schlüsselstudium des technischen Aufbruchs 00:10:57.932
  4. Sprache und Revolution 00:22:00.295
  5. Grundriss der Deutschen Grammatik 00:26:54.016
  6. Die Deutsche Sprache 00:29:29.845
  7. Die Bedeutung des Deutschen (als Wissenschaftssprache) 00:45:45.156
  8. Globalisierung der Universalsprachen 00:57:41.488
  9. Sprache formt das Denken 01:15:25.642
  10. Rechtschreibreform von 1996 01:22:46.526
  11. Deutsche Sprache, schwere Sprache? 01:27:42.126
  12. Verabschiedung 01:40:06.673

Transkript

Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Ja.

Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Ja.

Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
0:08:16

Ja.

Peter Eisenberg
0:08:17

Und es war die Zeit, in der die ganze Universitätslandschaft in Bewegung war. Das war nach der Bildungskatastrophe von Herrn Picht und nach der oder während noch der 68er Bewegung, in deren Folge ja die deutschen Universitäten sehr stark expandiert haben. Überall gab es Neugründungen, nicht nur in Nordrhein-Westfalen, aber dort besonders. Die Universitäten wurden ausgebaut, wurden größer. Der Anteil der Abiturienten an den Jahrgängen fingen an, zu wachsen. Man sprach von der Ausschöpfung der Bildungsreserven, die notwendig sei und hat alles mögliche dafür getan, um sozusagen die höhere Bildung und die universitäre Bildung zu verbreitern. Das heißt, es gab dort für Leute, die halbwegs wussten, was sie wollten, sehr gute Lebenschancen. Sehr gute, große Beweglichkeit, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Wenn jemand so wie ich als Diplomingenieur heute jemandem erzählen würde, ich brauche jetzt aber unbedingt ein Sprachwissenschaftsstudium, dann würde der sagen, du hast doch alles. Was willst du denn? Sei mal froh, dass du bei Telefunken angestellt wirst oder so. Damals war das anders. Wenn man seine Sache fertig gemacht hat, dann hat man sofort ein Stipendium gefunden. Habe ich gemacht. Ich war in gewisser Weise auch ein bisschen privilegiert, ich war Stipendiat des evangelischen Studienwerks und die haben sich gekümmert. Es gab aber eine ganze Reihe von Leuten, die ähnliche Karrieren gemacht haben. Als dann die Sprachwissenschaft wirklich etabliert wurde in den 60er Jahren – 70er Jahren, erste Hälfte der 70er Jahre – setzte sie sich nur zum geringen Teil aus in der Rolle gefärbten Sprachwissenschaftlern alter Art zusammen. Meine Kollegen kamen aus der Theologie, aus der Physik. Mein Doktorvater war Physiker von Hause aus, was die Kommunikation wesentlich erleichtert hat. Ist ja klar. Aber es gab eine ganze Reihe von Naturwissenschaftlern. Es gab Geisteswissenschaftler, es gab Sozialwissenschaftler. So Leute wie Konrad Ehlich, Konrad Ehlich war Sozialwissenschaftler und Theologe. Dieter Wunderlich war Physiker von Hause aus.

Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Ja genau so ist es. Aber es gab alle möglichen Träume und Behauptungen. Etwa im Bereich der künstlichen Intelligenz und im Bereich der automatischen Übersetzungen und in anderen Anwendungsbereichen. Letzten Endes geisterte so etwas durch die Landschaft wie die Idee von der sprechenden Maschine. Es gab das sogenannte Touring-Kriterium, das besagte, gewonnen hat derjenige, der den ersten Rechner baut, der so spricht, dass man ihn nicht von einem Menschen unterscheiden kann. Und da steckte die ganze Problematik drin, die wir bis heute noch haben. Dieser Rechner wird nur von außen betrachtet. Es wird nur betrachtet, was er tut, wie er spricht und was darin passiert interessiert keinen. Das war die eine Linie, sozusagen die behaviouristische, was siehst du, was der macht. Die andere Linie, die dem entgegengesetzt war, ganz anders dachte, sprach eben vom Elektronengehirn im engeren Sinn. Dass in the long run, also auf die Dauer doch so etwas ähnliches machen sollte, wie das menschliche Gehirn. Also eine Simulation kognitiver Vorgänge, die man beim Menschen kennt oder die man ihm unterstellt. Das waren die beiden Linien. Und das ist bis heute im Prinzip so geblieben. Das jetzt im Einzelnen auszuführen würde sehr lange dauern. Und warum es dann auch so gekommen ist, wie es jetzt gekommen ist, auch. Das lag im Wesentlichen eben daran, dass die Computer immer größer und immer schneller wurden, so dass dieser Simulationsgedanke immer weiter in den Hintergrund gerückt ist und dann durch etwas anderes, wie die Netzwerktechnik letzten Endes, ersetzt worden ist. Aber was mich damals vollkommen fasziniert hat und auch an die Sprache gebracht hat, das war ein geniales Programm meines Mentors am MIT am Massachusetts Institute of Technology, in dem ich zwei Semester verbracht habe. Gerade in dieser Wechselzeit. Das war Joseph Weizenbaum, der das berühmte Computerprogramm ELIZA geschrieben hat. Das war ein Programm, man unterhielt sich mit dem Computer nicht über Mikrofon, soweit war man nicht mit der Spracherkennung, sondern über eine Fernschreibmaschine, über eine Schreibmaschine. Das war aber so gut gemacht dieses Programm, dass man den Eindruck hatte, man spricht mit einem Psychologen. Diese bekannte amerikanische psychotherapeutische Theorie steckte dahinter. Der fragte einen nach irgendetwas, man antwortete, dann kam die nächste Frage und irgendwann sagte man zu dem, der neben einem stand, geh mal bitte raus, das wird mir jetzt hier zu intim mit dem. Und dann haben wir uns das Programm angeguckt, das war einfach genial.

Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Ja, das wollte ich nicht. Das hatte ich ja. Und damals kursierten so Sprüche wie, warum machen die Arbeiter keine Revolution? Weil wir es ihnen nicht richtig erklären. Das war nicht meine Sicht der Dinge, aber das war auch ein Ausdruck dieser Hochschätzung der Sprache und ihren vielfältigen Funktionen in der Gesellschaft, eben von der Technik bis ins soziale hinein. Auf der anderen Seite gab es eben zum Beispiel diese soziolinguistischen Theorien, die damals sehr stark wurden, zum Teil auch aus Amerika importiert, über so Fragen wie, was passiert eigentlich in den Hirnen von Leuten, die nicht so sprechen, wie die Mittelschicht. Die also nicht die ganze deutsche Sprache im Sinne ihrer komplexen Syntax und der Größe ihres Wortschatzes zur Verfügung haben. Der sogenannte restringierte Code, den die Arbeiter angeblich gesprochen haben, der wurde von einer sehr dogmatischen und sehr wichtigen Fraktion so interpretiert, dass, wenn man den Leuten die Mittelschichtsprache beibringt, dann denken sie auch wie die Mittelschicht. Dieser Zusammenhang von Sprache – kann man nicht mehr so richtig vorstellen - dieser Zusammenhang von Sprache und Denken, der wurde als sehr eng angesehen, aber natürlich ist die Sprache nur ein Symptom. Und man fing dort in großem Umfang an, Symptom zu kurieren. Auch das wieder nur ein Beispiel dafür, wie weit damals das Interesse an der Sprache reichte. Und für mich, der aus der Technik kam und auch Algebra gemacht hatte und viel Akustik gemacht hatte, formale Sprachen gemacht hatte. Ich habe eine Reihe von Programmiersprachen beherrscht. Logikkalkül das war für eigentlich ganz alltäglich. Für den war es eine sehr gute Möglichkeit, da zu starten und in die Sprachwissenschaft, in die Wissenschaft von den natürlichen Sprachen einzusteigen. Die Basis war also in gewisser Weise schon vorhanden. Und das hat dann mit den ganzen gesellschaftlichen Randbedingungen und dem politischen Denken, was in meiner Generation, damals in Berlin zumindest, sehr verbreitet war, den Ausschlag gegeben. Ich versuche es jetzt mal. Auch die automatische Übersetzung, auch die künstliche Intelligenz scheitert daran, solange man nicht sehr sehr sehr viel mehr über die Sprache weiß. Und ich habe dann auch noch eine Weile so ein bisschen geschwankt, ob ich nicht in diese eher technische Richtung reingehen sollte und dann war die Philologie aber so faszinierend plötzlich. Ich habe auch ein altsprachliges Gymnasium besucht irgendwie. War so faszinierend, dass ich mich daran festgebissen habe.

Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Also eher wie das Italienische, gar nicht wie das Französische. Wenn wir die Zeit ins Auge fassen, wie man das Neuhochdeutsche nennt, dann ist der Entwicklungsprozess dessen, was wir heute als das überregionale Deutsch oder das Standarddeutsch oder das Normaldeutsch, also das Deutsch, das in der gesamten deutschen Sprachgemeinschaft, mindestens in Deutschland, verwendet werden kann. Ist auf ziemlich offensichtliche Weise entstanden. Nach der Erfindung des Buchdrucks wurde die geschriebene Sprache immer wichtiger. Es gab eine zunehmende Kommunikation zwischen den verschiedenen Sprachräumen, die man im allgemeinen Dialekte nennt oder Regionalsprachen. Dann kam die Übersetzung des Neuen Testaments von Luther. Und Luther hat nicht nur das Neue Testament übersetzt und dann im ganzen deutschen Sprachraum vertrieben, sondern er hat drei Ausgaben gemacht, wobei in der 2. und der 3. Ausgabe sehr viel eingeflossen ist, was nicht aus dem Meißner Deutsch ist, sondern aus anderen Gebieten. Das war eigentlich ein Teil der wirklich genialen Leistung von Luther, dass er sehr vieles aufgenommen hat. Das wird meistens nicht genügend berücksichtigt dabei. Und dann hatten wir hier einen Text, der sehr weite Verbreitung gefunden hat. Gleichzeitig entwickelten sich in Deutschland die Wirtschaftsräume. Wurden immer größer. Die Kanzleisprache, die Sprache des Rechts, auch die Sprache der Literatur. Diese Sprachformen des Geschriebenen begannen sich regional auszubreiten, so dass die sogenannten Schreibdialekte, so spricht man davon, immer größer wurden. Die wurden immer größer und dann wurde die Entwicklung im 17. Jahrhundert bekanntlich unterbrochen durch den 30-jährigen Krieg und durch die politischen Wirren, aber danach ging es gleich in der selben Richtung weiter. Und wir hatten dann also zu Beginn der Klassik, sagen wir mal, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schon einen Sprachzustand erreicht, in bestimmten Gebieten Deutschlands, der sich kaum von dem unterscheidet, was wir heute als Standarddeutsch bezeichnen. Also die fortschrittlichsten Schreiber, das waren zum Teil Literaten, aber auch Sprachwissenschaftler, der Adelung, meiner Meinung nach ein Sprachgenie, der hatte den Riecher. Der hat eine Grammatik geschrieben, auch eine deutsche Orthografie und wenn man sich die anguckt...

Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Der hieß Adelung ja. Der hat eine Grammatik geschrieben und auch eine deutsche Orthografie, die sich nur in Details von dem unterscheidet, was wir heute haben. Und das 19. Jahrhundert bestand dann im Wesentlichen darin, dass dieser erreichte Stand verbreitet wurde. Da spielt dann natürlich auch die Gründung des kleindeutschen Reiches, also des 2. deutschen Reiches, des Bismarckreiches eine große Rolle. Da wurde aktiv Sprachpolitik betrieben. Da spielte auch dann eben Konrad Duden seine sehr wichtige Rolle bei der Vereinheitlichung der Orthografie. Es wurde ja alles vereinheitlicht damals. Die Spurbreite der Eisenbahn. Es wurde die Steigungd es Gewindes vereinheitlicht, was wir heute deutsche Industrienorm nennen usw. Es musste alles vereinheitlicht werden. Und in ausdrücklicher Abgrenzung zu dem, was nicht im kleindeutschen Reich war. Das muss man immer sehen. Deswegen haben wir heute diese Probleme mit dem – oder ganz vorsichtig gesagt – wäre es anders gelaufen, wenn Österreich auch Mitglied des kleindeutschen Reichs geworden wäre, was natürlich undenkbar ist. Genauso undenkbar war es, dass die deutsche Schweiz Mitglied des kleindeutschen Reiches geworden ist. Aber Bayern immerhin. Was sie ja teilweise auch schwer bereuen. Also da ist sehr viel praktische Politik gemacht worden. Sehr viel Sprachpolitik gemacht worden. Sind Fachterminologien entwickelt worden. Zum Beispiel auch die Fußballterminologie stammt daher. Gucken Sie mal das Französische an, die sagen Penalty, ein echter Anglizismus. Wir sagen Strafstoß. Die sagen Futbol, wir sagen Fußball usw. Das sind alles damals ziemlich gut entwickelte Kernwörter des Deutschen gewesen, die man sich ausgedacht hat, entwickelt hat. Gleichzeitig mit der Einführung des Fußballs. Das war das wichtige. Es gab diesen Sport gar nicht. Sport war vom Turnvater Jahn her so was wie, individueller Sport, vielleicht in einer Gruppe, aber nicht so was wie das Mannschaftsspiel. Und das kam damals auf. Der Fußball war sofort sehr populär in Deutschland und es gab den Braunschweiger Fußballlehrer, der dieses gesamte englische Vokabular ins Deutsche übertragen hat und davon lebt es heute noch.

Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Nein, es ist nicht identisch. Ich kann dazu gleich gerne zwei Sätze sagen. Dass sich diese Sprachform, diese Supervarieté, diese Superausprägung des Deutschen von unten entwickelt hat. Also die hat sich entwickelt im Gebrauch. Sie hat sich deshalb entwickelt, weil ein Bedarf daran bestand, in größeren Räumen, innerhalb des deutschen Sprachgebiets zu kommunizieren. Vor allen Dingen im Geschriebenen. Die Wirtschaftsräume wurden immer größer und die Kulturräume wurden immer größer, aber die Kleinstaaterei blieb. Das heißt wir hatten eigentlich im Prinzip schon eine überregionale Sprache, bevor wir eine deutsche Nation hatten. Das ist der wesentliche Unterschied zum Französischen. Im Französischen wurde der Staat stark gemacht und der oktroyiert eine Minderheitensprache, oktroyiert muss man vielleicht mit Vorsichtig gebrauchen, er machte eine Minderheitensprache, die vielleicht von 15% der Franzosen gesprochen wurde. Also das Französisch der Île de France machte er zur Staatssprache und hat auf diese Weise im Lauf der Zeit die Regionalsprachen, die sehr stark waren im Französischen, nicht nur das baskische und das bretonische, sondern auch so andere romanische Sprachen, wie das Katalanische, das Okzitanische, das Provinzalische usw. Die wurden marginalisiert. Das heißt in Frankreich ist die Entwicklung von oben nach unten gelaufen. In Deutschland von unten nach oben. Das ist der wesentliche Unterschied und das macht die deutsche Standardsprache auch so stark. Sie ist sehr gut verankert in der Sprachgemeinschaft. Und um die französische Sprache muss permanent gekämpft werden. Es muss permanent gekämpft werden, weil sie auch durch dieses Oktroi von oben sich nicht entwickeln kann. Sie wurde festgeschrieben. Die Entwicklung ist sehr kompliziert und sehr langsam. Bevor Sie da irgendwas durch kriegen, hat auch sein gutes, kommt niemand auf die Idee so eine dumm geradezu Orthografiereform zu machen, wie in Deutschland. Das ist in Frankreich völlig undenkbar. Das hat auch sein gutes, aber auf der anderen Seite ist die französische Sprache sehr sehr konservativ im Vergleich zum Standarddeutschen.

Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Ja.

Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
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Tim Pritlove
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Peter Eisenberg
0:53:10
Tim Pritlove
0:54:26
Peter Eisenberg
0:54:28

Ja, obwohl es Gegenbewegungen gibt gerade in Schweden. Und zum Dänischen kann man auch interessante Dinge reden. Also ich habe Freunde in Dänemark, die mir sagen, obwohl mal in Dänemark die Diskussion so geführt wurde, als solle man das Englische als zweite Amtssprache einführen sogar. Da wird mir gesagt, dass in den meisten Disziplinen in Dänemark, innerhalb der Labors weitgehend Dänisch gesprochen wird. Wenn nicht gerade ein amerikanischer Kollege da ist oder mehrere, die nichts verstehen. Aber wenn sie nichts verstehen sollen, natürlich. Aber auch im Alltag wird sehr viel mehr dänisch gesprochen, als man an den schriftlichen Äußerungen erkennen kann. Was das bedeutet für die Sprache, ist nicht gut erforscht. Also wie viel Vokabular die da wirklich auf dänisch haben, Wissenschaftsvokabular, ist nicht gut erforscht. Das ist nur mal so eine interessante These, wie das genau im Deutschen ist wissen wir nicht, aber wir wissen, dass das Deutsche immer noch universell verwendbar ist. Das heißt wenn wir wollen, können wir eine Terminologie, wie bestimmten naturwissenschaftlichen Teildisziplinen oder auch Ökonomie nur in Englisch gibt, wir können sie sofort auf deutsch herstellen, wir haben die Mittel, das ist gar keine Frage. Wir haben die Mittel und deswegen ist für mich immer in dem Zusammenhang die Frage, sollen wir nicht uns überlegen, wie wir das Deutsche innerhalb des deutschen Sprachgebiets so stärken können, dass diese Mittel auch tatsächlich angewandt werden. Und meine These ist, das vernünftigste wäre, um das Deutsche als Wissenschaftssprache intern zu pflegen, das Grundstudium und das Studium bis zum Vordiplom und den ersten Bachelor und so weiter obligatorisch auf deutsch abzuhalten. Dann wäre jeder Professor, jeder Physiker und jeder Chemiker und jeder Soziologe gezwungen, den Studenten der ersten Semester seine Disziplin auch mit deutschem Vokabular nahezubringen.

Tim Pritlove
0:57:00
Peter Eisenberg
0:57:03
Tim Pritlove
0:57:41
Peter Eisenberg
0:58:43

Naja also vor der Hand ist der Zug abgefahren. Ob er auf die Dauer abgefahren ist, das entscheidet sich nicht am Verhältnis von englisch und deutsch, sondern das entscheidet sich vielleicht mal, da gibt es Spekulationen, am Verhältnis von englisch und chinesisch. Darauf nehme ich nicht Bezug. Ich bin auch nicht der Meinung, dass man das Englische bekämpfen muss, gar nicht. Das ist absolut weltfremd. Für mich steht eher mit einer großen Zahl der Kollegen die Frage, ob wir es uns erlauben können, alle noch vorhandenen ausgebauten Sprachen in bestimmten Verwendungsdomänen aufzugeben, so dass wir nachher tatsächlich vielleicht nur noch das Englische und das Chinesische und das Russische und das Spanische haben. Und da ist die Antwort ganz klar, nein. Wir sollen es nicht aufgeben. Sondern erstens wissen wir nicht was passiert global. Ich war auch lange in Georgien, ich erzähle Ihnen mal einen Schwank aus meinem Leben. In Georgien war russisch verpflichtend in der Wissenschaft. Dissertationen wurden auf russisch geschrieben. Aber in der georgianischen Teilrepublik war es auch Pflicht in den meisten Fächern eine georgische Version einzureichen. Das hat dazu geführt, dass nach dem Zerfall der Sowjetunion, georgisch als Wissenschaftssprache sofort zur Verfügung stand. Was in Aserbaidschan zum Beispiel dem Nachbarland nicht der Fall war. Und das meine ich. Wir wissen nicht, was in den nächsten 100 Jahren passiert und wir können uns ohne weiteres Szenarien vorstellen, in denen wir froh sind, wenn wir das Deutsche haben. Das ist aber so ein bisschen Spekulation und man weiß ja nie, und man soll auch das nicht aufgeben, was man hat. Es gibt ganz andere Gesichtspunkte in diesem Zusammenhang. Einer ist das berühmte, geht von dem berühmten humboldtschen Diktum aus, das habe ich da auch zur Geltung bringen wollen, dass die Sprachform, die Struktur des Vokabulars mit ausschlaggebend sind für die Denkform. Und das würde bedeuten, dass Sie in bestimmten Disziplinen zumindest eine Denkform aufgeben, wenn Sie das Deutsche aufgeben. Es wird zum Beispiel, um mal was ganz traditionelles zu sagen, die These vertreten, dass Sigmund Freud seine Werke in französisch gar nicht so hätte schreiben können, wie er es gemacht hat.

Tim Pritlove
1:01:31
Peter Eisenberg
1:01:32
Tim Pritlove
1:03:11
Peter Eisenberg
1:03:14

Naja so was wie Philosophie oder Ontologie oder damals wurde die ganze Philosophie verdeutscht. Philosophie ist irgendwie so was wie Geistwissenschaft oder so was. Und das wurde von dem Philosophen Wolf mit großer Verve und sehr weit durchgeführt und das hat eben gezeigt, dass wir die Mittel haben, wenn wir wollen, diese Begriffe im deutschen Kernwortschatz zu verankern. Ich bin gar nicht dafür, dass das da gemacht wird. Ich bin aber auf jeden Fall dafür, dass diese Mittel erhalten bleiben, dass die deutsche Wortbildung lebendig bleibt und auch verwendet wird im Wissenschaftsbereich. Das dritte, was man in diesem Zusammenhang unbedingt sehen muss und was nicht gesehen wird, zu wenig gesehen wird, das ist, dass sich das Verhältnis der Wissenschaft zur Öffentlichkeit ändert. Die Wissenschaftssprache, als ich ein junger Wissenschaftler wurde, hatte Anforderungen – damals war deutsch in vielen Gebieten unbestritten auch in der E-Technik, da kam niemand auf die Idee irgendwie eine englische Vorlesung zu halten – da gab es so Anforderungen an die Wissenschaftssprache. Das Subjekt bleibt draußen, das wird alles in ruhigem, objektivem Tonus formuliert und wie verständlich das ist nach außen, das ist nicht so wichtig. Das hat sich alles geändert. Was wollen Sie eigentlich unter Wissenschaftssprache verstehen. Denken Sie mal an den Diskurs, der geführt wurde und geführt wird über Gentechnik. Was wollen Sie denn eigentlich... also wir sind heute darauf angewiesen, dass die Öffentlichkeit stärker als früher den Gang der Wissenschaft akzeptiert und begleitet. Das geht manchmal sogar zu weit, meiner Meinung nach, dass also zu viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht wird. Und der Öffentlichkeit das Blaue vom Himmel herunter erzählt wird. Das gibt es auch. Es geht ja ums Geld. Letzten Endes geht es ums Geld. Und mal abgesehen von den Probleme, die es überall gibt, die es ja auch gibt, aber ist es doch ganz offensichtlich, dass eine Disziplin, die überhaupt keine Wörter mehr hat und überhaupt nicht mehr gewohnt ist, sich auf deutsch zur Sache zu äußern, hier auf die Dauer ein unüberwindbares Problem bekommt. Und all diese Dinge vermeidet man, wenn man mit begründeten Ausnahmen, natürlich müssen möglich sein in bestimmten speziellen Fällen muss das Englische von Vornherein zugelassen sein. Im graduierten Bereich sowieso. Wenn die Wissenschaftler nach Deutsch(Land) zum studieren kommen, die Freshmen, die Erstsemester wollen die Deutsch zum großen Teil. Die sind schwer enttäuscht, wenn sie hier her kommen aus Polen oder auch aus Frankreich. Ich habe es erlebt wirklich mehrfach.

Tim Pritlove
1:06:37
Peter Eisenberg
1:06:38
Tim Pritlove
1:07:52
Peter Eisenberg
1:08:48
Tim Pritlove
1:08:49
Peter Eisenberg
1:08:57

Eben nicht für alle. Also das hängt jetzt wieder von den Bedingungen ab, unter denen ein junger Wissenschaftler arbeitet. Rebus sic stantibus. Also so wie die Dinge nun mal liegen heutzutage, ist es so, dass er im Interesse seiner eigenen Karriere versucht, auf Englisch zu publizieren. Das muss er lernen. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber der erste Erwerb und die erste Verfassung von Seminararbeiten sagen wir mal oder von Berichten über Laborübungen, die machen sich auf jeden Fall für einen deutschen Muttersprachler leichter auf deutsch. Die Wissenschaft kommt auf ihn zu in seiner eigenen Sprache. Das ist so. Und wenn er sie versteht, wenn er in ihr heimisch wird, dann wird er selbst auch sehr viel größeren Wert darauf legen können, dass er in der Fremdsprache, wenn er sie dann einigermaßen beherrscht, auch soweit es irgend möglich ist, das sagt, was er sagen will. Was er eben auch in seiner Muttersprache zu sagen gelernt hat. Also ich habe mich auch – ja gut, das ist eigentlich das Wesentliche – für ihn persönlich geht es heute darum, dass er in bestimmten Disziplinen international sichtbar wird. Da gibt es diese Indizes und alles mögliche komische Zeug, dem sich die jungen Wissenschaftler beugen müssen. Dagegen kann man sehr viel reden, das tue ich aber nicht in diesem Zusammenhang, das ist nicht mein Thema. Mein Thema ist, dass ihm seine Disziplin zunächst mal in der Denkform nahegebracht wird, in der er sozialisiert ist. Die sozusagen das ganz eigene ist. Und wenn er sich dann international betätigt, dann muss er das mit den anderen auf Augenhöhe können und da müssen wir sehr viel für die Verbesserung des Englischen in verschiedenen Disziplinen in Deutschland tun. Das ist gar keine Frage. Wenn wir unsere Leute konkurrenzfähig halten wollen. Wir haben da weniger Probleme zum Beispiel als die Franzosen, die haben da sehr viel mehr Probleme aus bestimmten Gründen. Aber wir haben mehr Probleme als die Schweden oder die Holländer. Ich rede nicht dem Provinzialismus das Wort, überhaupt nicht! Und wenn die Graduiertenschulen auf Englisch angelegt werden, ist in den meisten Fällen nichts gegen zu sagen. Und wenn englische Textbücher verwendet werden oder amerikanische. Also Textbücher in englischer Sprache. Traumhaft wäre es natürlich auch, es würde mal ein französisches vorkommen. Aber wenn die verwendet werden schon von Anfang an, ist nichts gegen zu sagen, gar nichts. Aber dass unsere Studenten generell, so wie es absehbar an der TU München gemacht werden soll, nur noch englisch hören in ihren Studien, das halte ich für kontraproduktiv, was die Sache betrifft. Und nicht nur, weil ich einer bin, dem die deutsche Sprache am Herzen liegt, sondern auch, weil ich der Meinung bin, dass die Studierenden so beweglich sein müssen, dass sie das nicht nur in einer ihnen fremden Sprache sagen können, was sie sagen wollen, sondern es immer wieder auch sich fragen können, wie ist denn das im Deutschen? Was steckt denn da dahinter? Wie könnte ich denn das sagen? Also ich sage Ihnen mal ein Beispiel aus einem anderen Bereich. Ich habe kürzlich beim deutschen Übersetzerfond einen Vortrag gehalten über literarische Übersetzungen, aus dem Englischen ins Deutsche. Und habe das an einem berühmten Fall gemacht, am Roman von Williams, der heißt „Stoner“. Das ist die Geschichte eines amerikanischen Literaturwissenschaftlers an der Uni. Und das ist ein wunderbares amerikanisches Englisch. Ganz wunderbar. Ich habe mir die deutsche Übersetzung angeguckt, die auch sehr professionell ist und sehr gut. Und habe, um das mal ganz konkret zu sagen, festgestellt, dass nur ein Drittel der englischen amerikanischen Passive im Deutschen als Passiv wiedergegeben wird. Zwei Drittel nicht. Sondern wenn da steht „er wird geschlagen“ „he has beaten“ oder so was, gut in einem Drittel funktioniert es, in zwei Dritteln der Fälle funktioniert es nicht. Und als ich das da vorgetragen habe, da haben die Übersetzer nur gestaunt. Und haben gesagt, kannst du uns auch erklären, warum? Habe ich gesagt, ja kann ich. Das liegt an der Grammatik des englischen Passivs. Stellen Sie sich mal vor, da steht so ein Satz wie, „he was married“ so und so und so und so. Der Protagonist Stoner und im Deutschen heißt es dann, „er wurde verheiratet“. Stellen Sie sich das mal vor. Das ist was völlig anderes. Und es liegt daran, dass das Passiv in der englischen Grammatik einen vollkommen anderen Status hat als das Passiv in der deutschen. Das müsste man jetzt im einzelnen ausfalten, kann man machen, aber was dann die deutsche Übersetzung bringt tatsächlich, das ist dem, was im amerikanischen Passiv drinsteht, mehr oder weniger nah. Mehr oder weniger. Da wird gesucht. Umgekehrt ist es genauso. Ich habe dann auch geguckt, wie sieht das in englischen Übersetzungen aus von deutschen literarischen Texten. Die müssen Klimmzüge machen teilweise, einfach weil sie die Konstruktionen nicht abbilden können, die das Deutsche locker verwendet. So was wie vorausgestelltes Attribut. Das jedem Kind bekömmliche Vollkornbrot. Jedem Kind bekömmlich. Das müssen Sie mal auf englisch sagen, da kommt sonst was raus.

Tim Pritlove
1:15:26

Ja genau, da denke ich auch schon die ganze Zeit drüber nach, auch so aus meiner eigenen Erfahrung mit Deutsch und Englisch, wenn ich versuche, Dinge bestimmte Dinge, die mir aus dem englischen Kulturraum oder aus dem amerikanischen, also aus dem Anglokulturraum, mir bekannt sind, ins Deutsche zu übertragen, scheitere ich manchmal bei der Wortwahl. Genauso habe ich Probleme, mir eben aus dem deutschen Kulturraum bekannte Phänomene englischen Sprechern entgegenzubringen, das ist einfach sehr schwierig. Was ich daraus für mich ableite, ist, Sprache formt das Denken. Die Art und Weise, wie ich im Deutschen meine Gedanken modelliere funktionieren irgendwie anders, als wenn ich das mit Englisch mache. Und ich habe auch so meine Domänen, wo ich die andere Sprache bevorzuge. Ich bin groß geworden mit der Computerwelt und die war für mich von Anfang an irgendwie englisch. Ich kann so mit Direktzugriffspeicher und so was irgendwie nichts anfangen. Das bringt mich nicht weiter. Das ist mir dann auch interessanterweise meiner eigenen Sprache dann auch schon wieder zu nahe. Also ich benutze es explizit im Englischen als Fremdbegriff, der für mich automatisch ein Fachbegriff ist und manchmal bin ich auch total überrascht, wenn ich so im normalen Umgang mit – ja im normalen, ich bin im Ausland, ich bin in England, rede mit Leuten und dann benutzen die auf einmal für ganz normale Dinge Wörter, die für mich einfach als Fachbegriff abgestempelt. Und dann denke ich so, das kann man auch außerhalb dieses Computerkontextes benutzen, ist ja lustig. Und dann merke ich erst, ahja da kommt das irgendwie her. Also worauf ich hinaus will ist, Sprache formt das Denken und vielleicht ist ja – das ist nur eine von mir in den Raum gestellte These – vielleicht liegt ja eine eigene Qualität darin, sich mit dem Deutschen mit etwas auseinanderzusetzen versus des Einsatzes einer populäreren Sprache, ist das was dran oder rede ich jetzt dummes Zeug?

Peter Eisenberg
1:17:36
Tim Pritlove
1:17:42
Peter Eisenberg
1:17:50

Also es gibt, was ich eben sagen wollte war eigentlich, es geht bis tief in die Grammatik. Und es gibt zum Beispiel Untersuchungen. Das wir jetzt alles erst so richtig aufgerollt in der letzten Zeit. Es gibt zum Beispiel Untersuchungen, die zeigen, dass wenn das Englische – egal ob literarische Sprache oder Wissenschaftssprache – Satzgefüge baut, die ungefähr so komplex sind, wie sie im Deutschen ganz normal sind, dann sind sie schwer verständlich, während sie im Deutschen noch sehr gut verständlich sind. Das liegt einfach daran, wie das Deutsche die Unterordnung und die Nebenordnung von Nebensätzen und Hauptsätzen regelt. Viel höher strukturiert als das Englische. Das Englische gilt ja auch als Sprache, die so gut lesbar ist. Englische Lehrbücher zum Beispiel. Das liegt daran, dass sie unter anderem kürzere Sätze verwenden. Aber wenn diese kürzeren Sätze auf der Zerhackung eines langen deutschen Satzes beruhen, dann kommt etwas ganz anderes dabei raus. Das was Sie jetzt zum Teil für Wörter expliziert haben, was ja auch in bestimmten Bereichen sehr gut untersucht ist, wo das Englische mit auch sogar deutsche Fremdwörter verwendet, ist ja gut bekannt, das geht bis tief in die Grammatik hinein. Die Frage, die wir, wenn wir über Wissenschaftssprache reden, aber stellen müssen, ist, wie weit geht sie in die Wissenschaft rein. Das ist nicht so trivial. Also wie gesagt, in den Geisteswissenschaften in der Literatur ist das gar keine Frage, auch im Zeitungsdeutsch ist das gar keine Frage, im Allgemeindeutsch, aber wie weit das in die Naturwissenschaften reingeht, wie weit der deutsche Physiker, der wirklich gut auf Deutsch sozialisiert ist, anders denkt als der britische oder der amerikanische oder der russische, das ist ein Thema, in dem es mehr Behauptungen gibt als Wissen bisher. Aber eine letzten Endes nicht beantwortete Frage. Deswegen komme ich, wenn ich darauf spreche, dass wir an den Universitäten im Grundstudium deutsch sprechen sollen, darauf auch nur am Rande zu sprechen. Es gibt genügend praktische Gründe, die dafür sprechen, dass wir das tun. Aber die Aussicht, dass das angefasst wird, von unserer Kultusministerkonferenz, Direktorenkonferenz ist da anders. Direktorenkonferenz empfiehlt das.

Tim Pritlove
1:20:45
Peter Eisenberg
1:20:46
Tim Pritlove
1:22:34
Peter Eisenberg
1:22:36
Tim Pritlove
1:22:39
Peter Eisenberg
1:22:40
Tim Pritlove
1:23:12
Peter Eisenberg
1:23:16
Tim Pritlove
1:23:52
Peter Eisenberg
1:24:20
Tim Pritlove
1:24:21
Peter Eisenberg
1:24:24
Tim Pritlove
1:25:59
Peter Eisenberg
1:26:37
Tim Pritlove
1:26:41
Peter Eisenberg
1:26:44
Tim Pritlove
1:26:46
Peter Eisenberg
1:26:47
Tim Pritlove
1:26:51
Peter Eisenberg
1:26:53
Tim Pritlove
1:27:43
Peter Eisenberg
1:28:40

Also für so einen wie mich stellt sich die Frage in der Form, wird das geschriebene Standarddeutsche, das ja das Lernziel für den muttersprachlichen Unterricht ist, wird das geschriebene Standarddeutsch noch über Generationen hinweg in ungefähr derselben Form Allgemeingut bleiben? Weil am geschriebenen Standard hängt eigentlich alles. Das ist der gemeinsame Bezugspunkt für die gesamte Sprachgemeinschaft und der kann nicht ersetzt werden ohne weiteres, dieser gemeinsame Bezugspunkt, durch irgendeine engere Varietät, wie sie zum Beispiel die Sprache in den sozialen Medien oder überhaupt die Internetsprache, die E-Mail-Sprache oder so etwas, das sind Sprachformen, die es von der Funktion in vergleichbarer Weise durchaus schon früher gegeben hat, wenn auch nicht in dem Umfang, also die Jugendsprache, Studentensprache hat eine lange Geschichte im Deutschen und hatte immer auch die Funktion, die Gruppe abzugrenzen. Aber es ist wohl tatsächlich so, dass mit den elektronischen Medien diese Sprachformen, die auch in sich nicht alle gleich sind, weite Verbreitung finden und große Gruppen erfassen. Wie weit sie die Jugendlichen oder die Computerbenutzer daran hindern, noch das Standarddeutsch zu beherrschen und in entsprechenden Kontexten auch zu verwenden, ist mindestens teilweise ungeklärt bis heute. Und es wird ganz wesentlich auch, wie langsam das geht oder wie schnell das geht oder ob überhaupt da ein Damm aufgebaut werden kann. Es ist ja kein Nachteil für einen Hauptschüler und erst recht nicht für einen Gymnasiasten, wenn er nach Verlassen der Schule das Deutsche in Wort und Schrift, das Standarddeutsche gut beherrscht, das ist ja kein Nachteil für seine weitere berufliche Entwicklung, sondern nur ein Vorteil. Insofern ist die Schule auch verpflichtet, das hinzukriegen. Da genügt es nicht, wenn man eben das Schreiben von Bewerbungen übt, was ja immer gemacht wird, sondern die müssen sich schon ausdrücken können und einigermaßen korrekt, jedenfalls soweit, dass, wenn sie Zweifel haben, sie ein Rechtschreibwörterbuch aufschlagen oder richtiges und gutes Deutsch aufschlagen oder irgend etwas, dass sie sich da zurechtfinden. Sie müssen sich irgendwie im Standard zurechtfinden, müssen da zu Hause sein. Also das wird ganz wesentlich davon abhängen, wie sich die Lehrerausbildung entwickelt. Wenn die Universitäten darauf bestehen, dass die Deutschlehrer ganz besonders, aber auch die Fachlehrer, zumindest wenn wir mal die Grundschule nehmen oder aber auch, wenn wir die Gesamtschule nehmen oder das Gymnasium nehmen, dass die Lehrer dieses Ziel weiter verfolgen im Deutschunterricht. Wenn wir ihnen auch so viel beibringen, dass sie das können an den Unis, dann hat das Deutsche in diesem Sinne noch eine lange Geschichte vor sich. Weil es eben auch so natürlich und so leicht zu lernen ist. Und dieses Gerücht, dass das Deutsche eine schwere Sprache ist, das ist ein übles Gerücht seit Mark Twain oder auch noch aus noch älteren Zeiten immer wieder kolportiert wird von Leuten, die keine Lust haben, das zu lernen. Französisch ist viel schwerer.

Tim Pritlove
1:32:37
Peter Eisenberg
1:32:39
Tim Pritlove
1:32:42
Peter Eisenberg
1:32:42
Tim Pritlove
1:34:12
Peter Eisenberg
1:34:17
Tim Pritlove
1:34:32
Peter Eisenberg
1:34:44
Tim Pritlove
1:34:48
Peter Eisenberg
1:35:01

Also das hat ganz verschiedene Motivationen. In Teheran war es so, dass es dort sehr alte Beziehungen gibt zu Westeuropa. Zu Deutschland, zu Frankreich, zu anderen auch. Und das waren so mit die besten Studenten, die ich überhaupt gesehen habe. Die hatten einfach den ausgeprägten Willen, diese Sprache zu lernen, um die Literatur zu lesen, um vielleicht auch mal in Deutschland zu studieren, um die Sprache zu können. Weil Deutschland hat in vielen Ländern der Erde ein hohes Prestige. Kulturell, technisch. Also gerade das Technische, das war zum Beispiel von ganz großer Bedeutung in Thailand. Dort wurde mir immer wieder erzählt, dass ThaiAir nur so gut sei, weil Lufthansa die Piloten ausgebildet hätte. Und wenn Sie in eine Druckerei gehen, ich sage jetzt mal was ganz gefährliches, ich gehe nachts – mach ich Spaziergänge - durch Bangkok und komme an einer Druckerei vorbei, hell erleuchtet, wird gedruckt, stehen fünf Druckmaschinen, davon laufen drei, steht dann Heideldruck. Bei den anderen beiden steht es nicht. Und der deutsche Maschinenbau in China spielt eine riesige Rolle. Und als ich in China das erste Mal, das war 1988, also direkt vor Tian’anmen, an der Peking-Universität. Da spielte das kombinatorische Denken, was Sie lernen, wenn Sie lernen, wie Wörter im Geschriebenen aus Buchstaben und aus Silben und aus Morphemen aufgebaut sind und dann wie aus Wörtern Phrasen und Sätze aufgebaut sind. Im Chinesischen gibt es diese Art von Kombinatorik fast gar nicht. Und das war eine Denkform, die galt als subversiv in China zu der Zeit. Das war so. Die haben es mir aus der Hand gefressen, irgendwann wurde ich zum Dekan bestellt und da wurde mir gesagt, die Studenten hätten sich beschwert, dass sie nichts verstehen, das Gegenteil war wahr. In Ägypten gab es - da war ich eben wie gesagt an der Al Asa-Univesität sogar - eine sehr starke Motivation Deutsch zu lernen, weil Deutsch unter anderem nicht belastet war, wie das Englische und das Französische, politisch, historisch. Allerdings dann wieder mit der Kehrseite, man wollte mich unbedingt nach El Alamein bringen und sagen, hier guck mal, der Wüstenfuchs Rommel das war doch noch ein Kerl. Das kommt Ihnen auch unter. Das kommt Ihnen in Japan auch unter. Da hat das Deutsche ein großes Ansehen. Einmal weil ich im 19. Jahrhundert das deutsche Rechtssystem importiert worden ist nach Japan und einen sehr großen Einfluss hatte auf das japanische Rechtswesen und auf die Kultur im Allgemeinen. Und deswegen bis heute ein hohes Ansehen hat, aber da gibt es jetzt auch die Kehrseite. So ist es nicht über einen Leisten zu schlagen. Manchmal ist es auch so gewesen, dass ich mich geärgert habe, wenn ich irgendwo war, wo die Philologien alle vertreten waren und ich gesehen habe, wie zum Beispiel, wie selbstbewusst das Personal das Französische vertreten hat. Und wie ängstlich oder wenig selbstbewusst das deutsche Personal sein Deutsch vertreten hat. Weil sie aus Deutschland nur hören, das Deutsche ist übermorgen schon am Ende und eine sterbende Sprache, dann war das so, warum?

Tim Pritlove
1:39:07
Peter Eisenberg
1:39:10
Tim Pritlove
1:39:52
Peter Eisenberg
1:39:57

Ja.

Tim Pritlove
1:39:57
Peter Eisenberg
1:40:00
Tim Pritlove
1:40:04
Peter Eisenberg
1:40:29
Tim Pritlove
1:40:35
Peter Eisenberg
1:40:38
Tim Pritlove
1:40:41